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von LAURA BACKES (Text) und NICOLE STRASSER (Fotos)
Der Harz leidet unter Überalterung,
Abwanderung und Leerstand.
Gut, dass Peking die Region trotz-
dem toll findet und ein paar
junge Menschen zum Studieren an
die TU Clausthal schickt.
S. 26
UNI SPIEGEL
2/2015
Danke,
China!
Spaziergang durch die
Fremde: Studentin Zhang und
Kommilitonen auf dem
Weg zum Chinarestaurant.
D
ie Fahrt zu Yichen Zhang führt durch waldiges Ge-
lände und scharfe Kurven, hinauf auf einen Berg im
westlichen Harz. Die Straße ist wenig befahren, die
Radiosender rauschen, telefonieren ist oft schwierig,
weil der Empfang so schlecht ist. Auf etwa 600 Metern über Nor-
malnull erreicht man Clausthal-Zellerfeld, ein 13000-Einwoh-
ner-Städtchen mit bunt gestrichenen Holzhäusern, rasanten Ro-
delstrecken und einem chinesischen Bevölkerungsanteil, der so
hoch ist wie wohl nirgendwo sonst in Deutschland.
Die 22-jährige Zhang ist eine von etwa 500 Chinesen, die an
der Technischen Universität Clausthal eingeschrieben sind. Sie
studiert Geo-Umwelttechnik und lebt im Wohnheim VIII, direkt
neben dem Institut für Elektrische Energietechnik. Wer sie besu-
chen will, kann sich schnell verlaufen, denn der Name »Zhang«
steht gleich fünfmal auf den Postkästen des Wohnheims: Er ist
unter Chinesen ähnlich häufig wie »Müller« in Deutschland oder
»Smith« in Nordamerika.
Neben den Chinesen gibt es noch etwa 1300 andere Ausländer
an der TU Clausthal, sie stammen aus 94 Ländern der Erde. So
ist ausgerechnet im kleinen Clausthal-Zellerfeld längst Realität,
was sich die Bundesregierung für die ganze Republik wünscht:
eine Gesellschaft, in der Akademiker aus allen Winkeln der Erde
helfen, die Wirtschaft zu stärken und das Land voranzubringen.
An einem Donnerstag im Februar, dem chinesischen Neu-
jahrsfest, steht Zhang mit zwei Kommilitonen in der Gemein-
schaftsküche ihres Wohnheims, um aus Hackfleisch, Ingwer und
anderen Zutaten die Füllung für chinesische Teigtaschen zuzu-
bereiten. Die drei Studenten kennen sich von ihrer Heimat-Uni
in der Provinz Sichuan, sie kochen oft miteinander. Gerührt wird
dabei mit Stäbchen – und nur im Uhrzeigersinn.
Bevor Zhang vor anderthalb Jahren nach Clausthal-Zellerfeld
wechselte, schaute sie sich Bilder der Stadt im Internet an, doch
die waren trügerisch. »Dass sie wirklich so klein ist, konnte ich
mir nicht vorstellen«, sagt sie und lacht dabei hinter vorgehaltener
Hand, als hätte ihr Gegenüber einen schlüpfrigen Witz erzählt.
Zhang ist in Peking aufgewachsen, einer der größten und
schmutzigsten Städte der Welt, also im Grunde das genaue Ge-
genteil von Clausthal-Zellerfeld. Statt Smog atmet Zhang jetzt
Mittelgebirgsluft, und wenn sie durch die Stadt läuft, sieht
sie kleine Einfamilienhäuser statt Hochhäuser. Inzwischen
hat sie sich weitgehend an das ländliche Deutschland ge-
wöhnt, nur die Öffnungszeiten der Supermärkte bringen
sie noch durcheinander. »Immer wieder
laufe ich sonntags in die Stadt, weil ich
vergesse, dass alle Geschäfte zu sind.«
Derzeit studieren etwa 300000 Aus-
länder an den deutschen Unis und Fach-
hochschulen, bis 2020 sollen es laut Ko-
alitionsvertrag mindestens 350000 wer-
den. Die Gründe für diese Bemühungen
sind vor allem ökonomischer Natur:
Deutschland plagt die Angst vor Fach-
kräftemangel und Bevölkerungsschwund,
unter dem der Harz schon jetzt stärker
leidet als die meisten anderen Regionen
der Republik.
Während sich viele heimische Hoch-
schulen schwertun mit dem Werben um
Ausländer, hat das Internationale in
Clausthal-Zellerfeld eine lange Tradition.
Menschen aus aller Welt schrieben sich
ab 1775 an der damaligen »Preußischen Bergakademie« ein, um
sich im Bergbau ausbilden zu lassen, nach und nach kamen wei-
tere Fächer hinzu. Seit den Achtzigerjahren sind es vor allem
Chinesen, die aus dem Ausland zum Studieren an die TU kom-
men. Das liegt auch daran, dass viele Ehemalige im Reich der
Mitte noch immer von ihrem Studium in Clausthal schwärmen
und als Politiker oder Professoren unablässig die Werbetrommel
für den Harz rühren. Den Chinesen gefällt es auch, dass das
Leben hier vergleichsweise günstig ist und es die TU Clausthal
jungen Ausländern einfach macht, ein Studium aufzunehmen.
Normalerweise muss jeder Nichtdeutsche, der hierzulande
studieren will, durch ein kompliziertes Verfahren und sich über
eine zentrale Plattform bewerben, genannt »Uni-Assist«. Wer
nach Clausthal-Zellerfeld will, schreibt die Uni direkt an. Es gibt
eine Anerkennungsstelle, die als eher freigiebig gilt und individuell
entscheidet, wer hier studieren darf. Das hat sich herumgespro-
chen: im Internet, aber auch bei Agenturen, die von Studenten
oder deren Eltern dafür bezahlt werden, dass sie Studienplätze
in Deutschland beschaffen.
Für die TU Clausthal ist der Zuzug ausländischer
Studenten überlebenswichtig: Ohne sie könnte sie wohl
dichtmachen, weil sich nicht genügend deutsche Abitu-
rienten für ein Studium im Harz begeistern lassen. Auch
S. 28
UNI SPIEGEL
2/2015
blickt nach draußen. Es ist so neblig, dass es aussieht, als würde
die Welt nach 50 Metern einfach aufhören. Erst im Lauf des Nach-
mittags wird die Sonne durchbrechen und den Blick über die
verschneite Stadt freigeben. Der große, muskulöse Mann setzt
die Pudelmütze auch drinnen nicht ab. »Ich verabscheue Schnee«,
sagt er lachend. In seiner Heimat herrschen eher tropische Be-
dingungen.
Chafac studiert seit zwei Jahren »Energie und Rohstoffe« an
der TU Clausthal, davor war er zehn Jahre lang bei der kameru-
nischen Luftwaffe. Immer wieder lebte er im Ausland, unter an-
derem in China und den USA. Dass es ihn zum Studium nach
Deutschland verschlug, liegt an seiner Frau Salome, die er beim
Onlinedating kennenlernte. Sie stammt aus Porta Westfalica,
einer Stadt in Ostwestfalen.
Chafac fühlt sich wohl in Clausthal-Zellerfeld. Er unterrichtet
HipHop und Afrikanischen Tanz, außerdem rappt er gemeinsam
mit einem deutschen Freund. In der Stadt
wünschen sich viele, dass es mehr von sei-
ner Sorte gäbe. Wirtschaftlich mögen sich
die ausländischen Studenten bereits loh-
nen, kulturell profitieren die unterschied-
lichen Gruppen bisher eher wenig von-
einander. Die Sitzordnung in Vorlesungs-
sälen und Mensa zeigt, wo es hapert in
der Multikulti-Utopie. Deutsche, Kame-
runer, Iraner – alle sitzen im selben Raum,
allerdings an unterschiedlichen Tischen.
Chinesen sieht man auffallend wenige, sie kochen lieber im Wohn-
heim und lassen sich auch ansonsten selten in der Stadt oder bei
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Im Reich der Mitte ist es eher ungewöhnlich, wenn Studenten
ausgehen und am Wochenende vor allem feiern und trinken.
Viele lernen auch am Sonntag, denn nichts ist für Chinesen wich-
tiger als Leistung und Disziplin. Es stört sie nicht besonders, dass
es in Clausthal-Zellerfeld wenig Klubs und Kneipen gibt und nur
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Zhang bewundert die Geselligkeit ihrer deutschen Kommili-
tonen, aber so richtig finden die beiden Bevölkerungsgruppen
nicht zueinander. Es gab Tage, an denen plagte sie das Heimweh.
Manchmal stieg sie dann in einen Zug und fuhr nach Frankfurt.
Wie in ihrer Heimatstadt Peking gibt es dort Wolkenkratzer –
wenigstens ein paar.
Makler und Hauseigentümer freuen sich
über die Menschen aus aller Welt. Wäh-
rend in Sankt Andreasberg und den an-
deren Nachbargemeinden Hunderte Häu-
ser leer stehen, erlebt der Immobilien-
markt in Clausthal-Zellerfeld einen be-
scheidenen Boom. Das merken auch die
Händler, die längst auf die internationale
Kundschaft angewiesen sind. »Wenn Semesterferien sind, ist hier
nicht viel los. Und wir verkaufen weniger«, sagt eine Mitarbeiterin
des größten Supermarkts der Stadt. Das Regal mit den ausländi-
schen Spezialitäten ist größer als das Nudelregal, und kaum etwas
wird mehr verkauft als Reis und Hühnchen.
Neben den Chinesen sind es vor allem Afrikaner, die an der
TU Clausthal studieren. Die Hälfte von ihnen, etwa 100 Männer
und Frauen, kommt aus Kamerun. Ein Umstand, den sich die
Uni nicht ganz erklären kann, da es – anders als mit China –
keine einzige offizielle Kooperation gibt: Es kann nur Mundpro-
paganda gewesen sein, die so viele Männer und Frauen in den
Harz gelockt hat.
Einer derjenigen, die es von der afrikanischen Ostküste nach
Clausthal verschlagen hat, ist Gustav Chafac, 31. Die Prüfungs-
phase ist vorbei, er sitzt entspannt in der Cafeteria der Uni und
Multikulti im Harz:
Der Kameruner Gustav
Chafac hasst den
Schnee, Yichen Zhang
vermisst die Wolken-
kratzer von Peking.
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  • 1. von LAURA BACKES (Text) und NICOLE STRASSER (Fotos) Der Harz leidet unter Überalterung, Abwanderung und Leerstand. Gut, dass Peking die Region trotz- dem toll findet und ein paar junge Menschen zum Studieren an die TU Clausthal schickt. S. 26 UNI SPIEGEL 2/2015 Danke, China!
  • 2. Spaziergang durch die Fremde: Studentin Zhang und Kommilitonen auf dem Weg zum Chinarestaurant.
  • 3. D ie Fahrt zu Yichen Zhang führt durch waldiges Ge- lände und scharfe Kurven, hinauf auf einen Berg im westlichen Harz. Die Straße ist wenig befahren, die Radiosender rauschen, telefonieren ist oft schwierig, weil der Empfang so schlecht ist. Auf etwa 600 Metern über Nor- malnull erreicht man Clausthal-Zellerfeld, ein 13000-Einwoh- ner-Städtchen mit bunt gestrichenen Holzhäusern, rasanten Ro- delstrecken und einem chinesischen Bevölkerungsanteil, der so hoch ist wie wohl nirgendwo sonst in Deutschland. Die 22-jährige Zhang ist eine von etwa 500 Chinesen, die an der Technischen Universität Clausthal eingeschrieben sind. Sie studiert Geo-Umwelttechnik und lebt im Wohnheim VIII, direkt neben dem Institut für Elektrische Energietechnik. Wer sie besu- chen will, kann sich schnell verlaufen, denn der Name »Zhang« steht gleich fünfmal auf den Postkästen des Wohnheims: Er ist unter Chinesen ähnlich häufig wie »Müller« in Deutschland oder »Smith« in Nordamerika. Neben den Chinesen gibt es noch etwa 1300 andere Ausländer an der TU Clausthal, sie stammen aus 94 Ländern der Erde. So ist ausgerechnet im kleinen Clausthal-Zellerfeld längst Realität, was sich die Bundesregierung für die ganze Republik wünscht: eine Gesellschaft, in der Akademiker aus allen Winkeln der Erde helfen, die Wirtschaft zu stärken und das Land voranzubringen. An einem Donnerstag im Februar, dem chinesischen Neu- jahrsfest, steht Zhang mit zwei Kommilitonen in der Gemein- schaftsküche ihres Wohnheims, um aus Hackfleisch, Ingwer und anderen Zutaten die Füllung für chinesische Teigtaschen zuzu- bereiten. Die drei Studenten kennen sich von ihrer Heimat-Uni in der Provinz Sichuan, sie kochen oft miteinander. Gerührt wird dabei mit Stäbchen – und nur im Uhrzeigersinn. Bevor Zhang vor anderthalb Jahren nach Clausthal-Zellerfeld wechselte, schaute sie sich Bilder der Stadt im Internet an, doch die waren trügerisch. »Dass sie wirklich so klein ist, konnte ich mir nicht vorstellen«, sagt sie und lacht dabei hinter vorgehaltener Hand, als hätte ihr Gegenüber einen schlüpfrigen Witz erzählt. Zhang ist in Peking aufgewachsen, einer der größten und schmutzigsten Städte der Welt, also im Grunde das genaue Ge- genteil von Clausthal-Zellerfeld. Statt Smog atmet Zhang jetzt Mittelgebirgsluft, und wenn sie durch die Stadt läuft, sieht sie kleine Einfamilienhäuser statt Hochhäuser. Inzwischen hat sie sich weitgehend an das ländliche Deutschland ge- wöhnt, nur die Öffnungszeiten der Supermärkte bringen sie noch durcheinander. »Immer wieder laufe ich sonntags in die Stadt, weil ich vergesse, dass alle Geschäfte zu sind.« Derzeit studieren etwa 300000 Aus- länder an den deutschen Unis und Fach- hochschulen, bis 2020 sollen es laut Ko- alitionsvertrag mindestens 350000 wer- den. Die Gründe für diese Bemühungen sind vor allem ökonomischer Natur: Deutschland plagt die Angst vor Fach- kräftemangel und Bevölkerungsschwund, unter dem der Harz schon jetzt stärker leidet als die meisten anderen Regionen der Republik. Während sich viele heimische Hoch- schulen schwertun mit dem Werben um Ausländer, hat das Internationale in Clausthal-Zellerfeld eine lange Tradition. Menschen aus aller Welt schrieben sich ab 1775 an der damaligen »Preußischen Bergakademie« ein, um sich im Bergbau ausbilden zu lassen, nach und nach kamen wei- tere Fächer hinzu. Seit den Achtzigerjahren sind es vor allem Chinesen, die aus dem Ausland zum Studieren an die TU kom- men. Das liegt auch daran, dass viele Ehemalige im Reich der Mitte noch immer von ihrem Studium in Clausthal schwärmen und als Politiker oder Professoren unablässig die Werbetrommel für den Harz rühren. Den Chinesen gefällt es auch, dass das Leben hier vergleichsweise günstig ist und es die TU Clausthal jungen Ausländern einfach macht, ein Studium aufzunehmen. Normalerweise muss jeder Nichtdeutsche, der hierzulande studieren will, durch ein kompliziertes Verfahren und sich über eine zentrale Plattform bewerben, genannt »Uni-Assist«. Wer nach Clausthal-Zellerfeld will, schreibt die Uni direkt an. Es gibt eine Anerkennungsstelle, die als eher freigiebig gilt und individuell entscheidet, wer hier studieren darf. Das hat sich herumgespro- chen: im Internet, aber auch bei Agenturen, die von Studenten oder deren Eltern dafür bezahlt werden, dass sie Studienplätze in Deutschland beschaffen. Für die TU Clausthal ist der Zuzug ausländischer Studenten überlebenswichtig: Ohne sie könnte sie wohl dichtmachen, weil sich nicht genügend deutsche Abitu- rienten für ein Studium im Harz begeistern lassen. Auch S. 28 UNI SPIEGEL 2/2015
  • 4. blickt nach draußen. Es ist so neblig, dass es aussieht, als würde die Welt nach 50 Metern einfach aufhören. Erst im Lauf des Nach- mittags wird die Sonne durchbrechen und den Blick über die verschneite Stadt freigeben. Der große, muskulöse Mann setzt die Pudelmütze auch drinnen nicht ab. »Ich verabscheue Schnee«, sagt er lachend. In seiner Heimat herrschen eher tropische Be- dingungen. Chafac studiert seit zwei Jahren »Energie und Rohstoffe« an der TU Clausthal, davor war er zehn Jahre lang bei der kameru- nischen Luftwaffe. Immer wieder lebte er im Ausland, unter an- derem in China und den USA. Dass es ihn zum Studium nach Deutschland verschlug, liegt an seiner Frau Salome, die er beim Onlinedating kennenlernte. Sie stammt aus Porta Westfalica, einer Stadt in Ostwestfalen. Chafac fühlt sich wohl in Clausthal-Zellerfeld. Er unterrichtet HipHop und Afrikanischen Tanz, außerdem rappt er gemeinsam mit einem deutschen Freund. In der Stadt wünschen sich viele, dass es mehr von sei- ner Sorte gäbe. Wirtschaftlich mögen sich die ausländischen Studenten bereits loh- nen, kulturell profitieren die unterschied- lichen Gruppen bisher eher wenig von- einander. Die Sitzordnung in Vorlesungs- sälen und Mensa zeigt, wo es hapert in der Multikulti-Utopie. Deutsche, Kame- runer, Iraner – alle sitzen im selben Raum, allerdings an unterschiedlichen Tischen. Chinesen sieht man auffallend wenige, sie kochen lieber im Wohn- heim und lassen sich auch ansonsten selten in der Stadt oder bei Veranstaltungen blicken. Im Reich der Mitte ist es eher ungewöhnlich, wenn Studenten ausgehen und am Wochenende vor allem feiern und trinken. Viele lernen auch am Sonntag, denn nichts ist für Chinesen wich- tiger als Leistung und Disziplin. Es stört sie nicht besonders, dass es in Clausthal-Zellerfeld wenig Klubs und Kneipen gibt und nur selten mal größere Partys stattfinden. Zhang bewundert die Geselligkeit ihrer deutschen Kommili- tonen, aber so richtig finden die beiden Bevölkerungsgruppen nicht zueinander. Es gab Tage, an denen plagte sie das Heimweh. Manchmal stieg sie dann in einen Zug und fuhr nach Frankfurt. Wie in ihrer Heimatstadt Peking gibt es dort Wolkenkratzer – wenigstens ein paar. Makler und Hauseigentümer freuen sich über die Menschen aus aller Welt. Wäh- rend in Sankt Andreasberg und den an- deren Nachbargemeinden Hunderte Häu- ser leer stehen, erlebt der Immobilien- markt in Clausthal-Zellerfeld einen be- scheidenen Boom. Das merken auch die Händler, die längst auf die internationale Kundschaft angewiesen sind. »Wenn Semesterferien sind, ist hier nicht viel los. Und wir verkaufen weniger«, sagt eine Mitarbeiterin des größten Supermarkts der Stadt. Das Regal mit den ausländi- schen Spezialitäten ist größer als das Nudelregal, und kaum etwas wird mehr verkauft als Reis und Hühnchen. Neben den Chinesen sind es vor allem Afrikaner, die an der TU Clausthal studieren. Die Hälfte von ihnen, etwa 100 Männer und Frauen, kommt aus Kamerun. Ein Umstand, den sich die Uni nicht ganz erklären kann, da es – anders als mit China – keine einzige offizielle Kooperation gibt: Es kann nur Mundpro- paganda gewesen sein, die so viele Männer und Frauen in den Harz gelockt hat. Einer derjenigen, die es von der afrikanischen Ostküste nach Clausthal verschlagen hat, ist Gustav Chafac, 31. Die Prüfungs- phase ist vorbei, er sitzt entspannt in der Cafeteria der Uni und Multikulti im Harz: Der Kameruner Gustav Chafac hasst den Schnee, Yichen Zhang vermisst die Wolken- kratzer von Peking. WWW.ABO-PSYCHOLOGIE-HEUTE.DE Notizbuch Leuchtturm 1917 A5, 249 Seiten Damit kein Gedanke verloren geht: Das Notizbuch von Leuchtturm1917 in A5 mit 249 durchnummerierten Seiten, leerem Inhaltsverzeichnis, Aufklebern, Lasche und perforierten Seiten – wenn man seine Gedanken weitergeben will. Jetzt abonnieren und Geschenk sichern! + Notizbuch als Begrüßungsgeschenk + 12 Hefte jährlich + Kostenfreier Archivzugang und App-Nutzung + Nur € 66,90 (statt € 82,80) Psychologie Heute Studentenabo PSYCHOLOGIE HEUTE DAS BEWEGT MICH! WWW.PSYCHOLOGIE-HEUTE.DE 20%GÜNSTIGER