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1 Tag Wissenschaftstheorie
(„Schnellsiedekurs“ für DUK-Lehrgänge)
Donau-Universität Krems
Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien
2. Gliederung
Was ist Wissenschaftstheorie (nicht)?!
Einige Grundbegriffe!
Wissenschaft als (ein) Glaubenssystem!
3-fache Weltbezüge + Geltungsansprüche!
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Februar 2009 Peter Baumgartner 2
3. Was ist Wissenschaftstheorie (nicht)? - 0
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4. Was ist Wissenschaftstheorie (nicht)? - 1
Philosophie Wissenschaftsmethodik
Gleichsetzung greift zu kurz:
Aber: Teilgebiet der Philosophie
Untersucht:
• Charakteristika
wissenschaftlicher Erkenntnis
• Erkenntnistheoretischer Status
wissenschaftlicher Theorien
Wertproblematik Theorie von der
Wissenschaft
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5. Was ist Wissenschaftstheorie (nicht)? - 2
Philosophie Wissenschaftsmethodik
Blick nicht nur auf Objekte, sondern
auch auf Methoden. Aber: Keine
bloße Methodenlehre, weil:
• Wann & Wie weit sind Methoden
anzuwenden?
• Was sind ihre Voraussetzungen?
Methodisch reflektiertes Denken!
Wertproblematik Theorie von der
Wissenschaft
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6. Was ist Wissenschaftstheorie (nicht)? - 3
Philosophie Wissenschaftsmethodik
-> Naturwiss. / Sozial- & Geisteswiss.
-> analytisch, zerlegend / ganzheitlich
-> nomothetisch / ideografisch =
gesetzmäßig und regelhaft versus
eigentümlich, einmalig, singulär
-> erklärend / verstehend,
interpretierend (hermeneutisch)
Wertproblematik Theorie von der
Wissenschaft
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7. Was ist Wissenschaftstheorie (nicht)? - 4
Philosophie Wissenschaftsmethodik
Nicht nur ein System von Aussagen;
Nicht bloß eine Methodenlehre
(Rezeptologie)
Nicht nur Mittel zum praktischen
Handeln sondern
Zusammenhang von
wissenschaftlicher Erkenntnis
und gesellschaftlicher Praxis
Wertproblematik Theorie von der
Wissenschaft
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8. Forschung: Postulat der Wertfreiheit
context of discovery
Entdeckungszusammenhang
interessengeleitet
context of justification
Begründungszusammenhang
Wertfreiheit
context of utilization
Verwendungsszusammenhang
interessengeleitet
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9. Grundbegriffe
1. Induktiver Schluss: Vom Einzelnen auf das Allgemeine.
Ein weißer Schwan, ein weiterer weißer Schwan und noch
ein dritter weißer Schwan -> „Alle Schwäne sind weiß.“
Kann nie verifiziert werden: Es genügt ein einziges
Gegenbeispiel!
2. Deduktiver Schluss: Vom Allgemeinen auf das Einzelne.
Existenzsätze, die sich durch empirische Überprüfung
falsifizieren lassen. -> „Es gibt keine nichtweißen
Schwäne.“ Werden keine nichtweißen Schwäne gefunden,
dann hat sich die Theorie bewährt. (Aber: Kein Beweis!)
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10. Ludwig Wittgenstein (1889-1951) - Über Gewissheit
„Wenn wir anfangen etwas zu glauben, so
nicht einen einzelnen Satz, sondern ein
ganzes System von Sätzen. (Das Licht
geht nach und nach über das Ganze
auf.)“ (§141)
“Was feststeht, tut dies nicht, weil es an
sich offenbar oder einleuchtend ist,
sondern es wird von dem, was daran
herumliegt, festgehalten.” (§144)
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11. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- 1
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12. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- 2
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13. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- 3
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14. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- 4
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15. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- 5
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16. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- 6
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17. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- 7
(Prinzipien)
1. Zirkularität: Theorien können im Prinzip nie durch einzelne
Argumente aufgebrochen/widerlegt werden. Sie sind
Systeme von Anschauungen, Bezugsrahmen.
2. Automatische Selbst-Expansion: Theorien schützen sich
gegen Kritiken durch Strategien des Negierens,
Ignorierens und letztlich durch Hilfsannahmen.
3. Alternative Theoriebildung verhindern: Finanzmittel,
Publikationsmöglichkeiten für Theorien außerhalb des
herrschenden Paradigmas nur eingeschränkt verfügbar.
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18. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- Beispiele
1. Hexerei, Orakel und Magie bei den Zande: Warum das
benge Orakel „unfehlbar“ ist… (Evans-Pritchard)
2. Ptolemäische versus kopernikanische Theorie: Wie die
Widersprüche in den vorausgesagten Planetenbahnen
„korrigiert“ wurden… (Thomas Kuhn)
3. Betazerfall des Neutrons: Wie der Satz von der Erhaltung
der Energie „gerettet“ wurde… (Wolfgang Pauli)
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19. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- Beispiel 1
Hexerei, Orakel und Magie bei den Zande
Huhn wird eine bestimmte Schlingpflanze (benge) zum
Fressen gegeben. Wenn es stirbt, dann Lüge.
Randbedingungen seitens des Medizinmannes:
Sexuelle Enthaltsamkeit über Tage
Bestimmte Diätvorschriften über Wochen
Spezifische Vorbereitungsarbeiten
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20. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- Beispiel 2
Planeten umkreisen
die Erde
Ptolemäisches System
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21. Bewegung von Mars am Nachthimmel
1. September
1. April
1. Oktober
1. Mai
1. August
1. Juni
15. Oktober
1. Juli
...... erwartet
___
tatsächlich beobachtet
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22. Bewegung
von Mars am Nachthimmel 2
Take the apparent motion of Mars from an
observer on the Earth, for example. As the Earth
and Mars orbit around the sun, Mars appears to
advance forwards, and then stop and start moving
backwards, and then stop and change direction
once again to start moving forwards (shown in the
picture at left). You can see in the picture that this
phenomenon is easily explained by a heliocentric
universe ("heliocentric" meaning the sun is the
center of the universe), but imagine being an
ancient Greek and trying to understand why Mars
would follow such an unusual orbit (when,
according to them, it was supposed to have a
circular orbit) if the Earth was the center of the
universe!
http://cmb.physics.wisc.edu/tutorial/briefhist.html
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23. Ptolemäus – Epizirkel Korrektur
Epizirkel
Epizirkel – Hyptohese Epizirkel – Umlaufbahn
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24. Ptolemäus – Epizirkel Korrektur
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25. Wissenschaft als „Glaubenssystem“- Beispiel 3
Elektron-
Antineutrino
Elektron
Proton
Die „Erfindung“ des Neutrinos (1930)
Experimenteller Nachweis mehr als 20 Jahre später!
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26. Neue Definition von „Planet“
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27. Kommunikatives Handeln
Geltungsanspruch Weltbezüge
sozial
Legitimität
normative Richtigkeit
subjektiv objektiv
Wahrhaftigkeit Wahrheit
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28. Medien
Geltungsanspruch Weltbezüge
sozial
kommunikative Medien
Handlung
kooperatives Wissen
subjektiv objektiv
interaktive Medien darstellende Medien
Aufgaben Präsentation
interaktives Wissen rezeptives Wissens
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29. Didaktisches Handeln
Geltungsanspruch Weltbezüge
sozial
(Co-)LernerIn,
LernhelferIn
subjektiv
objektiv
Entwicklung des
Stoff, Material
Selbst
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30. Forschendes Handeln
Geltungsanspruch Weltbezüge
sozial
(Co-)ForscherIn,
Scientific Community
Subjektiv
Objektiv
Aufrichtigkeit
Daten, Material
Intersubjektive Überprüfbarkeit
Erkenntnisse
Entwicklung der
Beitrag zur Wissenschaft
ForscherInnenpersönlichkeit
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31. Forschendes Handeln
Geltungsanspruch Weltbezüge
sozial
(Co-)ForscherIn,
Scientific Community
Subjektiv
Objektiv
Aufrichtigkeit
Daten, Material
Intersubjektive Überprüfbarkeit
Erkenntnisse
Entwicklung der
Beitrag zur Wissenschaft
ForscherInnenpersönlichkeit
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32. Anzahl der AutorInnen pro Artikel
M. E. J. Newman (2000): Who is the best connected scientist? A study of scientific
coauthorship networks, p11. http://www.arxiv.org/abs/cond-mat/0011144/
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33. Anzahl der MitarbeiterInnen pro Autorin
M. E. J. Newman (2000): Who is the best connected scientist? A study of scientific
coauthorship networks, p12. http://www.arxiv.org/abs/cond-mat/0011144/
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34. Forschendes Handeln
Geltungsanspruch Weltbezüge
sozial
(Co-)ForscherIn,
Scientific Community
Subjektiv
Objektiv
Aufrichtigkeit
Daten, Material
Intersubjektive Überprüfbarkeit
Erkenntnisse
Entwicklung der
Beitrag zur Wissenschaft
ForscherInnenpersönlichkeit
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35. Wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten
1. Masterthese: Soll zeigen, dass die Methoden und
Techniken des wissenschaftlichen Arbeiten beherrscht
werden. Keine neue wissenschaftliche Erkenntnis.
2. Dissertation: Soll zeigen, dass ein Beitrag zur Weiter-
entwicklung der Wissenschaften geleistet werden kann.
3. Habilitation: Soll zeigen, dass ein Fachgebiet beherrscht,
auf akademischen Niveau gelehrt und weiterentwickelt
werden kann.
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36. Danke für die Aufmerksamkeit!
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Creative Commons-Lizenz
lizenziert:
Univ.Prof. Dr. Peter Baumgartner
http://www.donau-uni.ac.at/imb
http://www.peter.baumgartner.name
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