Low-Code- und No-Code-Apps im PLM: Einordnung, Nutzen, Risiken, Chancen
Success Story "Agile Entwicklung im Onsite Outsourcing"
1. Anwenderbericht
Agile Entwicklung im
Onsite-Outsourcing
Agilität gewinnen – Budget halten
Oft entscheidet heute nicht mehr Technologie über Erfolg oder
Misserfolg umfangreicher Softwareprojekte. Ausschlaggebend
sind viel mehr die Managementfähigkeiten der Beteiligten – erst
recht, wenn interne und externe Partner kooperieren. Ein Beispiel
für ein gelungenes Vorgehen ist die Entwicklung des O2-
Dealerportals.
Als einer der großen Mobilfunkanbieter Deutschlands betreibt O2
zwei wichtige Portale: eines für Endkunden, das sog. Online-Portal
(http://www.o2online.de) mit Preisen, Direktangeboten und weiteren
Informationen für diese Zielgruppe und eines für die Shops und
Handelspartner draußen im Markt. Letzteres wird bei der O2 als
Dealer-Portal bezeichnet. Betreut werden beide Portale vom Bereich
O2 Portal Solutions. Im Dealer-Portal finden sich beispielsweise eine
Anwendung für das Aufladen von Prepaid-Cards (Direct Recharge,
DRC), ein Bonussystem (Customer Reward System, CRS), der
ergonomisch gestaltete Web-Zugang zu den komplexen Funktionen
des CRM-Systems und seinen Datenbanken (eCRM), eine POS (Point
of Sales)-Applikation sowie ein Call-Center Anwendung. Im Online-
Portal sind ein Shop, eine Customer-Self-Care-Anwendung und ein
umfangreiches Informationsangebot für Endkunden
zusammengefasst. Viele dieser Anwendungen unterliegen ständigen
Veränderungen. Denn der schnelllebige Telekommunikationsmarkt
erfordert schnellstmögliche Reaktionen auf aktuelle Ereignisse, etwa
Angebote der Konkurrenz, und möglichst auch das am besten
überraschende Setzen neuer Trends, um dem Wettbewerb immer
eine Nasenlänge voraus zu sein. Für beides ist ein konzertiertes
Vorgehen zwischen Marketing und Softwaredesign unabdingbar.
Denn was nutzt eine überzeugend gestaltete Werbekampagne im
Fernsehen, wenn das entsprechende Angebot nicht auch zeitgleich
im Online-Portal verfügbar wird und über die Händler und Shops
verkaufbar steht?
Agilität ist also gefordert.
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2. Die Softwareerstellung gehört allerdings nicht zum Kerngeschäft von
O2. Deshalb werden die Lösungen in vielen Bereichen von externen
Partnern programmiert, so auch die Portale. Für deren Erstellung,
laufende Ergänzung und Modifikation sowie ihre Integration mit den
dahinter liegenden Systemen suchte O2 im Jahr 2009 zwei externe
Partner. Sie sollten nicht nur die technischen, sondern auch die mit
einem solchen Großprojekt verbundenen organisatorischen
Herausforderungen meistern. Besonderen Wert legte O2 auf schnelle
Reaktionsfähigkeit bei geänderten Anforderungen, also die schon
erwähnte Agilität, verbunden mit der Einhaltung einmal festgelegter
Budgetrahmen und hoher Programmierqualität. Nach einer
Ausschreibung entschied sich O2 hinsichtlich des Dealer-Portals für
Dirk von der Weiden das Münchner System- und Beratungshaus C1 SetCon als
Projektverantwortlicher C1 SetCon Generalunternehmer. Auch das Web-Portal für Endkunden vergab der
Provider zum Teil an das Münchner Software- und Beratungshaus,
mit dem es zuvor schon zusammen gearbeitet hatte. Für diesen
Bereich wurde aber auch noch ein zweiter Partner eingebunden.
„Wir konnten dem Auftraggeber das Gefühl vermitteln, einem Projekt
mit vielen Subkontraktoren gewachsen zu sein, deren Handling ein
gewisses Fingerspitzengefühl erfordert. Dazu kam unser
Expertenwissen in Sachen eCRM“, begründet Dirk von der Weiden,
Geschäftsbereichsleiter Software Engineering bei C1 SetCon die
Entscheidung.
Methodik mit Modifikationen
Dem Dienstleister stellten sich zwei große Herausforderungen: Die
eine bestand darin, aus den Projektmitarbeitern von C1 SetCon und
bereits zuvor für O2 tätigen freien Mitarbeitern und Subkontraktoren
effiziente und stabile Teams zu formen. Denn nichts ist in
komplexen Programmierprojekten ärgerlicher als ständiger
Mitarbeiterwechsel, der stets zu neuen Einarbeitungsfristen und
regelmäßig zu Know-How Verlust führt und Projekte so empfindlich
zum Stocken bringen kann. Die zweite ergab sich aus zwei an sich
widersprechenden Anforderungen – einerseits Agilität, andererseits
effizientes Finanzcontrolling auf Einhaltung des Budgetrahmens. C1
SetCon entschloss sich zum Einsatz der agilen Programmiermethodik
Scrum, modifizierte diese jedoch in einigen für dieses Projekt
entscheidenden Bereichen. Ein gewisses Wagnis, denn Scrum ist in
seiner Originalversion für interne Projekte gedacht, nicht aber für
Vertragsverhältnisse mit externen Partnern. Viele sehen in Scrum
und Outsourcing gar einen nicht zu überbrückenden Widerspruch. So
sieht das Scrum-Modell eigentlich vor, dass die zum Auftraggeber
gehörigen Project Owner direkt mit den Programmierteams über
geänderte Anforderungen verhandeln. Der Leiter des jeweiligen
Teams, der sogenannte Scrum Master, hat lediglich die Aufgabe, das
Team intern effizient zu organisieren. Das hätte aber bedeutet, dass
möglicherweise mehr oder andere Anforderungen umgesetzt worden
wären als ursprünglich vereinbart. Die Folge hätten budgetäre oder
Zeitprobleme und damit Spannungen zwischen externem Partner
und Auftraggeber sein können.
Also wurde als Neuerung die zusätzliche Rolle eines Projekt Owners
auf Seiten des C1 SetCon-Programmierteams entwickelt. Er nimmt
geänderte Anforderungen entgegen und prüft sie auf ihre
Vereinbarkeit mit Budgets und anderen Rahmenbedingungen. Neben
den sog. Sprints, welche feste Time-Boxen darstellen, in denen ein
durch das Entwicklungsteam bestätigter Umfang an Anforderungen -
die Stories- umgesetzt wird, wurden Budget-Boxen eingeführt,
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4. Komplexe Abläufe reibungsarm gestalten
Da die Portal-Anwendungen nicht autark funktionieren, sondern auf
vielen weiteren Anwendungen des O2 Applikation-Stacks aufbauen,
gilt es außerdem, mehrere Teilprojekte so zu synchronisieren, dass
keine Wartezeiten entstehen und Doppelarbeiten ausgeführt werden.
Dafür wurde eine komplexe Organisationsstruktur mit täglichen
Meetings der Scrum-Teams, der Scrum-Master und als dritte Ebene
ein ebenfalls tägliches Treffen eines Vertreters aller Scrum-Master
mit einem Vertreter von O2 sowie dem Release- und Test-Manager
geschaffen. Auch dies ist eine Neuerung, denn die beiden
Letztgenannten sind in einem solchen Gremium eigentlich nicht
vorgesehen. „So haben wir Tests und Release Management von
Anfang an ständig im Blick“, erklärt von der Weiden. Die
Verantwortung für das jeweilige Produkt wandert nach Fertigstellung
zunächst zum Test- und dann zum Releasemanager weiter. Dabei ist
der Testmanager für Tests und die Überwachung der
Fehlerbeseitigung zuständig, der Release Manager für alle Fragen
der Implementierung und des damit verbundenen Change
Managements. So ergibt sich eine geschlossene Prozesskette ohne
Verantwortungslücken.
Das oberste Gremium zur Steuerung des gesamten Projekts,
bestehend aus dem Portalverantwortlichen von O2, einem Vertreter
des C1 SetCon-Managements und dem Projektleiter, trifft sich nur
einmal wöchentlich. Es behandelt im Wesentlichen Vertrags- und
Organisationsfragen.
Mehr Transparenz für den Kunden
„Das klingt insgesamt nach vielen Treffen, doch die meisten dauern
nur zehn Minuten“, weiß Dirk von der Weiden. „Dadurch ist O2
jederzeit transparent über wirklich alle Vorgänge im Projekt
informiert.“ Von dem vielerorts üblichen Versuch, Störungen oder
Probleme im internen Projektgeschehen vor dem Kunden zu
verbergen, hält von der Weiden nichts. „In der Regel kommen solche
Themen nach ein paar Wochen verstärkt wieder an die Oberfläche
und verursachen Ärger“; ist von der Weiden überzeugt und plädiert
deshalb für vollkommene Offenheit.
Dieses Vorgehen hat sich insgesamt bewährt: Fast alle schon vorher
für O2 tätigen freien Mitarbeiter sind geblieben, arbeiten aber jetzt
im Auftrag von C1 SetCon. Das bedeutete von Projektbeginn im
August 2010 an sofort hohen Output ohne Verzögerung durch
Einarbeitungen. Die nach jedem Programmierturnus angesetzten
Verbesserungsrunden mit allen Beteiligten bringen mit längerer
Projektdauer und der Beseitigung der unvermeidlichen
Reibungspunkte bei Projektbeginn immer mehr positives Feedback.
Die vom Kunden dringend gewünschte hohe Agilität ist
flächendeckend vorhanden, und das Controlling funktioniert zur
Zufriedenheit beider Seiten.
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