Eberwein, M., Naescher, S., Schui, G. & Krampen, G. (2011, September).
Herkunft sowie testtheoretische und psychometrische Fundierung psychologischer Tests im deutschsprachigen Bereich. (PDF) 11. Fachtagung für Differentielle Psychologie, Saarbrücken.
Merkmale und Wirkungen deutschsprachiger psychologischer Publikationen 1945 b...
Herkunft sowie testtheoretische und psychometrische Fundierung psychologischer Tests im deutschsprachigen Bereich.
1. Herkunft sowie testtheoretische und psychometrische Fundierung
psychologischer Tests im deutschsprachigen Bereich
Leibniz-Zentrum für Psychologische
Manfred Eberwein, Saskia Naescher, Gabriel Schui & Günter Krampen Information und Dokumentation
eberwein@zpid.de ZPID
Universität Trier
Vor dem Hintergrund der derzeitigen Anglisierung psychologischer Publikationen aus deutschsprachigen Ländern (s.
Abb. 1) und der anhaltenden Kritik an den Methoden der klassischen Testtheorie sowie der anhaltenden Diskussion um 24%
25%
die Qualitätssicherung in der Testdiagnostik, wird den folgenden Fragen nachgegangen:
1) Wie verändern sich die Anteile von diagnostischen Eigenentwicklungen aus dem deutschsprachigen Bereich und 20%
14%
von Adaptionen angloamerikanischer Testverfahren über die Zeit? 15%
2) Welche Entwicklungstrends ergeben sich hinsichtlich der testtheoretischen und psychometrischen Fundierung 10%
8%
bei publizierten Verfahren? Inwiefern unterscheidet sich davon die testtheoretische Fundierung nicht publizierter 5%
Verfahren? 5%
3) Welche Entwicklungstrends sind bezüglich der Testnormierung ersichtlich? 0%
1971-1980 1981-1990 1991-2000 2001-2010
Methode
Abb. 1: Prozentualer Anteil der psychologischen Publika-
- Bibliometrische Methode: Auswertung von Informationen über psychologische Testverfahren anhand des tionen von Autoren aus deutschsprachigen Ländern in
Datenbanksegments PSYNDEX Tests mit weit über 6.000 nachgewiesenen Verfahren aus dem deutschsprachigen Raum. englischer Sprache (PSYNDEX Lit. & AV)
- Eingrenzungskriterien: Zwischen 1951 und 2010 in deutschsprachigen Ländern veröffentlichte Tests, kategorisiert
nach 1.175 deutschen Eigenentwicklungen vs. 264 deutschen Adaptionen angloamerikanischer publizierter Tests. Deutschsprachiger Ursprung Angloamerikanischer Ursprung
- Auszählung und anteilmäßige Berechnung der Anzahl publizierter (inklusive teilpublizierter und vergriffener) 272 268
266
psychologischer Tests bezüglich ihrer Herkunft (deutschsprachig vs. angloamerikanisch), ihrer testtheoretischen und
psychometrischen Fundierung (Classical Test Theory & Item Response Theory; Mehrfachnennungen möglich) sowie 211
relevanter Begleitaspekte (Adaptive Testing & Computer Assisted Testing; Mehrfachnennungen möglich) sowie ihrer
Normierung (normiert vs. nicht normiert).
- Bildung von Zeitreihen in Dekaden für den Zeitraum von 1951-2010.
- Datengrundlage: Publikationsjahre, Dokumenttypen in PSYNDEX Tests, Thesaurusbegriffe der APA (2007) 86
85
66
38
Ergebnisse 3
3 11
38 47
11
Zu 1) Analog zum Anstieg der psychologischen Publikationen bis 1950 1951-1960 1961-1970 1971-1980 1981-1990 1991-2000 2001-2010
von Autoren aus deutschsprachigen Ländern in englischer 350
Abb. 2: Anzahl von publizierten Testverfahren deutsch-
Sprache (Abb. 1) lässt sich seit den 80er Jahren auch ein 300 sprachigen vs. angloamerikanischen Ursprungs (PSYNDEX
Tests)
vermehrtes Übertragen von Instrumenten aus dem 250
englischsprachigen Bereich ins Deutsche feststellen, wobei Zu 2) Nicht publizierte Verfahren, die den
200
der Trend im Gegensatz zu den Publikationen seit 2001 etwas größten zahlenmäßigen Anteil in PSYNDEX
rückläufig ist (Abb. 2). 150
Tests ausmachen (Abb. 4), beruhen öfter als
Zu 2) Nach wie vor ist die Klassische Testtheorie die 100
publizierte Verfahren auf der Klassischen
bestimmende psychometrische Grundlage der meisten 50 Testtheorie, Computerunterstützung findet
publizierten Verfahren (Abb. 3). Im Zeitraum von 1991-2000 sich dabei seltener (Abb. 5).
0
erreicht die Probabilistische Testtheorie (mit dem adaptiven bis 1950 1951-1960 1961-1970 1971-1980 1981-1990 1991-2000 2001-2010
Testen) ihren zahlenmäßigen Höhepunkt, zusammenfallend Classical Test Theory Item Response Theory*
Adaptive Testing* Computer Assisted Testing Zu 3) Nicht alle publizierten
mit dem Anstieg computerunterstützten Testens seit den 80er
Abb. 3 Anzahl der publizierten Testentwicklungen von 1951- Verfahren sind normiert (Abb. 6).
Jahren (Abb. 3). 2010 nach testtheoretischer und psychometrischer Fundierung Der absolute Höhepunkt
(PSYNDEX Tests)
Publizierte Tests mit Testnormen Publizierte Verfahren publizierter Test mit Normen tritt
Publizierte Tests ohne Testnormen Nicht publizierte Verfahren in den 70er Jahren auf, während
Publizierte Verfahren Nicht publizierte Verfahren
23% zwischen den Jahren 1991 bis
Classical Test Theory Item Response Theory
Classical Test Theory Item Response Theory
2000 sogar nicht normierte
40% Adaptive Testing Computer Assisted Testing
Adaptive Testing Computer Assisted Testing
77%
publizierte Tests gegenüber den
60% 0% 19% 2%
1% 11%
normierten überwiegen (Abb. 7).
4%
Abb. 4: Anteil
77% 86% der publizierten
und nicht 250
publizierten
Abb. 6: Prozentsatz der publizierten Abb. 5: Vergleich der testtheoretischen Fundierung (a) publizierter und (b) nicht Verfahren 200
Testverfahren mit und ohne publizierter Testverfahren (PSYNDEX Tests), Mehrfachnennungen von Tests unter (1926-2010) in Publizierte Tests
Testnomen (PSYNDEX Tests) verschiedenen testtheoretischen Grundlagen und Begleitaspekten enthalten PSYNDEX Tests mit Testnormen
150
Diskussion
100
Zu 1) Die Spitze bei der Übertragung angloamerikanischer Verfahren ins Deutsche in den 90er Jahren
lässt sich in Zusammenhang bringen mit der Ausweitung klinisch-psychologischer Diagnostik verbunden 50
mit der Neu- und Weiterentwicklung psychologischer Behandlungsverfahren, den Bestrebungen nach einer
verbesserten Klassifikation psychischer Störungen sowie der Forderung nach einer Qualitätssicherung von 0 Publizierte Tests
ohne Testnormen
Psychotherapie. Dabei können von den mehr als 400 publizierten klinischen Verfahren ca. ein knappes
Drittel direkt auf Verfahren aus der angelsächsischen Psychologie zurückgeführt werden.
Zu 2) Nicht publizierte Verfahren weisen in der Regel eine weniger umfassende Testkonstruktion auf, da sie
vorwiegend in der Forschung z.T. nur einmalig eingesetzt werden, von daher wird öfter als bei publizierten Abb. 7: Anzahl der publizierten Testverfahren mit und ohne
Verfahren die methodisch weniger aufwendige Klassische Testheorie bevorzugt. Die Möglichkeiten im Normierung im Zeitverlauf (PSYNDEX Tests)
Rahmen der Probalistischen Testtheorie (z.B. Rasch-Modell) und des adaptiven Testens werden bei weitem den deutschsprachigen Ländern bei. Zur
nicht genutzt (Debelak, 2009; Kubinger, 2000, 2009, 2010). Viele Testentwickler scheuen wohl den Qualitätssicherung in der Psychologischen
methodischen Aufwand, der mit einer Überprüfung nach der Probabilistischen Testtheorie Diagnostik leistet die Probabilistische Test-
zusammenhängt. theorie nicht den Beitrag der vielfach
Zu 3) Der absolute Höhepunkt publizierter Tests mit Normen in den 70er Jahren spiegelt die Blütezeit gefordert wird (Kubinger, 2000), um die
pädagogisch-psychologischer Verfahren wieder, die überwiegend für Belange der schul- und Probleme der Klassischen Testtheorie zu
bildungsberaterischen Praxis bestimmt und daher normiert waren. Dagegen wurden in den 90er Jahren vermindern. Im klinischen Bereich sollte, trotz
viele klinische Verfahren oder Dokumentationssysteme publiziert, für die keine Normierung im spezieller Störungsbereiche und beschränkter
repräsentativen Sinne angestrebt wurde. Zielgruppen, eine entsprechende Normierung
Fazit: Das angloamerikanische Testwesen trägt indirekt erheblich zur psychodiagnostischen Entwicklung in vermehrt angestrebt werden.
Literatur
American Psychological Association (APA) (Ed.) (2007). Thesaurus of Psychological Index Terms (11th ed.). Psychologische Diagnostik hat es doch revolutionäre Bedeutung. Psychologische Rundschau, 51 (1), 33-34.
Washington: APA. Kubinger, K.D. (2009). Psychologische Computerdiagnostik. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und
Debelak, R. (2009). Einige Trends der computergestützten psychologischen Diagnostik der letzten Jahre . Psychotherapie, 57 (1), 23-32.
Psychologie in Österreich, 29 (5), 440-448. Kubinger, K.D. (2010). Zur Zukunft des Verfahrensinventars psychologischen Diagnostizierens. In K.D. Kubinger
Kubinger, K.D. (2000). Replik auf Jürgen Rost "Was ist aus dem Rasch-Modell geworden?": Und für die und T.M. Ortner (Hrsg.), Psychologische Diagnostik in Fallbeispielen (S. 30-42). Göttingen: Hogrefe.
Präsentiert auf der 11. Fachtagung für Differentielle Psychologie in Saarbrücken, September 2011