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Das Internet als Auslöser und Beschleuniger von Krisen:
theoretische Grundzüge und eine Analyse der Greenpeace vs.
               Nestlé Kampagne im Web 2.0




                     Freie wissenschaftliche Arbeit
                zur Erlangung des akademischen Grads
                  B. Sc. Kommunikationswissenschaft
         an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
                      der Universität Hohenheim




                          Eingereicht am
      Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft und Journalistik
                       Prof. Dr. Claudia Mast




                                 von

                             Ines Kübler
                            Eugenstraße 2
                          70794 Filderstadt
                          Tel: 0171/4555944
               E-Mail: Ines.Kuebler@uni-hohenheim.de
                      Matrikelnummer: 428 200
                           6. Fachsemester
              Studiengang Kommunikationswissenschaft

                    Stuttgart, den 16. August 2010
Erklärung gemäß § 13 Abs. 7 und § 15 Abs. 2 der Rahmenprüfungsordnung für
                Bachelor-Studiengänge der Universität Hohenheim




Hiermit erkläre ich, dass ich die Bachelor-Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als
die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die wörtlich
oder sinngemäß aus Veröffentlichungen oder aus anderweitigen fremden Äußerungen ent-
nommen wurden, sind als solche einzeln kenntlich gemacht worden.
Die Bachelor-Arbeit habe ich noch nicht in einem anderen Studiengang als Prüfungsleistung
verwendet.
Des Weiteren erkläre ich, dass mir weder an der Universität Hohenheim oder an einer anderen
wissenschaftlichen Hochschule bereits ein Thema zur Bearbeitung als Bachelor-Arbeit oder
als vergleichbare Arbeit vergeben worden ist.




Stuttgart-Hohenheim, den 16. August 2010

Unterschrift:




                                             II
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... III
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................. IV

1. Einführung............................................................................................................................ 1
   1.1 Begründung der Relevanz der Arbeit ............................................................................... 1
   1.2 Forschungsfrage und inhaltliches Vorgehen .................................................................... 2

2. Theoretischer Hintergrund ................................................................................................. 3
   2.1 Unternehmenskrisen ......................................................................................................... 3
     2.1.1 Begriffsklärung .......................................................................................................... 3
     2.1.2 Krisentypen und deren Auslöser ................................................................................ 4
     2.1.3 Krisenverläufe und -phasen ....................................................................................... 6
   2.2 Kommunikative Krisenbewältigung................................................................................. 7
     2.2.1 Strategische Krisenkommunikation ........................................................................... 8
     2.2.2 Operative Krisenkommunikation............................................................................. 11
   2.3 Besonderheiten von Web 2.0 im Rahmen der Online-Kommunikation ........................ 14
     2.3.1 Merkmale, Anwendungen und Funktionen von Web 2.0 ........................................ 15
     2.3.2 Themenkarrieren im Web 2.0 .................................................................................. 17
     2.3.3. Nutzung von Web 2.0 ............................................................................................. 19
   2.4 Herausforderungen an die unternehmerische Krisenkommunikation durch das
       Web 2.0 .......................................................................................................................... 21

3. Empirische Analyse: Greenpeace vs. Nestlé .................................................................... 25
   3.1 Einordnung der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé.......................................................... 25
     3.1.1 Die beteiligten Akteure ............................................................................................ 25
     3.1.2 Relevanz der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé ....................................................... 27
   3.2 Hintergründe der Leitfadeninterviews............................................................................ 28
     3.2.1 Die Vorstellung der Experten der Leitfadeninterviews ........................................... 28
     3.2.2 Die Themenschwerpunkte und Ziele der Leitfadeninterviews ................................ 29
   3.3 Darstellung und Bewertung der Ergebnisse aus den Leitfadeninterviews ..................... 30
     3.3.1 Greenpeace im Web 2.0 ........................................................................................... 31
     3.3.2 Unternehmen im Web 2.0 ........................................................................................ 32
     3.3.3 Die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne im Web 2.0 ................................................. 33
     3.3.4 Mögliche Ursachen der Kommunikationsschwierigkeiten von Nestlé im Web 2.0 36
     3.3.5 Bewertung des Erfolgs der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne................................ 37

4. Fazit ..................................................................................................................................... 39

Literaturverzeichnis ...................................................................................................................V
Anhang .......................................................................................................................................X




                                                                      III
Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Themenschwerpunkte der Leitfadeninterviews         S. 29

Abbildung 2: Statusmeldung von Nestlé auf der Nestlé-Fanseite   S. 35
             auf Facebook

Abbildung 3: Reaktionen von Nestlé auf der Nestlé-Fanseite      S. 35
             auf Facebook




                                            IV
1. Einführung

1.1 Begründung der Relevanz der Arbeit

Innerhalb des Internets ist in den letzten Jahren mit der Entwicklung von Web 2.0 ein Raum
entstanden, der ganz neue Möglichkeiten der Interaktivität und Partizipation eröffnet. Durch
das Web 2.0 hat sich die Informationsfindung, -vermittlung und -verarbeitung einer Vielzahl
von Menschen stark verändert. Dies zeigte sich im Juni 2010 im Mikroblog Twitter: Nur zwei
Wochen nach den beiden Bombenentschärfungen in Göttingen war dort ein lauter Knall zu
hören. Das Göttinger Tagblatt, das zwei Wochen zuvor live von den Bombenentschärfungen
in Göttingen berichtete, twitterte zuerst: „Hab einen lauten Knall gehört. Wisst ihr was das
war? #goebombe“. Durch den Zusatz des Schlagwortes „#goebombe“ wurde die Frage vom
Göttinger Tagblatt bereits mit dem Thema „Bombenexplosion in Göttingen“ verknüpft und
konnte so auch durch die Suchfunktion auf Twitter gefunden werden. Es tauchten nun im Se-
kundentakt immer mehr Beiträge zu diesem Thema auf. Viele Menschen schienen den Knall
gehört zu haben, keiner wusste, woher er kam, trotzdem verdichteten sich auf Twitter die
Vermutungen, dass dies der Knall einer Bombenexplosion gewesen sein musste. Ein zwei-
felnder Twitter-Nutzer1 versuchte den Knall als Überschallknall eines Flugzeugs zu erklären,
stieß jedoch damit nur auf wenig Beachtung. Auch der Versuch des Göttinger Tagblatts,
durch den Tweed: „Stadt weiß nichts, Feuerwehr weiß nichts und Polizei auch nicht…was das
für ein Knall war #goebombe“, die Spekulationen etwas zu einzudämmen, bewirkte eher das
Gegenteil. Vielmehr stieß ein weiteres Twitter-Mitglied im Internet auf einen Beitrag, in wel-
chem eine weitere Bombenentschärfung für diesen Tag angekündigt wurde. Weitere Tweeds
meldeten, dass Löschzüge und Krankenwagen in der Nähe der letzten Bombenentschärfung
gesichtet wurden. Auf Twitter war man sich nun sicher, dass es eine Bombenexplosion war.
Zweifler wurden sofort auf die „eindeutigen“ Belege für eine Explosion hingewiesen. Als
jedoch nur kurze Zeit später, mit Verweis auf die Hessische/Niedersächsische Allgemeine
Zeitung, ein Twitter-Mitglied den Knall als Überschallknall eines Eurofighters identifizierte,
verstummte die Masse auf Twitter ebenso schnell wieder, wie sie zuvor aufgeschreckt wurde.
Zwischen der großen Panik und der Identifikation eines unspektakulären Ereignisses lagen
letztendlich 15 Minuten und Hunderte von Tweeds (vgl. stenographique 2010).
Auch wenn im Web 2.0 nicht jedes Thema eine vergleichbare Aufmerksamkeit auf sich zieht,
macht dieses Beispiel deutlich, wie sich Themen im Web 2.0 entwickeln können. Das Web
2.0 ist inzwischen oftmals maßgeblich an der Auslösung und der Beschleunigung von Kom-
munikationskrisen beteiligt. Somit erhöht sich auch für Unternehmen die Relevanz, sich auf
die veränderten Bedingungen durch das Web 2.0 einzustellen. Für die unternehmerische On-
line-Kommunikation ergeben sich daraus einerseits Risiken, andererseits jedoch auch neue
Kommunikationsmöglichkeiten mit der Öffentlichkeit. Daher wird sich diese Arbeit mit den

1
  In dieser Arbeit wird der Einfachheit halber durchgängig die männliche Form (bspw. der
Internetnutzer, der Pressesprecher) verwendet; solche Formulierungen schließen selbstver-
ständlich immer die weibliche Person mit ein.

                                              1
Herausforderungen an die unternehmerische Krisenkommunikation im Rahmen von Web 2.0
beschäftigen.

1.2 Forschungsfrage und inhaltliches Vorgehen

Als Grundlage der Arbeit stellt sich die zielführende Forschungsfrage: Wie wirkt sich das
Web 2.0 als Auslöser und Beschleuniger von Krisen auf die unternehmerische Krisenkommu-
nikation aus?
Inhaltlich wird hierbei im zweiten Kapitel der Fokus auf die theoretischen Grundzüge gelegt.
Es werden zuerst Unternehmenskrisen behandelt, bevor im nächsten Schritt auf die kommu-
nikative Krisenbewältigung von Unternehmen eingegangen, und zuletzt ein Bogen zu den
Besonderheiten von Web 2.0 im Rahmen der Online-Kommunikation gespannt wird. Ab-
schließend werden diese drei Teilbereiche ganzheitlich betrachtet und daraus die Herausforde-
rungen für die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 abgeleitet.
Im dritten Kapitel schließt sich eine empirische Analyse der Web 2.0 Kampagne Greenpeace
vs. Nestlé an. Die Kampagne und ihre Beteiligten werden vorab kurz vorgestellt, bevor im
Anschluss Hintergründe der Leitfadenfadeninterviews mit zwei Verantwortlichen von Green-
peace und zwei professionellen Bloggern erläutert werden. Im Anschluss werden die Ergeb-
nisse aus den Leitfadeninterviews dargestellt und bewertet. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf
der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne, jedoch sollen darüber hinaus auch allgemeine Einflüsse
von Web 2.0 auf die Arbeit von Greenpeace und die unternehmerische Krisenkommunikation
vorgestellt werden.
Im Fazit wird auf Basis der theoretischen und empirischen Erkenntnisse eine Aussage darüber
getroffen, vor welchen Herausforderungen die unternehmerische Krisenkommunikation durch
das Web 2.0 steht und wie sich diese zukünftig entwickeln könnten.




                                             2
2. Theoretischer Hintergrund

In diesem Kapitel werden die theoretischen Hintergründe dieser Arbeit dargestellt.
Nachdem im ersten Schritt die Erscheinungsformen von Unternehmenskrisen genauer be-
schrieben werden, wird im zweiten Abschnitt der kommunikative Umgang mit Unterneh-
menskrisen erläutert, bevor unter 2.3 die Besonderheiten von Web 2.0 dargestellt werden. Am
Ende des zweiten Kapitels werden auf Basis der theoretischen Grundzüge die Herausforde-
rungen aufgezeigt, vor die das Web 2.0 die unternehmerische Krisenkommunikation stellt. Es
wird dabei ein Rahmen um die vorangegangenen Inhalte gespannt, um aus diesen die Chan-
cen und Risiken für Unternehmen im Umgang mit dem Web 2.0 herauszuarbeiten.

2.1 Unternehmenskrisen

Kein Unternehmen, ob groß oder klein, ist vor Unternehmenskrisen sicher. Dies wird deut-
lich, wenn man den Fall Brent Spar anschaut. Selbst das globale Energieunternehmen Shell
musste im Jahre 1995 von den Plänen, die Ölplattform zu versenken, ablassen, und dem gro-
ßen öffentlichen Druck nachgeben, nachdem die Umweltorganisation Greenpeace durch ver-
schiedene Aktivitäten auf den Fall aufmerksam gemacht hatte. Demgegenüber stand Merce-
des-Benz nur zwei Jahre später durch den Elch-Test vor einem „hausgemachten“ Problem.
Bereits diese beiden Beispiele zeigen, wie unterschiedlich Unternehmenskrisen sein können.
Das Unterkapitel 2.1 beschreibt daher detailliert, was eine Unternehmenskrise ist, welche Kri-
sentypen es gibt, wodurch sie ausgelöst werden kann, welche Verläufe sie nehmen kann und
welche Phasen dabei durchlaufen werden können. In einem Zwischenkapitel wird gesondert
auf ökologische Krisen eingegangen, da diese im Rahmen der späteren Fallstudie eine beson-
dere Relevanz besitzen.

2.1.1 Begriffsklärung

In der Literatur sind unterschiedliche Definitionen des Begriffs Krise zu finden. Diese Arbeit
beschäftigt sich jedoch nicht mit betriebswirtschaftlichen Erfolgs- oder Liquiditätskrisen, de-
ren grundlegende Ursache beispielswiese eine Ertragsschwäche ist und deren mögliches Ende
eine drohende Insolvenz. Vielmehr handelt es sich in dieser Ausarbeitung um unternehmeri-
sche Kommunikationskrisen, die in erster Linie dem Image und dem Vertrauen in das Unter-
nehmen schaden. Hieraus kann sich zu einem späteren Zeitpunkt durch eine negative Beein-
flussung des Markterfolges im Extremfall zwar eine Existenzgefährdung ergeben, diese stellt
aber nicht den ursprünglichen Auslöser der Krise dar.
Puttenat beschreibt eine PR-Krise als „eine erhebliche Zerrüttung, die sich negativ auf das
Geschäft auswirkt und zu einer ausgedehnten Berichterstattung in den Medien anregt“
(Puttenat 2009: 14). Hiermit geht die Autorin eher auf die Konsequenzen ein und spricht die
Ursachen nur sehr allgemein als „erhebliche Zerrüttung“ an. Demgegenüber leitet Hecker die
Entstehung von Krisen aus der Existenz von Risiken ab, denen jedes Unternehmen ausgesetzt
ist (vgl. Hecker 1997: 62). Töpfer betont den meist überraschenden Ursprung und bezeichnet

                                              3
Krisen als Prozesse, die nicht geplant und gewollt sind. Weiter spricht er von einer begrenzten
Beeinflussbarkeit, womit er die mögliche Ohnmacht von Unternehmen in Krisen anspricht
(vgl. Töpfer 1999: 16). Hierauf gehen auch weitere Autoren ein, die Krisen als nur einge-
schränkt kontrollier- und lenkbar bezeichnen (vgl. Nolting/Thießen 2008: 10). Auch Mast
beschreibt Krisen als Situationen, die nicht vorhergesehen werden können. Darüber hinaus
können Krisen den Ruf einer betroffenen Organisation sowie die weitere Existenz des Unter-
nehmens in der bisherigen Form beeinflussen (vgl. Mast 2008: 98). Hecker beschreibt den
Ursprung einer Krise als riskante Situationen, Handlungen oder Sachverhalte, die sich erst
dann vollständig entfalten, wenn sie nicht erkannt und bekämpft werden (vgl. Hecker 1997:
62). Die Autorin zeigt damit auf, dass Krisen durchaus beeinflusst werden können, wenn Un-
ternehmen wachsam sind und sich damit auseinandersetzen. Eggert beschreibt die öffentli-
che/publizistische Krise als öffentliche Austragung eines Konfliktes mit externen Anspruchs-
gruppen. Er betont, dass davon, wie das Unternehmen mit der Situation umgeht, abhängig ist,
ob eine Krise entsteht oder nicht. Eggert geht sogar einen Schritt weiter und spricht von einer
Steigerung der Glaubwürdigkeit des Unternehmens, wenn es sich in der Krise positiv darstel-
len kann (vgl. Eggert 2000: 36). Es kann sich also durchaus auch eine Chance aus einer Krise
ergeben. Dies macht Möhrle am chinesischen Schriftzeichen deutlich, das aus zwei Symbolen
bestehe: Gefahr und Chance (vgl. Möhrle 2004a: 16). Diese Interpretation findet bei anderen
Wissenschaftlern jedoch keine Zustimmung. So schreibt der Trainer für Interkulturelles Ma-
nagement an der Frankfurt School of Finance and Management Ming Zhong, „das chinesische
Zeichen in dem Wort für Krise bedeutet eben nicht ‚Chance„, sondern ‚kritischer Moment„.
Die Kombination heißt ‚Gefahr in einem kritischen Moment„, also Krise.“ (Zhong 2009).
Somit kann die chinesische Sprache nicht zu einer optimistischeren Betrachtung des Krisen-
begriffs beitragen.

2.1.2 Krisentypen und deren Auslöser

Krisenauslöser und -typen werden in diesem Unterkapitel gemeinsam behandelt, da sie nur
schwer differenzierbar sind. Häufig bestimmt die Art und Weise, wie eine Krise ausgelöst
wird, bereits den Krisentyp. In der Literatur wird deutlich, dass manche Autoren bestimmte
Ereignisse als Ursachen bzw. Auslöser beschreiben, andere jedoch sprechen im gleichen Zu-
sammenhang von Krisentypen. So greift Möhrle die Kategorisierung von Krisenursachen von
Stolzenberg auf und benutzt wiederholt die Bezeichnung Krisentypen (vgl. Möhrle 2004a:
19). Homuth hat in seiner Arbeit eine Einordnung der Krisentypen vorgenommen, die in gro-
ßen Teilen der Kategorisierung der Krisenursachen von Stolzenberg und anderen Autoren
entspricht (vgl. Töpfer 1999: 17; Möhrle 2004a: 19). Homuth nimmt eine Einteilung nach
Störfällen/Umweltunfällen/Katastrophen, Produktfehler/Produktsicherheit/Produktnebenwir-
kungen, Skandale um Arbeitsbedingungen, Personalprobleme und Kritik von relevanten Inte-
ressengruppen vor (vgl. Homuth 2000: 9).
Darüber hinaus können die Ursachen von Unternehmenskrisen nach internen und externen
Faktoren unterteilt werden. Externe Auslöser liegen nicht im Einflussbereich des Unterneh-
mens, hierzu können bspw. Naturkatastrophen gezählt werden. Demgegenüber stellt bspw. ein

                                              4
Produktfehler eine interne Krisenursache dar (vgl. Krystek 2006: 45). Krisen können auch
von hybriden Auslösern verursacht werden. Bspw. kann die berechtigte Kritik einer externen
Interessengruppe eine Krise auf Basis interner Probleme auslösen. Externe Interessengruppen
beziehen oftmals die Medien in ihre Strategien mit ein und informieren sie aktiv über ihre
Maßnahmen, um so den öffentlichen Druck auf das betroffene Unternehmen zu erhöhen. In
diesem Fall wird deutlich, dass die internen Ursachen zwar schon zuvor vorhanden waren,
jedoch erst durch die Medienberichterstattung eine öffentliche Kommunikationskrise hervor-
gerufen wird. Mast bezeichnet dies als Medienkrise (vgl. Mast 2008: 101).

Die Kommunikationskrise

Negative Ereignisse, wie bspw. Produktfehler, führen nicht zwangsläufig und unmittelbar zu
einer Unternehmenskrise. Die Medien und die Öffentlichkeit bilden hierbei einen wichtigen
Einflussfaktor. „Wenn die Medien nicht gewesen wären, hätte das doch keiner gemerkt“, zi-
tiert Möhrle (2004a: 22) krisengeplagte Unternehmer. Es ist jedoch auf Dauer kaum möglich,
sich vor den Medien zu verstecken (vgl. ebd.). Häufig entscheidet gerade der Umgang mit den
Medien darüber, ob eine öffentliche Krise entsteht oder nicht. Mast betont, dass die Medien
oft der Auslöser von Unternehmenskrisen sind, diese aber nicht ursprünglich verursachen. Die
Medien, so Mast, „sorgen aber für eine Dramatisierung der Berichterstattung und Beschleuni-
gung des Krisenverlaufs“ (Mast 2008: 14). Möhrle schreibt der veränderten Medienlandschaft
in diesem Zusammenhang, durch die schnelle Verbreitung von Informationen, Meinungen
und Gerüchten, einen verstärkten Einfluss zu. Dieser Megatrend habe „das Bewusstsein für
Krisen und Krisenkommunikation zusätzlich erhöht“ (Möhrle 2004a: 12). Hieraus kann für
ein Unternehmen im Rahmen der eigentlichen Krise sehr schnell eine ernstzunehmende
Kommunikationskrise entstehen.

Die ökologische Unternehmenskrise

Sehr häufig sind Unternehmen von ökologischen Krisen betroffen. In der Literatur beschäfti-
gen sich ganze Werke mit diesem Thema.
Hecker schreibt die große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegenüber ökologischen Inhal-
ten dem gesellschaftlichen Wertewandel zu. Die Medien und die Bevölkerung reagieren be-
sonders bei Themen, die die Umwelt betreffen, sehr sensibel. Dadurch müssen Unternehmen
ökologische Risiken frühzeitig erkennen und ihnen entgegenwirken. Gelangen ökologische
Anliegen in die Öffentlichkeit, besitzen diese ein sehr großes Aufmerksamkeits- und Macht-
potenzial (vgl. Hecker 1997: 1 f.), da Umweltdiskussionen oft sehr stark emotionalisiert sind
und sich teilweise jeglichen rationalen Argumenten entziehen. Vor allem in Deutschland be-
steht kaum die Bereitschaft, sich bei ökologischen Themen auf sachliche Diskussionen einzu-
lassen (vgl. ebd.: 15).
Eine Umfrage ergab, dass die deutsche Bevölkerung einerseits der Meinung ist, dass die In-
dustrie und der Handel zu wenig Rücksicht auf die Umwelt nehmen, andererseits aber trotz-
dem nur wenig Interesse daran haben, Umweltschutzmaßnahmen durch finanzielle und zeitli-

                                             5
che Ressourcen zu unterstützen. Umweltschutzorganisationen knüpfen genau an diesem Punkt
an und bieten der Bevölkerung Möglichkeiten, sich einfach, aber im Kollektiv durchaus effek-
tiv, an ökologischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Dies hat bspw. der umfassende
Boykott von Shell-Tankstellen während der Brent Spar-Auseinandersetzung gezeigt (vgl. He-
cker 1997: 20). Außerdem können Umweltschutzorganisationen die starke Emotionalisierung
von ökologischen Sachverhalten gezielt nutzen, um Zuspruch für ihre Ziele in den Medien
und in der Gesellschaft zu erhalten. Dies erhöht für Unternehmen zum einen bei ökologischen
Themen die Gefahr, in eine Kommunikationskrise zu geraten und entzieht Ihnen zum anderen
die Möglichkeit, diese öffentliche Krise durch sachliche Argumentation abzuwenden.

2.1.3 Krisenverläufe und -phasen

Es ist schwierig, generalisierte Aussagen über die Verläufe von Krisen zu treffen. Die Wis-
senschaft beschäftigt sich überwiegend mit der fallstudienartigen Untersuchung von einzelnen
populären Krisenfällen (vgl. Löffelholz/Schwarz 2008: 21). Jedoch sind die theoretischen
Erkenntnisse der verschiedenen Fallbeispiele aufgrund der vielfältigen Erscheinungsformen
von Krisen kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Puttenat hingegen wagt eine
allgemeine Aussage und setzt die durchschnittliche Dauer einer typischen Unternehmenskrise
auf drei Monate fest (vgl. Puttenat 2009: 36). Klimke und Schrott stellen in ihrer Publikation
drei verschiedene Krisenverläufe vor. Diese unterscheiden sich in der Geschwindigkeit ihres
Auftretens und der Dauer. Der erste mögliche Verlauf ist durch ein sehr schnelles Auftreten
und eine kurze Dauer gekennzeichnet, der zweite Krisenverlauf tritt ebenfalls schnell auf,
dauert aber etwas länger an und hat einen schwankenden Verlauf, während die dritte Krise
sich nur langsam und schleichend einstellt und lange andauert. Diesen Krisenverlauf stellen
die Autoren an einer beispielhaften Krise dar, die zehn Jahre angedauert hat (vgl. Klim-
ke/Schrott 1993: 95). Töpfer beschreibt ebenfalls diese drei Möglichkeiten und bezeichnet sie
als eruptive, periodische und schleichende Krise (vgl. Töpfer 1999: 275). Unter Berücksichti-
gung dieser unterschiedlichen Verläufe ist es fraglich, ob es sinnvoll ist, eine Durchschnitts-
dauer von Krisen anzugeben. Ruft einem dieser Versuch doch unwillkürlich die ironische
Redewendung „eine Hand im Eiswasser, die andere in heißem Wasser, ergibt die optimale
Temperatur“ in den Sinn. Dies unterstreicht auch Möhrle mit seiner Aussage, dass sich Ver-
läufe von öffentlichen Krisen nicht an wissenschaftliche Definitionen halten (vgl. Möhrle
2004a: 19), trotzdem ermöglichen die drei dargestellten Verläufe eine grobe Einordnung der
Krisen. Darüber hinaus entfaltet jedoch jede Krise ihren eignen Charakter, abhängig vom je-
weiligen Auslöser, dem öffentlichen Interesse und den Maßnahmen, die das betroffene Unter-
nehmen ergreift, um die Krise abzuwenden oder zu bewältigen.
Mit den verschiedenen Phasen von Unternehmenskrisen beschäftigen sich viele wissenschaft-
liche Werke, allerdings mit der Einschränkung, dass einerseits nicht jede Krise zwangsläufig
jede einzelne Phase durchlaufen muss, und andererseits sogar ein „Rückfall“ in eine vorher-
gegangene Phase möglich ist (vgl. Köhler 2008: 233 f.). In der wissenschaftlichen Literatur
werden Krisen zumeist in vier Phasen unterteilt. Im Folgenden werden die Phasen nach Meier
vorgestellt.

                                              6
Seine Einteilung beginnt mit der grünen Phase. Diese Phase bildet den Ausgangspunkt der
Krise und stellt den Normalzustand in einem Unternehmen dar, das heißt, es werden zu die-
sem Zeitpunkt keine Krisensignale wahrgenommen. Meier betont, dass in dieser Phase die
Basis für einen möglichen Krisenfall geschaffen werden muss (vgl. Meier 2004: 90 f.). Wie
diese kommunikative Krisenprävention konkret aussehen kann, wird im Unterkapitel 2.2.1
erläutert.
Auf die grüne folgt die gelbe Phase. Hier werden bereits anfängliche Krisensymptome, wie
bspw. eine negative Berichterstattung über einen längeren Zeitraum hinweg, wahrgenommen.
Nun ist ein reibungsloser Ablauf der Unternehmenskommunikation und der Führungsprozesse
für das Unternehmen ausschlaggebend.
Kann die Krise in der gelben Phase nicht eingedämmt werden, geht sie in die rote Phase über
– die akute Krisenphase. Die Krise wird nun bewusst wahrgenommen. In dieser Phase setzen
alle vorab geplanten Maßnahmen zur Bewältigung der Krise ein – nun zeigt sich, ob sich die
jahrelange PR-Arbeit auszahlt. Die Erfüllung der „alltäglichen“ Unternehmensaufgaben wird
der Krise vollständig untergeordnet.
In der darauffolgenden blauen Phase ist die akute Krise überwunden. Sofern das Unterneh-
men nach der Krise weiter fortbesteht, muss nun der Fokus zügig wieder auf die alltäglichen
Unternehmensziele gelegt werden. Außerdem ist nun eine kritische Analyse und die daraus
resultierende Optimierung der krisenpräventiven Prozesse vorzunehmen (vgl. ebd.: 90 ff.).
Während in der Literatur zumeist diese Einteilung, lediglich mit abweichenden Bezeichnun-
gen der Krisenphasen, vorgenommen wird, stellt Krystek die vierte Phase anders dar. Im Ge-
gensatz zu vielen seiner Kollegen beschreibt er hier nicht die Phase nach der Krise, sondern
führt die akut nicht beherrschbare Krise auf. Diese tritt ein, wenn die Krise in der dritten Pha-
se nicht eingedämmt werden kann und somit die akute Krise zur Katastrophe wird. Zu diesem
Zeitpunkt verfolgt das Unternehmen nicht mehr das Ziel, die Krise zu beherrschen, sondern
versucht lediglich, sie auf irgendeine Art und Weise positiv zu beeinflussen (vgl. Krystek
2006: 50).

2.2 Kommunikative Krisenbewältigung

Nachdem im Unterkapitel 2.1 der Begriff Unternehmenskrisen sowie deren konkrete Erschei-
nungsformen beschrieben wurden, zeigt das Unterkapitel 2.2 Möglichkeiten auf, wie einer
Unternehmenskrise begegnet werden kann. Die Krisenkommunikation trägt maßgeblich dazu
bei, ob ein Unternehmen gestärkt oder geschwächt aus einer Krise hervorgeht. In der Literatur
wird die Krisenkommunikation als Teil des Krisenmanagements angesehen. Konkreter heißt
das, sie ist „der kommunikative Teil des Krisenmanagements, über den gesamten Verlauf der
Krise hinweg“ (Nolting/Thießen 2008: 11).
Da die kommunikative Krisenbewältigung in Unternehmen eine wichtige und zukunftssi-
chernde Rolle spielt, wird im Folgenden konkret auf die strategische und operative Krisen-
kommunikation in Unternehmen eingegangen.




                                               7
2.2.1 Strategische Krisenkommunikation

Dieses Unterkapitel beschäftigt sich mit den frühzeitigen Vorbereitungen von Unternehmen
auf Krisenfälle. Hierbei werden drei Bereiche betrachtet. Das erste Zwischenkapitel zeigt auf,
wie eine Kommunikationsabteilung in einem Unternehmen angesiedelt sein sollte, damit eine
erfolgreiche langfristige Krisenkommunikation überhaupt möglich ist. Im zweiten Schritt
wird aufgezeigt, inwiefern die Unternehmenskommunikation im Vorfeld einer Krise präven-
tive Maßnahmen ergreifen kann. Außerdem ist die Art und Weise, wie ein Unternehmen
kommuniziert, wichtig, nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch im „normalen“ Alltag. Daher
werden am Ende dieses Unterkapitels die möglichen kommunikativen Grundhaltungen von
Unternehmen sowie deren Auswirkungen in Krisenzeiten dargestellt.

Die Stellung der Kommunikationsabteilung im Unternehmen

Die unternehmensinterne Ansiedlung der Kommunikationsabteilung bildet eine grundlegende
Voraussetzung für eine erfolgreiche Krisenvorbeugung und -bewältigung. Hecker spricht da-
von, dass eine arbeitsteilige Organisation innerhalb von Unternehmen eine Dezentralisierung
mit sich bringen kann, die auf die „längerfristige Effektivität von Kommunikationsprozessen
zersetzend wirkt“ (Hecker 1997: 81). Als problematisch sieht sie dabei die Tatsache, dass dies
im normalen Arbeitsalltag nicht zwangsläufig wahrgenommen wird. Oftmals werden beste-
hende Schwachstellen im Kommunikationsprozess erst in Krisenzeiten sichtbar (vgl. ebd.).
Das heißt, der nicht reibungslose Kommunikationsablauf tritt in Situationen zutage, in denen
eine erfolgreiche Kommunikation besonders wichtig ist. Um dies zu verhindern, muss Kom-
munikation als Führungsaufgabe wahrgenommen werden. Wird die Kommunikationsabtei-
lung ausschließlich dafür eingesetzt, Maßnahmen auszuführen, die von anderen Stellen im
Unternehmen festgelegt werden, kann kein reibungsloser Kommunikationsprozess erwartet
werden. Vielmehr muss der Unternehmensleitung bewusst sein, dass ein gemeinsames Ver-
ständnis von Kommunikation auf allen Ebenen großen Einfluss auf den Erfolg des Unterneh-
mens hat (vgl. Johanssen/Dujić 2008: 202). Besteht im Unternehmen Einigkeit über die Wich-
tigkeit von Kommunikation, ist dies der erste Schritt zum Erfolg. Die Kommunikationsver-
antwortlichen sollten also aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, um eine erfolg-
reiche Öffentlichkeitsarbeit sicherzustellen (vgl. Kunzcik/Heintzel/Zipfel 1995: 142). „Kom-
munikationsleute brauchen nicht zuletzt auch Macht – gerade in Krisensituationen“
(Johanssen/Dujić 2008: 203).
In der Literatur finden man nicht nur Forderungen nach einem reibungslosen Kommunikati-
onsprozess innerhalb des Unternehmens, sondern auch Aussagen darüber, wie dies umgesetzt
werden kann. Hierbei werden verschiedene Möglichkeiten in Betracht bezogen. Meier sieht
die Kommunikationsabteilung im direkten Umfeld des Topmanagements (vgl. Meier 2004:
86). Er betont, dass es keinen Sinn macht, die Kommunikationsverantwortlichen erst dann
einzubeziehen, wenn die Krise bereits vorhanden ist. Unter diesen Umständen „können diese
in der Regel nur noch ein paar Scherben kitten“ (ebd.: 87). Eine weitere Möglichkeit kann die
Einrichtung einer Stabstelle sein, die die Gesamtverantwortung für alle Kommunikationsauf-

                                              8
gaben übernimmt und auf der oberen Führungsebene angesiedelt ist (vgl. Johanssen/Dujić
2008: 203). Es nutzt einem Unternehmen nur wenig, wenn die Kommunikationsabteilung
zwar eine genaue Vorstellung von den öffentlichen Anliegen hat, Handlungsvorschläge je-
doch mangels funktionsfähiger interner Kommunikationsprozesse nie bei den Entscheidern
ankommen (vgl. Hecker 1997: 29).

Die kommunikative Krisenprävention

Eine Untersuchung der Universität Siegen brachte 1997 das Ergebnis, dass nur jedes vierte
Unternehmen über einen Krisenplan verfügt. Eine Beratungsagentur, die im Jahre 2003 eine
ähnliche Umfrage durchführte, stellte fest, dass über 90% der befragten Unternehmen Vor-
kehrungen für eine mögliche bevorstehende Krise treffen (vgl. Möhrle 2004a: 12). Diese bei-
den Untersuchungen machen deutlich, dass Krisenprävention in Unternehmen immer mehr an
Bedeutung gewinnt. Es hat sich ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass die erfolgreiche Be-
wältigung einer Krise sehr stark von einer erfolgreichen Kommunikation abhängt, diese je-
doch nicht von heute auf morgen herbeigeführt werden kann (vgl. Meier 2004: 84). „Krisen-
kommunikation beginnt lange, bevor eine Krise auch nur erahnt wird“ (Jönck 2006: 457).
Wurden im Vorfeld einer Krise keine vorbereitenden Maßnahmen ergriffen, kann ein Unter-
nehmen in Krisenzeiten schnell in eine defensive Rolle verfallen, in der nur noch die Mög-
lichkeit bleibt, mittels Ad-hoc-Maßnahmen auf die Symptome zu reagieren (vgl. Hecker
1997: 31).
Wie ein Unternehmen einer möglichen Krise vorbeugen kann, dazu gibt es in der Literatur
viele Anhaltspunkte. Zum einen ist es wichtig, dass geeignete Frühwarnsysteme installiert
werden, mit deren Hilfe eine Krise frühzeitig erkannt und bekämpft werden kann. Hierzu
zählt bspw. die Beobachtung der medialen Berichterstattung – das Monitoring. Wird hierbei
ein anhaltend negativer Trend beobachtet, kann dies bereits auf eine bevorstehende Krise hin-
deuten.
Darüber hinaus ist es für ein Unternehmen notwendig, sich auf eine potenzielle Krise vorzu-
bereiten, auch wenn es eine hundertprozentige Vorbereitung auf alle erdenklichen Krisensitu-
ationen nicht gibt (vgl. Mast 2008: 101). In einem Krisenhandbuch können alle Informationen
zusammengestellt werden, die im Falle einer Krise von Bedeutung sind. Hierzu gehört bspw.
eine Notfallkette, die festlegt, welche Personen in welcher Reihenfolge im Krisenfall infor-
miert werden müssen, wer die Medienberichte während der Krise beobachtet sowie die Er-
nennung von internen und externen Kommunikatoren (vgl. Puttenat 2009: 74 f.). Einen weite-
ren wichtigen Punkt stellt das Beziehungsmanagement dar. Kontakte zu Journalisten, Behör-
den und anderen Zielgruppen müssen in „ruhigen“ Zeiten gepflegt werden, da während einer
Krise hierfür keine Zeit mehr bleibt (vgl. Meier 2004: 86). Weiterhin sind als Vorbereitung
auf Krisen Medientrainings hilfreich (vgl. Möhrle 2004a: 13). In der Krise wird es sich
schnell als Vorteil erweisen, wenn die Personen, die mit den Journalisten und der Öffentlich-
keit in Kontakt stehen, professionell auftreten und Sicherheit ausstrahlen.
Untersuchungen zeigen, dass vor allem Personen mit einem hohen Bildungsstand das Internet
nutzen. Da es ebenfalls diese Personen sind, die sich besonders für aktuelle öffentliche Dis-

                                             9
kussionen interessieren und diese meist auch über längere Zeit hinweg verfolgen, bietet es
sich an, diese Anspruchsgruppen frühzeitig über Online-Kanäle anzusprechen und zu infor-
mieren (vgl. Köhler 2008: 239). Auch beim Monitoring sollte das Internet nicht vernachläs-
sigt werden, da brisante Themen dort oft schon sehr viel früher diskutiert werden als in den
traditionellen Medien (vgl. Hasse 2004: 170).

Die kommunikative Grundhaltung

Unternehmen verfolgen unterschiedliche Kommunikationsstrategien, die häufig vom Selbst-
verständnis des Unternehmens abhängig sind. Es spielt also bspw. eine Rolle, ob das Unter-
nehmen aktiv gesellschaftspolitische Verantwortung sowie Sozialverantwortlichkeit über-
nimmt (vgl. Hecker 1997: 32). Diese Grundeinstellung drückt sich sehr stark in der Art und
Weise der Kommunikation eines Unternehmens, sowohl in Nicht-Krisenzeiten, besonders
aber während Krisen aus. Hecker beschreibt in Bezug auf Umweltthemen verschiedene Kom-
munikationsstrategien (vgl. ebd.: 34 f.). Ökologische Themen treffen bei der Öffentlichkeit
auf eine erhöhte Sensibilität (vgl. Unterkapitel 2.1.2) und fordern von Unternehmen daher
besondere kommunikative Leistungen. Gerade deshalb bietet es sich an, Heckers Einordnung
an dieser Stelle genauer anzuschauen.
Den Anfang macht die Strategie des Ignorierens. Verfolgt ein Unternehmen diese Strategie,
zeigt es keinerlei Interesse gegenüber externen Meinungen, selbst wenn umsetzbare Maßnah-
men zur Verbesserung vorgeschlagen werden (vgl. Hecker 1997: 34). Am folgenden Beispiel
soll die Übertragbarkeit von Heckers Kommunikationsstrategien auf andere, nicht umweltsen-
sible Bereiche verdeutlicht werden: Plant ein Unternehmen, die Produktionsstätte ins Ausland
zu verlagern, reagiert jedoch überhaupt nicht auf die Reaktionen in den Medien oder in der
Öffentlichkeit, bringt diese passive Kommunikationshaltung sehr schnell einen Verlust des
öffentlichen Vertrauens mit sich, da das Unternehmen den Eindruck erweckt, leichtfertig mit
seiner Sozialverantwortung umzugehen.
Anders stellt sich die Strategie des Verleugnens dar, welche die Autorin auch als reaktiv-
passiv beschreibt. Der Öffentlichkeit wird hierbei der Eindruck vermittelt, dass das Unter-
nehmen dem Dialog keine große Bedeutung und daher eine geringe Kommunikationsintensi-
tät zuschreibt.
Bei der Strategie des Widerstands wird der eigene Standpunkt vom Unternehmen aktiv ver-
teidigt, auch wenn hierzu eine Diskreditierung der Gegner nötig ist. Bei dieser Kommunikati-
onsstrategie bringt das Unternehmen eine hohe Kommunikationsintensität ein, um die Öffent-
lichkeit aktiv zu überzeugen.
Ebenfalls eine hohe Kommunikationsintensität ist bei der Strategie der Antizipation vorhan-
den. Das Unternehmen nimmt den öffentlichen Dialog aktiv auf und kann dadurch sogar teil-
weise öffentliche Forderungen eindämmen. Die Strategie der Antizipation kann von Unter-
nehmen jedoch im weiteren Verlauf eine Anpassungsstrategie erzwingen. Dies ist der Fall,
wenn die aktivierte Öffentlichkeit nur noch eingeschränkte Handlungsspielräume und eine
geringe Kommunikationsintensität einräumt. Befindet sich ein Unternehmen in dieser Situati-
on, besitzt es keine Handlungsautonomie mehr (vgl. ebd.: 34 f.).

                                            10
Die vorgestellten Strategien können einer offensiven oder einer defensiven Kommunikations-
haltung zugeordnet werden. Es bietet sich an, die Einordnung anhand der Kommunikationsin-
tensität vorzunehmen, womit sich im Falle der Strategie des Widerstandes und der Strategie
der Antizipation eine offensive Kommunikationshaltung ergibt.
Doch was ist die richtige Kommunikationsstrategie in der Krise? Jönck zählt drei essenzielle
Merkmale erfolgreicher Krisenkommunikation auf. Die Richtigkeit der Aussagen stellt dabei
ein notwendiges Merkmal dar und ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kommunika-
tion. Der Autor verweist auf die Regel, dass alles, was man sagt, der Wahrheit entsprechen,
jedoch nicht alles, was wahr ist, ausgesprochen werden muss. Außerdem sollten Unternehmen
aufgrund der unvorhersehbaren Reaktionen der Öffentlichkeit in Krisen flexibel sein. Eine
„blinde“ Abarbeitung eines Krisenplans sollte nicht stattfinden, vielmehr sollte „Phantasie,
Einfühlungsvermögen, Improvisation“ (Jönck 2006: 458) eingebracht werden. Das dritte
Merkmal ist die Schnelligkeit ein geeignetes Mittel, um nicht in eine passive Rolle gedrängt
zu werden (vgl. ebd.). Diese Auffassung vertritt auch Puttenat, die eine zu langsame und zu
späte Reaktion als typischen Fehler in einer Krisensituation beschreibt (vgl. Puttenat 2009:
30).
Möhrle hingegen sieht schnelle, proaktive Maßnahmen von Unternehmen in Krisensituatio-
nen eher kritisch. Das Unternehmen müsse abwägen „zwischen der Chance, das Heft des
Handelns selbst in die Hand zu nehmen […] und der Gefahr, das Issue durch die eigene Akti-
vität erst richtig loszutreten“ (Möhrle 2004b: 146). Hier stimmt der Autor mit der weiter oben
angeführten Gefahr überein, dass ein Unternehmen durch proaktive Kommunikation in eine
Situation verfallen kann, in der das Handeln von der aktivierten Öffentlichkeit diktiert wird
(vgl. Anpassungsstrategie).
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, wie schwierig es für ein Unternehmen ist, in
einer Krise die richtigen kommunikativen Maßnahmen zu ergreifen. Sowohl die passive ab-
wartende, als auch die proaktive Kommunikation birgt Risiken in sich, die vorher nicht ein-
schätzbar sind.
Zusammenfassend kann dem allgemeinen Tenor der Experten jedoch entnommen werden,
dass Unternehmen, die sich in einer Krise in Schweigen hüllen, eher der Gefahr ausgesetzt
sind, von der Öffentlichkeit in eine passive und reaktive Rolle gedrängt zu werden. Die Chan-
ce, eigene Themen auf die Agenda zu setzen, ist in einem solchen Falle größtenteils verloren,
da die Medien und die Öffentlichkeit diese bereits vorgeben.

2.2.2 Operative Krisenkommunikation

Dieses Unterkapitel setzt sich mit der kurz- und mittelfristigen Krisenkommunikation ausei-
nander. Die operative Krisenkommunikation setzt dann ein, wenn eine Krise vom Unterneh-
men mit Hilfe von geeigneten Frühwarnsystemen bereits wahrgenommen wird, was in einem
Unternehmen, das sich dauerhaft mit der Krisenprävention auseinandersetzt, spätestens in der
gelben Krisenphase der Fall sein sollte (vgl. Unterkapitel 2.1.3). Durch die operative Krisen-
kommunikation werden die im optimalen Fall bereits bestehenden und für den Ernstfall fest-
gelegten Kommunikationsstrategien konkretisiert und in die Realität umgesetzt. Im akuten

                                             11
Krisenfall kämpft das Unternehmen also durch die Ad-hoc-Krisenkommunikation nicht nur
um das Überleben selbst, sondern auch darum, wie es die Krise überlebt. Welche Instrumente
sowie Medien und Kanäle für die operative Krisenkommunikation eingesetzt werden können,
wird in Folgenden erläutert.

Die Instrumente der operativen Krisenkommunikation

Eine Umfrage unter 70 Unternehmen im Jahre 2000 ergab, dass in Krisen am häufigsten von
Pressekonferenzen Gebrauch gemacht wird. Ebenfalls werden oft Interviews gegeben und
Pressemitteilungen verschickt. Auffällig ist außerdem, dass bereits vor zehn Jahren im Zu-
sammenhang mit Krisen des Öfteren auf das Internet zurückgegriffen wurde. Da sich das In-
ternet als Instrument der akuten Krisenbekämpfung inzwischen noch stärker durchgesetzt hat,
wird später in diesem Unterkapitel genauer darauf eingegangen.
Die oben genannten Instrumente zeigen, dass Unternehmen in Krisen häufig auf Maßnahmen
zurückgreifen, die auch eingesetzt werden, wenn keine Krise vorhanden ist. Doch vor allem in
einer Krisensituation sollte ein Unternehmen viel Aufwand und Zeit in die Kommunikation
investieren. Wird in einer Krise unprofessionell kommuniziert, kann dies die Krise zusätzlich
verstärken. Möhrle zeigt daher einige Instrumente auf, die gerade in einer Krise sehr hilfreich
sein können, um das öffentliche Interesse zu befriedigen, welche im Folgenden erläutert wer-
den.
Es sollte mit dem Bekanntwerden einer Krise umgehend ein Ad-hoc-Briefing der Medien
durchgeführt werden. Hierbei geht es nicht unbedingt darum, alle Einzelheiten darzulegen,
sondern um die glaubwürdige und verlässliche Information, dass an dem Problem gearbeitet
wird. Natürlich besteht die Gefahr, dass einige Journalisten aufgrund der Kurzfristigkeit nicht
persönlich teilnehmen können. In diesem Fall ergibt es Sinn, parallel einen Online-
Newsticker zu schalten (vgl. Möhrle 2004c: 163). Der Autor schlägt hierfür die Website vor;
allerdings haben sich in den vergangenen Jahren weitere Online-Kanäle entwickelt, wie bspw.
Twitter, die sich für aktuelle Kurznachrichten eignen. Detailliert wird auf die Anwendungen
im Web 2.0 unter 2.3.1 eingegangen.
Über das Ad-hoc-Briefing hinaus bietet sich an, dem Fernsehen und Hörfunk Kurzinterviews
mit Verantwortlichen des Unternehmens anzubieten. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben,
Gerüchten und falschen Informationen sofort und aktiv entgegenzuwirken. Auf der anderen
Seite besteht hierbei immer die Gefahr, dass in den Interviews Aussagen gemacht werden, die
dem Unternehmen später negativ ausgelegt werden können. Diese Gefahr kann eingedämmt
werden, indem die Inhalte des Interviews vorab abgesprochen werden. Außerdem sollte das
Unternehmen hierfür einen Sprecher auswählen, der einer schwierigen Situation rhetorisch
gewachsen ist (vgl. ebd.).
Eine weitere Möglichkeit, den Medien sende- und zitierfähige O-Töne zur Verfügung zu stel-
len, ohne dabei der Gefahr ausgesetzt zu sein, den Medien als „Nebenprodukt“ des Gesprächs
eine Aussage zu liefern, die negativ interpretiert werden kann, bietet ein Statement-Service. In
der konkreten Umsetzung bedeutet dies, dass kurze Aussagen von Unternehmensverantwort-
lichen auf der Website zum Download bereitgestellt werden (vgl. ebd.). Zum einen besitzt ein

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O-Ton für Journalisten einen besonderen Nachrichtenfaktor und hat daher gute Chancen,
übernommen zu werden, zum anderen kann durch die persönlichen Aussagen – je nach Medi-
um sogar mit Bild – Glaubwürdigkeit besser hergestellt werden.
Ein weiteres Instrument in Krisensituationen sind Hintergrundgespräche mit ausgewählten
Journalisten (vgl. Möhrle 2004c: 163 f.), deren Erfolg sehr stark vom vorangegangenen Be-
ziehungsmanagement der strategischen Krisenkommunikation abhängt. Durch eine dauerhafte
Kontaktpflege zu Journalisten kann sichergestellt werden, dass in Krisensituationen gezielt
und erfolgreich Hintergründe vermittelt und Diskussionen geführt werden können.
Außerdem sollten auch während der Krise Ad-hoc-Medientrainings durchgeführt werden.
Oftmals möchte die Öffentlichkeit in Krisen nämlich nicht einen Sprecher sehen und hören,
sondern fordert Stellungnahmen vom Topmanagement ein. Da dieses jedoch häufig über sehr
viele Fähigkeiten verfügt, nicht aber gezwungenermaßen über rhetorisches Geschick, sollten
die Medientrainings in Kürze grundlegende kommunikative Fähigkeiten vermitteln, die
glaubwürdige und verständliche Botschaften gewährleisten (vgl. ebd.). Auch Töpfer geht auf
die Wichtigkeit von Kommunikationstrainings ein und betont, dass sie notwendig sind, um
eine schnelle und richtige Reaktion sicherzustellen und ein stereotypes Kommunikationsver-
halten zu vermeiden. Auch er ist der Meinung, dass die Person, die das Problem bearbeitet,
kommunizieren muss und nicht ein Unternehmenssprecher, damit Glaubwürdigkeit in die
Öffentlichkeit transportiert werden kann (vgl. Töpfer 1999: 46 f.).
Gutermann und Helbig weisen außerdem auf den Einsatz von professionellen Krisenberatern
hin. Diese unterstützen die Kommunikationsabteilung bei den operativen Maßnahmen und
bringen ein oftmals sinnvolles externes Feedback ein (vgl. Gutermann/Helbig 2004: 111). Bei
kleineren Unternehmen, mit begrenzten kommunikativen Ressourcen, kann das Hinzuziehen
eines Krisenberaters sicherlich nützlich sein. Jedoch kann die Mitsprache eines externen Bera-
ters, der evtl. mit Vorschlägen, die gegenüber den internen Kommunikationsverantwortlichen
in der Vergangenheit abgelehnt wurden, auf Zustimmung im Topmanagement trifft, interne
Unstimmigkeiten verursachen, die die Krisenkommunikation lähmen.
Letztlich ist die Darksite, eine präventiv vorbereitete Internetseite, die im Krisenfall online
gestellt wird, ein unerlässliches Standardinstrument in Krisen. Sie sollte in krisenfreien Zeiten
bereits vorbereitet und so weit wie möglich mit Inhalten gefüllt werden (vgl. Hasse 2004:
172). Eine ganzheitliche Erstellung nach Ausbruch der Krise kostet zu viel Zeit und kann un-
ter dem Druck kaum zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen. Außerdem sind die Mit-
arbeiter durch die Erstellung einer Darksite schon im Vorfeld dazu gezwungen, sich mit einer
möglichen Krise auseinanderzusetzen. So zeigt sich hierbei bspw., wer über welche Informa-
tionen und Entscheidungsbefugnisse verfügt und wo es inhaltliche Unstimmigkeiten gibt.

Die Kanäle und Medien der operativen Krisenkommunikation

In einer Krise sollte es wohl überlegt sein, über welche Kanäle ein Unternehmen mit Journa-
listen und der Öffentlichkeit in Kontakt tritt. Bei der Auswahl eines geeigneten Kanals gilt es,
vorher zu klären wer in der Krise kommuniziert. Möhrle weist darauf hin, dass es möglicher-
weise notwendig sein kann, bisherige Kommunikatoren zumindest vorübergehend von ihrer

                                               13
Aufgabe freizustellen, um diese Rolle anderen zu übertragen, die dieser Situation rhetorisch
besser gewachsen sind (vgl. Möhrle 2004c: 158).
Im Allgemeinen bietet es sich an, eine konkrete Rollenverteilung vorzunehmen, um in der
Krise eine sinnvolle Kommunikationsstruktur sicherzustellen. Die reine Medienarbeit sollte
der Pressesprecher oder sonstige Kommunikationsverantwortliche übernehmen. Eine allge-
meine Repräsentanz gegenüber der Öffentlichkeit, der Branche und der Politik hingegen
schreibt der Autor der Vorstandsebene bzw. dem Geschäftsführer oder Inhaber zu. Sobald es
jedoch um fachliche Informationen geht, sollten Personen kommunizieren, die aufgrund ihrer
Kompetenz und Position Glaubwürdigkeit herstellen können (vgl. ebd.: 158 f.). Dieser Eintei-
lung steht die Ansicht von Klimke und Schrott gegenüber, die auf das „One-Voice-Concept“
verweisen. Dieses Konzept schreibt alle Kommunikationsaufgaben einem Sprecher zu (vgl.
Klimke/Schrott 1993: 238). Tritt ein Unternehmen in Gestalt einer zentralen Person auf, wel-
cher es gelingt, Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Öffentlichkeit zu schaffen, kann dies in
der Krise sehr hilfreich sein. Möhrles Aufteilung hingegen hat den Vorteil, dass jede Kom-
munikationsebene von den entsprechenden „Experten“ bearbeitet wird.
Ist intern geklärt, wer in der Krise kommuniziert, geht es im zweiten Schritt darum, die geeig-
neten Kanäle auszuwählen. Unternehmen entscheiden sich in Krisen aufgrund personeller,
finanzieller und zeitlicher Gründe häufig dazu, über Massenmedien mit der Öffentlichkeit in
Kontakt zu treten und auf dialogorientierte Medien zu verzichten. Eggert stellte durch eine
Untersuchung fest, dass Unternehmen von einem geeigneten Medium in der Krise vor allem
Schnelligkeit erwarten. Weiterhin ist den befragten Unternehmen die Verfügbarkeit, die zeit-
liche Einsetzbarkeit und eine große Reichweite wichtig (vgl. Eggert 2000: 40 f.). Betrachtet
man die Anforderungen genauer, stellt man schnell fest, dass die Neuen Medien diese Leis-
tungskriterien in sich vereinen. Neben den klassischen Kommunikationskanälen, wie Print-
und Rundfunkmedien, gewinnt das Internet daher für die Krisenkommunikation immer mehr
an Bedeutung. Eggerts Umfrage im Jahre 2000 ergab, dass Unternehmen in Krisen eher auf
Pressekonferenzen, Interviews und PR-Artikel zurückgreifen, um mit der Öffentlichkeit in
Kontakt zu treten (vgl. ebd.: 40). Mickeleit schreibt allerdings vier Jahre später, dass das In-
ternet für Journalisten, Wissenschaftler, Analysten und Umweltaktivisten eine Erstinformati-
onsfunktion besitzt (vgl. Mickeleit 2004: 116). Inzwischen nutzt die Mehrheit der deutschen
Bevölkerung sowie die meisten Journalisten das Internet und sollten daher darüber angespro-
chen werden (vgl. Köhler 2008: 239). Wahrscheinlich würden die Antworten der Unterneh-
mer heute etwas anders aussehen als im Jahre 2000. Experten sind sich jedoch einig, dass das
Internet die traditionellen PR-Kanäle unterstützen, nicht aber vollständig ersetzen kann. Stre-
ben Unternehmen in Krisensituationen symmetrische Kommunikation an, greifen sie haupt-
sächlich auf Kanäle wie das Telefon oder Face-To-Face-Begegnungen zurück. Das Internet
wird als integraler Bestandteil der (Krisen-) Kommunikation angesehen (vgl. ebd.: 240).

2.3 Besonderheiten von Web 2.0 im Rahmen der Online-Kommunikation

Das Internet hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung gezeigt. Seit sich innerhalb
des Internets das Web 2.0 entwickelt hat, bietet sich über den Online-Kanal nicht mehr nur

                                              14
die Möglichkeit der Einweg-Kommunikation. Man sollte hierbei jedoch nicht von einem ab-
rupten Umbruch ausgehen, wie es die Umbenennung von Web 1.0 auf Web 2.0 vermuten
lässt. Vielmehr haben sich die Möglichkeiten, als Nutzer aktiv in das Web „einzugreifen“,
nach und nach ergeben. Das Internet entwickelte sich bereits Ende des zwanzigsten Jahrhun-
dert in Richtung Mitmach-Plattform – Wikis und Weblogs entstanden (vgl. Schmidt 2008: 20
f.). Die Partizipationsmöglichkeiten der Internetnutzer haben sich seither so verstärkt, dass die
Time sich im Jahre 2009 dazu entschied „You“ – den aktiven Internetnutzer – zur Person des
Jahres zu ernennen (vgl. Schmidt 2009: 16).
Unter 2.3.1 werden die Merkmale, die Anwendungsmöglichkeiten sowie die sich daraus erge-
benden Funktionen von Web 2.0 aufgezeigt. Danach werden die unterschiedlichen Themen-
karrieren im Web 2.0 denen des traditionellen Journalismus gegenübergestellt. Am Ende die-
ses Unterkapitels wird näher betrachtet, wie und von wem das Web 2.0 genutzt wird. Es sei
an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Begriffe „Web 2.0“ und „Social Web“ im Fol-
genden synonym verwendet werden.

2.3.1 Merkmale, Anwendungen und Funktionen von Web 2.0

Entscheidet sich ein Unternehmen für den Einsatz von Web 2.0, ist es wichtig, dass es in einer
Krisensituation zur richtigen Zeit auf die richtigen Web 2.0-Anwendungen zurückgreift und
sich der Funktionen von Web 2.0 stets bewusst ist.
Im folgenden Abschnitt werden daher im ersten Schritt die besonderen Merkmale beschrie-
ben, die das Web 2.0 besitzt. Danach werden Anwendungen innerhalb von Web 2.0 vorge-
stellt, die für die Unternehmenskommunikation in Krisen von Bedeutung sein können. Am
Ende werden in Kürze die grundsätzlichen Funktionen erläutert, die das Web 2.0 erfüllt.

Die besonderen Merkmale von Web 2.0

Geht es um die Vermittlung gesellschaftlich relevanter Themen, spielen die traditionellen
Massenmedien nach wie vor die wichtigste Rolle (vgl. Köhler 2008: 235). Die Art und Weise
der Informationsvermittlung stellt einen großen Unterschied zwischen den traditionellen Mas-
senmedien und dem Internet dar. Während die Zugangs- und Partizipationschancen zu den
traditionellen Massenmedien ungleich verteilt sind, zeichnet sich das Internet durch einen
freien Zugang aus. Es besteht somit prinzipiell für jeden Nutzer die Möglichkeit, die Inhalte
im Internet mitzubestimmen (vgl. ebd.). Durch die Entwicklung von Web 2.0 und somit die
stetige Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten, hat sich im Internet eine öffentliche
Kommunikationsplattform entwickelt. Die dadurch ermöglichte Interaktivität, sowie die
Hypertextualität, die es möglich macht, öffentliche Kommunikationsbeiträge über mehrere
Webseiten hinweg miteinander zu verknüpfen, stellen die beiden grundlegenden Merkmale
von Web 2.0 dar (vgl. Gerhards/Klingler/Trump 2008: 129 f.).
Neben den beiden genannten Merkmalen spricht Wimmer außerdem die Multimedialität an,
durch die eine Kombination verschiedener Medien möglich ist. Multimedialität wird bspw.
realisiert, wenn in einem Blogbeitrag ein Video eingebunden wird (vgl. Wimmer 2008: 215).

                                               15
Internetnutzer sind durch die Tatsache, dass das Internet die Dimensionen Raum und Zeit
nahezu aufhebt, in der Lage, sich im Web 2.0 an lokalen, regionalen und globalen Diskussio-
nen zu beteiligen, welche aufgrund der Speicherkapazität des Internets nicht an einen be-
stimmten Moment gebunden sind.
Durch das Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement (vgl. die Funktionen von
Web 2.0) der Nutzer bilden sich im Web 2.0 zufällige Hierarchien heraus. Je nachdem, wie
und in welchem Ausmaß sich Nutzer im Internet selbst darstellen und verwirklichen, Kontak-
te knüpfen und pflegen sowie Informationen beschaffen, bearbeiten und verbreiten, werden
Rangordnungen erkennbar. Es gibt bspw. nur wenige Blogs, denen eine so große öffentliche
Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, dass sie zu den A-List-Blogs gezählt werden, was
bedeutet, dass bis zu tausend Aufrufe pro Tag stattfinden. Die Mehrzahl der Blogs hingegen
wird nur von wenigen Menschen verfolgt (vgl. Schmidt 2008: 32). Aus dieser Hierarchie
kann man im Web 2.0 eine gewisse Meinungsführerschaft ableiten. Beschäftigt sich bspw. ein
Blog, das natürlich fesselnd geschrieben und regelmäßig aktualisiert werden sollte, mit bri-
santen Umweltthemen, hat es gute Chancen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu zie-
hen und bei der Meinungsbildung der Leser zu diesen Themen maßgeblich mitzuwirken.

Die Anwendungen im Web 2.0

Im Folgenden werden Anwendungen im Web 2.0 vorgestellt, die es Unternehmen ermögli-
chen, direkt und dialogorientiert mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten.
Eine Umfrage aus dem Jahre 2007 ergab, dass es weltweit ungefähr 70 Millionen Weblogs
gibt, zu denen täglich etwa 120.000 neue Blogs hinzukommen, das heißt 1,4 Blogs pro Se-
kunde (vgl. Sifry 2007). Trotz des enormen Zuwachses trauten sich zu der Zeit jedoch nur
wenige deutsche Unternehmen, aktiv in die Blogosphäre einzusteigen, und wenn doch, steck-
ten deren Aktivitäten noch in den Kinderschuhen, das heißt Auswirkungen auf die Beziehun-
gen zur Außenwelt waren kaum zu erkennen (vgl. Burkhardt 2007: 5). Jedoch wurde schon
damals deutlich, dass Weblogs in Zukunft eine große Herausforderung für Unternehmen in
Krisensituationen darstellen können. Setzt ein Unternehmen ein eigenes Blog ein, kann es
dort schnell und dialogorientiert reagieren, wo zukünftig evtl. verstärkt Krisen entstehen – in
der Blogosphäre (vgl. ebd.: 51). Eine besondere Art des Bloggens ermöglichen Mikroblogs.
Das bekannteste Beispiel hierfür ist Twitter. Die Besonderheit von Mikroblogs stellt die Zei-
chenbegrenzung dar. So kann ein einzelner Beitrag bei Twitter höchstens aus 140 Zeichen
bestehen, bietet jedoch über Hyperlinks die Möglichkeit, auf weitere Informationen zu ver-
weisen sowie den Tweed durch Schlagworte bestimmten Themen zuzuordnen.
Ebenfalls eine sehr populäre Anwendung im Web 2.0 sind die Netzwerkplattformen. Eine
aktive Teilnahme ist für jeden möglich, jedoch erst nach Registrierung. Grundsätzlich werden
zwei Arten von Netzwerkplattformen unterschieden. Zum einen gibt es Netzwerkplattformen,
bei denen sich die Nutzer als Privatpersonen anmelden und somit auch hauptsächlich private
Inhalte publizieren. Facebook oder MySpace sind hierfür populäre Beispiele. Zum anderen
gibt es das berufliche Networking, bspw. Xing, bei dem die Nutzer ein berufsbezogenes Profil
anlegen und hauptsächlich berufliche Themen ausgetauscht werden. Beide Arten ermöglichen

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es Unternehmen, aktiv am Networking teilzunehmen und Inhalte im Namen des Unterneh-
mens zu publizieren.
Außerdem gibt es im Internet Multimediaplattformen. Auf YouTube, ein sehr bekanntes Bei-
spiel, können Privatpersonen und Unternehmen Videos veröffentlichen (vgl. Schmidt 2009:
23). Die Möglichkeit, einen eigenen Kanal zu erstellen, auf dem nur autorisierte Personen
Videos veröffentlichen dürfen, gibt den Nutzern eine Kontrolle über den Inhalt. Ein Unter-
nehmen kann somit auf seinem eigenen Kanal selbst bestimmen, welche Videos unter seinem
Namen veröffentlicht werden.
Des Weiteren existieren im Web 2.0 verschiedene Wikis, in denen Nutzer aktiv zu verschie-
denen Themen Beiträge verfassen können. Änderungen dieser Beiträge können jederzeit
nachverfolgt und rückgängig gemacht werden. Auf Wikipedia bspw. kann ein Unternehmen
einen Beitrag über sich selbst oder über seine Produkte verfassen (vgl. ebd.: 22 ff.).

Die Funktionen von Web 2.0

Die Autoren Zerfaß und Sandhu schreiben dem Web 2.0 vier Funktionen zu, die jedoch größ-
tenteils mit dem oben angesprochenen Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement
übereinstimmen. Die publizistisch-expressive Funktion, welche mit dem Identitätsmanage-
ment gleichgesetzt werden kann, beinhaltet das Veröffentlichen und Darstellen von Inhalten,
wofür bspw. Blogs oder Podcasts eingesetzt werden können. Außerdem dient das Web 2.0
dazu, Wissen zu strukturieren, zum Beispiel mit Hilfe von Wikis. Eine weitere Funktion se-
hen die Autoren in der Informationsaufbereitung, die der Internetnutzer mit Hilfe von RSS-
Feeds vornehmen kann. Die beiden letztgenannten Funktionen die der Wissensstrukturie-
rung und der Informationsaufbereitung spiegeln das Informationsmanagement wieder. Da-
rüber hinaus ordnen die Autoren dem Web 2.0 die Ermöglichung von professionellen und
persönlichen Beziehungsnetzwerken zu. Diese Funktion, die das von Schmidt genannte Be-
ziehungsmanagement abdeckt, drückt sich im Web 2.0 durch soziale Netzwerke aus.

2.3.2 Themenkarrieren im Web 2.0

Aufgrund der oben genannten Eigenschaften von Web 2.0 haben Themen dort ganz andere
und neue Möglichkeiten sich zu entwickeln. Die Unterschiede zwischen der Themenbearbei-
tung und -entwicklung im Web 2.0 und in klassischen Medien sollte bei der Krisenkommuni-
kation stets beachtet werden. Daher wird im folgenden Absatz auf die verschiedenen The-
menkarrieren eingegangen.
Um einen Vergleich herstellen zu können, muss zuerst die Themenentwicklung im Web 2.0
genauer betrachtet werden. Die bereits oben genannte Eigenschaft, dass das Internet zeitliche
und räumliche Grenzen überschreitet, spielt hierbei eine große Rolle. So führt das Internet
dazu, dass Themen sehr schnell nationale und internationale Aufmerksamkeit erregen können
(vgl. Mast 2008: 104) und die Nutzer sich mit Hilfe von Web 2.0-Anwendungen an den ent-
sprechenden Diskussionen beteiligen können. Im Web 2.0 werden somit oftmals Themen auf
die Agenda gesetzt, die Kommunikationskrisen auslösen können. Durch die schnelle Weiter-

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verbreitung der Krisenthemen wird die Kommunikationskrise außerdem durch das Web 2.0
beschleunigt.
Die Ziele der aktiven Nutzer gehen jedoch teilweise über die reine Beteiligung an Diskussio-
nen hinaus. So weisen Zerfaß und Sandhu darauf hin, dass sich viele Nutzer als investigative
Multiplikatoren sehen, die durch eigene Recherchen in Weblogs mehr erfahren wollen, als
ihnen die Journalisten bieten können (vgl. Zerfaß/Sandhu 2008: 295). In einer Untersuchung
stellte sich außerdem heraus, dass Blogger ein großes Interesse daran haben, Krisen aufzude-
cken (vgl. Liu 2010: 29). Somit bildet das Zusammenspiel zwischen Bloggern, die Krisen
aufdecken wollen und deren Lesern, die einen Wissensvorsprung haben möchten, eine Grund-
lage dafür, dass Krisenthemen schnell wahrgenommen und verbreitet werden. Dieser Ent-
wicklung können sich auch professionelle Journalisten nicht entziehen. Daher bewegen sich
auch diese immer mehr im Web 2.0 und integrieren es in ihren Arbeitsalltag. Dies führt einer-
seits dazu, dass Journalisten ihre Informationen teilweise aus dem Web 2.0 beziehen, zum
anderen sind sie inzwischen maßgeblich an der Content-Erstellung im Web 2.0 beteiligt. In
Deutschland werden mittlerweile drei der zehn populärsten Blogs von Journalisten geführt
(vgl. Schmidt 2008: 30). Im Folgenden werden Blogs, stellvertretend für das Web 2.0 genauer
betrachtet. Diese Zuspitzung scheint in diesem Zusammenhang angemessen, da Blogs im
Web 2.0 die größte Konkurrenz zu der traditionellen Berichterstattung darstellen.
Das Vorgehen von Bloggern unterscheidet sich teilweise beträchtlich von den Arbeitsweisen
von Journalisten. “One structural difference between bloggers and journalists is the type of
sources the two primarily use” (Liu 2010: 29). In einer Untersuchung, die Blogs und Online-
Zeitungen analysierte, fand Liu heraus, dass Journalisten sowohl im Alltagsgeschäft als auch
bei der Arbeit mit Krisenthemen an offiziellen Quellen interessiert sind, während die Her-
kunft der Informationen für Blogger weniger relevant ist. Des Weiteren unterscheiden sich
Blogbeiträge und die traditionelle Berichterstattung anhand der Objektivität. Die Autorin
stellte fest, dass Journalisten bemüht sind, fair und ausgeglichen zu berichten, in der Blogos-
phäre jedoch findet man oftmals subjektive Beiträge. So beinhalten 55% der untersuchten
Blogbeiträge, aber nur 18% der analysierten Online-Artikel subjektive Aussagen. Außerdem
kam die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Journalisten unter einem weitaus größeren Zeit-
und Kostendruck stehen als Blogger. Dies äußert sich darin, dass die untersuchten Blogs einer
bestimmten Krise mehr Beiträge gewidmet haben als die analysierten Online-Zeitungen. Ein
weiteres entscheidendes Ergebnis der Studie zeigt sich bei Betrachtung des Zeitpunkts, zu
dem Krisen angesprochen werden. Blogs sind den Online-Zeitungen hierbei meistens einen
Schritt voraus (vgl. ebd.: 29 ff.).
Die aufgezeigten Ergebnisse machen einerseits deutlich, dass Blogger teilweise freier und
ungezwungener arbeiten können als professionelle Journalisten. Es gelingt Bloggern daher
häufig, Krisenthemen ins Visier zu nehmen, bevor sie in den klassischen Medien, und auch in
Online-Zeitungen, erscheinen. Andererseits können eine subjektivere Berichterstattung und
ein großzügiger Umgang mit der Herkunft von Quellen dazu führen, dass mangelhafte Infor-
mationen an die Leser der Blogs weitergegeben werden. Durch die Interaktivität und
Hypertextualität können Themen im Web 2.0 schnell verbreitet werden, oftmals ebenfalls
ohne vorher auf Richtigkeit überprüft zu werden, und gelangen damit an eine große Öffent-

                                              18
lichkeit. Diesem Gedanken entspricht auch Schmidts Ansicht, der am Web 2.0 kritisiert, dass
dort Laien Aufgaben übernehmen, die bisher Personen mit professionellen Ausbildungen er-
ledigt haben.
Da durch das Web 2.0 die technischen Hürden für die Publikation von Informationen gesun-
ken ist und Nutzer durch verschiedene Anwendungen ihre Informationen nach eigenem Be-
lieben filtern können, wird das ursprüngliche Gatekeeper-Monopol der Journalisten dadurch
teilweise unterlaufen (vgl. Schmidt 2009: 178). Kutner spricht bereits im Jahre 2000 an, dass
das Internet „[…] allows direct communication and bypassing of information gatekeepers
[…]" (Kutner 2000: 7). Durch die stetige Weiterentwicklung von Web 2.0-Anwendungen hat
sich diese Situation bis heute weiter verstärkt.
Diese Verschiebung der Zuständigkeiten stellt Journalisten vor neue Herausforderungen. Sie
sind nicht mehr die alleinigen Entscheider über Themenkarrieren. Eggert sieht nun eine große
Herausforderung für die Journalisten darin, „aus dem Meer an Daten die für sie angemessene
Qualität und Quantität zu bestimmen“ (Eggert 2000: 37).
Für Unternehmen bedeuten die angesprochenen Veränderungen der Themenentwicklung, dass
sie sich einerseits direkt an die Öffentlichkeit wenden können, ohne dabei von einem Journa-
listen in seiner Gatekeeper-Funktion abhängig zu sein, andererseits sind Themenkarrieren im
Web 2.0 kaum zu steuern. Das heißt Unternehmen haben nur wenig Einfluss darauf, ob und
wie ihre Themen im Web 2.0 wahrgenommen und weiterverbreitet werden.

2.3.3. Nutzung von Web 2.0

Um das Web 2.0 in der Online-Kommunikation und vor allem in der Krisenkommunikation
erfolgreich einsetzen zu können, sollten Unternehmen Kenntnis darüber haben, wer das Web
2.0 nutzt und welche Motive dahinter stecken. Nachdem im Folgenden die allgemeine Nut-
zung von Web 2.0 in Deutschland genauer beschrieben sowie ein mögliche Einteilung in Nut-
zungstypen vorgestellt wird, soll im zweiten und dritten Schritt die Nutzung von Web 2.0
durch Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen dargestellt werden.

Die allgemeine Nutzung von Web 2.0 in Deutschland

Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2010 ergab, dass 69% der Bevölkerung ab 14 Jahren online sind,
76% davon sogar täglich. Viele davon nutzen Web 2.0-Anwendungen. So erreicht Wikipedia
73% und Videoportale 58% aller Deutschen, die online sind. Private Netzwerkplattformen
erreichen 39%, Fotocommunitys immerhin noch 19% der deutschen Internetnutzer. Diese
Verteilung stimmt mit der Web 2.0-Nutzung von Teenagern und Twens überein, die am häu-
figsten private Netzwerkplattformen, Videoportale und Wikipedia nutzen. Dieser Zusammen-
hang ist evtl. darauf zurückzuführen, dass Personen bis zu einem Alter von 30 Jahren stärker
im Web 2.0 vertreten sind, als ältere Internetnutzer und sich deren Nutzung somit stark in den
allgemeinen Nutzungsstatistiken niederschlägt.
Doch das Web 2.0 kann sehr unterschiedlich genutzt werden. Es ist daher nicht nur interes-
sant, welche Anwendungen von wem genutzt werden, sondern ebenfalls, wie sie genutzt wer-

                                             19
den. So stellte sich durch die Onlinestudie heraus, dass 97% der Wikipedia-Nutzer die Platt-
form ausschließlich zur Informationsbeschaffung nutzen, während lediglich 3% darüber hin-
aus aktiv Beiträge in Wikipedia verfassen oder bearbeiten. Ähnlich stellt es sich auf Multime-
diaplattformen dar. Mit 92% schaut der deutliche Großteil der Nutzer von Multimedia-
plattformen ausschließlich Videos an, 8% haben hingegen selbst bereits Filme eingestellt. Ein
anderer Trend zeigt sich bei Blogs. Während 60% „nur“ Blogs lesen, haben immerhin 40%
darüber hinaus bereits eigene Blogbeiträge verfasst (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2010). Die-
ses Ergebnis macht deutlich, dass Blogs innerhalb von Web 2.0 eine große Bedeutung haben,
da sie eine weitreichende aktive Beteiligung der Web 2.0-Nutzer auf sich vereinen.
Je nach Art und Weise der Nutzung wurden von Gerhards/Klingler/Trump acht Nutzertypen
festgelegt. Es muss jedoch beachtet werden, dass ein Web 2.0-Nutzer mehreren Nutzertypen
angehören kann. Am stärksten verbreitet sind passiv partizipierende Nutzer, das heißt über
zwei Drittel der Web 2.0-Nutzer sind „Unterhaltungs- oder Informationssucher“. Ebenfalls
einen großen Anteil nehmen die „Kommunikatoren“ mit 34% ein, die ihre aktiven Tätigkeiten
hauptsächlich auf das Verfassen von Kommentaren beschränken. Der Nutzertyp „Spezifisch
Interessierte“ wird dann aktiv, wenn es inhaltlich um eine persönliche Angelegenheit geht.
Das heißt 17% nutzen das Web 2.0 aktiv, um bspw. Wissen zu dem letzten Urlaubsziel oder
einer bestimmten Krankheit auszutauschen. „Netzwerker“ nutzen das Web 2.0 aktiv, um an-
dere Menschen kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen. Diesem Nutzertyp gehören
12% der Web 2.0-Nutzer an. Die übrigen drei Nutzertypen zeichnen sich durch eine sehr akti-
ve Partizipation und einen sehr kleinen prozentuellen Anteil aus. So gehören 4% dem Nut-
zungstyp „Selbstdarsteller“ an. Diese Personen nutzen ihre aktiven Partizipationsmöglichkei-
ten im Web 2.0 ausschließlich, um ihre eigene Person darzustellen, bspw. mittels eines priva-
ten Internettagebuchs. Die mit 6% etwas stärker verbreiteten „Produzenten“ haben einen ge-
wissen künstlerischen oder journalistischen Anspruch an ihre veröffentlichten Inhalte. Hierun-
ter fällt zum Beispiel der Amateurfotograf, der auf einer Fotocommunity seine Fotos veröf-
fentlicht. Am aktivsten sind die „Profilierten Nutzer“. Sie schöpfen die Möglichkeit der Mit-
gestaltung im Web 2.0 vollständig aus. Als Beispiel hierfür kann ein Blogger genannt werden,
der intensiv in die Blogosphäre eingebunden ist. Die Profilierten sind zu 7% unter den Web
2.0-Nutzern vertreten (vgl. Gerhards/Klingler/Trump 2008: 139 ff.).

Die Nutzung von Web 2.0 durch Unternehmen

Im internationalen Vergleich schneiden deutsche Unternehmen beim Einsatz von Web 2.0
unterdurchschnittlich ab. So zeigt eine Untersuchung aus dem Jahre 2008, dass nur 5% der
deutschen Unternehmen ein eigenes Blog betreiben, während es international immerhin 32%
sind (vgl. Zerfaß/Sandhu 2008: 287). Gründe für den vorsichtigen Umgang mit Web 2.0-
Anwendungen in deutschen Unternehmen sind der unklare Nutzen mit 62%, Sicherheitsbe-
denken mit 53%, die fehlende Kontrolle über den Inhalt mit 48% sowie die nicht vorhandene
Unterstützung der Unternehmensleitung mit 30% (vgl. ebd.). Dieses Ergebnis zeigt, dass sich
viele deutsche Unternehmen noch nicht ausführlich mit dem Social Web auseinandergesetzt
haben; ist die fehlende Kontrolle doch in jedem Falle vorhanden, auch wenn ein Unternehmen

                                             20
sich nicht beteiligt. Die eigene Präsenz im Web 2.0 stellt vor allem in Krisen häufig eine gute
Möglichkeit dar, die Meinungsbildung im Web 2.0 aktiv zu beeinflussen.

Die Nutzung von Web 2.0 durch Nichtregierungsorganisationen

Nichtregierungsorganisationen (NGO) engagieren sich oftmals grenzüberschreitend. Daher
beschränken sich die Aussagen über die Nutzung von Web 2.0 durch NGOs nicht nur auf
Deutschland.
Es gibt bisher keine Überblicksstudien zum Umgang von NGOs mit dem Web 2.0. Trotzdem
kann anhand der Ergebnisse von Fallstudien festgehalten werden, dass Aktivisten immer mehr
auf die neuen, partizipativen Möglichkeiten im Web 2.0 zurückgreifen. Am häufigsten setzen
NGOs Blogs ein, um sich an die Öffentlichkeit im Web 2.0 zu richten (vgl. Voss 2008: 238).
Voss stellte im Jahre 2008 fest, dass der Einsatz von Web 2.0 bei NGOs jedoch im Allgemei-
nen bisher nur mäßig verbreitet ist. Sowohl deutsche, als auch amerikanische NGOs vertrauen
bei der Online-Kommunikation eher auf professionelle Webseiten, die nur wenige interaktive,
partizipative Elemente enthalten. Als Gründe hierfür führt der Autor auf, dass erste Versuche
nur auf wenig Resonanz gestoßen sind, der Aufwand der täglichen Betreuung zu hoch ist so-
wie die Angst, dass ältere Zielgruppen, die wichtige Spendergruppen von NGOs sind, über
Web 2.0-Anwendungen nicht erreicht werden (vgl. ebd.: 236 ff.).
Eine Umfrage in diesem Jahr unter 409 Public Relations-Praktikern im Nonprofit-Bereich
ergab, dass lediglich fünf Befragte keine Social Media-Anwendungen einsetzen. Unter den
Praktikern, die den Einsatz bejahten, greifen über die Hälfte auf Netzwerkplattformen zurück
und 48,4% setzen Blogs ein, um ihre Anliegen im Web 2.0 öffentlich zu machen (vgl. Curtis
u.a. 2010: 91). Hier zeigt sich, dass die Bedeutung der Netzwerkplattformen für NGOs in den
letzten beiden Jahren zugenommen hat. Entsprechend der oben angesprochenen Prognose von
Voss bestätigt auch diese Umfrage, dass die allgemeine Bedeutung von Web 2.0 für NGOs
zunimmt. „The results of this study indicate that social media tools are becoming beneficial
methods of communication for public relations practitioners in the nonprofit sector.” (ebd.:
92).

2.4 Herausforderungen an die unternehmerische Krisenkommunikation durch das
    Web 2.0

Die in den vorangegangen Unterkapiteln dargestellte theoretische Basis von Unternehmens-
krisen, der strategischen und operativen Krisenkommunikation sowie der neuen Kommunika-
tionsbedingungen durch das Web 2.0, werden nun abschließend zu einer ganzheitlichen Be-
trachtung zusammengeführt. Dieses Unterkapitel soll daher einerseits aufzeigen, inwiefern
das Web 2.0 Unternehmenskrisen hervorrufen kann, andererseits sollen Chancen dargestellt
werden, die sich für die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 ergeben.
Durch das Web 2.0 kann sich eine Vielzahl von Personen an Diskussionen beteiligen bzw.
sogar neue Themen auf die öffentliche Agenda setzen (vgl. Unterkapitel 2.3.1). Der Journalist
wird dabei in seiner Funktion als Gatekeeper umgangen. Das heißt, Themen werden von der

                                              21
Öffentlichkeit geschaffen und verbreitet, ohne dass dabei die professionellen Standards, die
Journalisten ihrer Arbeit zugrunde legen, beachtet werden (vgl. Unterkapitel 2.3.2).
Diese Tatsache setzt Unternehmen ganz neuen Gefahren aus. Oftmals sehen sich gerade
Blogger in einer investigativen Funktion und wollen vor allen anderen Krisen aufdecken. Si-
cherlich kommen dadurch Inhalte an die Öffentlichkeit, von denen vor Jahren niemand erfah-
ren hätte. So gelang es ganz aktuell einigen Bloggern, dem, im Frühjahr/Sommer 2010, ohne-
hin krisengeschüttelten Öl- und Energieunternehmen BP, manipulierte Öffentlichkeitsarbeit
nachzuweisen. BP zeigte Mitte Juli 2010 auf der unternehmenseigenen Webseite ein Bild des
für die Ölpest zuständigen Katastrophenzentrums. Wahrscheinlich sollte dieses Foto dazu
beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit, das seit der Explosion der Ölplattform
„Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko im April 2010 und vor allem nach wochenlanger
Unfähigkeit, das ausströmende Öl zu stoppen, zumindest zu einem kleinen Teil zurückzuge-
winnen. Auf dem Bild sind drei Mitarbeiter zu sehen, die zehn Bildschirme beobachten, auf
denen Echtzeit-Bilder aus dem Golf von Mexiko übertragen werden. Jedoch handelte es sich
hierbei nicht um das Originalbild. BP hatte dieses bearbeitet, da im Original nicht alle Bild-
schirme aktiv waren, und kurzerhand bei diesen nachträglich auch ein Bild eingefügt. Auf-
grund der unprofessionellen Bildbearbeitung fiel diese Manipulation einigen Bloggern auf
(vgl. Schultz 2010). Davon abgesehen, dass BP aufgrund des mangelhaften Krisenmanage-
ments von Vorneherein unter besonderer Beobachtung der Blogosphäre steht, ist diese Ereig-
nis beispielhaft dafür, dass das Web 2.0 mittlerweise eine Art Kontrollfunktion übernommen
hat und somit häufig maßgeblich an der Auslösung von Kommunikationskrisen beteiligt ist.
Doch nicht nur die Tatsache, dass durch das Web 2.0 vermehrt kommunikative Krisen entste-
hen können, stellt ein erhöhtes Risiko für Unternehmen dar. Ebenso stehen Unternehmen auf-
grund der schnellen Verbreitung von Informationen im Web 2.0 vor neuen Herausforderun-
gen. Kritik kann im Netz binnen weniger Stunden grenzüberschreitend bekannt werden und
somit zu einer Beschleunigung von Kommunikationskrisen führen. Unternehmen bleibt da-
durch oft weniger Zeit, um kommunikative Maßnahmen zu planen. Dadurch steht die kom-
munikative Krisenbewältigung vor neuen Herausforderungen, die sowohl die strategische als
auch die operative Krisenkommunikation betreffen. Unternehmen müssen sich zielführender
auf diese neuen Gegebenheiten vorbereiten, wodurch die strategische Krisenkommunikation
an Bedeutung gewinnt (vgl. Unterkapitel 2.2.1). Es ist wichtiger denn je, im Vorfeld interne
Hierarchiefragen zu klären. Die Entscheidungsbefugnisse der Kommunikationsverantwortli-
chen müssen transparent und ausreichend sein, um im Falle einer akuten Krise schnell hand-
lungsfähig zu sein. Unstimmigkeiten bei allgemeinen Verantwortlichkeiten können das Un-
ternehmen in Krisenzeiten lähmen und somit zu einer Verzögerung der Kommunikation füh-
ren. Diese Gefahr bestand zwar auch schon, bevor das Web 2.0 existierte, jedoch nimmt die-
ses heute zusätzlich Einfluss auf den weiteren Krisenverlauf. Häufig sind Diskussionen im
Internet darauf ausgelegt mit dem betroffenen Unternehmen in den Dialog zu treten. Werden
diese Forderungen ignoriert, kann dies zu einer weiteren Ausweitung der Kommunikations-
krise führen.
Auf der anderen Seite bringt der Anspruch an eine schnelle Krisenkommunikation weitere
Gefahren mit sich. Unternehmen haben in der operativen Krisenkommunikation weniger Zeit,

                                             22
sich auf die Gegenöffentlichkeit einzustellen. Somit kann es passieren, dass der Zeitdruck,
den das Web 2.0 ausübt, zu kommunikativen Schnellschüssen führt, die im Nachhinein einen
zusätzlichen Schaden anrichten. So zeigte es sich beim Autohersteller Ford, der im Jahre 2009
einhundert ausgewählten amerikanischen Bloggern einen neuen Ford Fiesta, bereits ein halbes
Jahr vor der offiziellen Markteinführung, zum Probefahren zur Verfügung stellte, damit diese
in ihrem Blog darüber berichten. Diese Social Media Kampagne stieß anfänglich auf viel Zu-
stimmung in der Blogosphäre. Doch als von Bloggern im Mittleren Osten Kritik aufkam, weil
nur amerikanische Blogger berücksichtigt wurden, begründete ein Ford Mitarbeiter dies mit
der Aussage, dass der Mittlere Osten digital nicht genügend entwickelt sei, um der Social
Media Kampagne dort einen ähnlichen Erfolg einzubringen. Hiermit wurde der bisherige Er-
folg der Social Media Kampagne mit nur einer Aussage zunichte gemacht. Die Blogger im
mittleren Osten machten durch vermehrte negative Beiträge deutlich, dass sie ebenfalls über
die notwendige Web 2.0-Affinität verfügen (vgl. Eck 2009; thoughtpick 2009). Es zeigt sich
an diesem Beispiel, wie wichtig es ist, die Kommunikationsverantwortlichen vorher klar fest-
zulegen – rhetorisches Geschick ist hierbei eine Grundvoraussetzung. Ebenfalls kann solchen
Pannen zumindest teilweise durch regelmäßige Medientrainings vorgebeugt werden.
Da auch Journalisten sich dem Web 2.0 nicht mehr entziehen können und daher ihre Recher-
chen zum Teil in den digitalen Raum verlagern (vgl. Unterkapitel 2.3.2), bezieht sich die
journalistische Berichterstattung in den traditionellen Medien zum Teil ebenfalls auf die
Themen im Internet. Damit wird ein Unternehmen über kurz oder lang wahrscheinlich sowohl
im Netz als auch in den Massenmedien mit der Krise konfrontiert. Durch ein langfristig ange-
legtes Beziehungsmanagement sollten daher Kontakte zu Journalisten gepflegt werden, damit
im akuten Krisenfall darauf zurückgegriffen werden kann. Evtl. bietet sich dem betroffenen
Unternehmen unter diesen Voraussetzungen die Chance, ein persönliches Gespräch mit be-
stimmten Journalisten zu führen, um die eigene Sicht der Dinge zu vermitteln, oder aber auch
frühzeitig Fehler einzugestehen. Somit kann das Unternehmen auch außerhalb des Netzes
schnell reagieren, muss aber auch hier stets darauf achten, dass die Wahrheit kommuniziert
wird. Informationen müssen, sowohl im Web 2.0 als auch außerhalb des digitalen Raumes,
nicht von Anfang an vollständig sein, aber sie müssen den Tatsachen entsprechen (vgl. Unter-
kapitel 2.2.1).
Eine besondere Gefahr stellen ökologische Themen dar. Aufgrund der starken Emotionalisie-
rung dieser Inhalte eignet sich das Web 2.0 hier besonders, um eine Vielzahl von Menschen
innerhalb kürzester Zeit zu erreichen (vgl. Unterkapitel 2.1.2), für ein bestimmtes Umwelt-
thema zu sensibilisieren und damit einen digitalen Protest auszulösen. Kritische Teilöffent-
lichkeiten können damit ein lokales zu einem globalen Ereignis machen (vgl. Wimmer 2008:
217) und ein Unternehmen damit sehr viel stärker unter Druck setzen, als dies ohne Web 2.0
möglich war. „Der Kampf der Kleinen gegen die Großen scheint eine neue Waffe bekommen
zu haben“ (Voss 2008: 232).
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Angriffsfläche der Unternehmen durch das
Web 2.0 deutlich vergrößert hat. Unternehmen können sehr viel schneller und unvorhersehba-
rer in eine Krisensituation gelangen und einer großen öffentlichen Diskussion machtlos ge-
genüber stehen, vor allem wenn im Vorfeld nicht genügend Zeit und auch Kosten in die Vor-

                                             23
bereitung auf mögliche Krisen investiert wurde.
Doch das Web 2.0 kann für die Krisenkommunikation auch bereichernd sein und neue Chan-
cen bieten. Krisen sind oft nicht wirklich überraschend, sondern eher eine Zuspitzung eines
bestehenden Problems (vgl. Möhrle 2004a: 15). Oft sind sich Unternehmen dieser bestehen-
den Probleme selbst nicht bewusst. Die vorzeitige öffentliche Diskussion und Anbahnung von
kritischen Themen im Web 2.0 kann ein Unternehmen daher zum eigenen Vorteil nutzen,
indem es gezielt Issue-Monitoring im Internet betreibt. Es ergibt sich damit die Möglichkeit,
frühzeitig Kenntnis über die öffentliche Meinung zu erhalten um im zweiten Schritt mit Kriti-
kern in den Dialog zu treten und proaktiv an den öffentlichen Diskussionen teilzunehmen.
Diese proaktive Haltung empfiehlt sich jedoch nicht nur, wenn sich im Web 2.0 bereits Krisen
abzeichnen. Vielmehr sollten Unternehmen laufend im Web 2.0 aktiv sein und damit die öf-
fentliche Plattform einsetzen, um den Dialog mit Web 2.0-Nutzern aufzubauen. Der offene
Umgang mit dem Web 2.0 und die Bereitschaft, in direkten Kontakt zu treten, kann zu einer
Steigerung des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit gegenüber dem Unternehmen führen.
So zeigte es sich im Jahre 2006 beim Computer-Hardware-Hersteller Dell, dass ein Corporate
Blog, wenn es auch erst wenige Wochen zuvor in Betrieb genommen wurde, für die Kommu-
nikation in der Krise hilfreich sein kann. Akkubrände in Dell-Produkten machten für das Un-
ternehmen eine Rückrufaktion unumgänglich. Produktfehler zählen zu den Hauptursachen für
Unternehmenskrisen (vgl. Unterkapitel 2.1.2), da sie oftmals direkten Einfluss auf die Reputa-
tion des Unternehmens nehmen. Dell reagierte jedoch sofort und trat, noch bevor die Rück-
rufseite mit detaillierten Kundeninformationen online ging, über sein Coporate Blog proaktiv
mit Kunden und Kritikern in den Dialog. Ein verantwortlicher Manager verfasste Beiträge
und reagierte umgehend auf Fragen und Kritik. Durch diese offensive Kommunikationsstrate-
gie konnte der Vertrauensverlust teilweise abgefedert werden.
Dieses Beispiel ist besonders interessant, da es nicht nur im Bereich „best practice“ eingeord-
net werden kann, sondern gleichzeitig offensichtlich macht, dass das Web 2.0 selten ohne
Probleme kurzfristig eingesetzt werden kann. Denn als das Blog nur wenige Wochen vor den
Akkubränden online ging, zeigte sich, dass im Vorfeld nicht auf alle Details geachtet wurde.
Wollte Dell durch den Blog-Name „one2one“ doch eigentlich nur die dialogorientierten Ab-
sichten deutlich machen, erntete das Unternehmen sehr bald Spot im Internet, da eine bekann-
te amerikanische Pornographie-Webseite ähnlich heißt (vgl. Pleil 2006). Diese anfänglichen
Schwierigkeiten zeigen, dass die Installation eines Blogs während einer Krise im schlechtes-
ten Fall zusätzliches Krisenpotenzial liefern kann. Es wird deutlich, dass sich Unternehmen in
„ruhigen“ Zeiten ihren Maßnahmen im Web 2.0 zuwenden und sie ohne Zeitdruck planen
sollten. Passieren trotzdem anfängliche Fehler, sind diese außerhalb einer Krise sehr viel ein-
facher in den Griff zu bekommen.
Abschließend kann man sagen, Unternehmen sollte bewusst sein, dass Diskussionen im Web
2.0 stattfinden, unabhängig davon, ob das Unternehmen dort selbst präsent ist oder nicht. Da-
her scheint es zukünftig für Unternehmen unumgänglich zu sein, sich langfristig mit dem
Web 2.0 auseinanderzusetzen und dessen Regeln kennenzulernen, um Kommunikationskrisen
ganzheitlich und erfolgversprechend bearbeiten zu können.


                                              24
3. Empirische Analyse: Greenpeace vs. Nestlé

Im vorangegangenen Kapitel wurde ausführlich auf die theoretischen Grundzüge von Unter-
nehmenskrisen und die kommunikative Krisenbewältigung eingegangen. Außerdem wurden
die Besonderheiten von Web 2.0 für die unternehmerische Krisenkommunikation vorgestellt,
um abschließend einen ganzheitlichen Rahmen um die theoretischen Erkenntnisse zu spannen
und daraus Chancen und Risiken für die unternehmerische Krisenkommunikation durch das
Web 2.0 abzuleiten.
Darauf basierend wird im Folgenden das Fallbeispiel Greenpeace vs. Nestlé empirisch unter-
sucht.

3.1 Einordnung der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé

Im März dieses Jahres startete die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine Web 2.0 Kam-
pagne gegen den Lebensmittelkonzern Nestlé. Greenpeace verfolgte damit das Ziel, die öf-
fentliche Aufmerksamkeit auf die Regenwaldzerstörung zum Anbau von Palmölplantagen in
Indonesien zu lenken und Nestlé dadurch dazu zu bewegen, Verträge mit dem umstrittenen
Palmöllieferanten Sinar Mas zu kündigen. Die Unternehmen Kraft und Unilever hatten bereits
vorzeitig eingelenkt und die Verträge mit entsprechenden Lieferanten gekündigt. Nach eige-
nen Angaben stand Greenpeace bereits seit längerer Zeit in Verhandlungen mit Nestlé, die aus
Sicht der Umweltschutzorganisation jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis führten (vgl.
Euler 2010).
Es werden im Folgenden die beiden beteiligten Akteure der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne
vorgestellt, bevor die Relevanz der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne für diese Fallstudie auf-
gezeigt wird.

3.1.1 Die beteiligten Akteure

Im folgenden Abschnitt werden die beiden Akteure vorgestellt, die direkt an der Kampagne
beteiligt waren.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wurde im Jahre 1971 zum Schutz der Lebens-
grundlagen gegründet. Die Organisation hat ihren Hauptsitz in Amsterdam und ist in 40 Län-
dern vertreten. Nach eigenen Angaben hat Greenpeace 2,74 Millionen Fördermitglieder welt-
weit und beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter, davon 206 in Deutschland (vgl. Greenpeace
2007).
Greenpeace engagiert sich in vielen verschiedenen Bereichen für den Umweltschutz, bspw.
für den Atomausstieg, Wälder und Meere. Die Organisation finanziert sich ausschließlich aus
Spendengeldern, um von der Industrie und dem Staat unabhängig handeln zu können (vgl.
ebd.).

                                            25
Die Umweltschutzorganisation verfolgt mit ihrer Arbeit die Strategie, eine direkte Konfronta-
tion mit ihren Gegnern einzugehen, dabei jedoch immer nach dem Prinzip der Gewaltfreiheit
zu handeln. Greenpeace folgt dem Motto „Taten statt warten“ und setzt dies durch riskante,
aufsehenerregende Aktionen um, die meistens ganz gezielt für die Medien inszeniert werden
(vgl. Puttenat 2009: 97).
Der Umweltschutzorganisation kommt bei ihrer Arbeit zugute, dass ihr ein weitaus größeres
Vorausvertrauen bei den Medien und in der Öffentlichkeit entgegengebracht wird, als ihren
Konfliktgegnern aus der Wirtschaft oder der Industrie (vgl. Hecker 1997: 71 ff.).
Greenpeace Deutschland konnte im Jahre 1995 die bisher größte öffentliche Aufmerksamkeit
verzeichnen: Nach monatelangen öffentlichen und medialen Auseinandersetzungen gelang es
Greenpeace, dass der Energiekonzern Shell auf die Versenkung der Ölplattform Brent Spar
verzichtete. Jedoch stellte sich im Nachhinein durch ein neutrales Gutachten heraus, dass
nicht, wie von Greenpeace während der Kampagne behauptet, 5.000 Tonnen Öl mit der Öl-
plattform versenkt worden wären, sondern höchstens 103 Tonnen Öl (vgl. ebd.: 122).

Das Unternehmen Nestlé

Nestlé wurde im Jahre 1866 von dem Schweizer Henry Nestlé gegründet und entwickelte sich
seither zum größten Lebensmittelkonzern weltweit. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen
280.000 Mitarbeiter in 83 Ländern und erwirtschaftete im Jahre 2009 einen Jahresumsatz von
108 Milliarden Schweizer Franken.
In den vergangenen Jahren war der Konzern schon des Öfteren von Krisen betroffen. So wur-
de Nestlé in den 1970er und 1980er Jahren heftig für die Vermarktung von Milchersatz-
Produkten in Entwicklungsländern kritisiert. Nestlé verkaufte Müttern in der Dritten Welt das
Produkt Lactogen, auch wenn diese eigentlich selbst stillen konnten. Aufgrund von Hygiene-
mängeln endete der Einsatz von Lactogen in Entwicklungsländern für viele Babys tödlich.
Der Versuch des Konzerns, gegen das hierzu veröffentlichte Buch „Nestlé tötet Babys“ ge-
richtlich vorzugehen, schlug fehl. Die Herausgeber des Buches, bekamen zwar eine Strafe
wegen „übler Nachrede“, Nestlé wurde jedoch gerichtlich ermahnt, seine Marketingstrategien
zukünftig zu überdenken (vgl. o.V. 1976).
Nestlé Deutschland, worauf sich die folgende empirische Untersuchung konzentrieren wird,
konnte im Jahre 2009 einen Jahresumsatz von 3.438 Millionen Euro verzeichnen und beschäf-
tigt zurzeit etwa 12.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen ist in den Bereichen Getränke, Milch-
/Diätetikprodukte/Speiseeis, Fertiggerichte und Produkte für die Küche, Tiernahrung sowie
Schokolade und Süßwaren tätig. Mit 44,7% stellen Fertiggerichte und Produkte für die Küche
den größten Anteil am Umsatz dar. Bekannte Marken von Nestlé sind bspw. Maggi, Nescafé,
KitKat und Mövenpick.
Nestlé Deutschland wurde im Jahre 1998 in der Öffentlichkeit stark kritisiert, weil der Scho-
koriegel Butterfinger mit gentechnisch verändertem US-Mais auf dem deutschen Markt einge-
führt wurde. Ausgelöst wurde die Kritik von Verbraucherschützern und der Umweltschutzor-
ganisation Greenpeace. Letztendlich konnte ein Jahr später die Einstellung des Direktvertriebs
in Deutschland bewirkt werden (vgl. Busch 1999).

                                             26
3.1.2 Relevanz der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé

Am 17. März 2010 veröffentlichte Greenpeace im Internet ein Video mit dem Titel „Give the
Orang-Utan a break“, welches im ersten Moment an einen Werbespot für den Schokoriegel
KitKat von Nestlé erinnerte. Nicht alleine die Tatsache, dass sich der Schokoriegel als ein
Orang-Utan-Finger entpuppt, sondern vielmehr das unangenehme Geräusch und das spritzen-
de Blut, als der Mann hinein beißt, brachte dem Video eine virale Verbreitung im Web 2.0
ein.
Nestlé veröffentlichte noch am selben Tag eine Stellungnahme auf der unternehmenseigenen
Webseite (vgl. Nestlé 2010) und ließ das Video aufgrund von Copyright-Verletzungen bei
YouTube entfernen. Entsprechend der Mechanismen von Web 2.0 führte diese versuchte Zen-
sur zu einer noch größeren Aufmerksamkeit und einer noch stärkeren Verbreitung des Videos.
Bereits am selben Tag beschäftigten sich verschiedene Blogger mit dem Thema Greenpeace
vs. Nestlé.
Auf der offiziellen Nestlé-Fanseite auf Facebook waren zwischenzeitlich zahlreiche negative
Kommentare zu finden. Viele der Nutzer hatten hierfür das KitKat-Logo in ein „Killer“-Logo
abgewandelt und dieses als Profilfoto hinterlegt. Am 19. März 2010 kündigte ein Nestlé Mit-
arbeiter auf der Nestlé-Fanseite von Facebook an, dass alle Kommentare von Personen mit
„Killer“-Profilbildern entfernt werden. Ein weiteres Mal wollte Nestlé im Web 2.0 zensieren,
ein weiteres Mal bewirkte dies das Gegenteil – die Anzahl der „Killer“-Profilbilder verviel-
fachten sich schlagartig. Die weitere Aussage des Nestlé Mitarbeiters, dass dies hier die Nest-
lé-Seite sei und daher die Regeln von Nestlé gelten, verschlimmerte die Situation auf
Facebook zusätzlich. Doch nicht nur die Nestlé-Fanseite war ein Anlaufpunkt für Aktivisten,
auch die KitKat-Fanseite auf Facebook wurde von negativen Kommentaren überflutet, wo-
raufhin diese noch am 19. März 2010 offline ging und nicht nur für die Gegner, sondern auch
für die bereits zuvor vorhandenen 750.000 Fans nicht mehr zu erreichen war. Es wird davon
ausgegangen, dass diese vorübergehende Abschaltung der KitKat-Fanseite ebenfalls von
Nestlé ausging, was aber nicht offiziell bestätigt wurde (vgl. Hein 2010; Hillenbrand 2010).
Ebenfalls am 19. März 2010 setzte Nestlé auf die unternehmenseigenen Webseite einen
Hyperlink auf einen Bericht des Guardian, in dem Nestlé eine Überarbeitung der Bezugskette
von Palmöl ankündigte was konkret bedeutet, dass spätestens ab 2015 nur noch nachhaltig
angebautes Palmöl verwendet werden soll (vgl. Tabacek 2010).
Die Aufmerksamkeit gegenüber der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne im Web 2.0 ging weit
über die oben beschriebenen Inhalte hinaus und kann in ihrem Ausmaß hier nicht vollständig
abgebildet werden. Die vorangegangene Beschreibung, die sich lediglich auf die ersten drei
Tage nach Veröffentlichung des Videos „Give the Orang-Utan a break“ bezieht, macht jedoch
bereits die Dynamik im Web 2.0 deutlich. Dieses Beispiel zeigt zugleich die Chancen und
Gefahren von Web 2.0 auf. Während die Umweltschutzorganisation Greenpeace die Dynamik
von Web 2.0 ausnutzen konnte, um die eigenen Ziele zu verfolgen, befindet sich Nestlé in
einer im Web 2.0 ausgelösten und beschleunigten Kommunikationskrise, die auch über des-
sen Grenzen hinaus Aufmerksamkeit erfährt.
Im Folgenden wird daher dieses aktuelle Praxisbeispiel genauer analysiert, um die Gefahren,

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aber auch die Chancen von Web 2.0 für die Unternehmenskommunikation offenzulegen.

3.2 Hintergründe der Leitfadeninterviews

Es stehen vier Experten für die Leitfadeninterviews im Rahmen dieser empirischen Untersu-
chung zur Verfügung. Im Folgenden werde diese kurz vorgestellt, bevor detailliert aufgezeigt
wird, welche Themenschwerpunkte die Leitfadeninterviews beinhalten und welche Ziele da-
mit verfolgt werden.

3.2.1 Die Vorstellung der Experten der Leitfadeninterviews

Volker Gaßner ist Teamleiter für die Bereiche Presse, Recherche und Neue Medien bei
Greenpeace in Hamburg. Seine täglichen Aufgaben bei Greenpeace konzentrieren sich damit
sowohl auf die Zusammenarbeit mit Journalisten, als auch auf Aktivitäten im Social Web.
Gaßner ist außerdem in die allgemeine Kampagnenplanung und -durchführung involviert. Vor
allem in die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne war er aufgrund seiner Zuständigkeit für den
Bereich Neue Medien stark einbezogen.
Jan Haase ist Pressesprecher und Internetredakteur bei Greenpeace in Hamburg und erlebte
die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne daher in einer Doppelfunktion. Neben seinen klassi-
schen Aufgaben als Pressesprecher übernahm er im Rahmen der Kampagne die Bearbeitung
der Online-Medienkontakte. Hierzu gehörten hauptsächlich Blogger, aber auch verschiedene
Internetmedien (vgl. Haase 2010: Frage 1).
Des Weiteren steht Olaf Kolbrück für ein Leitfadeninterview zur Verfügung. Der Journalist
und Social Media Experte ist Reporter für die Bereiche Internet und E-Business bei Horizont
in Frankfurt und betreut das dazugehörige Blog Off the Record. Kolbrück hatte sich als einer
der ersten Blogger bereits am 17. März 2010, dem Tag der Videoveröffentlichung, zu der
Kampagne geäußert. In einem weiteren Blogbeitrag am 23. März kritisierte Kolbrück die
Kommunikationspolitik von Nestlé und betonte, dass der Konzern im Zusammenhang mit
dem Schockvideo und Facebook nahezu alles falsch mache, was man nur falsch machen kann
(vgl. Kolbrück 2010).
Außerdem konnte der Social Media Experte Mirko Lange, der selbst in der Blogosphäre so-
wie in anderen Bereichen, wie bspw. Twitter sehr aktiv ist, für ein Leitfadengespräch gewon-
nen werden. Lange leitet eine PR-Agentur in München, die auf die Vernetzung von klassi-
scher PR und Social Media spezialisiert ist. Darüber hinaus ist Lange Chefredakteur bei PR-
Guide.de, dem Internetauftritt der GPRA – Verband der führenden PR-Agenturen Deutsch-
lands – und Dozent an der bayerischen Akademie für Werbung. Mirko Lange hatte sich auf
seinem Blog talkabout‟s posterous vier Tage nach Veröffentlichung des Videos „Give the
Orang-Utan a break“ kritisch zu Wort gemeldet. Unter der Überschrift „Greenpeace vs. Nestlé
– gerechter Kampf um die Sache oder Propaganda ohne Rücksicht auf Verluste?“ wies Lange
in seinem Beitrag auf seine Sorge hin, dass die seither „Ohn-Mächtigen anfangen, Macht zu
missbrauchen“ (vgl. Lange 2010). Der Blogger löste damit im Web 2.0 heftige Diskussionen
über das Pro und Kontra seiner Sichtweise aus. Alleine dieser Beitrag wurde 87 Mal kom-

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  • 1. Das Internet als Auslöser und Beschleuniger von Krisen: theoretische Grundzüge und eine Analyse der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne im Web 2.0 Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grads B. Sc. Kommunikationswissenschaft an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hohenheim Eingereicht am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft und Journalistik Prof. Dr. Claudia Mast von Ines Kübler Eugenstraße 2 70794 Filderstadt Tel: 0171/4555944 E-Mail: Ines.Kuebler@uni-hohenheim.de Matrikelnummer: 428 200 6. Fachsemester Studiengang Kommunikationswissenschaft Stuttgart, den 16. August 2010
  • 2. Erklärung gemäß § 13 Abs. 7 und § 15 Abs. 2 der Rahmenprüfungsordnung für Bachelor-Studiengänge der Universität Hohenheim Hiermit erkläre ich, dass ich die Bachelor-Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die wörtlich oder sinngemäß aus Veröffentlichungen oder aus anderweitigen fremden Äußerungen ent- nommen wurden, sind als solche einzeln kenntlich gemacht worden. Die Bachelor-Arbeit habe ich noch nicht in einem anderen Studiengang als Prüfungsleistung verwendet. Des Weiteren erkläre ich, dass mir weder an der Universität Hohenheim oder an einer anderen wissenschaftlichen Hochschule bereits ein Thema zur Bearbeitung als Bachelor-Arbeit oder als vergleichbare Arbeit vergeben worden ist. Stuttgart-Hohenheim, den 16. August 2010 Unterschrift: II
  • 3. Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... III Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................. IV 1. Einführung............................................................................................................................ 1 1.1 Begründung der Relevanz der Arbeit ............................................................................... 1 1.2 Forschungsfrage und inhaltliches Vorgehen .................................................................... 2 2. Theoretischer Hintergrund ................................................................................................. 3 2.1 Unternehmenskrisen ......................................................................................................... 3 2.1.1 Begriffsklärung .......................................................................................................... 3 2.1.2 Krisentypen und deren Auslöser ................................................................................ 4 2.1.3 Krisenverläufe und -phasen ....................................................................................... 6 2.2 Kommunikative Krisenbewältigung................................................................................. 7 2.2.1 Strategische Krisenkommunikation ........................................................................... 8 2.2.2 Operative Krisenkommunikation............................................................................. 11 2.3 Besonderheiten von Web 2.0 im Rahmen der Online-Kommunikation ........................ 14 2.3.1 Merkmale, Anwendungen und Funktionen von Web 2.0 ........................................ 15 2.3.2 Themenkarrieren im Web 2.0 .................................................................................. 17 2.3.3. Nutzung von Web 2.0 ............................................................................................. 19 2.4 Herausforderungen an die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 .......................................................................................................................... 21 3. Empirische Analyse: Greenpeace vs. Nestlé .................................................................... 25 3.1 Einordnung der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé.......................................................... 25 3.1.1 Die beteiligten Akteure ............................................................................................ 25 3.1.2 Relevanz der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé ....................................................... 27 3.2 Hintergründe der Leitfadeninterviews............................................................................ 28 3.2.1 Die Vorstellung der Experten der Leitfadeninterviews ........................................... 28 3.2.2 Die Themenschwerpunkte und Ziele der Leitfadeninterviews ................................ 29 3.3 Darstellung und Bewertung der Ergebnisse aus den Leitfadeninterviews ..................... 30 3.3.1 Greenpeace im Web 2.0 ........................................................................................... 31 3.3.2 Unternehmen im Web 2.0 ........................................................................................ 32 3.3.3 Die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne im Web 2.0 ................................................. 33 3.3.4 Mögliche Ursachen der Kommunikationsschwierigkeiten von Nestlé im Web 2.0 36 3.3.5 Bewertung des Erfolgs der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne................................ 37 4. Fazit ..................................................................................................................................... 39 Literaturverzeichnis ...................................................................................................................V Anhang .......................................................................................................................................X III
  • 4. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Themenschwerpunkte der Leitfadeninterviews S. 29 Abbildung 2: Statusmeldung von Nestlé auf der Nestlé-Fanseite S. 35 auf Facebook Abbildung 3: Reaktionen von Nestlé auf der Nestlé-Fanseite S. 35 auf Facebook IV
  • 5. 1. Einführung 1.1 Begründung der Relevanz der Arbeit Innerhalb des Internets ist in den letzten Jahren mit der Entwicklung von Web 2.0 ein Raum entstanden, der ganz neue Möglichkeiten der Interaktivität und Partizipation eröffnet. Durch das Web 2.0 hat sich die Informationsfindung, -vermittlung und -verarbeitung einer Vielzahl von Menschen stark verändert. Dies zeigte sich im Juni 2010 im Mikroblog Twitter: Nur zwei Wochen nach den beiden Bombenentschärfungen in Göttingen war dort ein lauter Knall zu hören. Das Göttinger Tagblatt, das zwei Wochen zuvor live von den Bombenentschärfungen in Göttingen berichtete, twitterte zuerst: „Hab einen lauten Knall gehört. Wisst ihr was das war? #goebombe“. Durch den Zusatz des Schlagwortes „#goebombe“ wurde die Frage vom Göttinger Tagblatt bereits mit dem Thema „Bombenexplosion in Göttingen“ verknüpft und konnte so auch durch die Suchfunktion auf Twitter gefunden werden. Es tauchten nun im Se- kundentakt immer mehr Beiträge zu diesem Thema auf. Viele Menschen schienen den Knall gehört zu haben, keiner wusste, woher er kam, trotzdem verdichteten sich auf Twitter die Vermutungen, dass dies der Knall einer Bombenexplosion gewesen sein musste. Ein zwei- felnder Twitter-Nutzer1 versuchte den Knall als Überschallknall eines Flugzeugs zu erklären, stieß jedoch damit nur auf wenig Beachtung. Auch der Versuch des Göttinger Tagblatts, durch den Tweed: „Stadt weiß nichts, Feuerwehr weiß nichts und Polizei auch nicht…was das für ein Knall war #goebombe“, die Spekulationen etwas zu einzudämmen, bewirkte eher das Gegenteil. Vielmehr stieß ein weiteres Twitter-Mitglied im Internet auf einen Beitrag, in wel- chem eine weitere Bombenentschärfung für diesen Tag angekündigt wurde. Weitere Tweeds meldeten, dass Löschzüge und Krankenwagen in der Nähe der letzten Bombenentschärfung gesichtet wurden. Auf Twitter war man sich nun sicher, dass es eine Bombenexplosion war. Zweifler wurden sofort auf die „eindeutigen“ Belege für eine Explosion hingewiesen. Als jedoch nur kurze Zeit später, mit Verweis auf die Hessische/Niedersächsische Allgemeine Zeitung, ein Twitter-Mitglied den Knall als Überschallknall eines Eurofighters identifizierte, verstummte die Masse auf Twitter ebenso schnell wieder, wie sie zuvor aufgeschreckt wurde. Zwischen der großen Panik und der Identifikation eines unspektakulären Ereignisses lagen letztendlich 15 Minuten und Hunderte von Tweeds (vgl. stenographique 2010). Auch wenn im Web 2.0 nicht jedes Thema eine vergleichbare Aufmerksamkeit auf sich zieht, macht dieses Beispiel deutlich, wie sich Themen im Web 2.0 entwickeln können. Das Web 2.0 ist inzwischen oftmals maßgeblich an der Auslösung und der Beschleunigung von Kom- munikationskrisen beteiligt. Somit erhöht sich auch für Unternehmen die Relevanz, sich auf die veränderten Bedingungen durch das Web 2.0 einzustellen. Für die unternehmerische On- line-Kommunikation ergeben sich daraus einerseits Risiken, andererseits jedoch auch neue Kommunikationsmöglichkeiten mit der Öffentlichkeit. Daher wird sich diese Arbeit mit den 1 In dieser Arbeit wird der Einfachheit halber durchgängig die männliche Form (bspw. der Internetnutzer, der Pressesprecher) verwendet; solche Formulierungen schließen selbstver- ständlich immer die weibliche Person mit ein. 1
  • 6. Herausforderungen an die unternehmerische Krisenkommunikation im Rahmen von Web 2.0 beschäftigen. 1.2 Forschungsfrage und inhaltliches Vorgehen Als Grundlage der Arbeit stellt sich die zielführende Forschungsfrage: Wie wirkt sich das Web 2.0 als Auslöser und Beschleuniger von Krisen auf die unternehmerische Krisenkommu- nikation aus? Inhaltlich wird hierbei im zweiten Kapitel der Fokus auf die theoretischen Grundzüge gelegt. Es werden zuerst Unternehmenskrisen behandelt, bevor im nächsten Schritt auf die kommu- nikative Krisenbewältigung von Unternehmen eingegangen, und zuletzt ein Bogen zu den Besonderheiten von Web 2.0 im Rahmen der Online-Kommunikation gespannt wird. Ab- schließend werden diese drei Teilbereiche ganzheitlich betrachtet und daraus die Herausforde- rungen für die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 abgeleitet. Im dritten Kapitel schließt sich eine empirische Analyse der Web 2.0 Kampagne Greenpeace vs. Nestlé an. Die Kampagne und ihre Beteiligten werden vorab kurz vorgestellt, bevor im Anschluss Hintergründe der Leitfadenfadeninterviews mit zwei Verantwortlichen von Green- peace und zwei professionellen Bloggern erläutert werden. Im Anschluss werden die Ergeb- nisse aus den Leitfadeninterviews dargestellt und bewertet. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne, jedoch sollen darüber hinaus auch allgemeine Einflüsse von Web 2.0 auf die Arbeit von Greenpeace und die unternehmerische Krisenkommunikation vorgestellt werden. Im Fazit wird auf Basis der theoretischen und empirischen Erkenntnisse eine Aussage darüber getroffen, vor welchen Herausforderungen die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 steht und wie sich diese zukünftig entwickeln könnten. 2
  • 7. 2. Theoretischer Hintergrund In diesem Kapitel werden die theoretischen Hintergründe dieser Arbeit dargestellt. Nachdem im ersten Schritt die Erscheinungsformen von Unternehmenskrisen genauer be- schrieben werden, wird im zweiten Abschnitt der kommunikative Umgang mit Unterneh- menskrisen erläutert, bevor unter 2.3 die Besonderheiten von Web 2.0 dargestellt werden. Am Ende des zweiten Kapitels werden auf Basis der theoretischen Grundzüge die Herausforde- rungen aufgezeigt, vor die das Web 2.0 die unternehmerische Krisenkommunikation stellt. Es wird dabei ein Rahmen um die vorangegangenen Inhalte gespannt, um aus diesen die Chan- cen und Risiken für Unternehmen im Umgang mit dem Web 2.0 herauszuarbeiten. 2.1 Unternehmenskrisen Kein Unternehmen, ob groß oder klein, ist vor Unternehmenskrisen sicher. Dies wird deut- lich, wenn man den Fall Brent Spar anschaut. Selbst das globale Energieunternehmen Shell musste im Jahre 1995 von den Plänen, die Ölplattform zu versenken, ablassen, und dem gro- ßen öffentlichen Druck nachgeben, nachdem die Umweltorganisation Greenpeace durch ver- schiedene Aktivitäten auf den Fall aufmerksam gemacht hatte. Demgegenüber stand Merce- des-Benz nur zwei Jahre später durch den Elch-Test vor einem „hausgemachten“ Problem. Bereits diese beiden Beispiele zeigen, wie unterschiedlich Unternehmenskrisen sein können. Das Unterkapitel 2.1 beschreibt daher detailliert, was eine Unternehmenskrise ist, welche Kri- sentypen es gibt, wodurch sie ausgelöst werden kann, welche Verläufe sie nehmen kann und welche Phasen dabei durchlaufen werden können. In einem Zwischenkapitel wird gesondert auf ökologische Krisen eingegangen, da diese im Rahmen der späteren Fallstudie eine beson- dere Relevanz besitzen. 2.1.1 Begriffsklärung In der Literatur sind unterschiedliche Definitionen des Begriffs Krise zu finden. Diese Arbeit beschäftigt sich jedoch nicht mit betriebswirtschaftlichen Erfolgs- oder Liquiditätskrisen, de- ren grundlegende Ursache beispielswiese eine Ertragsschwäche ist und deren mögliches Ende eine drohende Insolvenz. Vielmehr handelt es sich in dieser Ausarbeitung um unternehmeri- sche Kommunikationskrisen, die in erster Linie dem Image und dem Vertrauen in das Unter- nehmen schaden. Hieraus kann sich zu einem späteren Zeitpunkt durch eine negative Beein- flussung des Markterfolges im Extremfall zwar eine Existenzgefährdung ergeben, diese stellt aber nicht den ursprünglichen Auslöser der Krise dar. Puttenat beschreibt eine PR-Krise als „eine erhebliche Zerrüttung, die sich negativ auf das Geschäft auswirkt und zu einer ausgedehnten Berichterstattung in den Medien anregt“ (Puttenat 2009: 14). Hiermit geht die Autorin eher auf die Konsequenzen ein und spricht die Ursachen nur sehr allgemein als „erhebliche Zerrüttung“ an. Demgegenüber leitet Hecker die Entstehung von Krisen aus der Existenz von Risiken ab, denen jedes Unternehmen ausgesetzt ist (vgl. Hecker 1997: 62). Töpfer betont den meist überraschenden Ursprung und bezeichnet 3
  • 8. Krisen als Prozesse, die nicht geplant und gewollt sind. Weiter spricht er von einer begrenzten Beeinflussbarkeit, womit er die mögliche Ohnmacht von Unternehmen in Krisen anspricht (vgl. Töpfer 1999: 16). Hierauf gehen auch weitere Autoren ein, die Krisen als nur einge- schränkt kontrollier- und lenkbar bezeichnen (vgl. Nolting/Thießen 2008: 10). Auch Mast beschreibt Krisen als Situationen, die nicht vorhergesehen werden können. Darüber hinaus können Krisen den Ruf einer betroffenen Organisation sowie die weitere Existenz des Unter- nehmens in der bisherigen Form beeinflussen (vgl. Mast 2008: 98). Hecker beschreibt den Ursprung einer Krise als riskante Situationen, Handlungen oder Sachverhalte, die sich erst dann vollständig entfalten, wenn sie nicht erkannt und bekämpft werden (vgl. Hecker 1997: 62). Die Autorin zeigt damit auf, dass Krisen durchaus beeinflusst werden können, wenn Un- ternehmen wachsam sind und sich damit auseinandersetzen. Eggert beschreibt die öffentli- che/publizistische Krise als öffentliche Austragung eines Konfliktes mit externen Anspruchs- gruppen. Er betont, dass davon, wie das Unternehmen mit der Situation umgeht, abhängig ist, ob eine Krise entsteht oder nicht. Eggert geht sogar einen Schritt weiter und spricht von einer Steigerung der Glaubwürdigkeit des Unternehmens, wenn es sich in der Krise positiv darstel- len kann (vgl. Eggert 2000: 36). Es kann sich also durchaus auch eine Chance aus einer Krise ergeben. Dies macht Möhrle am chinesischen Schriftzeichen deutlich, das aus zwei Symbolen bestehe: Gefahr und Chance (vgl. Möhrle 2004a: 16). Diese Interpretation findet bei anderen Wissenschaftlern jedoch keine Zustimmung. So schreibt der Trainer für Interkulturelles Ma- nagement an der Frankfurt School of Finance and Management Ming Zhong, „das chinesische Zeichen in dem Wort für Krise bedeutet eben nicht ‚Chance„, sondern ‚kritischer Moment„. Die Kombination heißt ‚Gefahr in einem kritischen Moment„, also Krise.“ (Zhong 2009). Somit kann die chinesische Sprache nicht zu einer optimistischeren Betrachtung des Krisen- begriffs beitragen. 2.1.2 Krisentypen und deren Auslöser Krisenauslöser und -typen werden in diesem Unterkapitel gemeinsam behandelt, da sie nur schwer differenzierbar sind. Häufig bestimmt die Art und Weise, wie eine Krise ausgelöst wird, bereits den Krisentyp. In der Literatur wird deutlich, dass manche Autoren bestimmte Ereignisse als Ursachen bzw. Auslöser beschreiben, andere jedoch sprechen im gleichen Zu- sammenhang von Krisentypen. So greift Möhrle die Kategorisierung von Krisenursachen von Stolzenberg auf und benutzt wiederholt die Bezeichnung Krisentypen (vgl. Möhrle 2004a: 19). Homuth hat in seiner Arbeit eine Einordnung der Krisentypen vorgenommen, die in gro- ßen Teilen der Kategorisierung der Krisenursachen von Stolzenberg und anderen Autoren entspricht (vgl. Töpfer 1999: 17; Möhrle 2004a: 19). Homuth nimmt eine Einteilung nach Störfällen/Umweltunfällen/Katastrophen, Produktfehler/Produktsicherheit/Produktnebenwir- kungen, Skandale um Arbeitsbedingungen, Personalprobleme und Kritik von relevanten Inte- ressengruppen vor (vgl. Homuth 2000: 9). Darüber hinaus können die Ursachen von Unternehmenskrisen nach internen und externen Faktoren unterteilt werden. Externe Auslöser liegen nicht im Einflussbereich des Unterneh- mens, hierzu können bspw. Naturkatastrophen gezählt werden. Demgegenüber stellt bspw. ein 4
  • 9. Produktfehler eine interne Krisenursache dar (vgl. Krystek 2006: 45). Krisen können auch von hybriden Auslösern verursacht werden. Bspw. kann die berechtigte Kritik einer externen Interessengruppe eine Krise auf Basis interner Probleme auslösen. Externe Interessengruppen beziehen oftmals die Medien in ihre Strategien mit ein und informieren sie aktiv über ihre Maßnahmen, um so den öffentlichen Druck auf das betroffene Unternehmen zu erhöhen. In diesem Fall wird deutlich, dass die internen Ursachen zwar schon zuvor vorhanden waren, jedoch erst durch die Medienberichterstattung eine öffentliche Kommunikationskrise hervor- gerufen wird. Mast bezeichnet dies als Medienkrise (vgl. Mast 2008: 101). Die Kommunikationskrise Negative Ereignisse, wie bspw. Produktfehler, führen nicht zwangsläufig und unmittelbar zu einer Unternehmenskrise. Die Medien und die Öffentlichkeit bilden hierbei einen wichtigen Einflussfaktor. „Wenn die Medien nicht gewesen wären, hätte das doch keiner gemerkt“, zi- tiert Möhrle (2004a: 22) krisengeplagte Unternehmer. Es ist jedoch auf Dauer kaum möglich, sich vor den Medien zu verstecken (vgl. ebd.). Häufig entscheidet gerade der Umgang mit den Medien darüber, ob eine öffentliche Krise entsteht oder nicht. Mast betont, dass die Medien oft der Auslöser von Unternehmenskrisen sind, diese aber nicht ursprünglich verursachen. Die Medien, so Mast, „sorgen aber für eine Dramatisierung der Berichterstattung und Beschleuni- gung des Krisenverlaufs“ (Mast 2008: 14). Möhrle schreibt der veränderten Medienlandschaft in diesem Zusammenhang, durch die schnelle Verbreitung von Informationen, Meinungen und Gerüchten, einen verstärkten Einfluss zu. Dieser Megatrend habe „das Bewusstsein für Krisen und Krisenkommunikation zusätzlich erhöht“ (Möhrle 2004a: 12). Hieraus kann für ein Unternehmen im Rahmen der eigentlichen Krise sehr schnell eine ernstzunehmende Kommunikationskrise entstehen. Die ökologische Unternehmenskrise Sehr häufig sind Unternehmen von ökologischen Krisen betroffen. In der Literatur beschäfti- gen sich ganze Werke mit diesem Thema. Hecker schreibt die große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegenüber ökologischen Inhal- ten dem gesellschaftlichen Wertewandel zu. Die Medien und die Bevölkerung reagieren be- sonders bei Themen, die die Umwelt betreffen, sehr sensibel. Dadurch müssen Unternehmen ökologische Risiken frühzeitig erkennen und ihnen entgegenwirken. Gelangen ökologische Anliegen in die Öffentlichkeit, besitzen diese ein sehr großes Aufmerksamkeits- und Macht- potenzial (vgl. Hecker 1997: 1 f.), da Umweltdiskussionen oft sehr stark emotionalisiert sind und sich teilweise jeglichen rationalen Argumenten entziehen. Vor allem in Deutschland be- steht kaum die Bereitschaft, sich bei ökologischen Themen auf sachliche Diskussionen einzu- lassen (vgl. ebd.: 15). Eine Umfrage ergab, dass die deutsche Bevölkerung einerseits der Meinung ist, dass die In- dustrie und der Handel zu wenig Rücksicht auf die Umwelt nehmen, andererseits aber trotz- dem nur wenig Interesse daran haben, Umweltschutzmaßnahmen durch finanzielle und zeitli- 5
  • 10. che Ressourcen zu unterstützen. Umweltschutzorganisationen knüpfen genau an diesem Punkt an und bieten der Bevölkerung Möglichkeiten, sich einfach, aber im Kollektiv durchaus effek- tiv, an ökologischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Dies hat bspw. der umfassende Boykott von Shell-Tankstellen während der Brent Spar-Auseinandersetzung gezeigt (vgl. He- cker 1997: 20). Außerdem können Umweltschutzorganisationen die starke Emotionalisierung von ökologischen Sachverhalten gezielt nutzen, um Zuspruch für ihre Ziele in den Medien und in der Gesellschaft zu erhalten. Dies erhöht für Unternehmen zum einen bei ökologischen Themen die Gefahr, in eine Kommunikationskrise zu geraten und entzieht Ihnen zum anderen die Möglichkeit, diese öffentliche Krise durch sachliche Argumentation abzuwenden. 2.1.3 Krisenverläufe und -phasen Es ist schwierig, generalisierte Aussagen über die Verläufe von Krisen zu treffen. Die Wis- senschaft beschäftigt sich überwiegend mit der fallstudienartigen Untersuchung von einzelnen populären Krisenfällen (vgl. Löffelholz/Schwarz 2008: 21). Jedoch sind die theoretischen Erkenntnisse der verschiedenen Fallbeispiele aufgrund der vielfältigen Erscheinungsformen von Krisen kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Puttenat hingegen wagt eine allgemeine Aussage und setzt die durchschnittliche Dauer einer typischen Unternehmenskrise auf drei Monate fest (vgl. Puttenat 2009: 36). Klimke und Schrott stellen in ihrer Publikation drei verschiedene Krisenverläufe vor. Diese unterscheiden sich in der Geschwindigkeit ihres Auftretens und der Dauer. Der erste mögliche Verlauf ist durch ein sehr schnelles Auftreten und eine kurze Dauer gekennzeichnet, der zweite Krisenverlauf tritt ebenfalls schnell auf, dauert aber etwas länger an und hat einen schwankenden Verlauf, während die dritte Krise sich nur langsam und schleichend einstellt und lange andauert. Diesen Krisenverlauf stellen die Autoren an einer beispielhaften Krise dar, die zehn Jahre angedauert hat (vgl. Klim- ke/Schrott 1993: 95). Töpfer beschreibt ebenfalls diese drei Möglichkeiten und bezeichnet sie als eruptive, periodische und schleichende Krise (vgl. Töpfer 1999: 275). Unter Berücksichti- gung dieser unterschiedlichen Verläufe ist es fraglich, ob es sinnvoll ist, eine Durchschnitts- dauer von Krisen anzugeben. Ruft einem dieser Versuch doch unwillkürlich die ironische Redewendung „eine Hand im Eiswasser, die andere in heißem Wasser, ergibt die optimale Temperatur“ in den Sinn. Dies unterstreicht auch Möhrle mit seiner Aussage, dass sich Ver- läufe von öffentlichen Krisen nicht an wissenschaftliche Definitionen halten (vgl. Möhrle 2004a: 19), trotzdem ermöglichen die drei dargestellten Verläufe eine grobe Einordnung der Krisen. Darüber hinaus entfaltet jedoch jede Krise ihren eignen Charakter, abhängig vom je- weiligen Auslöser, dem öffentlichen Interesse und den Maßnahmen, die das betroffene Unter- nehmen ergreift, um die Krise abzuwenden oder zu bewältigen. Mit den verschiedenen Phasen von Unternehmenskrisen beschäftigen sich viele wissenschaft- liche Werke, allerdings mit der Einschränkung, dass einerseits nicht jede Krise zwangsläufig jede einzelne Phase durchlaufen muss, und andererseits sogar ein „Rückfall“ in eine vorher- gegangene Phase möglich ist (vgl. Köhler 2008: 233 f.). In der wissenschaftlichen Literatur werden Krisen zumeist in vier Phasen unterteilt. Im Folgenden werden die Phasen nach Meier vorgestellt. 6
  • 11. Seine Einteilung beginnt mit der grünen Phase. Diese Phase bildet den Ausgangspunkt der Krise und stellt den Normalzustand in einem Unternehmen dar, das heißt, es werden zu die- sem Zeitpunkt keine Krisensignale wahrgenommen. Meier betont, dass in dieser Phase die Basis für einen möglichen Krisenfall geschaffen werden muss (vgl. Meier 2004: 90 f.). Wie diese kommunikative Krisenprävention konkret aussehen kann, wird im Unterkapitel 2.2.1 erläutert. Auf die grüne folgt die gelbe Phase. Hier werden bereits anfängliche Krisensymptome, wie bspw. eine negative Berichterstattung über einen längeren Zeitraum hinweg, wahrgenommen. Nun ist ein reibungsloser Ablauf der Unternehmenskommunikation und der Führungsprozesse für das Unternehmen ausschlaggebend. Kann die Krise in der gelben Phase nicht eingedämmt werden, geht sie in die rote Phase über – die akute Krisenphase. Die Krise wird nun bewusst wahrgenommen. In dieser Phase setzen alle vorab geplanten Maßnahmen zur Bewältigung der Krise ein – nun zeigt sich, ob sich die jahrelange PR-Arbeit auszahlt. Die Erfüllung der „alltäglichen“ Unternehmensaufgaben wird der Krise vollständig untergeordnet. In der darauffolgenden blauen Phase ist die akute Krise überwunden. Sofern das Unterneh- men nach der Krise weiter fortbesteht, muss nun der Fokus zügig wieder auf die alltäglichen Unternehmensziele gelegt werden. Außerdem ist nun eine kritische Analyse und die daraus resultierende Optimierung der krisenpräventiven Prozesse vorzunehmen (vgl. ebd.: 90 ff.). Während in der Literatur zumeist diese Einteilung, lediglich mit abweichenden Bezeichnun- gen der Krisenphasen, vorgenommen wird, stellt Krystek die vierte Phase anders dar. Im Ge- gensatz zu vielen seiner Kollegen beschreibt er hier nicht die Phase nach der Krise, sondern führt die akut nicht beherrschbare Krise auf. Diese tritt ein, wenn die Krise in der dritten Pha- se nicht eingedämmt werden kann und somit die akute Krise zur Katastrophe wird. Zu diesem Zeitpunkt verfolgt das Unternehmen nicht mehr das Ziel, die Krise zu beherrschen, sondern versucht lediglich, sie auf irgendeine Art und Weise positiv zu beeinflussen (vgl. Krystek 2006: 50). 2.2 Kommunikative Krisenbewältigung Nachdem im Unterkapitel 2.1 der Begriff Unternehmenskrisen sowie deren konkrete Erschei- nungsformen beschrieben wurden, zeigt das Unterkapitel 2.2 Möglichkeiten auf, wie einer Unternehmenskrise begegnet werden kann. Die Krisenkommunikation trägt maßgeblich dazu bei, ob ein Unternehmen gestärkt oder geschwächt aus einer Krise hervorgeht. In der Literatur wird die Krisenkommunikation als Teil des Krisenmanagements angesehen. Konkreter heißt das, sie ist „der kommunikative Teil des Krisenmanagements, über den gesamten Verlauf der Krise hinweg“ (Nolting/Thießen 2008: 11). Da die kommunikative Krisenbewältigung in Unternehmen eine wichtige und zukunftssi- chernde Rolle spielt, wird im Folgenden konkret auf die strategische und operative Krisen- kommunikation in Unternehmen eingegangen. 7
  • 12. 2.2.1 Strategische Krisenkommunikation Dieses Unterkapitel beschäftigt sich mit den frühzeitigen Vorbereitungen von Unternehmen auf Krisenfälle. Hierbei werden drei Bereiche betrachtet. Das erste Zwischenkapitel zeigt auf, wie eine Kommunikationsabteilung in einem Unternehmen angesiedelt sein sollte, damit eine erfolgreiche langfristige Krisenkommunikation überhaupt möglich ist. Im zweiten Schritt wird aufgezeigt, inwiefern die Unternehmenskommunikation im Vorfeld einer Krise präven- tive Maßnahmen ergreifen kann. Außerdem ist die Art und Weise, wie ein Unternehmen kommuniziert, wichtig, nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch im „normalen“ Alltag. Daher werden am Ende dieses Unterkapitels die möglichen kommunikativen Grundhaltungen von Unternehmen sowie deren Auswirkungen in Krisenzeiten dargestellt. Die Stellung der Kommunikationsabteilung im Unternehmen Die unternehmensinterne Ansiedlung der Kommunikationsabteilung bildet eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Krisenvorbeugung und -bewältigung. Hecker spricht da- von, dass eine arbeitsteilige Organisation innerhalb von Unternehmen eine Dezentralisierung mit sich bringen kann, die auf die „längerfristige Effektivität von Kommunikationsprozessen zersetzend wirkt“ (Hecker 1997: 81). Als problematisch sieht sie dabei die Tatsache, dass dies im normalen Arbeitsalltag nicht zwangsläufig wahrgenommen wird. Oftmals werden beste- hende Schwachstellen im Kommunikationsprozess erst in Krisenzeiten sichtbar (vgl. ebd.). Das heißt, der nicht reibungslose Kommunikationsablauf tritt in Situationen zutage, in denen eine erfolgreiche Kommunikation besonders wichtig ist. Um dies zu verhindern, muss Kom- munikation als Führungsaufgabe wahrgenommen werden. Wird die Kommunikationsabtei- lung ausschließlich dafür eingesetzt, Maßnahmen auszuführen, die von anderen Stellen im Unternehmen festgelegt werden, kann kein reibungsloser Kommunikationsprozess erwartet werden. Vielmehr muss der Unternehmensleitung bewusst sein, dass ein gemeinsames Ver- ständnis von Kommunikation auf allen Ebenen großen Einfluss auf den Erfolg des Unterneh- mens hat (vgl. Johanssen/Dujić 2008: 202). Besteht im Unternehmen Einigkeit über die Wich- tigkeit von Kommunikation, ist dies der erste Schritt zum Erfolg. Die Kommunikationsver- antwortlichen sollten also aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, um eine erfolg- reiche Öffentlichkeitsarbeit sicherzustellen (vgl. Kunzcik/Heintzel/Zipfel 1995: 142). „Kom- munikationsleute brauchen nicht zuletzt auch Macht – gerade in Krisensituationen“ (Johanssen/Dujić 2008: 203). In der Literatur finden man nicht nur Forderungen nach einem reibungslosen Kommunikati- onsprozess innerhalb des Unternehmens, sondern auch Aussagen darüber, wie dies umgesetzt werden kann. Hierbei werden verschiedene Möglichkeiten in Betracht bezogen. Meier sieht die Kommunikationsabteilung im direkten Umfeld des Topmanagements (vgl. Meier 2004: 86). Er betont, dass es keinen Sinn macht, die Kommunikationsverantwortlichen erst dann einzubeziehen, wenn die Krise bereits vorhanden ist. Unter diesen Umständen „können diese in der Regel nur noch ein paar Scherben kitten“ (ebd.: 87). Eine weitere Möglichkeit kann die Einrichtung einer Stabstelle sein, die die Gesamtverantwortung für alle Kommunikationsauf- 8
  • 13. gaben übernimmt und auf der oberen Führungsebene angesiedelt ist (vgl. Johanssen/Dujić 2008: 203). Es nutzt einem Unternehmen nur wenig, wenn die Kommunikationsabteilung zwar eine genaue Vorstellung von den öffentlichen Anliegen hat, Handlungsvorschläge je- doch mangels funktionsfähiger interner Kommunikationsprozesse nie bei den Entscheidern ankommen (vgl. Hecker 1997: 29). Die kommunikative Krisenprävention Eine Untersuchung der Universität Siegen brachte 1997 das Ergebnis, dass nur jedes vierte Unternehmen über einen Krisenplan verfügt. Eine Beratungsagentur, die im Jahre 2003 eine ähnliche Umfrage durchführte, stellte fest, dass über 90% der befragten Unternehmen Vor- kehrungen für eine mögliche bevorstehende Krise treffen (vgl. Möhrle 2004a: 12). Diese bei- den Untersuchungen machen deutlich, dass Krisenprävention in Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es hat sich ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass die erfolgreiche Be- wältigung einer Krise sehr stark von einer erfolgreichen Kommunikation abhängt, diese je- doch nicht von heute auf morgen herbeigeführt werden kann (vgl. Meier 2004: 84). „Krisen- kommunikation beginnt lange, bevor eine Krise auch nur erahnt wird“ (Jönck 2006: 457). Wurden im Vorfeld einer Krise keine vorbereitenden Maßnahmen ergriffen, kann ein Unter- nehmen in Krisenzeiten schnell in eine defensive Rolle verfallen, in der nur noch die Mög- lichkeit bleibt, mittels Ad-hoc-Maßnahmen auf die Symptome zu reagieren (vgl. Hecker 1997: 31). Wie ein Unternehmen einer möglichen Krise vorbeugen kann, dazu gibt es in der Literatur viele Anhaltspunkte. Zum einen ist es wichtig, dass geeignete Frühwarnsysteme installiert werden, mit deren Hilfe eine Krise frühzeitig erkannt und bekämpft werden kann. Hierzu zählt bspw. die Beobachtung der medialen Berichterstattung – das Monitoring. Wird hierbei ein anhaltend negativer Trend beobachtet, kann dies bereits auf eine bevorstehende Krise hin- deuten. Darüber hinaus ist es für ein Unternehmen notwendig, sich auf eine potenzielle Krise vorzu- bereiten, auch wenn es eine hundertprozentige Vorbereitung auf alle erdenklichen Krisensitu- ationen nicht gibt (vgl. Mast 2008: 101). In einem Krisenhandbuch können alle Informationen zusammengestellt werden, die im Falle einer Krise von Bedeutung sind. Hierzu gehört bspw. eine Notfallkette, die festlegt, welche Personen in welcher Reihenfolge im Krisenfall infor- miert werden müssen, wer die Medienberichte während der Krise beobachtet sowie die Er- nennung von internen und externen Kommunikatoren (vgl. Puttenat 2009: 74 f.). Einen weite- ren wichtigen Punkt stellt das Beziehungsmanagement dar. Kontakte zu Journalisten, Behör- den und anderen Zielgruppen müssen in „ruhigen“ Zeiten gepflegt werden, da während einer Krise hierfür keine Zeit mehr bleibt (vgl. Meier 2004: 86). Weiterhin sind als Vorbereitung auf Krisen Medientrainings hilfreich (vgl. Möhrle 2004a: 13). In der Krise wird es sich schnell als Vorteil erweisen, wenn die Personen, die mit den Journalisten und der Öffentlich- keit in Kontakt stehen, professionell auftreten und Sicherheit ausstrahlen. Untersuchungen zeigen, dass vor allem Personen mit einem hohen Bildungsstand das Internet nutzen. Da es ebenfalls diese Personen sind, die sich besonders für aktuelle öffentliche Dis- 9
  • 14. kussionen interessieren und diese meist auch über längere Zeit hinweg verfolgen, bietet es sich an, diese Anspruchsgruppen frühzeitig über Online-Kanäle anzusprechen und zu infor- mieren (vgl. Köhler 2008: 239). Auch beim Monitoring sollte das Internet nicht vernachläs- sigt werden, da brisante Themen dort oft schon sehr viel früher diskutiert werden als in den traditionellen Medien (vgl. Hasse 2004: 170). Die kommunikative Grundhaltung Unternehmen verfolgen unterschiedliche Kommunikationsstrategien, die häufig vom Selbst- verständnis des Unternehmens abhängig sind. Es spielt also bspw. eine Rolle, ob das Unter- nehmen aktiv gesellschaftspolitische Verantwortung sowie Sozialverantwortlichkeit über- nimmt (vgl. Hecker 1997: 32). Diese Grundeinstellung drückt sich sehr stark in der Art und Weise der Kommunikation eines Unternehmens, sowohl in Nicht-Krisenzeiten, besonders aber während Krisen aus. Hecker beschreibt in Bezug auf Umweltthemen verschiedene Kom- munikationsstrategien (vgl. ebd.: 34 f.). Ökologische Themen treffen bei der Öffentlichkeit auf eine erhöhte Sensibilität (vgl. Unterkapitel 2.1.2) und fordern von Unternehmen daher besondere kommunikative Leistungen. Gerade deshalb bietet es sich an, Heckers Einordnung an dieser Stelle genauer anzuschauen. Den Anfang macht die Strategie des Ignorierens. Verfolgt ein Unternehmen diese Strategie, zeigt es keinerlei Interesse gegenüber externen Meinungen, selbst wenn umsetzbare Maßnah- men zur Verbesserung vorgeschlagen werden (vgl. Hecker 1997: 34). Am folgenden Beispiel soll die Übertragbarkeit von Heckers Kommunikationsstrategien auf andere, nicht umweltsen- sible Bereiche verdeutlicht werden: Plant ein Unternehmen, die Produktionsstätte ins Ausland zu verlagern, reagiert jedoch überhaupt nicht auf die Reaktionen in den Medien oder in der Öffentlichkeit, bringt diese passive Kommunikationshaltung sehr schnell einen Verlust des öffentlichen Vertrauens mit sich, da das Unternehmen den Eindruck erweckt, leichtfertig mit seiner Sozialverantwortung umzugehen. Anders stellt sich die Strategie des Verleugnens dar, welche die Autorin auch als reaktiv- passiv beschreibt. Der Öffentlichkeit wird hierbei der Eindruck vermittelt, dass das Unter- nehmen dem Dialog keine große Bedeutung und daher eine geringe Kommunikationsintensi- tät zuschreibt. Bei der Strategie des Widerstands wird der eigene Standpunkt vom Unternehmen aktiv ver- teidigt, auch wenn hierzu eine Diskreditierung der Gegner nötig ist. Bei dieser Kommunikati- onsstrategie bringt das Unternehmen eine hohe Kommunikationsintensität ein, um die Öffent- lichkeit aktiv zu überzeugen. Ebenfalls eine hohe Kommunikationsintensität ist bei der Strategie der Antizipation vorhan- den. Das Unternehmen nimmt den öffentlichen Dialog aktiv auf und kann dadurch sogar teil- weise öffentliche Forderungen eindämmen. Die Strategie der Antizipation kann von Unter- nehmen jedoch im weiteren Verlauf eine Anpassungsstrategie erzwingen. Dies ist der Fall, wenn die aktivierte Öffentlichkeit nur noch eingeschränkte Handlungsspielräume und eine geringe Kommunikationsintensität einräumt. Befindet sich ein Unternehmen in dieser Situati- on, besitzt es keine Handlungsautonomie mehr (vgl. ebd.: 34 f.). 10
  • 15. Die vorgestellten Strategien können einer offensiven oder einer defensiven Kommunikations- haltung zugeordnet werden. Es bietet sich an, die Einordnung anhand der Kommunikationsin- tensität vorzunehmen, womit sich im Falle der Strategie des Widerstandes und der Strategie der Antizipation eine offensive Kommunikationshaltung ergibt. Doch was ist die richtige Kommunikationsstrategie in der Krise? Jönck zählt drei essenzielle Merkmale erfolgreicher Krisenkommunikation auf. Die Richtigkeit der Aussagen stellt dabei ein notwendiges Merkmal dar und ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kommunika- tion. Der Autor verweist auf die Regel, dass alles, was man sagt, der Wahrheit entsprechen, jedoch nicht alles, was wahr ist, ausgesprochen werden muss. Außerdem sollten Unternehmen aufgrund der unvorhersehbaren Reaktionen der Öffentlichkeit in Krisen flexibel sein. Eine „blinde“ Abarbeitung eines Krisenplans sollte nicht stattfinden, vielmehr sollte „Phantasie, Einfühlungsvermögen, Improvisation“ (Jönck 2006: 458) eingebracht werden. Das dritte Merkmal ist die Schnelligkeit ein geeignetes Mittel, um nicht in eine passive Rolle gedrängt zu werden (vgl. ebd.). Diese Auffassung vertritt auch Puttenat, die eine zu langsame und zu späte Reaktion als typischen Fehler in einer Krisensituation beschreibt (vgl. Puttenat 2009: 30). Möhrle hingegen sieht schnelle, proaktive Maßnahmen von Unternehmen in Krisensituatio- nen eher kritisch. Das Unternehmen müsse abwägen „zwischen der Chance, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen […] und der Gefahr, das Issue durch die eigene Akti- vität erst richtig loszutreten“ (Möhrle 2004b: 146). Hier stimmt der Autor mit der weiter oben angeführten Gefahr überein, dass ein Unternehmen durch proaktive Kommunikation in eine Situation verfallen kann, in der das Handeln von der aktivierten Öffentlichkeit diktiert wird (vgl. Anpassungsstrategie). Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, wie schwierig es für ein Unternehmen ist, in einer Krise die richtigen kommunikativen Maßnahmen zu ergreifen. Sowohl die passive ab- wartende, als auch die proaktive Kommunikation birgt Risiken in sich, die vorher nicht ein- schätzbar sind. Zusammenfassend kann dem allgemeinen Tenor der Experten jedoch entnommen werden, dass Unternehmen, die sich in einer Krise in Schweigen hüllen, eher der Gefahr ausgesetzt sind, von der Öffentlichkeit in eine passive und reaktive Rolle gedrängt zu werden. Die Chan- ce, eigene Themen auf die Agenda zu setzen, ist in einem solchen Falle größtenteils verloren, da die Medien und die Öffentlichkeit diese bereits vorgeben. 2.2.2 Operative Krisenkommunikation Dieses Unterkapitel setzt sich mit der kurz- und mittelfristigen Krisenkommunikation ausei- nander. Die operative Krisenkommunikation setzt dann ein, wenn eine Krise vom Unterneh- men mit Hilfe von geeigneten Frühwarnsystemen bereits wahrgenommen wird, was in einem Unternehmen, das sich dauerhaft mit der Krisenprävention auseinandersetzt, spätestens in der gelben Krisenphase der Fall sein sollte (vgl. Unterkapitel 2.1.3). Durch die operative Krisen- kommunikation werden die im optimalen Fall bereits bestehenden und für den Ernstfall fest- gelegten Kommunikationsstrategien konkretisiert und in die Realität umgesetzt. Im akuten 11
  • 16. Krisenfall kämpft das Unternehmen also durch die Ad-hoc-Krisenkommunikation nicht nur um das Überleben selbst, sondern auch darum, wie es die Krise überlebt. Welche Instrumente sowie Medien und Kanäle für die operative Krisenkommunikation eingesetzt werden können, wird in Folgenden erläutert. Die Instrumente der operativen Krisenkommunikation Eine Umfrage unter 70 Unternehmen im Jahre 2000 ergab, dass in Krisen am häufigsten von Pressekonferenzen Gebrauch gemacht wird. Ebenfalls werden oft Interviews gegeben und Pressemitteilungen verschickt. Auffällig ist außerdem, dass bereits vor zehn Jahren im Zu- sammenhang mit Krisen des Öfteren auf das Internet zurückgegriffen wurde. Da sich das In- ternet als Instrument der akuten Krisenbekämpfung inzwischen noch stärker durchgesetzt hat, wird später in diesem Unterkapitel genauer darauf eingegangen. Die oben genannten Instrumente zeigen, dass Unternehmen in Krisen häufig auf Maßnahmen zurückgreifen, die auch eingesetzt werden, wenn keine Krise vorhanden ist. Doch vor allem in einer Krisensituation sollte ein Unternehmen viel Aufwand und Zeit in die Kommunikation investieren. Wird in einer Krise unprofessionell kommuniziert, kann dies die Krise zusätzlich verstärken. Möhrle zeigt daher einige Instrumente auf, die gerade in einer Krise sehr hilfreich sein können, um das öffentliche Interesse zu befriedigen, welche im Folgenden erläutert wer- den. Es sollte mit dem Bekanntwerden einer Krise umgehend ein Ad-hoc-Briefing der Medien durchgeführt werden. Hierbei geht es nicht unbedingt darum, alle Einzelheiten darzulegen, sondern um die glaubwürdige und verlässliche Information, dass an dem Problem gearbeitet wird. Natürlich besteht die Gefahr, dass einige Journalisten aufgrund der Kurzfristigkeit nicht persönlich teilnehmen können. In diesem Fall ergibt es Sinn, parallel einen Online- Newsticker zu schalten (vgl. Möhrle 2004c: 163). Der Autor schlägt hierfür die Website vor; allerdings haben sich in den vergangenen Jahren weitere Online-Kanäle entwickelt, wie bspw. Twitter, die sich für aktuelle Kurznachrichten eignen. Detailliert wird auf die Anwendungen im Web 2.0 unter 2.3.1 eingegangen. Über das Ad-hoc-Briefing hinaus bietet sich an, dem Fernsehen und Hörfunk Kurzinterviews mit Verantwortlichen des Unternehmens anzubieten. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, Gerüchten und falschen Informationen sofort und aktiv entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite besteht hierbei immer die Gefahr, dass in den Interviews Aussagen gemacht werden, die dem Unternehmen später negativ ausgelegt werden können. Diese Gefahr kann eingedämmt werden, indem die Inhalte des Interviews vorab abgesprochen werden. Außerdem sollte das Unternehmen hierfür einen Sprecher auswählen, der einer schwierigen Situation rhetorisch gewachsen ist (vgl. ebd.). Eine weitere Möglichkeit, den Medien sende- und zitierfähige O-Töne zur Verfügung zu stel- len, ohne dabei der Gefahr ausgesetzt zu sein, den Medien als „Nebenprodukt“ des Gesprächs eine Aussage zu liefern, die negativ interpretiert werden kann, bietet ein Statement-Service. In der konkreten Umsetzung bedeutet dies, dass kurze Aussagen von Unternehmensverantwort- lichen auf der Website zum Download bereitgestellt werden (vgl. ebd.). Zum einen besitzt ein 12
  • 17. O-Ton für Journalisten einen besonderen Nachrichtenfaktor und hat daher gute Chancen, übernommen zu werden, zum anderen kann durch die persönlichen Aussagen – je nach Medi- um sogar mit Bild – Glaubwürdigkeit besser hergestellt werden. Ein weiteres Instrument in Krisensituationen sind Hintergrundgespräche mit ausgewählten Journalisten (vgl. Möhrle 2004c: 163 f.), deren Erfolg sehr stark vom vorangegangenen Be- ziehungsmanagement der strategischen Krisenkommunikation abhängt. Durch eine dauerhafte Kontaktpflege zu Journalisten kann sichergestellt werden, dass in Krisensituationen gezielt und erfolgreich Hintergründe vermittelt und Diskussionen geführt werden können. Außerdem sollten auch während der Krise Ad-hoc-Medientrainings durchgeführt werden. Oftmals möchte die Öffentlichkeit in Krisen nämlich nicht einen Sprecher sehen und hören, sondern fordert Stellungnahmen vom Topmanagement ein. Da dieses jedoch häufig über sehr viele Fähigkeiten verfügt, nicht aber gezwungenermaßen über rhetorisches Geschick, sollten die Medientrainings in Kürze grundlegende kommunikative Fähigkeiten vermitteln, die glaubwürdige und verständliche Botschaften gewährleisten (vgl. ebd.). Auch Töpfer geht auf die Wichtigkeit von Kommunikationstrainings ein und betont, dass sie notwendig sind, um eine schnelle und richtige Reaktion sicherzustellen und ein stereotypes Kommunikationsver- halten zu vermeiden. Auch er ist der Meinung, dass die Person, die das Problem bearbeitet, kommunizieren muss und nicht ein Unternehmenssprecher, damit Glaubwürdigkeit in die Öffentlichkeit transportiert werden kann (vgl. Töpfer 1999: 46 f.). Gutermann und Helbig weisen außerdem auf den Einsatz von professionellen Krisenberatern hin. Diese unterstützen die Kommunikationsabteilung bei den operativen Maßnahmen und bringen ein oftmals sinnvolles externes Feedback ein (vgl. Gutermann/Helbig 2004: 111). Bei kleineren Unternehmen, mit begrenzten kommunikativen Ressourcen, kann das Hinzuziehen eines Krisenberaters sicherlich nützlich sein. Jedoch kann die Mitsprache eines externen Bera- ters, der evtl. mit Vorschlägen, die gegenüber den internen Kommunikationsverantwortlichen in der Vergangenheit abgelehnt wurden, auf Zustimmung im Topmanagement trifft, interne Unstimmigkeiten verursachen, die die Krisenkommunikation lähmen. Letztlich ist die Darksite, eine präventiv vorbereitete Internetseite, die im Krisenfall online gestellt wird, ein unerlässliches Standardinstrument in Krisen. Sie sollte in krisenfreien Zeiten bereits vorbereitet und so weit wie möglich mit Inhalten gefüllt werden (vgl. Hasse 2004: 172). Eine ganzheitliche Erstellung nach Ausbruch der Krise kostet zu viel Zeit und kann un- ter dem Druck kaum zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen. Außerdem sind die Mit- arbeiter durch die Erstellung einer Darksite schon im Vorfeld dazu gezwungen, sich mit einer möglichen Krise auseinanderzusetzen. So zeigt sich hierbei bspw., wer über welche Informa- tionen und Entscheidungsbefugnisse verfügt und wo es inhaltliche Unstimmigkeiten gibt. Die Kanäle und Medien der operativen Krisenkommunikation In einer Krise sollte es wohl überlegt sein, über welche Kanäle ein Unternehmen mit Journa- listen und der Öffentlichkeit in Kontakt tritt. Bei der Auswahl eines geeigneten Kanals gilt es, vorher zu klären wer in der Krise kommuniziert. Möhrle weist darauf hin, dass es möglicher- weise notwendig sein kann, bisherige Kommunikatoren zumindest vorübergehend von ihrer 13
  • 18. Aufgabe freizustellen, um diese Rolle anderen zu übertragen, die dieser Situation rhetorisch besser gewachsen sind (vgl. Möhrle 2004c: 158). Im Allgemeinen bietet es sich an, eine konkrete Rollenverteilung vorzunehmen, um in der Krise eine sinnvolle Kommunikationsstruktur sicherzustellen. Die reine Medienarbeit sollte der Pressesprecher oder sonstige Kommunikationsverantwortliche übernehmen. Eine allge- meine Repräsentanz gegenüber der Öffentlichkeit, der Branche und der Politik hingegen schreibt der Autor der Vorstandsebene bzw. dem Geschäftsführer oder Inhaber zu. Sobald es jedoch um fachliche Informationen geht, sollten Personen kommunizieren, die aufgrund ihrer Kompetenz und Position Glaubwürdigkeit herstellen können (vgl. ebd.: 158 f.). Dieser Eintei- lung steht die Ansicht von Klimke und Schrott gegenüber, die auf das „One-Voice-Concept“ verweisen. Dieses Konzept schreibt alle Kommunikationsaufgaben einem Sprecher zu (vgl. Klimke/Schrott 1993: 238). Tritt ein Unternehmen in Gestalt einer zentralen Person auf, wel- cher es gelingt, Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Öffentlichkeit zu schaffen, kann dies in der Krise sehr hilfreich sein. Möhrles Aufteilung hingegen hat den Vorteil, dass jede Kom- munikationsebene von den entsprechenden „Experten“ bearbeitet wird. Ist intern geklärt, wer in der Krise kommuniziert, geht es im zweiten Schritt darum, die geeig- neten Kanäle auszuwählen. Unternehmen entscheiden sich in Krisen aufgrund personeller, finanzieller und zeitlicher Gründe häufig dazu, über Massenmedien mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten und auf dialogorientierte Medien zu verzichten. Eggert stellte durch eine Untersuchung fest, dass Unternehmen von einem geeigneten Medium in der Krise vor allem Schnelligkeit erwarten. Weiterhin ist den befragten Unternehmen die Verfügbarkeit, die zeit- liche Einsetzbarkeit und eine große Reichweite wichtig (vgl. Eggert 2000: 40 f.). Betrachtet man die Anforderungen genauer, stellt man schnell fest, dass die Neuen Medien diese Leis- tungskriterien in sich vereinen. Neben den klassischen Kommunikationskanälen, wie Print- und Rundfunkmedien, gewinnt das Internet daher für die Krisenkommunikation immer mehr an Bedeutung. Eggerts Umfrage im Jahre 2000 ergab, dass Unternehmen in Krisen eher auf Pressekonferenzen, Interviews und PR-Artikel zurückgreifen, um mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten (vgl. ebd.: 40). Mickeleit schreibt allerdings vier Jahre später, dass das In- ternet für Journalisten, Wissenschaftler, Analysten und Umweltaktivisten eine Erstinformati- onsfunktion besitzt (vgl. Mickeleit 2004: 116). Inzwischen nutzt die Mehrheit der deutschen Bevölkerung sowie die meisten Journalisten das Internet und sollten daher darüber angespro- chen werden (vgl. Köhler 2008: 239). Wahrscheinlich würden die Antworten der Unterneh- mer heute etwas anders aussehen als im Jahre 2000. Experten sind sich jedoch einig, dass das Internet die traditionellen PR-Kanäle unterstützen, nicht aber vollständig ersetzen kann. Stre- ben Unternehmen in Krisensituationen symmetrische Kommunikation an, greifen sie haupt- sächlich auf Kanäle wie das Telefon oder Face-To-Face-Begegnungen zurück. Das Internet wird als integraler Bestandteil der (Krisen-) Kommunikation angesehen (vgl. ebd.: 240). 2.3 Besonderheiten von Web 2.0 im Rahmen der Online-Kommunikation Das Internet hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung gezeigt. Seit sich innerhalb des Internets das Web 2.0 entwickelt hat, bietet sich über den Online-Kanal nicht mehr nur 14
  • 19. die Möglichkeit der Einweg-Kommunikation. Man sollte hierbei jedoch nicht von einem ab- rupten Umbruch ausgehen, wie es die Umbenennung von Web 1.0 auf Web 2.0 vermuten lässt. Vielmehr haben sich die Möglichkeiten, als Nutzer aktiv in das Web „einzugreifen“, nach und nach ergeben. Das Internet entwickelte sich bereits Ende des zwanzigsten Jahrhun- dert in Richtung Mitmach-Plattform – Wikis und Weblogs entstanden (vgl. Schmidt 2008: 20 f.). Die Partizipationsmöglichkeiten der Internetnutzer haben sich seither so verstärkt, dass die Time sich im Jahre 2009 dazu entschied „You“ – den aktiven Internetnutzer – zur Person des Jahres zu ernennen (vgl. Schmidt 2009: 16). Unter 2.3.1 werden die Merkmale, die Anwendungsmöglichkeiten sowie die sich daraus erge- benden Funktionen von Web 2.0 aufgezeigt. Danach werden die unterschiedlichen Themen- karrieren im Web 2.0 denen des traditionellen Journalismus gegenübergestellt. Am Ende die- ses Unterkapitels wird näher betrachtet, wie und von wem das Web 2.0 genutzt wird. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Begriffe „Web 2.0“ und „Social Web“ im Fol- genden synonym verwendet werden. 2.3.1 Merkmale, Anwendungen und Funktionen von Web 2.0 Entscheidet sich ein Unternehmen für den Einsatz von Web 2.0, ist es wichtig, dass es in einer Krisensituation zur richtigen Zeit auf die richtigen Web 2.0-Anwendungen zurückgreift und sich der Funktionen von Web 2.0 stets bewusst ist. Im folgenden Abschnitt werden daher im ersten Schritt die besonderen Merkmale beschrie- ben, die das Web 2.0 besitzt. Danach werden Anwendungen innerhalb von Web 2.0 vorge- stellt, die für die Unternehmenskommunikation in Krisen von Bedeutung sein können. Am Ende werden in Kürze die grundsätzlichen Funktionen erläutert, die das Web 2.0 erfüllt. Die besonderen Merkmale von Web 2.0 Geht es um die Vermittlung gesellschaftlich relevanter Themen, spielen die traditionellen Massenmedien nach wie vor die wichtigste Rolle (vgl. Köhler 2008: 235). Die Art und Weise der Informationsvermittlung stellt einen großen Unterschied zwischen den traditionellen Mas- senmedien und dem Internet dar. Während die Zugangs- und Partizipationschancen zu den traditionellen Massenmedien ungleich verteilt sind, zeichnet sich das Internet durch einen freien Zugang aus. Es besteht somit prinzipiell für jeden Nutzer die Möglichkeit, die Inhalte im Internet mitzubestimmen (vgl. ebd.). Durch die Entwicklung von Web 2.0 und somit die stetige Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten, hat sich im Internet eine öffentliche Kommunikationsplattform entwickelt. Die dadurch ermöglichte Interaktivität, sowie die Hypertextualität, die es möglich macht, öffentliche Kommunikationsbeiträge über mehrere Webseiten hinweg miteinander zu verknüpfen, stellen die beiden grundlegenden Merkmale von Web 2.0 dar (vgl. Gerhards/Klingler/Trump 2008: 129 f.). Neben den beiden genannten Merkmalen spricht Wimmer außerdem die Multimedialität an, durch die eine Kombination verschiedener Medien möglich ist. Multimedialität wird bspw. realisiert, wenn in einem Blogbeitrag ein Video eingebunden wird (vgl. Wimmer 2008: 215). 15
  • 20. Internetnutzer sind durch die Tatsache, dass das Internet die Dimensionen Raum und Zeit nahezu aufhebt, in der Lage, sich im Web 2.0 an lokalen, regionalen und globalen Diskussio- nen zu beteiligen, welche aufgrund der Speicherkapazität des Internets nicht an einen be- stimmten Moment gebunden sind. Durch das Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement (vgl. die Funktionen von Web 2.0) der Nutzer bilden sich im Web 2.0 zufällige Hierarchien heraus. Je nachdem, wie und in welchem Ausmaß sich Nutzer im Internet selbst darstellen und verwirklichen, Kontak- te knüpfen und pflegen sowie Informationen beschaffen, bearbeiten und verbreiten, werden Rangordnungen erkennbar. Es gibt bspw. nur wenige Blogs, denen eine so große öffentliche Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, dass sie zu den A-List-Blogs gezählt werden, was bedeutet, dass bis zu tausend Aufrufe pro Tag stattfinden. Die Mehrzahl der Blogs hingegen wird nur von wenigen Menschen verfolgt (vgl. Schmidt 2008: 32). Aus dieser Hierarchie kann man im Web 2.0 eine gewisse Meinungsführerschaft ableiten. Beschäftigt sich bspw. ein Blog, das natürlich fesselnd geschrieben und regelmäßig aktualisiert werden sollte, mit bri- santen Umweltthemen, hat es gute Chancen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu zie- hen und bei der Meinungsbildung der Leser zu diesen Themen maßgeblich mitzuwirken. Die Anwendungen im Web 2.0 Im Folgenden werden Anwendungen im Web 2.0 vorgestellt, die es Unternehmen ermögli- chen, direkt und dialogorientiert mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten. Eine Umfrage aus dem Jahre 2007 ergab, dass es weltweit ungefähr 70 Millionen Weblogs gibt, zu denen täglich etwa 120.000 neue Blogs hinzukommen, das heißt 1,4 Blogs pro Se- kunde (vgl. Sifry 2007). Trotz des enormen Zuwachses trauten sich zu der Zeit jedoch nur wenige deutsche Unternehmen, aktiv in die Blogosphäre einzusteigen, und wenn doch, steck- ten deren Aktivitäten noch in den Kinderschuhen, das heißt Auswirkungen auf die Beziehun- gen zur Außenwelt waren kaum zu erkennen (vgl. Burkhardt 2007: 5). Jedoch wurde schon damals deutlich, dass Weblogs in Zukunft eine große Herausforderung für Unternehmen in Krisensituationen darstellen können. Setzt ein Unternehmen ein eigenes Blog ein, kann es dort schnell und dialogorientiert reagieren, wo zukünftig evtl. verstärkt Krisen entstehen – in der Blogosphäre (vgl. ebd.: 51). Eine besondere Art des Bloggens ermöglichen Mikroblogs. Das bekannteste Beispiel hierfür ist Twitter. Die Besonderheit von Mikroblogs stellt die Zei- chenbegrenzung dar. So kann ein einzelner Beitrag bei Twitter höchstens aus 140 Zeichen bestehen, bietet jedoch über Hyperlinks die Möglichkeit, auf weitere Informationen zu ver- weisen sowie den Tweed durch Schlagworte bestimmten Themen zuzuordnen. Ebenfalls eine sehr populäre Anwendung im Web 2.0 sind die Netzwerkplattformen. Eine aktive Teilnahme ist für jeden möglich, jedoch erst nach Registrierung. Grundsätzlich werden zwei Arten von Netzwerkplattformen unterschieden. Zum einen gibt es Netzwerkplattformen, bei denen sich die Nutzer als Privatpersonen anmelden und somit auch hauptsächlich private Inhalte publizieren. Facebook oder MySpace sind hierfür populäre Beispiele. Zum anderen gibt es das berufliche Networking, bspw. Xing, bei dem die Nutzer ein berufsbezogenes Profil anlegen und hauptsächlich berufliche Themen ausgetauscht werden. Beide Arten ermöglichen 16
  • 21. es Unternehmen, aktiv am Networking teilzunehmen und Inhalte im Namen des Unterneh- mens zu publizieren. Außerdem gibt es im Internet Multimediaplattformen. Auf YouTube, ein sehr bekanntes Bei- spiel, können Privatpersonen und Unternehmen Videos veröffentlichen (vgl. Schmidt 2009: 23). Die Möglichkeit, einen eigenen Kanal zu erstellen, auf dem nur autorisierte Personen Videos veröffentlichen dürfen, gibt den Nutzern eine Kontrolle über den Inhalt. Ein Unter- nehmen kann somit auf seinem eigenen Kanal selbst bestimmen, welche Videos unter seinem Namen veröffentlicht werden. Des Weiteren existieren im Web 2.0 verschiedene Wikis, in denen Nutzer aktiv zu verschie- denen Themen Beiträge verfassen können. Änderungen dieser Beiträge können jederzeit nachverfolgt und rückgängig gemacht werden. Auf Wikipedia bspw. kann ein Unternehmen einen Beitrag über sich selbst oder über seine Produkte verfassen (vgl. ebd.: 22 ff.). Die Funktionen von Web 2.0 Die Autoren Zerfaß und Sandhu schreiben dem Web 2.0 vier Funktionen zu, die jedoch größ- tenteils mit dem oben angesprochenen Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement übereinstimmen. Die publizistisch-expressive Funktion, welche mit dem Identitätsmanage- ment gleichgesetzt werden kann, beinhaltet das Veröffentlichen und Darstellen von Inhalten, wofür bspw. Blogs oder Podcasts eingesetzt werden können. Außerdem dient das Web 2.0 dazu, Wissen zu strukturieren, zum Beispiel mit Hilfe von Wikis. Eine weitere Funktion se- hen die Autoren in der Informationsaufbereitung, die der Internetnutzer mit Hilfe von RSS- Feeds vornehmen kann. Die beiden letztgenannten Funktionen die der Wissensstrukturie- rung und der Informationsaufbereitung spiegeln das Informationsmanagement wieder. Da- rüber hinaus ordnen die Autoren dem Web 2.0 die Ermöglichung von professionellen und persönlichen Beziehungsnetzwerken zu. Diese Funktion, die das von Schmidt genannte Be- ziehungsmanagement abdeckt, drückt sich im Web 2.0 durch soziale Netzwerke aus. 2.3.2 Themenkarrieren im Web 2.0 Aufgrund der oben genannten Eigenschaften von Web 2.0 haben Themen dort ganz andere und neue Möglichkeiten sich zu entwickeln. Die Unterschiede zwischen der Themenbearbei- tung und -entwicklung im Web 2.0 und in klassischen Medien sollte bei der Krisenkommuni- kation stets beachtet werden. Daher wird im folgenden Absatz auf die verschiedenen The- menkarrieren eingegangen. Um einen Vergleich herstellen zu können, muss zuerst die Themenentwicklung im Web 2.0 genauer betrachtet werden. Die bereits oben genannte Eigenschaft, dass das Internet zeitliche und räumliche Grenzen überschreitet, spielt hierbei eine große Rolle. So führt das Internet dazu, dass Themen sehr schnell nationale und internationale Aufmerksamkeit erregen können (vgl. Mast 2008: 104) und die Nutzer sich mit Hilfe von Web 2.0-Anwendungen an den ent- sprechenden Diskussionen beteiligen können. Im Web 2.0 werden somit oftmals Themen auf die Agenda gesetzt, die Kommunikationskrisen auslösen können. Durch die schnelle Weiter- 17
  • 22. verbreitung der Krisenthemen wird die Kommunikationskrise außerdem durch das Web 2.0 beschleunigt. Die Ziele der aktiven Nutzer gehen jedoch teilweise über die reine Beteiligung an Diskussio- nen hinaus. So weisen Zerfaß und Sandhu darauf hin, dass sich viele Nutzer als investigative Multiplikatoren sehen, die durch eigene Recherchen in Weblogs mehr erfahren wollen, als ihnen die Journalisten bieten können (vgl. Zerfaß/Sandhu 2008: 295). In einer Untersuchung stellte sich außerdem heraus, dass Blogger ein großes Interesse daran haben, Krisen aufzude- cken (vgl. Liu 2010: 29). Somit bildet das Zusammenspiel zwischen Bloggern, die Krisen aufdecken wollen und deren Lesern, die einen Wissensvorsprung haben möchten, eine Grund- lage dafür, dass Krisenthemen schnell wahrgenommen und verbreitet werden. Dieser Ent- wicklung können sich auch professionelle Journalisten nicht entziehen. Daher bewegen sich auch diese immer mehr im Web 2.0 und integrieren es in ihren Arbeitsalltag. Dies führt einer- seits dazu, dass Journalisten ihre Informationen teilweise aus dem Web 2.0 beziehen, zum anderen sind sie inzwischen maßgeblich an der Content-Erstellung im Web 2.0 beteiligt. In Deutschland werden mittlerweile drei der zehn populärsten Blogs von Journalisten geführt (vgl. Schmidt 2008: 30). Im Folgenden werden Blogs, stellvertretend für das Web 2.0 genauer betrachtet. Diese Zuspitzung scheint in diesem Zusammenhang angemessen, da Blogs im Web 2.0 die größte Konkurrenz zu der traditionellen Berichterstattung darstellen. Das Vorgehen von Bloggern unterscheidet sich teilweise beträchtlich von den Arbeitsweisen von Journalisten. “One structural difference between bloggers and journalists is the type of sources the two primarily use” (Liu 2010: 29). In einer Untersuchung, die Blogs und Online- Zeitungen analysierte, fand Liu heraus, dass Journalisten sowohl im Alltagsgeschäft als auch bei der Arbeit mit Krisenthemen an offiziellen Quellen interessiert sind, während die Her- kunft der Informationen für Blogger weniger relevant ist. Des Weiteren unterscheiden sich Blogbeiträge und die traditionelle Berichterstattung anhand der Objektivität. Die Autorin stellte fest, dass Journalisten bemüht sind, fair und ausgeglichen zu berichten, in der Blogos- phäre jedoch findet man oftmals subjektive Beiträge. So beinhalten 55% der untersuchten Blogbeiträge, aber nur 18% der analysierten Online-Artikel subjektive Aussagen. Außerdem kam die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Journalisten unter einem weitaus größeren Zeit- und Kostendruck stehen als Blogger. Dies äußert sich darin, dass die untersuchten Blogs einer bestimmten Krise mehr Beiträge gewidmet haben als die analysierten Online-Zeitungen. Ein weiteres entscheidendes Ergebnis der Studie zeigt sich bei Betrachtung des Zeitpunkts, zu dem Krisen angesprochen werden. Blogs sind den Online-Zeitungen hierbei meistens einen Schritt voraus (vgl. ebd.: 29 ff.). Die aufgezeigten Ergebnisse machen einerseits deutlich, dass Blogger teilweise freier und ungezwungener arbeiten können als professionelle Journalisten. Es gelingt Bloggern daher häufig, Krisenthemen ins Visier zu nehmen, bevor sie in den klassischen Medien, und auch in Online-Zeitungen, erscheinen. Andererseits können eine subjektivere Berichterstattung und ein großzügiger Umgang mit der Herkunft von Quellen dazu führen, dass mangelhafte Infor- mationen an die Leser der Blogs weitergegeben werden. Durch die Interaktivität und Hypertextualität können Themen im Web 2.0 schnell verbreitet werden, oftmals ebenfalls ohne vorher auf Richtigkeit überprüft zu werden, und gelangen damit an eine große Öffent- 18
  • 23. lichkeit. Diesem Gedanken entspricht auch Schmidts Ansicht, der am Web 2.0 kritisiert, dass dort Laien Aufgaben übernehmen, die bisher Personen mit professionellen Ausbildungen er- ledigt haben. Da durch das Web 2.0 die technischen Hürden für die Publikation von Informationen gesun- ken ist und Nutzer durch verschiedene Anwendungen ihre Informationen nach eigenem Be- lieben filtern können, wird das ursprüngliche Gatekeeper-Monopol der Journalisten dadurch teilweise unterlaufen (vgl. Schmidt 2009: 178). Kutner spricht bereits im Jahre 2000 an, dass das Internet „[…] allows direct communication and bypassing of information gatekeepers […]" (Kutner 2000: 7). Durch die stetige Weiterentwicklung von Web 2.0-Anwendungen hat sich diese Situation bis heute weiter verstärkt. Diese Verschiebung der Zuständigkeiten stellt Journalisten vor neue Herausforderungen. Sie sind nicht mehr die alleinigen Entscheider über Themenkarrieren. Eggert sieht nun eine große Herausforderung für die Journalisten darin, „aus dem Meer an Daten die für sie angemessene Qualität und Quantität zu bestimmen“ (Eggert 2000: 37). Für Unternehmen bedeuten die angesprochenen Veränderungen der Themenentwicklung, dass sie sich einerseits direkt an die Öffentlichkeit wenden können, ohne dabei von einem Journa- listen in seiner Gatekeeper-Funktion abhängig zu sein, andererseits sind Themenkarrieren im Web 2.0 kaum zu steuern. Das heißt Unternehmen haben nur wenig Einfluss darauf, ob und wie ihre Themen im Web 2.0 wahrgenommen und weiterverbreitet werden. 2.3.3. Nutzung von Web 2.0 Um das Web 2.0 in der Online-Kommunikation und vor allem in der Krisenkommunikation erfolgreich einsetzen zu können, sollten Unternehmen Kenntnis darüber haben, wer das Web 2.0 nutzt und welche Motive dahinter stecken. Nachdem im Folgenden die allgemeine Nut- zung von Web 2.0 in Deutschland genauer beschrieben sowie ein mögliche Einteilung in Nut- zungstypen vorgestellt wird, soll im zweiten und dritten Schritt die Nutzung von Web 2.0 durch Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen dargestellt werden. Die allgemeine Nutzung von Web 2.0 in Deutschland Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2010 ergab, dass 69% der Bevölkerung ab 14 Jahren online sind, 76% davon sogar täglich. Viele davon nutzen Web 2.0-Anwendungen. So erreicht Wikipedia 73% und Videoportale 58% aller Deutschen, die online sind. Private Netzwerkplattformen erreichen 39%, Fotocommunitys immerhin noch 19% der deutschen Internetnutzer. Diese Verteilung stimmt mit der Web 2.0-Nutzung von Teenagern und Twens überein, die am häu- figsten private Netzwerkplattformen, Videoportale und Wikipedia nutzen. Dieser Zusammen- hang ist evtl. darauf zurückzuführen, dass Personen bis zu einem Alter von 30 Jahren stärker im Web 2.0 vertreten sind, als ältere Internetnutzer und sich deren Nutzung somit stark in den allgemeinen Nutzungsstatistiken niederschlägt. Doch das Web 2.0 kann sehr unterschiedlich genutzt werden. Es ist daher nicht nur interes- sant, welche Anwendungen von wem genutzt werden, sondern ebenfalls, wie sie genutzt wer- 19
  • 24. den. So stellte sich durch die Onlinestudie heraus, dass 97% der Wikipedia-Nutzer die Platt- form ausschließlich zur Informationsbeschaffung nutzen, während lediglich 3% darüber hin- aus aktiv Beiträge in Wikipedia verfassen oder bearbeiten. Ähnlich stellt es sich auf Multime- diaplattformen dar. Mit 92% schaut der deutliche Großteil der Nutzer von Multimedia- plattformen ausschließlich Videos an, 8% haben hingegen selbst bereits Filme eingestellt. Ein anderer Trend zeigt sich bei Blogs. Während 60% „nur“ Blogs lesen, haben immerhin 40% darüber hinaus bereits eigene Blogbeiträge verfasst (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2010). Die- ses Ergebnis macht deutlich, dass Blogs innerhalb von Web 2.0 eine große Bedeutung haben, da sie eine weitreichende aktive Beteiligung der Web 2.0-Nutzer auf sich vereinen. Je nach Art und Weise der Nutzung wurden von Gerhards/Klingler/Trump acht Nutzertypen festgelegt. Es muss jedoch beachtet werden, dass ein Web 2.0-Nutzer mehreren Nutzertypen angehören kann. Am stärksten verbreitet sind passiv partizipierende Nutzer, das heißt über zwei Drittel der Web 2.0-Nutzer sind „Unterhaltungs- oder Informationssucher“. Ebenfalls einen großen Anteil nehmen die „Kommunikatoren“ mit 34% ein, die ihre aktiven Tätigkeiten hauptsächlich auf das Verfassen von Kommentaren beschränken. Der Nutzertyp „Spezifisch Interessierte“ wird dann aktiv, wenn es inhaltlich um eine persönliche Angelegenheit geht. Das heißt 17% nutzen das Web 2.0 aktiv, um bspw. Wissen zu dem letzten Urlaubsziel oder einer bestimmten Krankheit auszutauschen. „Netzwerker“ nutzen das Web 2.0 aktiv, um an- dere Menschen kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen. Diesem Nutzertyp gehören 12% der Web 2.0-Nutzer an. Die übrigen drei Nutzertypen zeichnen sich durch eine sehr akti- ve Partizipation und einen sehr kleinen prozentuellen Anteil aus. So gehören 4% dem Nut- zungstyp „Selbstdarsteller“ an. Diese Personen nutzen ihre aktiven Partizipationsmöglichkei- ten im Web 2.0 ausschließlich, um ihre eigene Person darzustellen, bspw. mittels eines priva- ten Internettagebuchs. Die mit 6% etwas stärker verbreiteten „Produzenten“ haben einen ge- wissen künstlerischen oder journalistischen Anspruch an ihre veröffentlichten Inhalte. Hierun- ter fällt zum Beispiel der Amateurfotograf, der auf einer Fotocommunity seine Fotos veröf- fentlicht. Am aktivsten sind die „Profilierten Nutzer“. Sie schöpfen die Möglichkeit der Mit- gestaltung im Web 2.0 vollständig aus. Als Beispiel hierfür kann ein Blogger genannt werden, der intensiv in die Blogosphäre eingebunden ist. Die Profilierten sind zu 7% unter den Web 2.0-Nutzern vertreten (vgl. Gerhards/Klingler/Trump 2008: 139 ff.). Die Nutzung von Web 2.0 durch Unternehmen Im internationalen Vergleich schneiden deutsche Unternehmen beim Einsatz von Web 2.0 unterdurchschnittlich ab. So zeigt eine Untersuchung aus dem Jahre 2008, dass nur 5% der deutschen Unternehmen ein eigenes Blog betreiben, während es international immerhin 32% sind (vgl. Zerfaß/Sandhu 2008: 287). Gründe für den vorsichtigen Umgang mit Web 2.0- Anwendungen in deutschen Unternehmen sind der unklare Nutzen mit 62%, Sicherheitsbe- denken mit 53%, die fehlende Kontrolle über den Inhalt mit 48% sowie die nicht vorhandene Unterstützung der Unternehmensleitung mit 30% (vgl. ebd.). Dieses Ergebnis zeigt, dass sich viele deutsche Unternehmen noch nicht ausführlich mit dem Social Web auseinandergesetzt haben; ist die fehlende Kontrolle doch in jedem Falle vorhanden, auch wenn ein Unternehmen 20
  • 25. sich nicht beteiligt. Die eigene Präsenz im Web 2.0 stellt vor allem in Krisen häufig eine gute Möglichkeit dar, die Meinungsbildung im Web 2.0 aktiv zu beeinflussen. Die Nutzung von Web 2.0 durch Nichtregierungsorganisationen Nichtregierungsorganisationen (NGO) engagieren sich oftmals grenzüberschreitend. Daher beschränken sich die Aussagen über die Nutzung von Web 2.0 durch NGOs nicht nur auf Deutschland. Es gibt bisher keine Überblicksstudien zum Umgang von NGOs mit dem Web 2.0. Trotzdem kann anhand der Ergebnisse von Fallstudien festgehalten werden, dass Aktivisten immer mehr auf die neuen, partizipativen Möglichkeiten im Web 2.0 zurückgreifen. Am häufigsten setzen NGOs Blogs ein, um sich an die Öffentlichkeit im Web 2.0 zu richten (vgl. Voss 2008: 238). Voss stellte im Jahre 2008 fest, dass der Einsatz von Web 2.0 bei NGOs jedoch im Allgemei- nen bisher nur mäßig verbreitet ist. Sowohl deutsche, als auch amerikanische NGOs vertrauen bei der Online-Kommunikation eher auf professionelle Webseiten, die nur wenige interaktive, partizipative Elemente enthalten. Als Gründe hierfür führt der Autor auf, dass erste Versuche nur auf wenig Resonanz gestoßen sind, der Aufwand der täglichen Betreuung zu hoch ist so- wie die Angst, dass ältere Zielgruppen, die wichtige Spendergruppen von NGOs sind, über Web 2.0-Anwendungen nicht erreicht werden (vgl. ebd.: 236 ff.). Eine Umfrage in diesem Jahr unter 409 Public Relations-Praktikern im Nonprofit-Bereich ergab, dass lediglich fünf Befragte keine Social Media-Anwendungen einsetzen. Unter den Praktikern, die den Einsatz bejahten, greifen über die Hälfte auf Netzwerkplattformen zurück und 48,4% setzen Blogs ein, um ihre Anliegen im Web 2.0 öffentlich zu machen (vgl. Curtis u.a. 2010: 91). Hier zeigt sich, dass die Bedeutung der Netzwerkplattformen für NGOs in den letzten beiden Jahren zugenommen hat. Entsprechend der oben angesprochenen Prognose von Voss bestätigt auch diese Umfrage, dass die allgemeine Bedeutung von Web 2.0 für NGOs zunimmt. „The results of this study indicate that social media tools are becoming beneficial methods of communication for public relations practitioners in the nonprofit sector.” (ebd.: 92). 2.4 Herausforderungen an die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 Die in den vorangegangen Unterkapiteln dargestellte theoretische Basis von Unternehmens- krisen, der strategischen und operativen Krisenkommunikation sowie der neuen Kommunika- tionsbedingungen durch das Web 2.0, werden nun abschließend zu einer ganzheitlichen Be- trachtung zusammengeführt. Dieses Unterkapitel soll daher einerseits aufzeigen, inwiefern das Web 2.0 Unternehmenskrisen hervorrufen kann, andererseits sollen Chancen dargestellt werden, die sich für die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 ergeben. Durch das Web 2.0 kann sich eine Vielzahl von Personen an Diskussionen beteiligen bzw. sogar neue Themen auf die öffentliche Agenda setzen (vgl. Unterkapitel 2.3.1). Der Journalist wird dabei in seiner Funktion als Gatekeeper umgangen. Das heißt, Themen werden von der 21
  • 26. Öffentlichkeit geschaffen und verbreitet, ohne dass dabei die professionellen Standards, die Journalisten ihrer Arbeit zugrunde legen, beachtet werden (vgl. Unterkapitel 2.3.2). Diese Tatsache setzt Unternehmen ganz neuen Gefahren aus. Oftmals sehen sich gerade Blogger in einer investigativen Funktion und wollen vor allen anderen Krisen aufdecken. Si- cherlich kommen dadurch Inhalte an die Öffentlichkeit, von denen vor Jahren niemand erfah- ren hätte. So gelang es ganz aktuell einigen Bloggern, dem, im Frühjahr/Sommer 2010, ohne- hin krisengeschüttelten Öl- und Energieunternehmen BP, manipulierte Öffentlichkeitsarbeit nachzuweisen. BP zeigte Mitte Juli 2010 auf der unternehmenseigenen Webseite ein Bild des für die Ölpest zuständigen Katastrophenzentrums. Wahrscheinlich sollte dieses Foto dazu beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit, das seit der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko im April 2010 und vor allem nach wochenlanger Unfähigkeit, das ausströmende Öl zu stoppen, zumindest zu einem kleinen Teil zurückzuge- winnen. Auf dem Bild sind drei Mitarbeiter zu sehen, die zehn Bildschirme beobachten, auf denen Echtzeit-Bilder aus dem Golf von Mexiko übertragen werden. Jedoch handelte es sich hierbei nicht um das Originalbild. BP hatte dieses bearbeitet, da im Original nicht alle Bild- schirme aktiv waren, und kurzerhand bei diesen nachträglich auch ein Bild eingefügt. Auf- grund der unprofessionellen Bildbearbeitung fiel diese Manipulation einigen Bloggern auf (vgl. Schultz 2010). Davon abgesehen, dass BP aufgrund des mangelhaften Krisenmanage- ments von Vorneherein unter besonderer Beobachtung der Blogosphäre steht, ist diese Ereig- nis beispielhaft dafür, dass das Web 2.0 mittlerweise eine Art Kontrollfunktion übernommen hat und somit häufig maßgeblich an der Auslösung von Kommunikationskrisen beteiligt ist. Doch nicht nur die Tatsache, dass durch das Web 2.0 vermehrt kommunikative Krisen entste- hen können, stellt ein erhöhtes Risiko für Unternehmen dar. Ebenso stehen Unternehmen auf- grund der schnellen Verbreitung von Informationen im Web 2.0 vor neuen Herausforderun- gen. Kritik kann im Netz binnen weniger Stunden grenzüberschreitend bekannt werden und somit zu einer Beschleunigung von Kommunikationskrisen führen. Unternehmen bleibt da- durch oft weniger Zeit, um kommunikative Maßnahmen zu planen. Dadurch steht die kom- munikative Krisenbewältigung vor neuen Herausforderungen, die sowohl die strategische als auch die operative Krisenkommunikation betreffen. Unternehmen müssen sich zielführender auf diese neuen Gegebenheiten vorbereiten, wodurch die strategische Krisenkommunikation an Bedeutung gewinnt (vgl. Unterkapitel 2.2.1). Es ist wichtiger denn je, im Vorfeld interne Hierarchiefragen zu klären. Die Entscheidungsbefugnisse der Kommunikationsverantwortli- chen müssen transparent und ausreichend sein, um im Falle einer akuten Krise schnell hand- lungsfähig zu sein. Unstimmigkeiten bei allgemeinen Verantwortlichkeiten können das Un- ternehmen in Krisenzeiten lähmen und somit zu einer Verzögerung der Kommunikation füh- ren. Diese Gefahr bestand zwar auch schon, bevor das Web 2.0 existierte, jedoch nimmt die- ses heute zusätzlich Einfluss auf den weiteren Krisenverlauf. Häufig sind Diskussionen im Internet darauf ausgelegt mit dem betroffenen Unternehmen in den Dialog zu treten. Werden diese Forderungen ignoriert, kann dies zu einer weiteren Ausweitung der Kommunikations- krise führen. Auf der anderen Seite bringt der Anspruch an eine schnelle Krisenkommunikation weitere Gefahren mit sich. Unternehmen haben in der operativen Krisenkommunikation weniger Zeit, 22
  • 27. sich auf die Gegenöffentlichkeit einzustellen. Somit kann es passieren, dass der Zeitdruck, den das Web 2.0 ausübt, zu kommunikativen Schnellschüssen führt, die im Nachhinein einen zusätzlichen Schaden anrichten. So zeigte es sich beim Autohersteller Ford, der im Jahre 2009 einhundert ausgewählten amerikanischen Bloggern einen neuen Ford Fiesta, bereits ein halbes Jahr vor der offiziellen Markteinführung, zum Probefahren zur Verfügung stellte, damit diese in ihrem Blog darüber berichten. Diese Social Media Kampagne stieß anfänglich auf viel Zu- stimmung in der Blogosphäre. Doch als von Bloggern im Mittleren Osten Kritik aufkam, weil nur amerikanische Blogger berücksichtigt wurden, begründete ein Ford Mitarbeiter dies mit der Aussage, dass der Mittlere Osten digital nicht genügend entwickelt sei, um der Social Media Kampagne dort einen ähnlichen Erfolg einzubringen. Hiermit wurde der bisherige Er- folg der Social Media Kampagne mit nur einer Aussage zunichte gemacht. Die Blogger im mittleren Osten machten durch vermehrte negative Beiträge deutlich, dass sie ebenfalls über die notwendige Web 2.0-Affinität verfügen (vgl. Eck 2009; thoughtpick 2009). Es zeigt sich an diesem Beispiel, wie wichtig es ist, die Kommunikationsverantwortlichen vorher klar fest- zulegen – rhetorisches Geschick ist hierbei eine Grundvoraussetzung. Ebenfalls kann solchen Pannen zumindest teilweise durch regelmäßige Medientrainings vorgebeugt werden. Da auch Journalisten sich dem Web 2.0 nicht mehr entziehen können und daher ihre Recher- chen zum Teil in den digitalen Raum verlagern (vgl. Unterkapitel 2.3.2), bezieht sich die journalistische Berichterstattung in den traditionellen Medien zum Teil ebenfalls auf die Themen im Internet. Damit wird ein Unternehmen über kurz oder lang wahrscheinlich sowohl im Netz als auch in den Massenmedien mit der Krise konfrontiert. Durch ein langfristig ange- legtes Beziehungsmanagement sollten daher Kontakte zu Journalisten gepflegt werden, damit im akuten Krisenfall darauf zurückgegriffen werden kann. Evtl. bietet sich dem betroffenen Unternehmen unter diesen Voraussetzungen die Chance, ein persönliches Gespräch mit be- stimmten Journalisten zu führen, um die eigene Sicht der Dinge zu vermitteln, oder aber auch frühzeitig Fehler einzugestehen. Somit kann das Unternehmen auch außerhalb des Netzes schnell reagieren, muss aber auch hier stets darauf achten, dass die Wahrheit kommuniziert wird. Informationen müssen, sowohl im Web 2.0 als auch außerhalb des digitalen Raumes, nicht von Anfang an vollständig sein, aber sie müssen den Tatsachen entsprechen (vgl. Unter- kapitel 2.2.1). Eine besondere Gefahr stellen ökologische Themen dar. Aufgrund der starken Emotionalisie- rung dieser Inhalte eignet sich das Web 2.0 hier besonders, um eine Vielzahl von Menschen innerhalb kürzester Zeit zu erreichen (vgl. Unterkapitel 2.1.2), für ein bestimmtes Umwelt- thema zu sensibilisieren und damit einen digitalen Protest auszulösen. Kritische Teilöffent- lichkeiten können damit ein lokales zu einem globalen Ereignis machen (vgl. Wimmer 2008: 217) und ein Unternehmen damit sehr viel stärker unter Druck setzen, als dies ohne Web 2.0 möglich war. „Der Kampf der Kleinen gegen die Großen scheint eine neue Waffe bekommen zu haben“ (Voss 2008: 232). Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Angriffsfläche der Unternehmen durch das Web 2.0 deutlich vergrößert hat. Unternehmen können sehr viel schneller und unvorhersehba- rer in eine Krisensituation gelangen und einer großen öffentlichen Diskussion machtlos ge- genüber stehen, vor allem wenn im Vorfeld nicht genügend Zeit und auch Kosten in die Vor- 23
  • 28. bereitung auf mögliche Krisen investiert wurde. Doch das Web 2.0 kann für die Krisenkommunikation auch bereichernd sein und neue Chan- cen bieten. Krisen sind oft nicht wirklich überraschend, sondern eher eine Zuspitzung eines bestehenden Problems (vgl. Möhrle 2004a: 15). Oft sind sich Unternehmen dieser bestehen- den Probleme selbst nicht bewusst. Die vorzeitige öffentliche Diskussion und Anbahnung von kritischen Themen im Web 2.0 kann ein Unternehmen daher zum eigenen Vorteil nutzen, indem es gezielt Issue-Monitoring im Internet betreibt. Es ergibt sich damit die Möglichkeit, frühzeitig Kenntnis über die öffentliche Meinung zu erhalten um im zweiten Schritt mit Kriti- kern in den Dialog zu treten und proaktiv an den öffentlichen Diskussionen teilzunehmen. Diese proaktive Haltung empfiehlt sich jedoch nicht nur, wenn sich im Web 2.0 bereits Krisen abzeichnen. Vielmehr sollten Unternehmen laufend im Web 2.0 aktiv sein und damit die öf- fentliche Plattform einsetzen, um den Dialog mit Web 2.0-Nutzern aufzubauen. Der offene Umgang mit dem Web 2.0 und die Bereitschaft, in direkten Kontakt zu treten, kann zu einer Steigerung des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit gegenüber dem Unternehmen führen. So zeigte es sich im Jahre 2006 beim Computer-Hardware-Hersteller Dell, dass ein Corporate Blog, wenn es auch erst wenige Wochen zuvor in Betrieb genommen wurde, für die Kommu- nikation in der Krise hilfreich sein kann. Akkubrände in Dell-Produkten machten für das Un- ternehmen eine Rückrufaktion unumgänglich. Produktfehler zählen zu den Hauptursachen für Unternehmenskrisen (vgl. Unterkapitel 2.1.2), da sie oftmals direkten Einfluss auf die Reputa- tion des Unternehmens nehmen. Dell reagierte jedoch sofort und trat, noch bevor die Rück- rufseite mit detaillierten Kundeninformationen online ging, über sein Coporate Blog proaktiv mit Kunden und Kritikern in den Dialog. Ein verantwortlicher Manager verfasste Beiträge und reagierte umgehend auf Fragen und Kritik. Durch diese offensive Kommunikationsstrate- gie konnte der Vertrauensverlust teilweise abgefedert werden. Dieses Beispiel ist besonders interessant, da es nicht nur im Bereich „best practice“ eingeord- net werden kann, sondern gleichzeitig offensichtlich macht, dass das Web 2.0 selten ohne Probleme kurzfristig eingesetzt werden kann. Denn als das Blog nur wenige Wochen vor den Akkubränden online ging, zeigte sich, dass im Vorfeld nicht auf alle Details geachtet wurde. Wollte Dell durch den Blog-Name „one2one“ doch eigentlich nur die dialogorientierten Ab- sichten deutlich machen, erntete das Unternehmen sehr bald Spot im Internet, da eine bekann- te amerikanische Pornographie-Webseite ähnlich heißt (vgl. Pleil 2006). Diese anfänglichen Schwierigkeiten zeigen, dass die Installation eines Blogs während einer Krise im schlechtes- ten Fall zusätzliches Krisenpotenzial liefern kann. Es wird deutlich, dass sich Unternehmen in „ruhigen“ Zeiten ihren Maßnahmen im Web 2.0 zuwenden und sie ohne Zeitdruck planen sollten. Passieren trotzdem anfängliche Fehler, sind diese außerhalb einer Krise sehr viel ein- facher in den Griff zu bekommen. Abschließend kann man sagen, Unternehmen sollte bewusst sein, dass Diskussionen im Web 2.0 stattfinden, unabhängig davon, ob das Unternehmen dort selbst präsent ist oder nicht. Da- her scheint es zukünftig für Unternehmen unumgänglich zu sein, sich langfristig mit dem Web 2.0 auseinanderzusetzen und dessen Regeln kennenzulernen, um Kommunikationskrisen ganzheitlich und erfolgversprechend bearbeiten zu können. 24
  • 29. 3. Empirische Analyse: Greenpeace vs. Nestlé Im vorangegangenen Kapitel wurde ausführlich auf die theoretischen Grundzüge von Unter- nehmenskrisen und die kommunikative Krisenbewältigung eingegangen. Außerdem wurden die Besonderheiten von Web 2.0 für die unternehmerische Krisenkommunikation vorgestellt, um abschließend einen ganzheitlichen Rahmen um die theoretischen Erkenntnisse zu spannen und daraus Chancen und Risiken für die unternehmerische Krisenkommunikation durch das Web 2.0 abzuleiten. Darauf basierend wird im Folgenden das Fallbeispiel Greenpeace vs. Nestlé empirisch unter- sucht. 3.1 Einordnung der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé Im März dieses Jahres startete die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine Web 2.0 Kam- pagne gegen den Lebensmittelkonzern Nestlé. Greenpeace verfolgte damit das Ziel, die öf- fentliche Aufmerksamkeit auf die Regenwaldzerstörung zum Anbau von Palmölplantagen in Indonesien zu lenken und Nestlé dadurch dazu zu bewegen, Verträge mit dem umstrittenen Palmöllieferanten Sinar Mas zu kündigen. Die Unternehmen Kraft und Unilever hatten bereits vorzeitig eingelenkt und die Verträge mit entsprechenden Lieferanten gekündigt. Nach eige- nen Angaben stand Greenpeace bereits seit längerer Zeit in Verhandlungen mit Nestlé, die aus Sicht der Umweltschutzorganisation jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis führten (vgl. Euler 2010). Es werden im Folgenden die beiden beteiligten Akteure der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne vorgestellt, bevor die Relevanz der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne für diese Fallstudie auf- gezeigt wird. 3.1.1 Die beteiligten Akteure Im folgenden Abschnitt werden die beiden Akteure vorgestellt, die direkt an der Kampagne beteiligt waren. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wurde im Jahre 1971 zum Schutz der Lebens- grundlagen gegründet. Die Organisation hat ihren Hauptsitz in Amsterdam und ist in 40 Län- dern vertreten. Nach eigenen Angaben hat Greenpeace 2,74 Millionen Fördermitglieder welt- weit und beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter, davon 206 in Deutschland (vgl. Greenpeace 2007). Greenpeace engagiert sich in vielen verschiedenen Bereichen für den Umweltschutz, bspw. für den Atomausstieg, Wälder und Meere. Die Organisation finanziert sich ausschließlich aus Spendengeldern, um von der Industrie und dem Staat unabhängig handeln zu können (vgl. ebd.). 25
  • 30. Die Umweltschutzorganisation verfolgt mit ihrer Arbeit die Strategie, eine direkte Konfronta- tion mit ihren Gegnern einzugehen, dabei jedoch immer nach dem Prinzip der Gewaltfreiheit zu handeln. Greenpeace folgt dem Motto „Taten statt warten“ und setzt dies durch riskante, aufsehenerregende Aktionen um, die meistens ganz gezielt für die Medien inszeniert werden (vgl. Puttenat 2009: 97). Der Umweltschutzorganisation kommt bei ihrer Arbeit zugute, dass ihr ein weitaus größeres Vorausvertrauen bei den Medien und in der Öffentlichkeit entgegengebracht wird, als ihren Konfliktgegnern aus der Wirtschaft oder der Industrie (vgl. Hecker 1997: 71 ff.). Greenpeace Deutschland konnte im Jahre 1995 die bisher größte öffentliche Aufmerksamkeit verzeichnen: Nach monatelangen öffentlichen und medialen Auseinandersetzungen gelang es Greenpeace, dass der Energiekonzern Shell auf die Versenkung der Ölplattform Brent Spar verzichtete. Jedoch stellte sich im Nachhinein durch ein neutrales Gutachten heraus, dass nicht, wie von Greenpeace während der Kampagne behauptet, 5.000 Tonnen Öl mit der Öl- plattform versenkt worden wären, sondern höchstens 103 Tonnen Öl (vgl. ebd.: 122). Das Unternehmen Nestlé Nestlé wurde im Jahre 1866 von dem Schweizer Henry Nestlé gegründet und entwickelte sich seither zum größten Lebensmittelkonzern weltweit. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 280.000 Mitarbeiter in 83 Ländern und erwirtschaftete im Jahre 2009 einen Jahresumsatz von 108 Milliarden Schweizer Franken. In den vergangenen Jahren war der Konzern schon des Öfteren von Krisen betroffen. So wur- de Nestlé in den 1970er und 1980er Jahren heftig für die Vermarktung von Milchersatz- Produkten in Entwicklungsländern kritisiert. Nestlé verkaufte Müttern in der Dritten Welt das Produkt Lactogen, auch wenn diese eigentlich selbst stillen konnten. Aufgrund von Hygiene- mängeln endete der Einsatz von Lactogen in Entwicklungsländern für viele Babys tödlich. Der Versuch des Konzerns, gegen das hierzu veröffentlichte Buch „Nestlé tötet Babys“ ge- richtlich vorzugehen, schlug fehl. Die Herausgeber des Buches, bekamen zwar eine Strafe wegen „übler Nachrede“, Nestlé wurde jedoch gerichtlich ermahnt, seine Marketingstrategien zukünftig zu überdenken (vgl. o.V. 1976). Nestlé Deutschland, worauf sich die folgende empirische Untersuchung konzentrieren wird, konnte im Jahre 2009 einen Jahresumsatz von 3.438 Millionen Euro verzeichnen und beschäf- tigt zurzeit etwa 12.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen ist in den Bereichen Getränke, Milch- /Diätetikprodukte/Speiseeis, Fertiggerichte und Produkte für die Küche, Tiernahrung sowie Schokolade und Süßwaren tätig. Mit 44,7% stellen Fertiggerichte und Produkte für die Küche den größten Anteil am Umsatz dar. Bekannte Marken von Nestlé sind bspw. Maggi, Nescafé, KitKat und Mövenpick. Nestlé Deutschland wurde im Jahre 1998 in der Öffentlichkeit stark kritisiert, weil der Scho- koriegel Butterfinger mit gentechnisch verändertem US-Mais auf dem deutschen Markt einge- führt wurde. Ausgelöst wurde die Kritik von Verbraucherschützern und der Umweltschutzor- ganisation Greenpeace. Letztendlich konnte ein Jahr später die Einstellung des Direktvertriebs in Deutschland bewirkt werden (vgl. Busch 1999). 26
  • 31. 3.1.2 Relevanz der Fallstudie Greenpeace vs. Nestlé Am 17. März 2010 veröffentlichte Greenpeace im Internet ein Video mit dem Titel „Give the Orang-Utan a break“, welches im ersten Moment an einen Werbespot für den Schokoriegel KitKat von Nestlé erinnerte. Nicht alleine die Tatsache, dass sich der Schokoriegel als ein Orang-Utan-Finger entpuppt, sondern vielmehr das unangenehme Geräusch und das spritzen- de Blut, als der Mann hinein beißt, brachte dem Video eine virale Verbreitung im Web 2.0 ein. Nestlé veröffentlichte noch am selben Tag eine Stellungnahme auf der unternehmenseigenen Webseite (vgl. Nestlé 2010) und ließ das Video aufgrund von Copyright-Verletzungen bei YouTube entfernen. Entsprechend der Mechanismen von Web 2.0 führte diese versuchte Zen- sur zu einer noch größeren Aufmerksamkeit und einer noch stärkeren Verbreitung des Videos. Bereits am selben Tag beschäftigten sich verschiedene Blogger mit dem Thema Greenpeace vs. Nestlé. Auf der offiziellen Nestlé-Fanseite auf Facebook waren zwischenzeitlich zahlreiche negative Kommentare zu finden. Viele der Nutzer hatten hierfür das KitKat-Logo in ein „Killer“-Logo abgewandelt und dieses als Profilfoto hinterlegt. Am 19. März 2010 kündigte ein Nestlé Mit- arbeiter auf der Nestlé-Fanseite von Facebook an, dass alle Kommentare von Personen mit „Killer“-Profilbildern entfernt werden. Ein weiteres Mal wollte Nestlé im Web 2.0 zensieren, ein weiteres Mal bewirkte dies das Gegenteil – die Anzahl der „Killer“-Profilbilder verviel- fachten sich schlagartig. Die weitere Aussage des Nestlé Mitarbeiters, dass dies hier die Nest- lé-Seite sei und daher die Regeln von Nestlé gelten, verschlimmerte die Situation auf Facebook zusätzlich. Doch nicht nur die Nestlé-Fanseite war ein Anlaufpunkt für Aktivisten, auch die KitKat-Fanseite auf Facebook wurde von negativen Kommentaren überflutet, wo- raufhin diese noch am 19. März 2010 offline ging und nicht nur für die Gegner, sondern auch für die bereits zuvor vorhandenen 750.000 Fans nicht mehr zu erreichen war. Es wird davon ausgegangen, dass diese vorübergehende Abschaltung der KitKat-Fanseite ebenfalls von Nestlé ausging, was aber nicht offiziell bestätigt wurde (vgl. Hein 2010; Hillenbrand 2010). Ebenfalls am 19. März 2010 setzte Nestlé auf die unternehmenseigenen Webseite einen Hyperlink auf einen Bericht des Guardian, in dem Nestlé eine Überarbeitung der Bezugskette von Palmöl ankündigte was konkret bedeutet, dass spätestens ab 2015 nur noch nachhaltig angebautes Palmöl verwendet werden soll (vgl. Tabacek 2010). Die Aufmerksamkeit gegenüber der Greenpeace vs. Nestlé Kampagne im Web 2.0 ging weit über die oben beschriebenen Inhalte hinaus und kann in ihrem Ausmaß hier nicht vollständig abgebildet werden. Die vorangegangene Beschreibung, die sich lediglich auf die ersten drei Tage nach Veröffentlichung des Videos „Give the Orang-Utan a break“ bezieht, macht jedoch bereits die Dynamik im Web 2.0 deutlich. Dieses Beispiel zeigt zugleich die Chancen und Gefahren von Web 2.0 auf. Während die Umweltschutzorganisation Greenpeace die Dynamik von Web 2.0 ausnutzen konnte, um die eigenen Ziele zu verfolgen, befindet sich Nestlé in einer im Web 2.0 ausgelösten und beschleunigten Kommunikationskrise, die auch über des- sen Grenzen hinaus Aufmerksamkeit erfährt. Im Folgenden wird daher dieses aktuelle Praxisbeispiel genauer analysiert, um die Gefahren, 27
  • 32. aber auch die Chancen von Web 2.0 für die Unternehmenskommunikation offenzulegen. 3.2 Hintergründe der Leitfadeninterviews Es stehen vier Experten für die Leitfadeninterviews im Rahmen dieser empirischen Untersu- chung zur Verfügung. Im Folgenden werde diese kurz vorgestellt, bevor detailliert aufgezeigt wird, welche Themenschwerpunkte die Leitfadeninterviews beinhalten und welche Ziele da- mit verfolgt werden. 3.2.1 Die Vorstellung der Experten der Leitfadeninterviews Volker Gaßner ist Teamleiter für die Bereiche Presse, Recherche und Neue Medien bei Greenpeace in Hamburg. Seine täglichen Aufgaben bei Greenpeace konzentrieren sich damit sowohl auf die Zusammenarbeit mit Journalisten, als auch auf Aktivitäten im Social Web. Gaßner ist außerdem in die allgemeine Kampagnenplanung und -durchführung involviert. Vor allem in die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne war er aufgrund seiner Zuständigkeit für den Bereich Neue Medien stark einbezogen. Jan Haase ist Pressesprecher und Internetredakteur bei Greenpeace in Hamburg und erlebte die Greenpeace vs. Nestlé Kampagne daher in einer Doppelfunktion. Neben seinen klassi- schen Aufgaben als Pressesprecher übernahm er im Rahmen der Kampagne die Bearbeitung der Online-Medienkontakte. Hierzu gehörten hauptsächlich Blogger, aber auch verschiedene Internetmedien (vgl. Haase 2010: Frage 1). Des Weiteren steht Olaf Kolbrück für ein Leitfadeninterview zur Verfügung. Der Journalist und Social Media Experte ist Reporter für die Bereiche Internet und E-Business bei Horizont in Frankfurt und betreut das dazugehörige Blog Off the Record. Kolbrück hatte sich als einer der ersten Blogger bereits am 17. März 2010, dem Tag der Videoveröffentlichung, zu der Kampagne geäußert. In einem weiteren Blogbeitrag am 23. März kritisierte Kolbrück die Kommunikationspolitik von Nestlé und betonte, dass der Konzern im Zusammenhang mit dem Schockvideo und Facebook nahezu alles falsch mache, was man nur falsch machen kann (vgl. Kolbrück 2010). Außerdem konnte der Social Media Experte Mirko Lange, der selbst in der Blogosphäre so- wie in anderen Bereichen, wie bspw. Twitter sehr aktiv ist, für ein Leitfadengespräch gewon- nen werden. Lange leitet eine PR-Agentur in München, die auf die Vernetzung von klassi- scher PR und Social Media spezialisiert ist. Darüber hinaus ist Lange Chefredakteur bei PR- Guide.de, dem Internetauftritt der GPRA – Verband der führenden PR-Agenturen Deutsch- lands – und Dozent an der bayerischen Akademie für Werbung. Mirko Lange hatte sich auf seinem Blog talkabout‟s posterous vier Tage nach Veröffentlichung des Videos „Give the Orang-Utan a break“ kritisch zu Wort gemeldet. Unter der Überschrift „Greenpeace vs. Nestlé – gerechter Kampf um die Sache oder Propaganda ohne Rücksicht auf Verluste?“ wies Lange in seinem Beitrag auf seine Sorge hin, dass die seither „Ohn-Mächtigen anfangen, Macht zu missbrauchen“ (vgl. Lange 2010). Der Blogger löste damit im Web 2.0 heftige Diskussionen über das Pro und Kontra seiner Sichtweise aus. Alleine dieser Beitrag wurde 87 Mal kom- 28