FOM Mediation & Kommunikation: Gründe und Vorteile
1. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
1
Mediation – Gründe und Vorteile
A. Anwendungsgebiete
Die Mediation wird üblicherweise in folgenden Bereichen eingesetzt
Familienkonflikte (Erbstreit, Scheidung, Sorgerecht)
Baumediation (private Bauprojekte)
Öffentliche Mediation (Bauprojekte)
Nachbarschaftsstreitigkeiten
Gerichtliche Mediation (Zivilgericht, Finanzgericht, Verwaltungsgericht)
Strafrecht (Täter-Opfer-Ausgleich anstelle einer Strafe)
Wirtschaftsrecht (Streit im Unternehmen, Streit zwischen Unternehmen,
Arbeitskampf, Mobbing)
Arbeitsrecht
Schulmediationen (Konflikte zwischen Schülern oder in der Schule)
Politische Konflikte und Kriege, z.B. amerikanischer Civil War, Nahostkonflikt
Grundsätzlich eignen sich auch andere Konflikte und Streitigkeiten für Mediationen.
B. Ziele, Blickrichtungen (Gerichtsverfahren vs. Mediation)
Die juristische Methode im Gerichtsverfahren blickt nur zurück. Sie fragt nach
Anspruchsgrundlagen und der „Schuld“ und versucht Recht zu sprechen, den
„Schuldigen“ zu verurteilen. Gerichte sind staatliche Behörden, die Entscheidung trifft
der unabhängige Richter im Namen des Volkes; die Entscheidungsgewalt wird auf
einen neutralen Dritten delegiert.
Die Mediation hat eine andere Blickrichtung. Sie blickt nach vorne, in die Zukunft.
Sie hat das Ziel, einer gemeinsamen Zukunft der Streitparteien.
Ein Gerichtsverfahren ist eine Entscheidung des Streitfalles, aber keine Lösung des
zu Grunde liegenden Konfliktes.
Öffentliche Gerichtsverfahren sind ggf. teuer (je nach Streitwert) und haben eine
lange Verfahrensdauer. Sie sind öffentlich, d.h. die gesamte Öffentlichkeit bekommt
den Streitfall mit (z.B. Markenhersteller streitet mit Zulieferer um Bedingungen).
Vorteil der Mediation könnte in diesem Fall sein: der zu Grunde liegende Konflikt wird
aufgeklärt und eine zukünftige Geschäftsbasis wird nicht gefährdet, sondern gerade
2. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
2
gestärkt und aufgebaut. Diese Aufklärung erfolgt selbstbestimmt und vertraulich, d. h.
die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Die Entscheidung wird mit Hilfe und die
Steuerung eines neutralen Dritten (des Mediators) selbstverantwortlich herbeigeführt.
Im Streit vor dem öffentlichen Gericht sind oft ein bis zwei Revisionen möglich.
Die erste Instanz entscheidet für A, die Zweite für B, die Dritte für A, die Höchste für
B und verweist das Verfahren zurück an die dritte Instanz.
Oft sind sehr langjährige Prozessdauern und sehr hohe Prozesskosten die Folge.
Eine Mediation ist vergleichsweise kostengünstig (es wird nur der tats. Aufwand
berechnet; Stundenhonorare variieren zw. 80 Euro/Std. und 300 Euro/Std. in der
Wirtschaftsmediation).
Ein Konflikt kann oftmals in etwa 10 Sitzungen, d. h. in etwa 10 Wochen gelöst
werden.
Zusammenfassend kann man hier die Vorteile der Mediation feststellen:
Vorteile der Mediation sind die geringe Dauer (Zeitvorteil), die geringen Kosten, die
Zukunftsfähigkeit (es gibt keinen Verlierer), die Vertraulichkeit, die Planungs-
sicherheit (da eine schnelle Lösung da ist) und die Selbstverantwortung der Streit-
parteien.
3. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
3
C. Vorteile der Mediation (auch in Zahlen)
„Der größte Mediationsfall, der in Deutschland bis jetzt gelöst wurde, hatte einen
Streitwert von 200 Mio. Euro. Wäre er vor Gericht ausgetragen worden, hätte das zu
Anwalts- und Gerichtskosten von 13 Mio. Euro geführt und der Prozess hätte
mindestens fünf Jahre gedauert. Der Mediator löste den Fall in zwei Tagen für
weniger als 50.000 Euro. Dies bedeutet eine Kosten- und Zeiteinsparung von über
99%!“ (Schweizer, Käsefall, 2009, S. 8)
Neben den Kosten für Rechtsanwälte und Gerichtsgebühren kommen weitere Kosten
z.B. „wegen Projektverzögerungen, ggf. Konventionalstrafe“ und „Umsatzeinbußen“
(Weidner, Kanzleiführung Professionell, 8/2005, S. 1.).
Ein weiterer Aspekt sind die Personalkosten, die in die Bewältigung von Konflikten
und Gerichtsverfahren fließen.
„Regelmäßig alle paar Jahre wird in den USA untersucht, wieviel Zeit Manager mit
Konflikten und deren Bewältigung zubringen. Die letzte mir bekannte Studie ist von
1996. Dabei kam heraus, dass Manager 42 v. H. ihrer Arbeitszeit mit Konfliktbewälti-
gung verbringen. Eine weitere Studie aus den USA untersuchte, wieviel Zeit die
Geschäftsführer der Fortune 500 Unternehmen (Ranking der Top 500 US-Firmen
nach Bruttoeinnahmen) mit Gerichtsprozessen zu tun haben. Es ist ein Fünftel ihrer
Zeit. Und das betrifft nur die Fälle, bei denen es zu einem Prozess kommt. Sicherlich
kann man hier einwenden, die USA sei, was Prozesse angeht, nicht mit Deutschland
vergleichbar. Nehmen wir dennoch einmal als Rechenbeispiel an, in Deutschland
würden Manager 20 v.H. ihrer Zeit mit Konflikten und deren Bewältigung zubringen.
Und nehmen wir mal der Einfachheit halber an, wir reden nur über das Mittelmanage-
ment. Die Gesamt-Personalkosten bewegen sich da zwischen 50 TEUR und 130
TEUR pro Person im mittleren Management pro Jahr. Wenn diese Manager 20 v.H.
ihrer Zeit für etwas aufwenden, das nicht direkt mit den eigenen Produkten oder
Dienstleistungen zu tun hat, dann bedeutet das im Jahr 10 bis 26 TEUR Verlust pro
Manager. Fragen Sie in dem Unternehmen, in dem Sie akquirieren wollen, wieviele
Mitarbeiter im mittleren Management tätig sind.“ (Weidner, 2005, S. 2)
Aktuelle Daten aus dem deutschsprachigen Raum liegen in der KPMG-
Konfliktkostenstudie 2009 (Teil I) vor:
4. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
4
„- 10 bis 15 Prozent der Arbeitszeit in jedem [Industrie-] Unternehmen werden für
Konfliktbewältigung verbraucht,
- 30 bis 50 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften werden direkt
oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten, oder Konfliktfolgen verbraucht,
- Fehlzeiten aufgrund betrieblicher Ängste und Mobbing am Arbeitsplatz belasten
Unternehmen jährlich mit ca. 30 Millionen Euro,
- Die Kosten pro Mobbingfall betragen im Durchschnitt 60.000 Euro,
- Fluktuationskosten, Abfindungszahlungen, Gesundheitskosten, aufgrund inner-
betrieblicher Konflikte belasten Unternehmen jährlich mit mehreren Milliarden Euro,
- Ein Prozent der Mitarbeiterkosten p. a. gehen für unbearbeitete Konflikte verloren,
- Ca. 25 Prozent des Umsatzes hängen von der Kommunikationsqualität ab“
(KPMG, Konfliktkostenstudie Teil I, 2009, S. 20)
Zur Information – inzwischen gibt es zwei für Deutschland zwei KPMG-
Konfliktkostenstudien und vier PwC-Konfliktmanagementstudien.
Beispiel:
KPMG hat auch einen sog. Konfliktkostenrechner entwickelt…
URL: http://www.konfliktkostenrechner.de/
Detaillierte Kalkulationen von Kosten einer Mediation sind für Unternehmen möglich
– die Mediation ohne Rechtsanwälte ist dabei im Vergleich zur Mediation mit
Rechtsanwälten, Schiedsgerichtsverfahren und ordentlichen Gerichten (1. und 2.
Instanz) mit Abstand am Günstigsten.
In einer gerichtlichen Streitbeilegung gibt es drei Lösungen:
Gewinnen, Verlieren, Vergleich.
Oft ist eine Revision vor einer höheren Gerichtsinstanz zugelassen und möglich.
Das führt zu weiteren Kosten. Verlierer sind auf der ganzen Linie auf der
Verliererseite. Das mag für den Rechtsstaat akzeptabel und „richtig“ sein, für die
beteiligten Menschen ist die Niederlage vor Gericht oft ein finanzielles und vor allem
5. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
5
emotionales Desaster. Mediationen können zu Konfliktlösungen im Einvernehmen
beitragen. Das bedeutet, dass die Konfliktparteien selbständig ihren eigenen Konflikt
durch gesteuerte Verhandlung lösen. Diese gemeinsame Lösung dient dem
Interessenausgleich und führt im Idealfall zu sog. Win-Win-Lösungen (Gewinner-
Gewinner-Lösungen), also zu Lösungen zu beiderseitigem Vorteil. Das kann v.a.
dann sinnvoll sein, wenn die Streitparteien weiterhin miteinander arbeiten und leben
müssen (z. B. Streit um Kinder, Streit auf dem Arbeitsplatz/Mobbing/Organisations-
konflikte, Streit mit dem Auftraggeber in der Wirtschaft, etc).
Auch der Informationsgewinn ist ein wichtiger Vorteil der Mediation. Dadurch, dass
Mediationsverfahren vertraulich sind und alle hinter den Positionen stehenden
Interessen aufgedeckt werden (müssen) erhalten die beteiligten Streitparteien viel
mehr Informationen, als im Gerichtsverfahren. Diese können für gemeinsame
Lösungen und die zukunftsfähige Zusammenarbeit genutzt werden.
Es hat schon Fälle gegeben, in denen sich aus Mediationen neue Ideen und
gemeinsame neue Projekte ergeben haben.
Ein weiterer Vorteil ist die Planungssicherheit (v.a. wichtig für Wirtschaftsunter-
nehmen). Neben dem großen Geschwindigkeitsvorteil im Gegensatz zum Gerichts-
verfahren kommt die Möglichkeit, auf Grundlage des erzielten Mediationsvertrags
sofort weiter zu planen und weiter zu arbeiten.
Der KPMG-Circle of Conflict in Unternehmen (als Argumentation für die
Wirtschaftsmedation)
7. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
7
D. Grenzen der Mediation
Es gibt tatsächlich Konflikte, die sich nicht für Mediationen eignen. Ein wichtiges
Prinzip der Mediation ist die Freiwilligkeit. Wenn jedoch eine Streitpartei in die
Mediation gezwungen wird, ist ggf. kein Einigungswille vorhanden, weswegen sich
eine solche Konstellation nicht zur Mediation eignet.
Natürlich gibt es Streitigkeiten in der Gesellschaft, die vor Gericht ausgetragen
werden müssen: eine Mordanklage muss vor dem Strafgericht entschieden werden,
denn eine Mediation (im Täter-Opfer-Ausgleich) hätte zunächst nicht die gesell-
schaftlich gewollte Bestrafung und abschreckende Wirkungen auf andere Menschen.
Ein Mediationsverfahren in einem Fall, der eine Normenkontrollklage vor dem
Bundesverfassungsgericht beinhaltet (mit der Frage, ob ein Gesetz
Verfassungswidrig ist), ist nicht vorstellbar.
Eine Kündigungsschutzklage muss sofort und fristgerecht beim Arbeitsgericht
abgegeben werden, damit die Kündigung nicht rechtswirksam ist.
Auch hier ist zunächst eine Mediation nicht ratsam – das kann sich ggf. im
Arbeitsgerichtsverfahren auf Anregung des Arbeitsgerichts ändern und anders
darstellen...
Wenn grundsätzliche Fragen berührt werden oder ein rechtlicher Titel erforderlich ist,
um einen Anspruch erfolgreich durchzusetzen und dieser Titel leicht zu erzielen ist
(die Rechtslage ist klar), dann scheint eine Mediation unsinnig.
Im Steuerrecht bin ich als Prozessvertreter der Verwaltung (auf Beklagtenseite) tätig.
Wir können uns daher häufig eine Mediation – auch auf Anregung des Gerichts –
nicht vorstellen. Dasselbe gilt für die Wirtschaftsbeteiligten auf Klägerseite.
Insofern sind folgende Fälle nicht für eine Mediation geeignet:
• „Entscheidungen reiner Rechtsfragen,
• Fälle von grundsätzlicher Bedeutung,
• Präzedenzentscheidungen für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle“
(Erlenmeyer/Hangebrauck/Heisig, 2008, S. 96), z. B. vor dem Bundesgerichtshof
(BGH), dem Bundesarbeitsgericht (BAG), dem Bundesfinanzhof (BFH), etc.
Ein weiteres Beispiel ist, dass Mediation nicht möglich ist, wenn großes Machtgefälle
vorliegt (Erlenmeyer/Hangebrauck/Heisig, 2008, S. 42) und die mächtige Partei ihre
8. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
8
Position nicht aufgeben will. Als Beispiel nenne ich einen Mitarbeiter eines
Unternehmens der einen Konflikt mit dem Vorstand des Unternehmens hat. Der
Vorstand des Unternehmens wird sich ggf. nicht auf die Mediation einlassen, wenn er
„auf Augenhöhe“ mit der anderen Konfliktpartei Lösungen suchen soll – er würde
seine Machtposition aufgeben.
Man kann sagen, wenn eine Partei große Chancen zum rechtlichen Erfolg vor
Gerichten hat, dürfte dieser Streitpartei eine Mediationslösung weniger nah sein, als
eine Partei, die geringe Chancen zum rechtlichen Erfolg vor Gericht hat. Daher ist die
Frage, ob ein Fall für die Mediation geeignet ist, einzelfallabhängig (Schlieffen in
Haft/Schlieffen, 2002, § 1, Rn. 18).
Eine Mediation ist in den folgenden Fällen nicht geeignet:
- Starkes Machtgefälle,
- Grundsatzfragen - höchstrichterliches Urteil wird benötigt,
- Eindeutige Entscheidung ist erforderlich,
- Rechtlich sind nur ja-nein-Lösungen möglich/Handlungsspielraum fehlt (Strafrecht:
schuldig oder nicht),
- Kündigungsrecht (außerordentliche Kündigung),
- Präzedenzfälle – viele gleichartige Fälle warten auf Entscheidung
9. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
9
Literaturhinweise
Mediationsgesetz vom 21.07.2012, BGBl. I 2012, S. 1577.
Altmann/Fiebinger/Müller, Mediation – Konfliktmanagement für moderne Unter-
nehmen, Weinheim/Basel, 3. Auflage 2005.
Bartscher, Stichwort Mediation in GABLER Wirtschaftslexikon, URL: http://wirt-
schaftslexikon.gabler.de/Archiv/58408/mediation-v5.html
Breidenbach, Mediation – Struktur, Chancen und Risiken von Vermittlungen im
Konflikt, Köln, 1995.
Breidenbach, Mediation für Juristen, Köln, 1997.
Breidenbach: Interview in Humboldt-Forum-Recht (HFR), 2000, Beitrag 2, URL:
http://www.humboldt-forum-recht.de/druckansicht/druckansicht.php?artikelid=25.
Dulabaum, Nina L.: Mediation – Das ABC, Weinheim/Basel, 5. Auflage 2009.
Duss-von Werdt, Einführung in die Mediation, Heidelberg, 2. Auflage, 2011.
Erlenmeyer/Hangebrauck/Heisig, Mediation, Altenberge, 2008.
Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept – Der Klassiker der Verhandlungstechnik,
Frankfurt am Main, 23. Auflage, 2009.
Flechsig/Ponschab/Schweizer, Grundlagen der Mediation (Teil 2), Unveröffentlichtes
Studienskript Mediation Kompakt, FernUniversität Hagen, 2006.
Haft, Verhandlung und Mediation – Die Alternative zum Rechtsstreit, München, 2.
Auflage 2000.
Montada/Kals, Mediation – ein Lehrbuch auf psychologischer Grundlage, Weinheim,
2001.
KPMG-Konfliktkostenstudie (Teil I), Die Kosten von Reibungsverlusten in Industrie-
unternehmen, 2009.
Ponschab/Schweizer, Die Streitzeit ist vorbei – Wie sie mit Wirtschaftsmediation
schnell, effizient & kostengünstig Konflikte lösen, Paderborn, 2004.
Ponschab/Schweizer, Kooperation statt Konfrontation – Neue Wege anwaltlichen
Verhandelns, Köln, 2. Auflage, 2009.
PwC-Konfliktmanagementstudien in Zusammenarbeit mit der Europa-Universität
Viadrina in Frankfurt (Oder), 2005, 2007, 2010, 2013.
Schlieffen/Haft (Hrsg.), Handbuch Mediation, München, 1. Auflage, 2002.
10. Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
10
Schlieffen/Haft (Hrsg.), Handbuch Mediation, München, 2. Auflage, 2008.
Schlieffen/Haft (Hrsg.), Handbuch Mediation, München, 3. Auflage, 2015 (in Vorbe-
reitung).
Schweizer (Adrian), Käse – ein Fall aus der Welt der zwischenbetrieblichen
Mediation, Unveröffentlichtes Studienskript Mediation Kompakt, FernUniversität
Hagen, 2009.
Weerth, Mediation (Kompakt): Die Bremer und ihre kreativen Stadtmusikanten. Eine
Einführung in die Mediation, München, 2012.
Weidner: Konfliktkosten im Unternehmen – Ihre Chance als Wirtschaftsmediator,
Kanzleiführung professionell, 8/2005, S. 1–5.