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Bekannte
Unbekannte
—
Grafikdesign in
Österreich
Nora Stögerer
»
Die österreichischen
Graphic Designer gehören
mit ihren Arbeiten […] zu
den bekannten Unbekannten
der visuellen Kultur des
20. Jahrhunderts.
«
bernhard denscher (Kulturhistoriker)
Inhalt
Vorwort
Kurt Höretzeder
Nora Stögerer
1 Gestern — Wie hat sich
das Grafikdesign in
Österreich entwickelt?
Die Jahrhundertwende
Der Erste Weltkrieg
Die Zwischenkriegszeit
Der Zweite Weltkrieg
Die Nachkriegszeit
Die illustrativen Fünfziger
Die kontrastreichen Sechziger
Die wilden Siebziger
Die digitalen Achtziger
Die globalen Neunziger
2 Heute — Wie beurteilen
DesignerInnen heute
das Grafikdesign?
Letitia Lehner & Julian Weidenthaler
Kurt Dornig
Sigi Ramoser
Christian Feurstein
Kurt Höretzeder
Tina Frank
Anita Kern
Julia Juriga-Lamut & Marion Mayr
Catherine Rollier
Mike Rabensteiner
Elisabeth Kopf
Anna Fahrmaier
S.267
S.275
S.283
S.291
S.299
S.307
S.315
S.323
S.331
S.339
S.347
S.355
S.363
S.371
S.379
S.387
S.395
S.403
S.411
S.419
S.427
S.431
S.448
S.6
S.6
S.8
S.11
S.15
S.25
S.29
S.45
S.51
S.61
S.75
S.83
S.93
S.103
S.115
S.119
S.131
S.143
S.155
S.165
S.181
S.191
S.207
S.219
S.233
S.243
S.255
3 Morgen — Wie gestalten
die DesignerInnen von morgen?
Beton
Bueronardin
Bureau Rabensteiner
Grafikum
Josef Heigl
Paul Leichtfried
LWZ
Mooi OG
OrtnerSchinko
Manuel Radde
Moritz Resl
Say Say Say, Inc.
Seite Zwei
Astrid Seme
studio VIE
Super BFG
Typejockeys
Marie Zieger
Zwupp
Danksagung
Anhang
Impressum
1. Gestern
—
Wie hat sich
das Grafikdesign
in Österreich
entwickelt?
Wer hat die Welt von Gestern geprägt? Das erste Kapitel
bietet einen Überblick über die Geschichte des
österreichischen Grafikdesigns und bezieht sich hierbei
vor allem auf die Designforschung von Anita Kern.
Zusätzlich wird ein Vergleich zu der Entwicklung in
Deutschland und der Schweiz gezogen.
Gestern
18 19
Zur Jahrhundertwende existierte der Beruf des Grafikdesigners, der Grafikdesignerin in
Österreich noch nicht, jedoch widmeten sich immer mehr Künstler und Künstlerinnen
dem Feld der Gebrauchsgrafik.
1
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde Wien
zum »melting pot des Alten Europa«,
2
die Hauptstadt des Vielvölkerstaats Österreich-
Ungarn wurde innerhalb kürzester Zeit zur Zwei-Millionen-Stadt. Es entstand ein Markt
für Massenprodukte, die beworben werden mussten. Die Nachfrage nach der Arbeit eines
professionellen Gestalters kam auf, wobei der bis dato männerdominierte Beruf, nicht
zuletzt aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten, vermehrt auch Frauen die Tätig-
keit erleichterte.
3
Bildende KünstlerInnen oder ArchitektInnen übernahmen diese Auf-
gaben, was der Beginn einer engen Verbindung der Gebrauchsgrafik mit der bildenden
Kunst war. Die Techniken der damaligen Zeit waren der Holzschnitt und die Lithogra-
fie, es wurde alles per Hand gezeichnet oder gemalt. Vor der Erfindung der Lithografie
wurden Ankündigungen im Buchdruckverfahren hergestellt und hauptsächlich typogra-
fisch umgesetzt. Plakate waren Announcen oder Flugblätter, die auf die Größe eines Pla-
kates großgezogen wurden.
4 Abb. 2
Sie wiesen eine große Vielfalt an unterschiedlichen
Schriften auf und waren grafisch eher unübersichtlich.
Die ersten Schritte hin zum Grafikdesign, so wie wir es heute kennen, kamen
also aus der Bildenden Kunst. Es waren die KünstlerInnen der Reformkunst-
bewegungen, die sich vom konservativen Akademismus des Wiener Künst-
lerhaus abwandten. Die Wiener Secession wurde gegründet und ein ›heiliger
Frühling‹ (›Ver Sacrum‹) verkündete damit die beginnende neue Ära in der
bildenden Kunst. Drei Jahre nach der Wiener Secession gründete sich um 1900
auch die Künstlervereinigung Hagenbund, die ähnliche Ziele verfolgte. Die
neuen Kunstbewegungen in Wien hoben mit ihrem Anspruch der »Durch-
dringung des Alltags mit Kunst«
5
Alltagsgegenstände auf dieselbe Ebene wie
ein Kunstwerk. Plakate, Kataloge und andere Medien, die in Begleitung ihrer
Ausstellungen oder diversen anderen Veranstaltungen entstanden, wurden
mit der gleichen Sorgsamkeit gestaltet wie die Ausstellungsstücke selbst.
6
Im
ersten Heft der Secessions-Zeitschrift Ver Sacrum 1898 steht geschrieben:
Wir kennen keine Unterscheidung
zwischen ›hoher Kunst‹ und
›Kleinkunst‹, zwischen Kunst für
die Reichen und Kunst für die
Armen. Kunst ist Allgemeingut.7
Ein Plakat, welches damals für große Aufregung sorgte, stammt vom Maler und Seces-
sions-Mitbegründer Gustav Klimt aus dem Jahre 1898. Es ist das Ankündigungsplakat
der Ersten Kunstausstellung der Wiener Secession.
Abb. 1
Klimts Umgang mit der Bildkom-
position und der Einsatz von Flächen war für diese Zeit revolutionär und Gustav Klimt
1 — Vgl. Kern, Österreichisches
Grafikdesign im 20. Jahrhundert,
S. 44; Vgl. Klein, Plakate. Aufbruch
in die Moderne, S. 29–33
2 — Christian Brandstätter,
Design der Wiener Werkstätte
1903–1932, S. 7
3 — Vgl. Klein, Das Bild in der
visuellen Kommunikation. Der
Beginn einer Designdisziplin, in:
Pfaffenthaler / u. a. (Hg.), Räume
und Dinge. Kulturwissenschaftliche
Perspektiven, S. 219–233
Abb.2 — Unbekannt Plakat Gasthof König, 1888
4 — Vgl. Kern / Reinhold, Grafik-
design von der Wiener Moderne bis
heute, S. 21; Vgl. Friedrich / Klein,
Große Schau der Reklame, S. 218;
Vgl. Ebda., S. 228
5 — Anita Kern,
Österreichisches Grafikdesign
im 20.Jahrhundert, S. 45
6 — Vgl. Ebda., S. 45; Vgl.
Eskilson, Graphic Design: A New
History, S. 80
7 — Einleitender Text der
›Ver Sacrum‹ in Österreichische
Nationalbibliothek, Ver Sacrum
1898/1, S. 8 (online)Abb. 1 — Gustav Klimt Plakat zur 1. Kunstausstellung der Wiener Secession, 1898
Gestern
20 21
damit einer der Pioniere des modernen Grafikdesigns in Österreich. In der damaligen Zeit
war es gängig, Plakate mit Ornamenten zu füllen, die zentrale leere Fläche irritierte die
BetrachterInnen. Das Plakat sorgte nicht nur wegen der angewandten Flächenkunst für
Aufregung, sondern auch wegen des nackten Theseus. Die Wiener Gesellschaft war em-
pört, die Genitalien mussten in einer zweiten Version übermalt werden.
8
Neben Gustav
Klimt war auch der Secessions-Mitbegründer und Maler-Grafiker Alfred Roller als
Plakatkünstler tätig. Er war bekannt für seine stark ornamentale Gestaltung, oft bildeten
sich tapetenartige Muster in seinen Plakaten.
9 Abb. 3
Die Wiener Secession, genauso wie der
Jugendstil in ganz Europa, hatte auch einen ganz eigenen Schrifttypus, es waren ge-
schwungene, kalligrafische Formen, häufig mit Diagonalen kombiniert.
10
Die Gestaltung
von Drucksorten innerhalb der Wiener Secession und später der Wiener Werkstätte wurde
vorwiegend vom Maler und Grafiker Koloman Moser und dem Architekten Josef
Hoffmann ausgeführt. Beide waren Mitbegründer der zwei Gruppierungen. Da die bei-
den sich gestalterisch optimal ergänzten, ist es heute aber oft schwierig zu
unterscheiden, von wem welcher Entwurf ursprünglich kam. Koloman Mo-
ser wird z.B. das Editorial Design der Ver Sacrum zugeschrieben.
11 Abb. 4
Die Ver
Sacrum besaß ein ungewöhnlich quadratisches Format, die Textbeiträge wur-
den großzügig mit dekorativen Elementen und Illustrationen ausgestattet.
Nichtsdestotrotz war die Zeitschrift angenehm zu lesen, da sie über genü-
gend Weißraum verfügte. Um das Gesamtbild der Zeitschrift nicht zu stören
wurden zudem ausschliesslich Anzeigen, die von WW-MitarbeiterInnen ge-
staltet wurden, abgedruckt.
12
Wie bei der Wiener Secession war auch das Ziel
der Wiener Werkstätte, vom Gebrauch und Zweck eines Gegenstandes auszu-
gehen. Ideen waren die »Gleichberechtigung des Kunsthandwerks mit den
traditionellen ›freien‹ Künsten« und die »Durchdringung des gesamten Le-
bensbereichs mit Kunst«.
13
Einflüsse kamen aus der britischen Arts- and
Crafts-Bewegung und von den ›Glasgow Four‹, vor allem von Charles Rennie
Macintosh, mit dem Josef Hoffmann in Kontakt stand.
14
Finanzielle Unter-
stützung erhielt die Wiener Werkstätte vom Unternehmer Fritz Wärndorfer.
Die KünstlerInnen verwendeten eine sehr reduzierte Farb- und Formen-
sprache, in ihren Entwürfen benutzten sie selten mehrere Farben, sondern
begnügten sich mit Schwarz-Weiß-Grafiken. Es entstanden vordergründig
geometrisch-abstrakte Formen. Die KünstlerInnen wollten sich dadurch auch
in der Gestaltung der Drucksachen stark von dem zeitgenössischen Trend, der
von Ornamentik bestimmt war, abheben und eine Einheitlichkeit in allen Be-
reichen finden.
15
In einem Interview aus dem Jahre 1963 erzählt der Maler und
Grafiker Oskar Kokoschka, damaliges Mitglied der Wiener Werkstätte:
[Die WW] hat für Wien durch den
Zusammenhang aller Kunstgattungen
im gewissen Sinn die Bauhaus-Idee
8 — Vgl. Klein, Plakate. Aufbruch
in die Moderne, S. 29–33
9 — Vgl. Kern,
Österreichisches Grafikdesign
im 20. Jahrhundert, S. 46 – 49
10 — Vgl. Friedrich / Klein,
Große Schau der Reklame, S. 237
Abb. 4 — Koloman Moser, Josef Hoffmann
Cover und Innenseite der Ver Sacrum, 1899
11 — Vgl. Kern / Reinhold,
Grafikdesign von der Wiener Moderne
bis heute, S. 19; Vgl. Eskilson,
Graphic Design: A New History,
S. 82 – 84
12 — Vgl. Meggs, A History of
Graphic Design, S. 214 – 215;
Vgl. Schweiger, Aufbruch und
Erfüllung, S. 12
13 — Werner Schweiger, Meister-
werke der Wiener Werkstätte, S. 5
14 — Vgl. Muir, The Two Gentleman
of Design, S. 33 – 34
15 — Vgl. Eskilson, Graphic
Design: A New History, S. 82 – 88
Abb. 3 — Alfred Roller Plakat zur 16. Kunstausstellung
der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1903
Gestern
2322
Abb. 6 — Wiener Werkstätte Rechnung versehen mit WW-Briefkopf, WW-Briefmarke und WW-Stempel, 1903
vorweggenommen. […] Obwohl die
meisten Mitglieder der ›Wiener
Werkstätte‹ Professoren der Wiener
Kunstgewerbeschule waren, damals
die modernste Lehrstätte dieser Art,
auch die erste auf dem Kontinent,
konnten sie in einem kreativen
Aufschwung den Jugendstil über-
winden, der zu der Zeit Mode war.16
Das Logo in Form eines verschränkten Doppel-W wurde von Koloman Moser entworfen
und ist auch heute noch weltweit bekannt. Geschäftsdrucksorten wie Briefpapier, Visiten-
karten und Rechnungen wurden ebenso wie Bücher oder Ausstellungskataloge gewissen-
haft gestaltet und mit dem Monogramm bzw. dem stilisierten Rosen-Signet versehen.
Abb. 6
Durch den einheitlichen Stil von Koloman Moser und Josef Hoffmann gelang der Wiener
Werkstätte als eine der ersten Organisationen eine ganzheitliche Gestaltungsstrategie und
damit ein frühes Beispiel für eine Corporate Identity.
17
1907, nachdem Koloman Moser die
Wiener Werkstätte wegen seines Wunsches, sich mehr der Malerei zu widmen, verließ, ver-
mischte sich der zu Beginn sehr homogene grafische Stil.
19
Die bildenden KünstlerInnen waren es auch, die die nachfolgende Genera-
tion an GestalterInnen – die sich dann auch schon als GebrauchsgrafikerIn-
nen bezeichneten – unterrichteten und prägten. Darunter waren Rudolf
von Larisch und Bertold Löffler. Rudolf von Larisch unterrichtete von
1902 bis 1934 an mehreren Schulen in Wien, der Kunstgewerbeschule Wien,
der Graphische Lehr- und Versuchsanstalt und zuletzt an der Akademie der
Bildenden Künste Wien.
20
Er brachte seinen SchülerInnen die Grundprin-
zipien der Schriftgestaltung bei. Seine wichtigste Erkenntnis war: »Schrift
kommt von Schreiben«, deshalb ließ er seine SchülerInnen zu Beginn des
Studiums Buchstaben in weiches Material wie Lehm oder feuchtem Gips rit-
zen. Er war auch einer der wenigen GestalterInnen in Österreich, der theo-
retische Schriften veröffentlichte. 1904 kam sein Buch Über Leserlichkeit von
ornamentalen Schriften heraus, 1905 das Buch Unterricht in ornamentaler Schrift. Mit seinem
ornamentalen Stil in der Schriftgestaltung beeinflusste er auch die SecessionistInnen,
Schrift wurde im künstlerischen Bild ein wesentliches kompositorisches Stilelement. Ein
erfolgreicher Schüler von Larisch war der Wiener Typograf Robert Haas, der später in die
USA emigrierte und in New York Larischs Lehre seinen eigenen SchülerInnen weitergab.
Ab 1934 leitete Herta von Larisch-Ramsauer, Rudolf von Larischs Frau, die Klasse
an der Wiener Kunstgewerbeschule.
21
16 — Oskar Kokoschka
zitiert nach Brandstätter,
Design der Wiener Werkstätte
1903–1932, S. 9
17 — Vgl. Bauer,
Die Stimme der Straße,
in: Beyerle / Hirschberger,
Designlandschaft Österreich, S. 61
Abb. 5 — Bertold Löffler Quer Sacrum, 1899
19 — Vgl. Brandstätter,
Design der Wiener Werkstätte
1903–1932, S. 12; Vgl. Ebda., S. 31
20 — Vgl. Kern / Reinhold,
Grafikdesign von der
Wiener Moderne bis heute, S. 19;
Österreichisches Biographisches
Lexikon 1815–1950, Rudolf von
Larisch, S. 27 (online)
21 — Vgl. Kern / Reinhold,
Grafikdesign von der
Wiener Moderne bis heute,
S. 19 – 20; Vgl. Ebda., S. 116
Gestern
24 25
Abb. 8 — Bertold Löffler Freud Exlibris, 1901
Bertold Löffler, Schüler von Koloman Moser, war von 1907 bis 1935 Professor
für Malerei und Druckverfahren an der Kunstgewerbeschule Wien. Bei ihm
lernte u.a. der spätere Grafikdesignpionier Joseph Binder. Löffler war bekannt
für seine satirische Ader, so gestaltete er 1899, ein Jahr nachdem die VerSacrum,
die Zeitschrift der Wiener Secession, zum ersten Mal erschien, eine Parodie
auf dieselbige. Die Arbeit Quer Sacrum
Abb. 5
erschien unter dem leicht zu ent-
schlüsselnden Pseudonym B. Le-Fleur. Von Löffler stammt auch das Plakat für
das Cabaret Fledermaus,
Abb. 7
ein Veranstaltungsort, dessen Inneneinrichtung
von der Wiener Werkstätte gestaltet worden ist. Das Plakat fiel den Passan-
tInnen durch ungewöhnlich starke Kontraste und dicke Konturen ins Auge,
das Plakat war ganz im expressionistischen Stil gehalten. Neben Plakaten
zählte auch die Gestaltung von Exlibris zu den Aufgaben der GestalterInnen
der Jahrhundertwende. Ein Beispiel ist das 1901 von Bertold Löffler entwor-
fene Exlibris für Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse.
Abb. 8
Der
Name Freuds war im Exlibris falsch geschrieben, er verwendete es trotzdem.
22
Auch in Deutschland gab es um die Jahrhundertwende Gruppen, die sich dem Jugendstil ver-
schrieben. Nach dem Vorbild der Arts- and Crafts-Bewegung entstanden Zusammenschlüsse wie
die Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk in München. Zur Verbreitung ihrer Gedanken
und Werke entstanden Zeitschriften ähnlich wie die Ver Sacrum, sie hießen Pan, Jugend und Simpli-
cissimus. GestalterInnen wie Peter Behrens, Otto Eckmann und Lucian Bernhard – der als Schöpfer
des Berliner Sachplakats gilt – waren tätig. In Weimar prägte der gebürtige Belgier Henry van der
Velde, der Leiter der Kunstgewerbeschule war und Bücher für den Insel Verlag gestaltete, die An-
fänge der Gebrauchsgrafik. Es bestand ein fruchtbarer Austausch zwischen der angewandten und
der bildenden Kunst. Beeinflusst durch die französischen Kunstplakate erfuhren die Gebrauchsgra-
fik und insbesondere die Plakatkunst mit Pionieren wie Lucian Bernhard und Ludwig Hohlwein
eine Hochblüte. Die Werbebranche vergab erste große Aufträge, entstandene Markenzeichen wie
Kaffee Hag (1906), Persil Waschpulver (1909) oder Dr.Oetker Backzutaten (1899) sind noch heute
bekannt. Es gab eine Fülle an Schriftgießereien, die Firmen Bauer&Co., Klingspor, Stempel und
Berthold sind nur ein Bruchteil davon. Für sie entwarfen nahmhafte DesignerInnen wie die bereits
genannten, sowie Fritz Helmut Ehmcke, Rudolf Koch, Paul Renner und Emil Rudolf Weiss. Wäh-
rend KünstlerInnen der Wiener Werkstätte sich bereits an einem ganzheitlichen Erscheinungsbild
versuchten, schuf 1907 Peter Behrens das umfassende Design für die aeg und wurde zum Pionier
des Corporate Designs ernannt. Die KünstlerInnen und GebrauchsgrafikerInnen begannen sich
vermehrt zu organisieren, im selben Jahr wurde der Deutsche Werkbund gegründet.23
Um 1900 begann die Industrie zu florieren, Markenartikel wurden verstärkt beworben, die
Schweiz wurde immer mehr zum hochentwickelten Industrieland. Wie in Österreich und
Deutschland waren es die bildenden KünstlerInnen, wie Emile Cardinaux, Burkhard Mangold,
Ferdinand Hodler und etwas später Otto Baumberger, die begannen, vor allem Plakate zu gestal-
ten. Sie hatten ihr »Standbein in der Gebrauchsgrafik und das Spielbein in der Kunst.«24
Einflüsse
kamen vom Münchner Jugendstil, aber auch aus Wien: Der Schweizer Maler Ferdinand Hodler
gestaltete 1904 sein erstes Plakat für die Wiener Secession und inspirierte damit andere Gestalte-
rInnen in der Schweiz. Um grafisches Können auszubilden wurde 1906 an der Kunstgewerbe-
schule Zürich auch erstmals ein eigener Lehrgang namens Graphische Kunst eingeführt. 1913
gründete sich nach Vorbild des Deutschen Werkbundes der Schweizerische Werkbund (swb), der
sich um die Belange der Grafiker-Maler der ersten Stunde kümmerte.25
22 — Vgl. Kern / Reinhold, Grafik-
design von der Wiener Moderne bis
heute, S. 42 – 44; Vgl. Ebda., S. 72;
Vgl. Kern, Österreichisches Grafik-
design im 20. Jahrhundert, S. 102
23 — Vgl. Aynsley, Grafik-Design
in Deutschland, S. 37; Vgl. Klein,
Plakate. Aufbruch in die Moderne,
S. 27–29; Vgl. Eskilson, Graphic
Design: A New History, S. 93 – 104
24 — Christoph Bignens,
Swiss style, S. 14
25 — Vgl. Ebda., S. 71 – 72; Vgl.
Hollis, Schweizer Grafik, S. 18; Vgl.
Döring, Anfänge des Schweizer
Plakats, in: Brändle, u. a. (Hg.),
100 Jahre Schweizer Grafik, S. 41Abb. 7 — Bertold Löffler Plakat ›Cabaret Fledermaus‹, 1907
Sechs Orte, 14 DesignerInnen. Im folgenden Kapitel
werden zeitgenössische DesignerInnen zu ihrer Sicht auf
die Grafikdesignszene in Österreich befragt.
2. Heute
—
Wie beurteilen
DesignerInnen
heute das
Grafikdesign?
Sigi Ramoser
Dornbirn
3
158 159
Heute
Sigi Ramoser ist Mitbegründer der bekannten Vorarlberger
Plattform Sägenvier. Das Büro ist eine alte Fabrik des
Hämmerle-Textilunternehmens, die ehemals größte Textil-
firma in Vorarlberg.
Zu Beginn würde ich gerne wissen, wie du zum Grafikdesign gekommen bist!
Sigi Ich war schon immer an Gestaltung interessiert. Mit ungefähr 16 Jahren habe ich
eine Lehre als Dekorateur begonnen. Zwei Jahre hat diese Lehre gedauert und in dieser
Zeit habe ich auch einen späteren Mentor kennengelernt, Hansjörg Baschnegger. Er ist
der Gründer einer der größten Werbeagenturen in Dornbirn. Er hat mich in die Agentur
Baschnegger geholt. Meine Lehre habe ich dann als Grafiker fertig gemacht. Das war
ein großes Glück, ich hätte mir früher nie erträumt, dass ich einmal in einer Agentur
lande. Später bin ich nach München studieren gegangen, an die Schule für Gestaltung.
Das erzähle ich nicht ohne ein wenig Stolz, denn ich musste damals sechs Semester in
vier Semester machen. Mein Vorarlberger Kollege, der Grafikdesigner Peter Felder, hat das
genauso gemacht. 1983 bin ich wieder zurück nach Vorarlberg gekommen. Ich bin dann
wieder in die Agentur Baschnegger gegangen, für die mittlerweile auch Hermann Brändle
und Sandro Scherling arbeiteten. Als ich mich selbstständig machen wollte, waren die
beiden in einer ähnlichen Situation und wir haben gesagt: Wir machen das gemeinsam.
Kurt Dornig war auch mit dabei.* Ein Vorteil war für uns, dass wir eine Kooperation mit
der Bregenzer Agentur A-Typisch eingegangen sind. Diese Kooperation war etwas Beson-
deres, damals hat man ja von solchen Kooperationen noch nicht so viel gehört.
Hat das so wie heutige Kollektive funktioniert?
Sigi Genau. Damals war das aber völlig neu. Wir hatten gemeinsam ein Büro, teilten die
Miete, hatten aber eigene Kunden. Ich glaube, dass wir damit in Vorarlberg oder viel-
leicht sogar österreichweit ein bisschen Vorreiter für diesen Kollektiv-Gedanken waren.
Das hat sich dann stetig erweitert, in der Blütezeit meines Freelancertums oder mei-
ner Kollektivarbeit, habe ich mit fünf Agenturen zusammen-
gearbeitet, z. B. mit Reinhard Gassner.* Mit ihm habe ich an
die zehn, zwölf Jahre immer wieder eng kooperiert. Wir sind
heute noch immer sehr gut im Kontakt. 1994 haben wir dann
entschieden, nach Dornbirn zu gehen. Wir haben dieses Loft
gefunden und das Atelier für Text und Gestaltung gegründet.
Nach außen haben wir damit ein Unternehmen verkörpert.
Kurt, Sandro und ich waren für Design, Hermann für Text zu-
ständig. Einerseits war jeder für sich selbst verantwortlich, an-
dererseits hatten wir auch gemeinsame Kunden. Das war nie
so klar getrennt, was manchmal natürlich auch schwierig war.
Acht Jahre lang haben wir das Atelier für Text und Gestaltung
Das Interview mit Kurt Dornig
beginnt auf Seite 129.
Mehr zu Reinhard Gassner
findet sich im Kapitel
›Gestern‹ auf Seite S. 36.
Abb. 6 — Sägerstraße 4, Dornbirn.
geführt, wir haben eine Sekretärin gehabt und unserer eigenen Firma zugearbeitet, in un-
terschiedlichen Größenordnungen. Irgendwann wurde diese Art zu arbeiten aber doch
kompliziert, wir haben kein gemeinsames Leitbild gefunden. Wir haben also gesagt: Ent-
weder wir gehen auseinander oder wir bleiben zusammen und suchen eine bessere Lösung.
Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden und das Atelier für Text und Gestaltung
auf eine reine Bürogemeinschaft reduziert. So ist die lose und innovative Plattform Sägen-
vier entstanden.
Abb.6
Wir haben heute ein Konto, wo Miete, Kaffee-Bestellung, Kopier-
papier, die Betriebskosten u. ä. weggehen und der Rest ist jedermanns eigene Sache.
Dadurch gibt es ›Sigi Ramoser Sägenvier‹, ›Sandro Scherling Sägenvier‹ und ›Hermann
Brändle Sägenvier‹. Die Trennung war also nötig, damit wir zusammenbleiben. Dass Kurt
Dornig nach einiger Zeit seinen eigenen Weg gegangen ist, ist eine andere Geschichte.
Kurt meinte irgendwann, dass er gerne ein Haus und sein eigenes Atelier bauen wollte,
sobald er ein geeignetes Grundstück dafür finden würde. Von da an war klar, dass Kurt
sich früher oder später einmal von uns lösen wird, ohne, dass wir je gestritten haben.
Beschäftigst du eigene MitarbeiterInnen?
Sigi Anfangs hatte ich einen Praktikanten und der Rest waren FreiberuflerInnen, die
eigentlich nur zeitweise hier gearbeitet haben. Ich habe dann zehn Jahre mit Freelan-
cern jongliert. Es hat zwar gut funktioniert, auf der anderen Seite war es aber auch sehr
anstrengend. Als dann ein Praktikant gefragt hat, ob ich ihn fest anstellen würde, habe
ich entschieden, es einmal zu versuchen. Seitdem bin ich davon überzeugt. Seit sieben,
acht Jahren, habe ich nun ein kontinuierliches Team. Ob es wieder einmal anders wird,
weiß ich nicht, aber zurzeit ist es gut so. Ja und mittlerweile sind wir acht Leute, sieben
Angestellte und ich als Chef.
Ein Schwerpunkt bei euch ist die Signaletik. Hast du das Gefühl, dass das ein Allein­
stellungsmerkmal in Österreich ist oder gibt es Studios, die Vergleichbares machen?
Sigi Signaletik hat mich schon immer interessiert. Die Möglichkeit, mit Signaletik
einen Teil zur Identitätsstiftung eines Gebäudes beizutragen, erzählende Räume zu
schaffen, BesucherInnen zu informieren und durch ein Gebäude zu führen, finde ich
äußerst spannend! Wir von Sägenvier wollen dabei etwas schaffen, was den Leuten in
irgendeiner Weise Prozesse erleichtert, wie z. B. zu einer schnelleren Orientierung in
einem Gebäude verhelfen. Wir machen Grafikdesign, das den Leuten hilft, den Leuten
Freude macht oder sie informiert. Ob wir damit ein Alleinstellungsmerkmal in Öster-
reich haben, kann ich nicht wirklich beurteilen, aber wir waren möglicherweise eine der
ersten Agenturen auf diesem Gebiet. Wir haben einen sehr hohen Erfahrungsschatz in
diesem Bereich und das ist, denke ich, schon etwas Besonderes. Es gibt natürlich auch
andere, die Orientierungssysteme machen, aber ich denke, dass wir, durch diese jahre-
lange Erfahrung, wirklich sehr viel bieten können. Wir arbeiten auch einfach gerne im
öffentlichen Raum. Wir haben schon viele Schulen und andere öffentliche Institutionen
gestaltet. Uns ist es wichtig, etwas zu schaffen, was Sinn macht. Beeinflusst hat mich
160 161
Heute
hier Ruedi Baur. Er hat für mich immer etwas Besonderes ausgestrahlt, ich möchte es Hal-
tung nennen. Bei ihm wird klar, er tut etwas der Sache wegen. Geld ist dabei ein Neben-
produkt. Ich möchte bei Gestaltung immer eine Bedeutung spüren und das ist, was Ruedi
Baur für mich vermittelt.
Wie sieht denn die österreichische Grafikdesignlandschaft für dich aus, im Vergleich
mit Deutschland und der Schweiz?
Sigi Das ist natürlich schwer, in wenigen Worten ein Bild der Unterschiede im Grafik-
design dieser drei Länder zu zeichnen. Aber ich möchte es vielleicht kurz versuchen. Ich
kenne natürlich alle drei Länder und viele darin lebende und arbeitende GestalterInnen,
durch Aufenthalte, KollegInnen, Austausch und Kongresse. Die Schweiz ist dabei am
einfachsten zu charakterisieren. Die Schweizer Grafik hat weltweit ihre Bekanntheit und
Bedeutung erlangt, durch GestalterInnen wie Wolfgang Weingart, K.D. Geissbühler oder
Siegfried Odermatt & Rosmarie Tissi. Über viele Jahrzehnte hinweg wurde an Schweizer
Hochschulen qualitätsvolles Grafikdesign unterrichtet. Ihre Arbeiten bergen auch heute
noch eine ungemeine Qualität in sich. Deutschland kann ich durch meine Kontakte mit
Süddeutschland beleuchten. Bei Grafikdesign denke ich hier an Schwäbisch Gmünd, die
renommierte Ulmer Schule und, um die Gestaltung mit einem Wort in Verbindung zu
bringen, sage jetzt ein bisschen wertend ›Norm‹: Gestaltung muss genauestens durch-
dacht sein, alles muss seinen Sinn haben. Darin sind deutsche GestalterInnen wirklich
sehr gut. Die Gestaltung funktioniert mit einer Strenge und einer Ernsthaftigkeit, die
mir manchmal fast zu ernsthaft ist. Ja, wenn ich so nachdenke, ein bisschen kann man
es tatsächlich den Ländern zuordnen. Ich erinnere mich an die verschiedensten Bien-
nalen, die ich besucht habe. An die Kataloge. Ohne dass Japan angeschrieben war, hast
du gewusst, dass die gezeigten Arbeiten nur von dort sein konnten. Eine völlig andere
Sicht auf die Dinge, die mit ihrer Kultur verbunden ist, war bemerkbar. Du hast auch ein
tschechisches Plakat schon immer von einem deutschen Plakat unterscheiden können.
Bestimmte GestalterInnen, aber auch die Stimmung in einem Land, die Politik, haben
diese Unterschiede geprägt.
Wie nimmt man österreichisches Grafikdesign wahr?
Sigi Im geschichtlichen Kontext möchte ich das Buch von Anita Kern* erwähnen – Öster­
reichisches Grafikdesign im 20. Jahrhundert. Wenn man dieses Buch liest, wird klar, dass z.B.
der Designpreis Joseph Binder Award seinen Namen nicht umsonst trägt. Joseph Binder
war einer der erfolgreichsten österreichischen Grafikdesigner. Von ihm stammt z.B. das
Logo von der Kaffeemarke Julius Meinl.* Bekanntgeworden ist er aber letztendlich doch
in Amerika, wohin er vor dem Zweiten Weltkrieg emigriert ist. Es hat also durchaus gro-
ße Namen gegeben, die im Ausland ihre Wirkung gehabt haben. Stefan Sagmeister ist
wiederum ein aktuelles Beispiel, er ist, würde ich meinen, der bekannteste Grafikdesigner
heutzutage.
Das Interview mit Anita Kern
beginnt auf Seite 189.
Mehr zu Joseph Binder
findet sich im Kapitel
›Gestern‹ auf Seite 33.
Aber gibt es ein Bild vom österreichischen Grafikdesign, das nach außen sichtbar ist?
Sigi Das kann ich nicht wirklich beantworten oder vielleicht nur tröpfchenweise. In
München oder Ravensburg, z. B., wo ich Zugang zu Universitäten und Schulen habe,
haben die Südtiroler und Vorarlberger GestalterInnen einen besonderen Stand. Sie sind
bekannt als exzellente Leute, als architekturaffine DesignerInnen. Die Architektur hat
bei uns in Vorarlberg ja generell starken Anklang gefunden.
Ich glaube, dass die Architekturszene
die visuelle Szene in Vorarlberg sehr belebt hat.
Wenn du eine Industrie hast, die mit
Architektur eine Kultur aufbaut, hat es auch
das Grafikdesign nicht mehr so schwer.
Auch in diesem Bereich wird dann Qualität gefordert und auch anerkannt. Es ist klar,
welchen Wert gute Gestaltung hat und wir müssen mit unseren Erklärungen nicht ganz
am Anfang anfangen. Ich würde sagen, das ist das Zugpferd, das war unser Wegbereiter
und hat die ganze visuelle Szene beeinflusst. Abgesehen davon gibt es in Vorarlberg vie-
le große, innovative Firmen, das schafft natürlich auch einen Bedarf an Design. Dafür
beneidet uns auch oft ein Wiener. Ich höre oft, dass wir es leichter haben, da es nicht
so einen starken Wettbewerb gibt. Aufträge werden auf Vertrauensbasis vergeben, mit
Handshake. In Wien oder in Berlin ist das natürlich anders. Da gibt es Leute, die machen
ein Theaterplakat um 200 Euro, einfach nur, damit sie es überhaupt machen dürfen.
Eine Wertschätzung für gute Gestaltung ist in Vorarlberg also vorhanden?
Sigi Ein Bewusstsein, ein Boden für gute Gestaltung, ja. Wenn jemand ein schönes Haus
baut, denkt er vielleicht auch über eine passende Inneneinrichtung nach. Der Anspruch
wächst.
Glaubst du, ist die Nähe zur Schweiz ein Grund dafür? Wurde Vorarlberg immer
schon stärker von der Schweiz beeinflusst?
Sigi Ich weiß nicht. Von mir persönlich kann ich das nicht so sagen. Mich haben Per-
sönlichkeiten wie Ruedi Baur, Walter Bohatsch, Metadesign aus Berlin oder Piet Zwart,
der Aussteller, beeinflusst. Ich war immer eher international und branchenunabhängig
orientiert. Es war und ist einfach alles interessant: Von Glaskunst über Architektur bis
hin zu Aborigines-Kunst. Deswegen kann ich jetzt nicht sagen, dass speziell die Schweiz
und die Schweizer GrafikdesignerInnen mich maßgeblich beeinflusst haben. Ja gut, ich
habe Wolfgang Weingart und Reinhart Morscher kennengelernt, die haben mich sicher
beeinflusst.
162
Ich hatte aber nie das Gefühl,
dass es die Schweizer Grafik war,
die das Grafikdesign in Vorarlberg
am meisten geprägt hat.
Seit es das Internet gibt und man auch viel mehr reist, sind die Einflüsse sowieso ganz
anders. Heute kannst du recherchieren, was macht die Signaletik in Russland, in Ame-
rika oder anderswo. Der Einfluss kommt aus dem internationalen Kontext. Früher hat
das unmittelbare Umfeld einen stark beeinflusst. In Vorarlberg hat es wenig Einfluss aus
der Welt gegeben. Ein Kleidergeschäft, in dem es z. B. amerikanische Kleidung zu kau-
fen gab, existierte früher nicht. Solche Läden gab es noch am ehesten in Mailand oder
Zürich. Ich will damit sagen, wenn du dort nicht hingefahren bist, hast du auch nicht
gewusst, was sich dort abspielt. Fremde Länder konnten dich also nicht beeinflussen.
Ist in Österreich etwas entstanden, was typisch und signifikant für das Grafikdesign vor
Ort ist?
Sigi Ich kann es nicht als Ganzes definieren, aber mir fallen sofort bestimmte Namen
von interessanten GestalterInnen ein. Mir fällt Christof Nardin* ein, Robert Rüf oder Er-
win Bauer. Mir fällt Clemens Schedler ein, nicht nur weil er Gestalter ist, sondern weil er
viel mehr ist. Er macht nicht nur Design, er schreibt, er denkt …!* Aber ob etwas Eigenes
in Österreich entstanden ist …? (lange Pause) Das ist schwierig. Cordula Alessandri ist auch
eine fantastische Gestalterin. Für mich ist da eine Weinetikettenkultur entstanden, die
mich einfach sprachlos macht. Das ist für mich etwas Besonderes. An dieser einzelnen
Frau ist abzulesen, was Design alles kann. Sie macht weltberühmte Gestaltung. Wenn man
Wein trinkt, kennt man diese Weine.*
Kannst du dir erklären, warum speziell in der Schweiz so etwas wie die Schweizer
Grafik entstanden ist und in Deutschland wichtige Impulse wie das Bauhaus?
Warum hat das Grafikdesign in Österreich nichts Vergleichbares hervorgebracht?
Sigi Ich glaube, dass die prägenden Schulen fehlten. An der Ulmer Schule genauso wie
damals am Bauhaus waren Leute, die das Design weltweit beeinflussen wollten. Sie
wollten einen eigenen Stil, eine eigenen Haltung begründen. Sie haben ihre Leute in
diese Richtung ausgebildet, Werkstätten errichtet. Die Schweiz hat währenddessen mit
Basel und Zürich ihre eigenen Designzentren gehabt. Die Designer und Designerinnen
dort wollten etwas bewegen und weiterentwickeln. In der Historie bin ich nicht ganz so
bewandert, aber Erfolge wie mit der Wiener Werkstätte hat Österreich meines Erachtens
nach später nicht mehr gehabt. Die Schweiz war auch nie im Krieg. Die GestalterInnen
mussten nicht emigrieren. In Österreich ist der Großteil der Kreativen, darunter eben
auch Joseph Binder, geflüchtet. Vielleicht hat man da später den Anschluss an die inter-
nationale Kreativszene nicht mehr geschafft.
Arbeiten von Christof Nardin
finden sich im Kapitel
›Morgen‹ auf Seite 108.
Mehr zu Clemens Schedler
findet sich im Kapitel
›Gestern‹ auf Seite 108.
Mehr zu Cordula Alessandri
findet sich im Kapitel
›Gestern‹ auf Seite 108.
»
Ich höre oft, dass
wir es leichter haben,
da es nicht so einen
starken Wettbewerb gibt.
Aufträge werden auf
Vertrauensbasis vergeben,
mit Handshake.
«
Heute
165
Ich muss aber sagen, mich haben diese Fragen nie wirklich interessiert. Ich weiß nicht,
was österreichisches Design ist, aber ist das überhaupt wichtig? Ich mache mir da nicht
so viele Gedanken. Ich frage auch nicht, gibt es Sägenvier-Design, gibt es Vorarlberger
Design? Es ist nicht so wichtig, finde ich. Wichtig ist, dass wir arbeiten und Dinge be-
wegen. Ich finde, es ist genug los, wir machen viel, im Kleinen und im Großen. Solange
es den Leuten Freude macht, ist es gut und ob das jetzt Deutschland, Österreich oder
Schweiz ist, finde ich nicht wichtig. Natürlich finde ich es gut, wenn neue Dinge entste-
hen, aber mir ist dabei nicht wichtig, wo sie entstehen. Kommen wir damit weiter, das
ist meine Frage und nicht, was für eine Rolle Österreich dabei gespielt hat.
Wie ist das mit der Vernetzung? Bekommt man z. B. von der designaustria* in Vorarl­
berg etwas mit?
Sigi Das ist eine hochinteressante Frage. Ich bin seit mehr als 20 Jahren Mitglied bei
der designaustria. Die Hälfte dieser Zeit war ich im Vorstand des Verbandes. Die meisten
Mitglieder der designaustria sind natürlich in Wien, wo dann selbstverständlich am
meisten los ist. Das ist einfach so und das ist wahrscheinlich überall so, in jedem Verein.
Dort, wo die Leute sind, passiert am meisten. Ich persönlich habe aber immer versucht, in
Vorarlberg die Verbindung zum Designverband aufrechtzuerhalten. Und ich muss sagen,
es passieren einige Dinge. Es ist die Vlow!* entstanden, die hat mit designaustria zwar
nicht so viel zu tun, aber das ist ein Kongress, der hervorragend ist. Thematisch wird
viel zu Signaletik, Szenografie und Architektur vorgetragen. Die Vlow! findet alle zwei
Jahre im Festspielhaus Bregenz statt und zieht Leute aus Deutschland und der Schweiz,
genauso wie aus dem Rest von Österreich an. Da fällt mir auch noch ein, beeinflusst
durch die designaustria, gibt es hier seit drei oder vier Jahren das designforum Vor-
arlberg, quasi ein Ableger vom designforum im MuseumsQuartier Wien. Es gibt noch
eines in Graz und in Salzburg. Seit es diese Räumlichkeit und seit es eine Kooperation
mit der Industrie gibt, ist es möglich, viel mehr Leute für Design zu erreichen. Das de-
signforum als Ort und wir, die Veranstaltungen organisieren, das zieht die Leute an. Da
kommen ArchitektInnen, KundInnen, Leute aus der Industrie, Institutionschefs, alle.
Pecha Kucha Nights, Ausstellungen und so weiter, da kommen die Leute. Ein Ort ist
wichtig, nicht so sehr, wer dahintersteht.
Wie schätzt du die Ausbildungssituation in Österreich ein?
Sigi Heute finde ich sie sehr gut. Ich komme aus einer Zeit, da hat es in Vorarlberg
gar nichts gegeben. Die Ausbildungsmöglichkeiten, die am nächsten waren, gab es in
St. Gallen, Zürich, Basel, Mailand oder München. In Österreich hat es nur die Ange-
wandte in Wien gegeben. Die war immer schon da. Ich kenne nicht alle Schulen in Öster-
reich, an denen man Grafikdesign studieren kann, aber es gibt mittlerweile auf jeden Fall
viele Wege. Es hat sich viel entwickelt und auch gute Qualität. Gerade die Fachhochschu-
len. Meine letzten MitarbeiterInnen waren alle von der FH Vorarlberg. Die Studierenden
dort sind sehr gut ausgebildet, sehr vielschichtig und konzeptiv denkend, mit einem
Berufsverband der Grafik­
designerInnen, IllustratorInnen
und ProduktdesignerInnen
in Österreich. designaustria.at
Die vlow! ist eine
internationale Konferenz
für ArchitektInnen
und Kommunikations­
designerInnen, die seit 2008
alle zwei Jahre in Bregenz
stattfindet. vlow.net
»
Ich muss aber sagen,
mich haben diese Fragen
nie wirklich interessiert.
Ich weiß nicht, was
österreichisches Design
ist, aber ist das
überhaupt wichtig?
«
166
hohen Anspruch an Gestaltung. Früher musste man für die Ausbildung eben weggehen
und viele sind dann in den großen Städten geblieben. Dieses Problem haben wir in Vor-
arlberg allerdings immer noch ein bisschen. Es gehen sehr viele weg. Leute, die in Wien
studieren, bleiben dort. Viele der heute bekannten österreichischen GestalterInnen, die
in Wien oder woanders leben, haben ihre Wurzeln in Vorarlberg. Andererseits ist es auch
so, dass viele Deutsche zu uns kommen. Die letzten sechs, sieben Jahre habe ich diese
Entwicklung beobachtet.
Kannst du bei den Studierenden ein gewisses Interesse in eine bestimmte Richtung
wahrnehmen?
Sigi Ja, ich glaube, dass es so ein Mischverhältnis zwischen Spezialisierung und Generalis-
mus gibt. Das ist jetzt nichts Neues, was ich da sage, diese Tendenzen sind seit ca.15 Jah-
ren spürbar. Mit diesem Internetboom und der Vermischung aller Medien. Ich möchte
das mit dem heutigen Ablauf von Filmproduktionen oder Fotosessions erklären. Früher
brauchte man für eine Fotosession einen Fotografen, ein Model oder zwei, eine Visagistin,
einen Art Director, mehrere Beleuchter und so weiter. Es waren an die 15 Leute bei einer
Produktion dabei. Heutzutage braucht man nicht einmal mehr ein richtiges Model. Alle
Menschen sind auf ihre Weise schön, man muss nicht mehr professionelle Models neh-
men. Man will es auch nicht mehr. Man will authentische Menschen. Zusätzlich hat sich
die Technik unglaublich entwickelt. Letztendlich braucht es zwei, drei Leute und es ist
ein großartiges Ergebnis möglich. Genauso ist es beim Film. Natürlich gibt es Produkti-
onen, wo 300 Leute oder mehr involviert sind. Daneben ist es aber auch möglich, einen
Film mit einem iPhone und einem Sprecher zu drehen. Das geht dann zu zweit, zu dritt
oder auch alleine.
An der FH Vorarlberg werden genau diese Allroundtalente, die dies bewerkstelligen
können, gefördert. Der Unterricht ist sehr breit angelegt. Im Vergleich mit der älteren
Generation: Wir haben noch traditionelles Grafikdesign gelernt. Zeichnen, skizzieren,
illustrieren, Buchdruck, Kommunikationsstrategien, Typografie, Farbenlehre und so
weiter. Ein bisschen Fotografie, kein Film, kein Internet, kein Bewegtbild – das war nur
klassisches Grafikdesign. Das hat sich sehr verändert. Du musst vieles können, viele
Dinge wissen, alles vermischt sich. Natürlich sind die Studierenden, wenn sie fertig
sind, keine fertigen Regisseure oder Kameraleute, aber sie können Dinge fertigstellen
und es ist gut gemacht. Ich würde mal behaupten, das sind mittlerweile an die zwanzig
Berufe, nicht nur einer. Wie der Beruf in Zukunft heißen wird, weiß ich nicht. Aber ich
bin nicht beunruhigt, es gibt ja auch die unterschiedlichsten Schulen mit den unter-
schiedlichsten Schwerpunkten.
»
Dieses Problem haben
wir in Vorarlberg
allerdings immer noch
ein bisschen. Es gehen
sehr viele weg. Leute,
die in Wien studieren,
bleiben dort.
«
3. Morgen
—
Wie gestalten
die DesignerInnen
von morgen?
… und wie beurteilen sie österreichisches Grafikdesign?
19 DesignerInnen bzw. Designstudios haben beantwortet,
was für sie österreichisches Grafikdesign ausmacht.
Die Antworten wurden in alphabetischer Reihenfolge an
einen anderen Designer, eine andere Designerin bzw.
ein anderes Designstudio weitergeleitet und gestaltet.
»
Österreichisches Grafikdesign
ist ein ewiges Hin und Her.
«
visualisierung › zwuppAussage › marie zieger
Zwupp
Wien / Graz
19
430 431
Morgen
Idea Reloaded
Auftraggeber Vienna Design Week — Jahr 2013 — Beschreibung Wir wurden eingeladen bei der
Vienna Design Week 2013 zum Thema ›Idea Reloaded‹ mitzuarbeiten. Unsere Idee war eine alternative
Realität für ausrangierte Ideen zu kreieren. Gemeinsam mit den Produktdesignern Ola und Maria
Mirecka und dem Illustrator Boicut haben wir dieses Projekt realisiert. Entstanden ist ein 256 Seiten
dickes Buch, welches die Ideen der vergangenen sechs Tage zeigt.
Über Zwupp
Ort Wien / Graz Team Andreas Putz, Valentin Boschi, Stefan Joch,
Christian Kinzer, Clemens-Josef Prankl, Martin Gressl Web zwupp.at
Drei Projekte Idea Reloaded, Sommerszene Salzburg, United Buildings
Zwupp über
Ein Satz, den man täglich bei euch im Studio hört: »Spü ma ane?«, »I hob scho
so an Hunga.«, »Scho widda!«, »Irgendwer wuzzeln?« Was ist das Wichtigste,
was ihr bis jetzt in eurem Job gelernt habt? 1. Freundschaft und das innere Kind
in einem behalten steht über allem. 2. Es ist wie im Leben. Es wird dir nix ge-
schenkt. WemwürdetihrgerneeinenTaglangüberdieSchulterschauen? 1. Marko
Arnautovic, weil er Authentizität und Ehrlichkeit in einer Welt von Täuschung
vorlebt. 2. Jedem, der seinem Beruf aus reiner Leidenschaft nachgeht und in
ihm aufgeht. Typisch österreichisch? »Schauma moi.«, »Wird schon gehen.«
Welche Firma, Marke oder welches Produkt in Österreich würdet ihr gerne neu
gestalten? Marko Arnautovic.
432 433
Morgen
United Buildings, Virtuelle Wendepunkte
Auftraggeber Ari Griffner und Rainer Edler — Jahr 2013 — Beschreibung 2012 baten uns der
Architekt Ari Griffner und sein Partner Rainer Edler um die Gestaltung des Buches Virtuelle Wende-
punkte / Virtual Turning Points. Wir wollten bei dieser Publikation mit dem typischen Look von
Architektur-Büchern brechen und haben uns deshalb für fröhlich-heitere Illustrationen entschieden.
Durch die Illustrationen gelang es uns, einen einfachen Zugang zu dem komplexen Thema zu erhalten,
auch Infografiken wurden im selben illustrativen Stil gestaltet. Um verschiedene haptische Eindrücke
zu erzielen, wurden verschiedene Papiere eingesetzt, von ungestrichenem bis glänzend gestrichenem
Papier.
Sommerszene Salzburg
Auftraggeber Sommerszene Salzburg — Jahr 2014 — Beschreibung Die Sommerszene ist ein
internationales Avantgarde-Festival, welches jährlich in Salzburg stattfindet. Wir sind seit 2013 für das
Corporate Design verantwortlich.
»
Österreichisches Grafikdesign
ist wie Fußball ohne tore.
«
visualisierung › betonAussage › zwupp
Mit Beiträgen von Beton, Bueronardin,
Bureau Rabensteiner, Kurt Dornig, Tina Frank,
Grafikum, Josef Heigl, Kurt Höretzeder,
Anita Kern, elisabeth Kopf, Paul Leichtfried,
LWZ, MOOI OG, OrtnerSchinko,
Manuel Radde, Sigi Ramoser, Moritz Resl,
Catherine Rollier, Say Say Say, Inc., Seite Zwei,
Astrid Seme, studio vIe, Super BFG,
Typejockeys, Marie Zieger und Zwupp.
1. 
Wie hat sich das
Grafikdesign in
Österreich entwickelt?
2.
Wie beurteilen
DesignerInnen heute
das Grafikdesign?
3. 
Wie gestalten
die DesignerInnen
von morgen?
ISBN 978-3-03863-003-6

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Wiener Aktionismus
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Bekannte Unbekannte

  • 2. » Die österreichischen Graphic Designer gehören mit ihren Arbeiten […] zu den bekannten Unbekannten der visuellen Kultur des 20. Jahrhunderts. « bernhard denscher (Kulturhistoriker)
  • 3. Inhalt Vorwort Kurt Höretzeder Nora Stögerer 1 Gestern — Wie hat sich das Grafikdesign in Österreich entwickelt? Die Jahrhundertwende Der Erste Weltkrieg Die Zwischenkriegszeit Der Zweite Weltkrieg Die Nachkriegszeit Die illustrativen Fünfziger Die kontrastreichen Sechziger Die wilden Siebziger Die digitalen Achtziger Die globalen Neunziger 2 Heute — Wie beurteilen DesignerInnen heute das Grafikdesign? Letitia Lehner & Julian Weidenthaler Kurt Dornig Sigi Ramoser Christian Feurstein Kurt Höretzeder Tina Frank Anita Kern Julia Juriga-Lamut & Marion Mayr Catherine Rollier Mike Rabensteiner Elisabeth Kopf Anna Fahrmaier S.267 S.275 S.283 S.291 S.299 S.307 S.315 S.323 S.331 S.339 S.347 S.355 S.363 S.371 S.379 S.387 S.395 S.403 S.411 S.419 S.427 S.431 S.448 S.6 S.6 S.8 S.11 S.15 S.25 S.29 S.45 S.51 S.61 S.75 S.83 S.93 S.103 S.115 S.119 S.131 S.143 S.155 S.165 S.181 S.191 S.207 S.219 S.233 S.243 S.255 3 Morgen — Wie gestalten die DesignerInnen von morgen? Beton Bueronardin Bureau Rabensteiner Grafikum Josef Heigl Paul Leichtfried LWZ Mooi OG OrtnerSchinko Manuel Radde Moritz Resl Say Say Say, Inc. Seite Zwei Astrid Seme studio VIE Super BFG Typejockeys Marie Zieger Zwupp Danksagung Anhang Impressum
  • 4. 1. Gestern — Wie hat sich das Grafikdesign in Österreich entwickelt? Wer hat die Welt von Gestern geprägt? Das erste Kapitel bietet einen Überblick über die Geschichte des österreichischen Grafikdesigns und bezieht sich hierbei vor allem auf die Designforschung von Anita Kern. Zusätzlich wird ein Vergleich zu der Entwicklung in Deutschland und der Schweiz gezogen.
  • 5. Gestern 18 19 Zur Jahrhundertwende existierte der Beruf des Grafikdesigners, der Grafikdesignerin in Österreich noch nicht, jedoch widmeten sich immer mehr Künstler und Künstlerinnen dem Feld der Gebrauchsgrafik. 1 Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde Wien zum »melting pot des Alten Europa«, 2 die Hauptstadt des Vielvölkerstaats Österreich- Ungarn wurde innerhalb kürzester Zeit zur Zwei-Millionen-Stadt. Es entstand ein Markt für Massenprodukte, die beworben werden mussten. Die Nachfrage nach der Arbeit eines professionellen Gestalters kam auf, wobei der bis dato männerdominierte Beruf, nicht zuletzt aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten, vermehrt auch Frauen die Tätig- keit erleichterte. 3 Bildende KünstlerInnen oder ArchitektInnen übernahmen diese Auf- gaben, was der Beginn einer engen Verbindung der Gebrauchsgrafik mit der bildenden Kunst war. Die Techniken der damaligen Zeit waren der Holzschnitt und die Lithogra- fie, es wurde alles per Hand gezeichnet oder gemalt. Vor der Erfindung der Lithografie wurden Ankündigungen im Buchdruckverfahren hergestellt und hauptsächlich typogra- fisch umgesetzt. Plakate waren Announcen oder Flugblätter, die auf die Größe eines Pla- kates großgezogen wurden. 4 Abb. 2 Sie wiesen eine große Vielfalt an unterschiedlichen Schriften auf und waren grafisch eher unübersichtlich. Die ersten Schritte hin zum Grafikdesign, so wie wir es heute kennen, kamen also aus der Bildenden Kunst. Es waren die KünstlerInnen der Reformkunst- bewegungen, die sich vom konservativen Akademismus des Wiener Künst- lerhaus abwandten. Die Wiener Secession wurde gegründet und ein ›heiliger Frühling‹ (›Ver Sacrum‹) verkündete damit die beginnende neue Ära in der bildenden Kunst. Drei Jahre nach der Wiener Secession gründete sich um 1900 auch die Künstlervereinigung Hagenbund, die ähnliche Ziele verfolgte. Die neuen Kunstbewegungen in Wien hoben mit ihrem Anspruch der »Durch- dringung des Alltags mit Kunst« 5 Alltagsgegenstände auf dieselbe Ebene wie ein Kunstwerk. Plakate, Kataloge und andere Medien, die in Begleitung ihrer Ausstellungen oder diversen anderen Veranstaltungen entstanden, wurden mit der gleichen Sorgsamkeit gestaltet wie die Ausstellungsstücke selbst. 6 Im ersten Heft der Secessions-Zeitschrift Ver Sacrum 1898 steht geschrieben: Wir kennen keine Unterscheidung zwischen ›hoher Kunst‹ und ›Kleinkunst‹, zwischen Kunst für die Reichen und Kunst für die Armen. Kunst ist Allgemeingut.7 Ein Plakat, welches damals für große Aufregung sorgte, stammt vom Maler und Seces- sions-Mitbegründer Gustav Klimt aus dem Jahre 1898. Es ist das Ankündigungsplakat der Ersten Kunstausstellung der Wiener Secession. Abb. 1 Klimts Umgang mit der Bildkom- position und der Einsatz von Flächen war für diese Zeit revolutionär und Gustav Klimt 1 — Vgl. Kern, Österreichisches Grafikdesign im 20. Jahrhundert, S. 44; Vgl. Klein, Plakate. Aufbruch in die Moderne, S. 29–33 2 — Christian Brandstätter, Design der Wiener Werkstätte 1903–1932, S. 7 3 — Vgl. Klein, Das Bild in der visuellen Kommunikation. Der Beginn einer Designdisziplin, in: Pfaffenthaler / u. a. (Hg.), Räume und Dinge. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, S. 219–233 Abb.2 — Unbekannt Plakat Gasthof König, 1888 4 — Vgl. Kern / Reinhold, Grafik- design von der Wiener Moderne bis heute, S. 21; Vgl. Friedrich / Klein, Große Schau der Reklame, S. 218; Vgl. Ebda., S. 228 5 — Anita Kern, Österreichisches Grafikdesign im 20.Jahrhundert, S. 45 6 — Vgl. Ebda., S. 45; Vgl. Eskilson, Graphic Design: A New History, S. 80 7 — Einleitender Text der ›Ver Sacrum‹ in Österreichische Nationalbibliothek, Ver Sacrum 1898/1, S. 8 (online)Abb. 1 — Gustav Klimt Plakat zur 1. Kunstausstellung der Wiener Secession, 1898
  • 6. Gestern 20 21 damit einer der Pioniere des modernen Grafikdesigns in Österreich. In der damaligen Zeit war es gängig, Plakate mit Ornamenten zu füllen, die zentrale leere Fläche irritierte die BetrachterInnen. Das Plakat sorgte nicht nur wegen der angewandten Flächenkunst für Aufregung, sondern auch wegen des nackten Theseus. Die Wiener Gesellschaft war em- pört, die Genitalien mussten in einer zweiten Version übermalt werden. 8 Neben Gustav Klimt war auch der Secessions-Mitbegründer und Maler-Grafiker Alfred Roller als Plakatkünstler tätig. Er war bekannt für seine stark ornamentale Gestaltung, oft bildeten sich tapetenartige Muster in seinen Plakaten. 9 Abb. 3 Die Wiener Secession, genauso wie der Jugendstil in ganz Europa, hatte auch einen ganz eigenen Schrifttypus, es waren ge- schwungene, kalligrafische Formen, häufig mit Diagonalen kombiniert. 10 Die Gestaltung von Drucksorten innerhalb der Wiener Secession und später der Wiener Werkstätte wurde vorwiegend vom Maler und Grafiker Koloman Moser und dem Architekten Josef Hoffmann ausgeführt. Beide waren Mitbegründer der zwei Gruppierungen. Da die bei- den sich gestalterisch optimal ergänzten, ist es heute aber oft schwierig zu unterscheiden, von wem welcher Entwurf ursprünglich kam. Koloman Mo- ser wird z.B. das Editorial Design der Ver Sacrum zugeschrieben. 11 Abb. 4 Die Ver Sacrum besaß ein ungewöhnlich quadratisches Format, die Textbeiträge wur- den großzügig mit dekorativen Elementen und Illustrationen ausgestattet. Nichtsdestotrotz war die Zeitschrift angenehm zu lesen, da sie über genü- gend Weißraum verfügte. Um das Gesamtbild der Zeitschrift nicht zu stören wurden zudem ausschliesslich Anzeigen, die von WW-MitarbeiterInnen ge- staltet wurden, abgedruckt. 12 Wie bei der Wiener Secession war auch das Ziel der Wiener Werkstätte, vom Gebrauch und Zweck eines Gegenstandes auszu- gehen. Ideen waren die »Gleichberechtigung des Kunsthandwerks mit den traditionellen ›freien‹ Künsten« und die »Durchdringung des gesamten Le- bensbereichs mit Kunst«. 13 Einflüsse kamen aus der britischen Arts- and Crafts-Bewegung und von den ›Glasgow Four‹, vor allem von Charles Rennie Macintosh, mit dem Josef Hoffmann in Kontakt stand. 14 Finanzielle Unter- stützung erhielt die Wiener Werkstätte vom Unternehmer Fritz Wärndorfer. Die KünstlerInnen verwendeten eine sehr reduzierte Farb- und Formen- sprache, in ihren Entwürfen benutzten sie selten mehrere Farben, sondern begnügten sich mit Schwarz-Weiß-Grafiken. Es entstanden vordergründig geometrisch-abstrakte Formen. Die KünstlerInnen wollten sich dadurch auch in der Gestaltung der Drucksachen stark von dem zeitgenössischen Trend, der von Ornamentik bestimmt war, abheben und eine Einheitlichkeit in allen Be- reichen finden. 15 In einem Interview aus dem Jahre 1963 erzählt der Maler und Grafiker Oskar Kokoschka, damaliges Mitglied der Wiener Werkstätte: [Die WW] hat für Wien durch den Zusammenhang aller Kunstgattungen im gewissen Sinn die Bauhaus-Idee 8 — Vgl. Klein, Plakate. Aufbruch in die Moderne, S. 29–33 9 — Vgl. Kern, Österreichisches Grafikdesign im 20. Jahrhundert, S. 46 – 49 10 — Vgl. Friedrich / Klein, Große Schau der Reklame, S. 237 Abb. 4 — Koloman Moser, Josef Hoffmann Cover und Innenseite der Ver Sacrum, 1899 11 — Vgl. Kern / Reinhold, Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute, S. 19; Vgl. Eskilson, Graphic Design: A New History, S. 82 – 84 12 — Vgl. Meggs, A History of Graphic Design, S. 214 – 215; Vgl. Schweiger, Aufbruch und Erfüllung, S. 12 13 — Werner Schweiger, Meister- werke der Wiener Werkstätte, S. 5 14 — Vgl. Muir, The Two Gentleman of Design, S. 33 – 34 15 — Vgl. Eskilson, Graphic Design: A New History, S. 82 – 88 Abb. 3 — Alfred Roller Plakat zur 16. Kunstausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1903
  • 7. Gestern 2322 Abb. 6 — Wiener Werkstätte Rechnung versehen mit WW-Briefkopf, WW-Briefmarke und WW-Stempel, 1903 vorweggenommen. […] Obwohl die meisten Mitglieder der ›Wiener Werkstätte‹ Professoren der Wiener Kunstgewerbeschule waren, damals die modernste Lehrstätte dieser Art, auch die erste auf dem Kontinent, konnten sie in einem kreativen Aufschwung den Jugendstil über- winden, der zu der Zeit Mode war.16 Das Logo in Form eines verschränkten Doppel-W wurde von Koloman Moser entworfen und ist auch heute noch weltweit bekannt. Geschäftsdrucksorten wie Briefpapier, Visiten- karten und Rechnungen wurden ebenso wie Bücher oder Ausstellungskataloge gewissen- haft gestaltet und mit dem Monogramm bzw. dem stilisierten Rosen-Signet versehen. Abb. 6 Durch den einheitlichen Stil von Koloman Moser und Josef Hoffmann gelang der Wiener Werkstätte als eine der ersten Organisationen eine ganzheitliche Gestaltungsstrategie und damit ein frühes Beispiel für eine Corporate Identity. 17 1907, nachdem Koloman Moser die Wiener Werkstätte wegen seines Wunsches, sich mehr der Malerei zu widmen, verließ, ver- mischte sich der zu Beginn sehr homogene grafische Stil. 19 Die bildenden KünstlerInnen waren es auch, die die nachfolgende Genera- tion an GestalterInnen – die sich dann auch schon als GebrauchsgrafikerIn- nen bezeichneten – unterrichteten und prägten. Darunter waren Rudolf von Larisch und Bertold Löffler. Rudolf von Larisch unterrichtete von 1902 bis 1934 an mehreren Schulen in Wien, der Kunstgewerbeschule Wien, der Graphische Lehr- und Versuchsanstalt und zuletzt an der Akademie der Bildenden Künste Wien. 20 Er brachte seinen SchülerInnen die Grundprin- zipien der Schriftgestaltung bei. Seine wichtigste Erkenntnis war: »Schrift kommt von Schreiben«, deshalb ließ er seine SchülerInnen zu Beginn des Studiums Buchstaben in weiches Material wie Lehm oder feuchtem Gips rit- zen. Er war auch einer der wenigen GestalterInnen in Österreich, der theo- retische Schriften veröffentlichte. 1904 kam sein Buch Über Leserlichkeit von ornamentalen Schriften heraus, 1905 das Buch Unterricht in ornamentaler Schrift. Mit seinem ornamentalen Stil in der Schriftgestaltung beeinflusste er auch die SecessionistInnen, Schrift wurde im künstlerischen Bild ein wesentliches kompositorisches Stilelement. Ein erfolgreicher Schüler von Larisch war der Wiener Typograf Robert Haas, der später in die USA emigrierte und in New York Larischs Lehre seinen eigenen SchülerInnen weitergab. Ab 1934 leitete Herta von Larisch-Ramsauer, Rudolf von Larischs Frau, die Klasse an der Wiener Kunstgewerbeschule. 21 16 — Oskar Kokoschka zitiert nach Brandstätter, Design der Wiener Werkstätte 1903–1932, S. 9 17 — Vgl. Bauer, Die Stimme der Straße, in: Beyerle / Hirschberger, Designlandschaft Österreich, S. 61 Abb. 5 — Bertold Löffler Quer Sacrum, 1899 19 — Vgl. Brandstätter, Design der Wiener Werkstätte 1903–1932, S. 12; Vgl. Ebda., S. 31 20 — Vgl. Kern / Reinhold, Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute, S. 19; Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Rudolf von Larisch, S. 27 (online) 21 — Vgl. Kern / Reinhold, Grafikdesign von der Wiener Moderne bis heute, S. 19 – 20; Vgl. Ebda., S. 116
  • 8. Gestern 24 25 Abb. 8 — Bertold Löffler Freud Exlibris, 1901 Bertold Löffler, Schüler von Koloman Moser, war von 1907 bis 1935 Professor für Malerei und Druckverfahren an der Kunstgewerbeschule Wien. Bei ihm lernte u.a. der spätere Grafikdesignpionier Joseph Binder. Löffler war bekannt für seine satirische Ader, so gestaltete er 1899, ein Jahr nachdem die VerSacrum, die Zeitschrift der Wiener Secession, zum ersten Mal erschien, eine Parodie auf dieselbige. Die Arbeit Quer Sacrum Abb. 5 erschien unter dem leicht zu ent- schlüsselnden Pseudonym B. Le-Fleur. Von Löffler stammt auch das Plakat für das Cabaret Fledermaus, Abb. 7 ein Veranstaltungsort, dessen Inneneinrichtung von der Wiener Werkstätte gestaltet worden ist. Das Plakat fiel den Passan- tInnen durch ungewöhnlich starke Kontraste und dicke Konturen ins Auge, das Plakat war ganz im expressionistischen Stil gehalten. Neben Plakaten zählte auch die Gestaltung von Exlibris zu den Aufgaben der GestalterInnen der Jahrhundertwende. Ein Beispiel ist das 1901 von Bertold Löffler entwor- fene Exlibris für Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse. Abb. 8 Der Name Freuds war im Exlibris falsch geschrieben, er verwendete es trotzdem. 22 Auch in Deutschland gab es um die Jahrhundertwende Gruppen, die sich dem Jugendstil ver- schrieben. Nach dem Vorbild der Arts- and Crafts-Bewegung entstanden Zusammenschlüsse wie die Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk in München. Zur Verbreitung ihrer Gedanken und Werke entstanden Zeitschriften ähnlich wie die Ver Sacrum, sie hießen Pan, Jugend und Simpli- cissimus. GestalterInnen wie Peter Behrens, Otto Eckmann und Lucian Bernhard – der als Schöpfer des Berliner Sachplakats gilt – waren tätig. In Weimar prägte der gebürtige Belgier Henry van der Velde, der Leiter der Kunstgewerbeschule war und Bücher für den Insel Verlag gestaltete, die An- fänge der Gebrauchsgrafik. Es bestand ein fruchtbarer Austausch zwischen der angewandten und der bildenden Kunst. Beeinflusst durch die französischen Kunstplakate erfuhren die Gebrauchsgra- fik und insbesondere die Plakatkunst mit Pionieren wie Lucian Bernhard und Ludwig Hohlwein eine Hochblüte. Die Werbebranche vergab erste große Aufträge, entstandene Markenzeichen wie Kaffee Hag (1906), Persil Waschpulver (1909) oder Dr.Oetker Backzutaten (1899) sind noch heute bekannt. Es gab eine Fülle an Schriftgießereien, die Firmen Bauer&Co., Klingspor, Stempel und Berthold sind nur ein Bruchteil davon. Für sie entwarfen nahmhafte DesignerInnen wie die bereits genannten, sowie Fritz Helmut Ehmcke, Rudolf Koch, Paul Renner und Emil Rudolf Weiss. Wäh- rend KünstlerInnen der Wiener Werkstätte sich bereits an einem ganzheitlichen Erscheinungsbild versuchten, schuf 1907 Peter Behrens das umfassende Design für die aeg und wurde zum Pionier des Corporate Designs ernannt. Die KünstlerInnen und GebrauchsgrafikerInnen begannen sich vermehrt zu organisieren, im selben Jahr wurde der Deutsche Werkbund gegründet.23 Um 1900 begann die Industrie zu florieren, Markenartikel wurden verstärkt beworben, die Schweiz wurde immer mehr zum hochentwickelten Industrieland. Wie in Österreich und Deutschland waren es die bildenden KünstlerInnen, wie Emile Cardinaux, Burkhard Mangold, Ferdinand Hodler und etwas später Otto Baumberger, die begannen, vor allem Plakate zu gestal- ten. Sie hatten ihr »Standbein in der Gebrauchsgrafik und das Spielbein in der Kunst.«24 Einflüsse kamen vom Münchner Jugendstil, aber auch aus Wien: Der Schweizer Maler Ferdinand Hodler gestaltete 1904 sein erstes Plakat für die Wiener Secession und inspirierte damit andere Gestalte- rInnen in der Schweiz. Um grafisches Können auszubilden wurde 1906 an der Kunstgewerbe- schule Zürich auch erstmals ein eigener Lehrgang namens Graphische Kunst eingeführt. 1913 gründete sich nach Vorbild des Deutschen Werkbundes der Schweizerische Werkbund (swb), der sich um die Belange der Grafiker-Maler der ersten Stunde kümmerte.25 22 — Vgl. Kern / Reinhold, Grafik- design von der Wiener Moderne bis heute, S. 42 – 44; Vgl. Ebda., S. 72; Vgl. Kern, Österreichisches Grafik- design im 20. Jahrhundert, S. 102 23 — Vgl. Aynsley, Grafik-Design in Deutschland, S. 37; Vgl. Klein, Plakate. Aufbruch in die Moderne, S. 27–29; Vgl. Eskilson, Graphic Design: A New History, S. 93 – 104 24 — Christoph Bignens, Swiss style, S. 14 25 — Vgl. Ebda., S. 71 – 72; Vgl. Hollis, Schweizer Grafik, S. 18; Vgl. Döring, Anfänge des Schweizer Plakats, in: Brändle, u. a. (Hg.), 100 Jahre Schweizer Grafik, S. 41Abb. 7 — Bertold Löffler Plakat ›Cabaret Fledermaus‹, 1907
  • 9. Sechs Orte, 14 DesignerInnen. Im folgenden Kapitel werden zeitgenössische DesignerInnen zu ihrer Sicht auf die Grafikdesignszene in Österreich befragt. 2. Heute — Wie beurteilen DesignerInnen heute das Grafikdesign?
  • 11. 158 159 Heute Sigi Ramoser ist Mitbegründer der bekannten Vorarlberger Plattform Sägenvier. Das Büro ist eine alte Fabrik des Hämmerle-Textilunternehmens, die ehemals größte Textil- firma in Vorarlberg. Zu Beginn würde ich gerne wissen, wie du zum Grafikdesign gekommen bist! Sigi Ich war schon immer an Gestaltung interessiert. Mit ungefähr 16 Jahren habe ich eine Lehre als Dekorateur begonnen. Zwei Jahre hat diese Lehre gedauert und in dieser Zeit habe ich auch einen späteren Mentor kennengelernt, Hansjörg Baschnegger. Er ist der Gründer einer der größten Werbeagenturen in Dornbirn. Er hat mich in die Agentur Baschnegger geholt. Meine Lehre habe ich dann als Grafiker fertig gemacht. Das war ein großes Glück, ich hätte mir früher nie erträumt, dass ich einmal in einer Agentur lande. Später bin ich nach München studieren gegangen, an die Schule für Gestaltung. Das erzähle ich nicht ohne ein wenig Stolz, denn ich musste damals sechs Semester in vier Semester machen. Mein Vorarlberger Kollege, der Grafikdesigner Peter Felder, hat das genauso gemacht. 1983 bin ich wieder zurück nach Vorarlberg gekommen. Ich bin dann wieder in die Agentur Baschnegger gegangen, für die mittlerweile auch Hermann Brändle und Sandro Scherling arbeiteten. Als ich mich selbstständig machen wollte, waren die beiden in einer ähnlichen Situation und wir haben gesagt: Wir machen das gemeinsam. Kurt Dornig war auch mit dabei.* Ein Vorteil war für uns, dass wir eine Kooperation mit der Bregenzer Agentur A-Typisch eingegangen sind. Diese Kooperation war etwas Beson- deres, damals hat man ja von solchen Kooperationen noch nicht so viel gehört. Hat das so wie heutige Kollektive funktioniert? Sigi Genau. Damals war das aber völlig neu. Wir hatten gemeinsam ein Büro, teilten die Miete, hatten aber eigene Kunden. Ich glaube, dass wir damit in Vorarlberg oder viel- leicht sogar österreichweit ein bisschen Vorreiter für diesen Kollektiv-Gedanken waren. Das hat sich dann stetig erweitert, in der Blütezeit meines Freelancertums oder mei- ner Kollektivarbeit, habe ich mit fünf Agenturen zusammen- gearbeitet, z. B. mit Reinhard Gassner.* Mit ihm habe ich an die zehn, zwölf Jahre immer wieder eng kooperiert. Wir sind heute noch immer sehr gut im Kontakt. 1994 haben wir dann entschieden, nach Dornbirn zu gehen. Wir haben dieses Loft gefunden und das Atelier für Text und Gestaltung gegründet. Nach außen haben wir damit ein Unternehmen verkörpert. Kurt, Sandro und ich waren für Design, Hermann für Text zu- ständig. Einerseits war jeder für sich selbst verantwortlich, an- dererseits hatten wir auch gemeinsame Kunden. Das war nie so klar getrennt, was manchmal natürlich auch schwierig war. Acht Jahre lang haben wir das Atelier für Text und Gestaltung Das Interview mit Kurt Dornig beginnt auf Seite 129. Mehr zu Reinhard Gassner findet sich im Kapitel ›Gestern‹ auf Seite S. 36. Abb. 6 — Sägerstraße 4, Dornbirn. geführt, wir haben eine Sekretärin gehabt und unserer eigenen Firma zugearbeitet, in un- terschiedlichen Größenordnungen. Irgendwann wurde diese Art zu arbeiten aber doch kompliziert, wir haben kein gemeinsames Leitbild gefunden. Wir haben also gesagt: Ent- weder wir gehen auseinander oder wir bleiben zusammen und suchen eine bessere Lösung. Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden und das Atelier für Text und Gestaltung auf eine reine Bürogemeinschaft reduziert. So ist die lose und innovative Plattform Sägen- vier entstanden. Abb.6 Wir haben heute ein Konto, wo Miete, Kaffee-Bestellung, Kopier- papier, die Betriebskosten u. ä. weggehen und der Rest ist jedermanns eigene Sache. Dadurch gibt es ›Sigi Ramoser Sägenvier‹, ›Sandro Scherling Sägenvier‹ und ›Hermann Brändle Sägenvier‹. Die Trennung war also nötig, damit wir zusammenbleiben. Dass Kurt Dornig nach einiger Zeit seinen eigenen Weg gegangen ist, ist eine andere Geschichte. Kurt meinte irgendwann, dass er gerne ein Haus und sein eigenes Atelier bauen wollte, sobald er ein geeignetes Grundstück dafür finden würde. Von da an war klar, dass Kurt sich früher oder später einmal von uns lösen wird, ohne, dass wir je gestritten haben. Beschäftigst du eigene MitarbeiterInnen? Sigi Anfangs hatte ich einen Praktikanten und der Rest waren FreiberuflerInnen, die eigentlich nur zeitweise hier gearbeitet haben. Ich habe dann zehn Jahre mit Freelan- cern jongliert. Es hat zwar gut funktioniert, auf der anderen Seite war es aber auch sehr anstrengend. Als dann ein Praktikant gefragt hat, ob ich ihn fest anstellen würde, habe ich entschieden, es einmal zu versuchen. Seitdem bin ich davon überzeugt. Seit sieben, acht Jahren, habe ich nun ein kontinuierliches Team. Ob es wieder einmal anders wird, weiß ich nicht, aber zurzeit ist es gut so. Ja und mittlerweile sind wir acht Leute, sieben Angestellte und ich als Chef. Ein Schwerpunkt bei euch ist die Signaletik. Hast du das Gefühl, dass das ein Allein­ stellungsmerkmal in Österreich ist oder gibt es Studios, die Vergleichbares machen? Sigi Signaletik hat mich schon immer interessiert. Die Möglichkeit, mit Signaletik einen Teil zur Identitätsstiftung eines Gebäudes beizutragen, erzählende Räume zu schaffen, BesucherInnen zu informieren und durch ein Gebäude zu führen, finde ich äußerst spannend! Wir von Sägenvier wollen dabei etwas schaffen, was den Leuten in irgendeiner Weise Prozesse erleichtert, wie z. B. zu einer schnelleren Orientierung in einem Gebäude verhelfen. Wir machen Grafikdesign, das den Leuten hilft, den Leuten Freude macht oder sie informiert. Ob wir damit ein Alleinstellungsmerkmal in Öster- reich haben, kann ich nicht wirklich beurteilen, aber wir waren möglicherweise eine der ersten Agenturen auf diesem Gebiet. Wir haben einen sehr hohen Erfahrungsschatz in diesem Bereich und das ist, denke ich, schon etwas Besonderes. Es gibt natürlich auch andere, die Orientierungssysteme machen, aber ich denke, dass wir, durch diese jahre- lange Erfahrung, wirklich sehr viel bieten können. Wir arbeiten auch einfach gerne im öffentlichen Raum. Wir haben schon viele Schulen und andere öffentliche Institutionen gestaltet. Uns ist es wichtig, etwas zu schaffen, was Sinn macht. Beeinflusst hat mich
  • 12. 160 161 Heute hier Ruedi Baur. Er hat für mich immer etwas Besonderes ausgestrahlt, ich möchte es Hal- tung nennen. Bei ihm wird klar, er tut etwas der Sache wegen. Geld ist dabei ein Neben- produkt. Ich möchte bei Gestaltung immer eine Bedeutung spüren und das ist, was Ruedi Baur für mich vermittelt. Wie sieht denn die österreichische Grafikdesignlandschaft für dich aus, im Vergleich mit Deutschland und der Schweiz? Sigi Das ist natürlich schwer, in wenigen Worten ein Bild der Unterschiede im Grafik- design dieser drei Länder zu zeichnen. Aber ich möchte es vielleicht kurz versuchen. Ich kenne natürlich alle drei Länder und viele darin lebende und arbeitende GestalterInnen, durch Aufenthalte, KollegInnen, Austausch und Kongresse. Die Schweiz ist dabei am einfachsten zu charakterisieren. Die Schweizer Grafik hat weltweit ihre Bekanntheit und Bedeutung erlangt, durch GestalterInnen wie Wolfgang Weingart, K.D. Geissbühler oder Siegfried Odermatt & Rosmarie Tissi. Über viele Jahrzehnte hinweg wurde an Schweizer Hochschulen qualitätsvolles Grafikdesign unterrichtet. Ihre Arbeiten bergen auch heute noch eine ungemeine Qualität in sich. Deutschland kann ich durch meine Kontakte mit Süddeutschland beleuchten. Bei Grafikdesign denke ich hier an Schwäbisch Gmünd, die renommierte Ulmer Schule und, um die Gestaltung mit einem Wort in Verbindung zu bringen, sage jetzt ein bisschen wertend ›Norm‹: Gestaltung muss genauestens durch- dacht sein, alles muss seinen Sinn haben. Darin sind deutsche GestalterInnen wirklich sehr gut. Die Gestaltung funktioniert mit einer Strenge und einer Ernsthaftigkeit, die mir manchmal fast zu ernsthaft ist. Ja, wenn ich so nachdenke, ein bisschen kann man es tatsächlich den Ländern zuordnen. Ich erinnere mich an die verschiedensten Bien- nalen, die ich besucht habe. An die Kataloge. Ohne dass Japan angeschrieben war, hast du gewusst, dass die gezeigten Arbeiten nur von dort sein konnten. Eine völlig andere Sicht auf die Dinge, die mit ihrer Kultur verbunden ist, war bemerkbar. Du hast auch ein tschechisches Plakat schon immer von einem deutschen Plakat unterscheiden können. Bestimmte GestalterInnen, aber auch die Stimmung in einem Land, die Politik, haben diese Unterschiede geprägt. Wie nimmt man österreichisches Grafikdesign wahr? Sigi Im geschichtlichen Kontext möchte ich das Buch von Anita Kern* erwähnen – Öster­ reichisches Grafikdesign im 20. Jahrhundert. Wenn man dieses Buch liest, wird klar, dass z.B. der Designpreis Joseph Binder Award seinen Namen nicht umsonst trägt. Joseph Binder war einer der erfolgreichsten österreichischen Grafikdesigner. Von ihm stammt z.B. das Logo von der Kaffeemarke Julius Meinl.* Bekanntgeworden ist er aber letztendlich doch in Amerika, wohin er vor dem Zweiten Weltkrieg emigriert ist. Es hat also durchaus gro- ße Namen gegeben, die im Ausland ihre Wirkung gehabt haben. Stefan Sagmeister ist wiederum ein aktuelles Beispiel, er ist, würde ich meinen, der bekannteste Grafikdesigner heutzutage. Das Interview mit Anita Kern beginnt auf Seite 189. Mehr zu Joseph Binder findet sich im Kapitel ›Gestern‹ auf Seite 33. Aber gibt es ein Bild vom österreichischen Grafikdesign, das nach außen sichtbar ist? Sigi Das kann ich nicht wirklich beantworten oder vielleicht nur tröpfchenweise. In München oder Ravensburg, z. B., wo ich Zugang zu Universitäten und Schulen habe, haben die Südtiroler und Vorarlberger GestalterInnen einen besonderen Stand. Sie sind bekannt als exzellente Leute, als architekturaffine DesignerInnen. Die Architektur hat bei uns in Vorarlberg ja generell starken Anklang gefunden. Ich glaube, dass die Architekturszene die visuelle Szene in Vorarlberg sehr belebt hat. Wenn du eine Industrie hast, die mit Architektur eine Kultur aufbaut, hat es auch das Grafikdesign nicht mehr so schwer. Auch in diesem Bereich wird dann Qualität gefordert und auch anerkannt. Es ist klar, welchen Wert gute Gestaltung hat und wir müssen mit unseren Erklärungen nicht ganz am Anfang anfangen. Ich würde sagen, das ist das Zugpferd, das war unser Wegbereiter und hat die ganze visuelle Szene beeinflusst. Abgesehen davon gibt es in Vorarlberg vie- le große, innovative Firmen, das schafft natürlich auch einen Bedarf an Design. Dafür beneidet uns auch oft ein Wiener. Ich höre oft, dass wir es leichter haben, da es nicht so einen starken Wettbewerb gibt. Aufträge werden auf Vertrauensbasis vergeben, mit Handshake. In Wien oder in Berlin ist das natürlich anders. Da gibt es Leute, die machen ein Theaterplakat um 200 Euro, einfach nur, damit sie es überhaupt machen dürfen. Eine Wertschätzung für gute Gestaltung ist in Vorarlberg also vorhanden? Sigi Ein Bewusstsein, ein Boden für gute Gestaltung, ja. Wenn jemand ein schönes Haus baut, denkt er vielleicht auch über eine passende Inneneinrichtung nach. Der Anspruch wächst. Glaubst du, ist die Nähe zur Schweiz ein Grund dafür? Wurde Vorarlberg immer schon stärker von der Schweiz beeinflusst? Sigi Ich weiß nicht. Von mir persönlich kann ich das nicht so sagen. Mich haben Per- sönlichkeiten wie Ruedi Baur, Walter Bohatsch, Metadesign aus Berlin oder Piet Zwart, der Aussteller, beeinflusst. Ich war immer eher international und branchenunabhängig orientiert. Es war und ist einfach alles interessant: Von Glaskunst über Architektur bis hin zu Aborigines-Kunst. Deswegen kann ich jetzt nicht sagen, dass speziell die Schweiz und die Schweizer GrafikdesignerInnen mich maßgeblich beeinflusst haben. Ja gut, ich habe Wolfgang Weingart und Reinhart Morscher kennengelernt, die haben mich sicher beeinflusst.
  • 13. 162 Ich hatte aber nie das Gefühl, dass es die Schweizer Grafik war, die das Grafikdesign in Vorarlberg am meisten geprägt hat. Seit es das Internet gibt und man auch viel mehr reist, sind die Einflüsse sowieso ganz anders. Heute kannst du recherchieren, was macht die Signaletik in Russland, in Ame- rika oder anderswo. Der Einfluss kommt aus dem internationalen Kontext. Früher hat das unmittelbare Umfeld einen stark beeinflusst. In Vorarlberg hat es wenig Einfluss aus der Welt gegeben. Ein Kleidergeschäft, in dem es z. B. amerikanische Kleidung zu kau- fen gab, existierte früher nicht. Solche Läden gab es noch am ehesten in Mailand oder Zürich. Ich will damit sagen, wenn du dort nicht hingefahren bist, hast du auch nicht gewusst, was sich dort abspielt. Fremde Länder konnten dich also nicht beeinflussen. Ist in Österreich etwas entstanden, was typisch und signifikant für das Grafikdesign vor Ort ist? Sigi Ich kann es nicht als Ganzes definieren, aber mir fallen sofort bestimmte Namen von interessanten GestalterInnen ein. Mir fällt Christof Nardin* ein, Robert Rüf oder Er- win Bauer. Mir fällt Clemens Schedler ein, nicht nur weil er Gestalter ist, sondern weil er viel mehr ist. Er macht nicht nur Design, er schreibt, er denkt …!* Aber ob etwas Eigenes in Österreich entstanden ist …? (lange Pause) Das ist schwierig. Cordula Alessandri ist auch eine fantastische Gestalterin. Für mich ist da eine Weinetikettenkultur entstanden, die mich einfach sprachlos macht. Das ist für mich etwas Besonderes. An dieser einzelnen Frau ist abzulesen, was Design alles kann. Sie macht weltberühmte Gestaltung. Wenn man Wein trinkt, kennt man diese Weine.* Kannst du dir erklären, warum speziell in der Schweiz so etwas wie die Schweizer Grafik entstanden ist und in Deutschland wichtige Impulse wie das Bauhaus? Warum hat das Grafikdesign in Österreich nichts Vergleichbares hervorgebracht? Sigi Ich glaube, dass die prägenden Schulen fehlten. An der Ulmer Schule genauso wie damals am Bauhaus waren Leute, die das Design weltweit beeinflussen wollten. Sie wollten einen eigenen Stil, eine eigenen Haltung begründen. Sie haben ihre Leute in diese Richtung ausgebildet, Werkstätten errichtet. Die Schweiz hat währenddessen mit Basel und Zürich ihre eigenen Designzentren gehabt. Die Designer und Designerinnen dort wollten etwas bewegen und weiterentwickeln. In der Historie bin ich nicht ganz so bewandert, aber Erfolge wie mit der Wiener Werkstätte hat Österreich meines Erachtens nach später nicht mehr gehabt. Die Schweiz war auch nie im Krieg. Die GestalterInnen mussten nicht emigrieren. In Österreich ist der Großteil der Kreativen, darunter eben auch Joseph Binder, geflüchtet. Vielleicht hat man da später den Anschluss an die inter- nationale Kreativszene nicht mehr geschafft. Arbeiten von Christof Nardin finden sich im Kapitel ›Morgen‹ auf Seite 108. Mehr zu Clemens Schedler findet sich im Kapitel ›Gestern‹ auf Seite 108. Mehr zu Cordula Alessandri findet sich im Kapitel ›Gestern‹ auf Seite 108. » Ich höre oft, dass wir es leichter haben, da es nicht so einen starken Wettbewerb gibt. Aufträge werden auf Vertrauensbasis vergeben, mit Handshake. «
  • 14. Heute 165 Ich muss aber sagen, mich haben diese Fragen nie wirklich interessiert. Ich weiß nicht, was österreichisches Design ist, aber ist das überhaupt wichtig? Ich mache mir da nicht so viele Gedanken. Ich frage auch nicht, gibt es Sägenvier-Design, gibt es Vorarlberger Design? Es ist nicht so wichtig, finde ich. Wichtig ist, dass wir arbeiten und Dinge be- wegen. Ich finde, es ist genug los, wir machen viel, im Kleinen und im Großen. Solange es den Leuten Freude macht, ist es gut und ob das jetzt Deutschland, Österreich oder Schweiz ist, finde ich nicht wichtig. Natürlich finde ich es gut, wenn neue Dinge entste- hen, aber mir ist dabei nicht wichtig, wo sie entstehen. Kommen wir damit weiter, das ist meine Frage und nicht, was für eine Rolle Österreich dabei gespielt hat. Wie ist das mit der Vernetzung? Bekommt man z. B. von der designaustria* in Vorarl­ berg etwas mit? Sigi Das ist eine hochinteressante Frage. Ich bin seit mehr als 20 Jahren Mitglied bei der designaustria. Die Hälfte dieser Zeit war ich im Vorstand des Verbandes. Die meisten Mitglieder der designaustria sind natürlich in Wien, wo dann selbstverständlich am meisten los ist. Das ist einfach so und das ist wahrscheinlich überall so, in jedem Verein. Dort, wo die Leute sind, passiert am meisten. Ich persönlich habe aber immer versucht, in Vorarlberg die Verbindung zum Designverband aufrechtzuerhalten. Und ich muss sagen, es passieren einige Dinge. Es ist die Vlow!* entstanden, die hat mit designaustria zwar nicht so viel zu tun, aber das ist ein Kongress, der hervorragend ist. Thematisch wird viel zu Signaletik, Szenografie und Architektur vorgetragen. Die Vlow! findet alle zwei Jahre im Festspielhaus Bregenz statt und zieht Leute aus Deutschland und der Schweiz, genauso wie aus dem Rest von Österreich an. Da fällt mir auch noch ein, beeinflusst durch die designaustria, gibt es hier seit drei oder vier Jahren das designforum Vor- arlberg, quasi ein Ableger vom designforum im MuseumsQuartier Wien. Es gibt noch eines in Graz und in Salzburg. Seit es diese Räumlichkeit und seit es eine Kooperation mit der Industrie gibt, ist es möglich, viel mehr Leute für Design zu erreichen. Das de- signforum als Ort und wir, die Veranstaltungen organisieren, das zieht die Leute an. Da kommen ArchitektInnen, KundInnen, Leute aus der Industrie, Institutionschefs, alle. Pecha Kucha Nights, Ausstellungen und so weiter, da kommen die Leute. Ein Ort ist wichtig, nicht so sehr, wer dahintersteht. Wie schätzt du die Ausbildungssituation in Österreich ein? Sigi Heute finde ich sie sehr gut. Ich komme aus einer Zeit, da hat es in Vorarlberg gar nichts gegeben. Die Ausbildungsmöglichkeiten, die am nächsten waren, gab es in St. Gallen, Zürich, Basel, Mailand oder München. In Österreich hat es nur die Ange- wandte in Wien gegeben. Die war immer schon da. Ich kenne nicht alle Schulen in Öster- reich, an denen man Grafikdesign studieren kann, aber es gibt mittlerweile auf jeden Fall viele Wege. Es hat sich viel entwickelt und auch gute Qualität. Gerade die Fachhochschu- len. Meine letzten MitarbeiterInnen waren alle von der FH Vorarlberg. Die Studierenden dort sind sehr gut ausgebildet, sehr vielschichtig und konzeptiv denkend, mit einem Berufsverband der Grafik­ designerInnen, IllustratorInnen und ProduktdesignerInnen in Österreich. designaustria.at Die vlow! ist eine internationale Konferenz für ArchitektInnen und Kommunikations­ designerInnen, die seit 2008 alle zwei Jahre in Bregenz stattfindet. vlow.net » Ich muss aber sagen, mich haben diese Fragen nie wirklich interessiert. Ich weiß nicht, was österreichisches Design ist, aber ist das überhaupt wichtig? «
  • 15. 166 hohen Anspruch an Gestaltung. Früher musste man für die Ausbildung eben weggehen und viele sind dann in den großen Städten geblieben. Dieses Problem haben wir in Vor- arlberg allerdings immer noch ein bisschen. Es gehen sehr viele weg. Leute, die in Wien studieren, bleiben dort. Viele der heute bekannten österreichischen GestalterInnen, die in Wien oder woanders leben, haben ihre Wurzeln in Vorarlberg. Andererseits ist es auch so, dass viele Deutsche zu uns kommen. Die letzten sechs, sieben Jahre habe ich diese Entwicklung beobachtet. Kannst du bei den Studierenden ein gewisses Interesse in eine bestimmte Richtung wahrnehmen? Sigi Ja, ich glaube, dass es so ein Mischverhältnis zwischen Spezialisierung und Generalis- mus gibt. Das ist jetzt nichts Neues, was ich da sage, diese Tendenzen sind seit ca.15 Jah- ren spürbar. Mit diesem Internetboom und der Vermischung aller Medien. Ich möchte das mit dem heutigen Ablauf von Filmproduktionen oder Fotosessions erklären. Früher brauchte man für eine Fotosession einen Fotografen, ein Model oder zwei, eine Visagistin, einen Art Director, mehrere Beleuchter und so weiter. Es waren an die 15 Leute bei einer Produktion dabei. Heutzutage braucht man nicht einmal mehr ein richtiges Model. Alle Menschen sind auf ihre Weise schön, man muss nicht mehr professionelle Models neh- men. Man will es auch nicht mehr. Man will authentische Menschen. Zusätzlich hat sich die Technik unglaublich entwickelt. Letztendlich braucht es zwei, drei Leute und es ist ein großartiges Ergebnis möglich. Genauso ist es beim Film. Natürlich gibt es Produkti- onen, wo 300 Leute oder mehr involviert sind. Daneben ist es aber auch möglich, einen Film mit einem iPhone und einem Sprecher zu drehen. Das geht dann zu zweit, zu dritt oder auch alleine. An der FH Vorarlberg werden genau diese Allroundtalente, die dies bewerkstelligen können, gefördert. Der Unterricht ist sehr breit angelegt. Im Vergleich mit der älteren Generation: Wir haben noch traditionelles Grafikdesign gelernt. Zeichnen, skizzieren, illustrieren, Buchdruck, Kommunikationsstrategien, Typografie, Farbenlehre und so weiter. Ein bisschen Fotografie, kein Film, kein Internet, kein Bewegtbild – das war nur klassisches Grafikdesign. Das hat sich sehr verändert. Du musst vieles können, viele Dinge wissen, alles vermischt sich. Natürlich sind die Studierenden, wenn sie fertig sind, keine fertigen Regisseure oder Kameraleute, aber sie können Dinge fertigstellen und es ist gut gemacht. Ich würde mal behaupten, das sind mittlerweile an die zwanzig Berufe, nicht nur einer. Wie der Beruf in Zukunft heißen wird, weiß ich nicht. Aber ich bin nicht beunruhigt, es gibt ja auch die unterschiedlichsten Schulen mit den unter- schiedlichsten Schwerpunkten. » Dieses Problem haben wir in Vorarlberg allerdings immer noch ein bisschen. Es gehen sehr viele weg. Leute, die in Wien studieren, bleiben dort. «
  • 16. 3. Morgen — Wie gestalten die DesignerInnen von morgen? … und wie beurteilen sie österreichisches Grafikdesign? 19 DesignerInnen bzw. Designstudios haben beantwortet, was für sie österreichisches Grafikdesign ausmacht. Die Antworten wurden in alphabetischer Reihenfolge an einen anderen Designer, eine andere Designerin bzw. ein anderes Designstudio weitergeleitet und gestaltet.
  • 17. » Österreichisches Grafikdesign ist ein ewiges Hin und Her. « visualisierung › zwuppAussage › marie zieger
  • 19. 430 431 Morgen Idea Reloaded Auftraggeber Vienna Design Week — Jahr 2013 — Beschreibung Wir wurden eingeladen bei der Vienna Design Week 2013 zum Thema ›Idea Reloaded‹ mitzuarbeiten. Unsere Idee war eine alternative Realität für ausrangierte Ideen zu kreieren. Gemeinsam mit den Produktdesignern Ola und Maria Mirecka und dem Illustrator Boicut haben wir dieses Projekt realisiert. Entstanden ist ein 256 Seiten dickes Buch, welches die Ideen der vergangenen sechs Tage zeigt. Über Zwupp Ort Wien / Graz Team Andreas Putz, Valentin Boschi, Stefan Joch, Christian Kinzer, Clemens-Josef Prankl, Martin Gressl Web zwupp.at Drei Projekte Idea Reloaded, Sommerszene Salzburg, United Buildings Zwupp über Ein Satz, den man täglich bei euch im Studio hört: »Spü ma ane?«, »I hob scho so an Hunga.«, »Scho widda!«, »Irgendwer wuzzeln?« Was ist das Wichtigste, was ihr bis jetzt in eurem Job gelernt habt? 1. Freundschaft und das innere Kind in einem behalten steht über allem. 2. Es ist wie im Leben. Es wird dir nix ge- schenkt. WemwürdetihrgerneeinenTaglangüberdieSchulterschauen? 1. Marko Arnautovic, weil er Authentizität und Ehrlichkeit in einer Welt von Täuschung vorlebt. 2. Jedem, der seinem Beruf aus reiner Leidenschaft nachgeht und in ihm aufgeht. Typisch österreichisch? »Schauma moi.«, »Wird schon gehen.« Welche Firma, Marke oder welches Produkt in Österreich würdet ihr gerne neu gestalten? Marko Arnautovic.
  • 20. 432 433 Morgen United Buildings, Virtuelle Wendepunkte Auftraggeber Ari Griffner und Rainer Edler — Jahr 2013 — Beschreibung 2012 baten uns der Architekt Ari Griffner und sein Partner Rainer Edler um die Gestaltung des Buches Virtuelle Wende- punkte / Virtual Turning Points. Wir wollten bei dieser Publikation mit dem typischen Look von Architektur-Büchern brechen und haben uns deshalb für fröhlich-heitere Illustrationen entschieden. Durch die Illustrationen gelang es uns, einen einfachen Zugang zu dem komplexen Thema zu erhalten, auch Infografiken wurden im selben illustrativen Stil gestaltet. Um verschiedene haptische Eindrücke zu erzielen, wurden verschiedene Papiere eingesetzt, von ungestrichenem bis glänzend gestrichenem Papier. Sommerszene Salzburg Auftraggeber Sommerszene Salzburg — Jahr 2014 — Beschreibung Die Sommerszene ist ein internationales Avantgarde-Festival, welches jährlich in Salzburg stattfindet. Wir sind seit 2013 für das Corporate Design verantwortlich.
  • 21. » Österreichisches Grafikdesign ist wie Fußball ohne tore. « visualisierung › betonAussage › zwupp
  • 22. Mit Beiträgen von Beton, Bueronardin, Bureau Rabensteiner, Kurt Dornig, Tina Frank, Grafikum, Josef Heigl, Kurt Höretzeder, Anita Kern, elisabeth Kopf, Paul Leichtfried, LWZ, MOOI OG, OrtnerSchinko, Manuel Radde, Sigi Ramoser, Moritz Resl, Catherine Rollier, Say Say Say, Inc., Seite Zwei, Astrid Seme, studio vIe, Super BFG, Typejockeys, Marie Zieger und Zwupp. 1.  Wie hat sich das Grafikdesign in Österreich entwickelt? 2. Wie beurteilen DesignerInnen heute das Grafikdesign? 3.  Wie gestalten die DesignerInnen von morgen? ISBN 978-3-03863-003-6