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Integration durch Sport
Integration durch Sport
Wir sind Stuttgart, ein Miteinan-
der von 170 Nationen. Rund
40 Prozent der Stuttgarterinnen und
Stuttgarter haben einen Migrations-
hintergrund, bei unseren Kindern ist es
fast jedes Zweite. Stuttgart – ein Mikro-
kosmos der Vereinten Nationen – profi-
tiert seit Jahrzehnten von der Einwan-
derung. Dies gilt für unser alltägliches
Leben miteinander, für die Kultur und
den Sport – und hier nicht nur für die
Profis. In allen Jugendmannschaften
spielen heute Kinder und Jugendliche
aus unterschiedlichsten Ländern.
Deshalb ist es mir wichtig, die Integra-
tion gerade durch den Sport zu fördern
und voranzubringen. Denn über alle
Grenzen hinweg sind zwei Sprachen
universal: die Musik und der Sport.
Beides begeistert Menschen,
verbindet sie und wird erst in der
Gemeinschaft richtig erlebbar. Daher
liegt es nahe, Musik und Sport für die
Integration zu nutzen. In Stuttgart tun
wir dies seit rund zehn Jahren ganz
konsequent. Vor allem das gemein-
same Sporterlebnis, sei es im Training,
im Erfolg oder auch in der Niederlage,
schweißt zusammen und schafft eine
Basis für die Verständigung.
Auch andere europäische Städte
machen diese Erfahrung, wie bei
unserem Kongress „Integration durch
Sport” am 22. und 23. Januar 2007 zu
hören war. Die fünf Werte Respekt,
Toleranz, Frieden, Solidarität und
Gerechtigkeit kann der Sport in beson-
derer Weise vermitteln. In diesem Sinne
verabschiedeten die Kongressteilnehmer
ein Manifest, das in dieser Broschüre
abgedruckt ist.
Eine Stadt hat nur dann eine gute
Zukunft, wenn sich alle Bürgerinnen
und Bürger mit ihr identifizieren, wenn
sie – unabhängig von ihrer Herkunft –
sagen: „Ich bin Stuttgarterin bzw.
Stuttgarter.“ Dabei sind weder die
Farbe der Haut noch der Pass aus-
schlaggebend, sondern die Frage, wie
32
Inhalt
Einführung
von Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster 3
Manifest
Integration durch Sport 5
Sprung aufs Gymnasium
Ringen kombiniert mit Sprachtraining
speziell für Aussiedler 15
Sport und Lebensberatung
Rosensteinschule: Sport-AG
als Teil eines Gesamtkonzeptes 19
Hier zählt nicht die Leistung
Gemeinschaftserlebnis Sport: Fußball im Hallschlag 23
Der Trainer lernt mit
Sambo-Training beim SV Gold Blau Stuttgart e.V. 27
Georgios mag keine Schimpfwörter
Bei der Kinder-Fußball-Akademie ist
gutes Benehmen wichtig 31
Internationale Sprache Ballett
In Weilimdorf ist der Unterricht für fast alle
erschwinglich 35
Jeder muss mal pfeifen
„Die kleinen Zidanes“: Im Jugendhaus Anna steigt
jeden Freitag ein Fußballturnier 39
Vertrauen lernen
Ameisenbergschule:
Kletterprojekt verbessert das Schulklima 43
Auch die Polizei kickt mit
Einmal nachts Fußball spielen:
Neugereut macht’s möglich 47
Nachtschicht am Korb
Streetball – rasanter und lauter als Basketball 51
Durchbruch dank „La musica“
„Bewegter Kindergarten“ verbindet
Musik und Tanz, Bewegung und Spaß 55
Sportlichen Horizont erweitern
Sport-Spektrum: alle zwei Wochen
eine neue Sportart 59
Siegen durch Nachgeben
Eine ganze Klasse lernt in einem halben Jahr
gegenseitigen Respekt 63
Kicken auf dem Schulhof
Schülermentoren als Vorbilder für die Jüngeren 67
Schule der Sportelite
Schickhardt-Gymnasium: Hier ist es schwer,
herausragend zu sein 71
Einführung
von Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster
4
sehr jeder Einzelne in diese Gemein-
schaft eingebunden ist und sich zuge-
hörig fühlt. Im „Stuttgarter Bündnis für
Integration“ bekennen sich alle Grup-
pen, die sich aktiv in unsere Stadtgesell-
schaft einbringen, zu diesem Prozess
der Integration und sehen ihn als Auf-
gabe für alle. Integration durch Sport ist
ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit.
Diese Broschüre zeigt an 15 Beispielen,
wie Integration durch Sport gelingen
kann. Es sind Bürgerinnen und Bürger,
die diese Projekte durch persönliches
Engagement tragen und das freund-
schaftliche Miteinander über ethnische
Grenzen hinweg gestalten.
Die Beispiele zeigen aber auch, dass es
in der Regel nicht allzu schwierig ist,
durch Sport zueinander zu finden.
Seien es die übergewichtigen Jugendli-
chen, die dank einer Sport-AG nicht
nur Freude an der Bewegung erleben,
sondern auch Freundschaften knüpfen,
oder die Kindergartenkinder, die durch
gemeinsames Singen die deutsche
Sprache lernen und sich nun auch
trauen, mit anderen herumzutollen.
Mein Dank gilt allen, die sich dafür ein-
setzen, dass Integration durch Sport
gelingt. Die hohe Lebensqualität, die
niedrige Kriminalitätsrate und vor allem
die außerordentlich große Zufriedenheit
der Bürgerinnen und Bürger sind positi-
ve Ergebnisse dieses Wirkens. Daher
bitte ich alle, die sich im Sport engagie-
ren, weiterzumachen, zum Wohle für
uns alle und für eine gute Zukunft
unserer Stadt.
Wer mit Menschen spricht, die sich
engagieren, spürt, wie sie in ihrer Ar-
beit Erfüllung und Bestätigung finden;
dies ist zugleich eine Ermutigung für
uns alle. Deshalb würde ich mich freu-
en, wenn diese Broschüre Sportvereine
und Schulen anregen würde, sich an
den Beispielen zu orientieren und wei-
tere Projekte ins Leben zu rufen. Neue
Ideen sind immer willkommen. Ich
freue mich auf das weitere Miteinander.
Manifest
Integration durch Sport
Für ein aktives Miteinander in unseren Städten
Am 22. und 23. Januar 2007 fand im Stutt-
garter Rathaus der Kongress „Integration
durch Sport” statt. 350 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer aus Deutschland und ganz
Europa tauschten Erfahrungen aus und
informierten sich über Stuttgarter Projekte.
Zum Abschluss verabschiedete Oberbürger-
meister Dr. Wolfgang Schuster gemeinsam
mit ihnen das Stuttgarter Manifest zur
„Integration von Migrantinnen und
Migranten durch Sport in den Kommunen
Europas”. Hier der Wortlaut:
Dr. Wolfgang Schuster
Oberbürgermeister der Landes-
hauptstadt Stuttgart
Einleitung
In unserer Stadtgemeinschaft erleben
wir täglich einen vielfältigen Verände-
rungsprozess, der im Wesentlichen
Folge von vier Herausforderungen ist:
■ der Globalisierung
■ dem demographischen Wandel
■ den technischen Entwicklungen
■ dem Wertewandel.
1. Die Globalisierung verändert
unser berufliches Leben, unseren
Alltag und unsere Bevölkerungs-
struktur. Globalisierung öffnet Gren-
zen, nicht nur für Waren, Dienst-
leistungen, Finanzen und Informatio-
nen, sondern auch für Menschen
aus aller Welt. Deshalb wird die
Bevölkerung unserer Städte immer
internationaler.
Wir sind deshalb gefordert, die zu
uns Kommenden in unsere Stadtge-
sellschaften zu integrieren und ihnen
zugleich faire Chancen in unserer
Gesellschaft zu eröffnen. Damit das
Miteinander der Nationen gelingt,
bedarf es vielfältiger gemeinsamer
Anstrengungen gerade auch durch
den Sport.
2. Der demographische Wandel
bedeutet für uns alle die Chance,
immer älter zu werden und dabei
immer länger gesund und fit zu blei-
ben; zugleich werden aber immer
weniger Kinder geboren.
Der demographische Wandel verän-
dert unter anderem die Nachfrage
nach Dienstleistungen gerade auch
im Sport. Die wachsende Zahl der
„jungen Alten“ möchte möglichst
lang ein selbst bestimmtes Leben
führen. Zugleich gilt es, auch ange-
sichts der kleiner werdenden Zahl
von Kindern, jedem Kind eine Förde-
rung und Bildung zuteil werden zu
lassen, die ihm faire Zukunftschan-
cen eröffnen.
Unsere Städte müssen daher für
unsere Kinder Freiräume zum Spie-
len und zum Sport anbieten. Her-
kömmliche Formen des Sports wie
neue Formen der Bewegungskultur
sollen die Gesundheit von Jung und
Alt fördern. Zugleich kann der Sport
vielfältige Wege des Miteinanders
der Generationen eröffnen.
3. Die technischen Entwicklungen
beschleunigen das berufliche wie
private Leben und führen zu einem
wachsenden Medienkonsum. Immer
neue Medientechniken eröffnen für
jeden eine immer größere Flut an
Informationen, Unterhaltung, Spielen,
Filmen und vernetzten Kommunikati-
onsmöglichkeiten. Dies führt zu viel-
fältigen Verhaltensveränderungen, vor
allem bei Kindern und Jugendlichen.
Das tägliche stundenlange Nutzen
dieser Medien führt häufig zu Kon-
zentrationsstörungen, Haltungsschä-
den, Passivität und Aggressivität
sowie zu sozialer Vereinsamung. Um
Kinder und Jugendliche weg vom
Fernseher und Computer zu bringen,
bedarf es Sportangebote, die zu
Gemeinschaftserlebnissen werden.
Zur Überwindung der Anonymität
und der Vereinsamung vor dem
Fernseher bedarf es aber auch
wohnortnaher Angebote für ältere
Mitbürgerinnen und Mitbürger zum
gemeinsamen aktiven Älterwerden.
Zugleich können solche Sportange-
bote auch Möglichkeiten für ein Mit-
einander von Jung und Alt eröffnen.
6
4. Der Wertewandel unserer
Gesellschaft führt zu einer immer
größeren Vielfalt der Lebensformen.
Wir erleben eine stärkere Individuali-
sierung mit der Folge, dass sich
immer weniger Menschen langfristig
binden wollen.
Dies betrifft nicht nur Ehe und Fami-
lie, sondern auch gemeinnützige
Organisationen wie Sportvereine.
Viele spinnen sich in ihre eigenen
Interessenssphären ein und leben in
„ihrer“ Welt. Mehr als die Hälfte der
Haushalte in großen Städten sind
inzwischen „Singlehaushalte“. Voll-
ständige Familien mit Kindern sind zu
einer kleinen Minderheit geworden.
Doch individuelle Freiheit und soziale
Verantwortung gehören zusammen.
Zu diesem solidarischen Miteinander
gerade auch gegenüber Schwäche-
ren in unserer Gesellschaft, den
Behinderten, den Kindern und den
alten Menschen, kann der Sport
einen wesentlichen Beitrag leisten.
Dies vor allem dann, wenn die
Menschen ihre persönliche Freiheit
für ein freiwilliges ehrenamtliches
Engagement für das soziale und
sportliche Miteinander in unseren
Vereinen nutzen.
7
Bei der Eröffnung des Kongresses begei-
sterten die „Footwork Pioneers“ die Teil-
nehmer und Gäste, darunter (vorne von
rechts) Dr. Thomas Bach (Präsident des
Deutschen Olympischen Sportbundes
und Vizepräsident des Internationalen
Olympischen Komitees), Ministerpräsi-
dent Günther H. Oettinger, Oberbürger-
meister Dr. Wolfgang Schuster,
Dr. Wolfgang Schäuble (Bundesminister
des Innern der Bundesrepublik Deutsch-
land) und Ulrich Bohner (Generalsekretär
des Kongresses der Gemeinden und
Regionen Europas beim Europarat in
Straßburg.
8
Ziele
Wir verstehen unsere Städte als
Kommunen, als Gemeinschaften von
Älteren und Jüngeren, von Gesun-
den und Kranken, von Behinderten
und nicht Behinderten, von Men-
schen mit ausländischem oder inlän-
dischem Pass. Auch wenn unsere
Stadtgesellschaften immer interna-
tionaler, multikultureller, älter, indivi-
dueller und medial vernetzter wer-
den, so bleibt es unser Ziel, dass sich
unsere Städte als Kommunen, als
Gemeinschaften entwickeln.
Deshalb brauchen wir mehr denn je
das gelebte Miteinander der Genera-
tionen und der Nationen. Dazu kann
Sport wesentlich beitragen. Denn
Sport kann Werte vermitteln, die für
unser Zusammenleben zwingend
notwendig sind.
„Wie die Musik ist der Sport etwas
Universelles, das ungeachtet aller
sozialen, ethnischen und religiösen
Unterschiede global verstanden
wird. Nicht der Sport, sondern auch
seine Werte sind universell.“ (IOC-
Präsident Dr. Jacques Rogge). So wie
die olympischen Ringe miteinander
verbunden sind, so sind auch die fünf
Werte miteinander verbunden, die
der Sport in besonderer Weise vermit-
teln kann: Respekt, Toleranz, Frieden,
Solidarität und Gerechtigkeit.
Diese Werte sind für die Integration
in unseren Stadtgesellschaften von
zentraler Bedeutung. Die Vermittlung
dieser Werte gerade bei Kindern und
Jugendlichen gelingt nicht dadurch,
dass sie Werte abstrakt und isoliert
lernen, sondern im gemeinsamen
Erleben und Handeln konkret erfah-
ren werden. Sport kann diese Werte
in vielfältiger Weise erlebbar machen.
1. Respekt
Die Achtung vor dem anderen, vor
seiner Person, seinem Einsatz, sei-
nem Können, seinen Leistungen
erleichtert zugleich die Achtung vor
sich selbst.
Die Vielfalt der Sportarten, die Diffe-
renzierung nach Alter, nach Behinde-
rung und Nicht-Behinderung ermög-
licht jedem, dem anderen gegenüber
für seinen Einsatz Respekt zu zollen –
unabhängig vom Passport und vom
sozialen Status – entsprechend dem
Motto von Pierre Baron de Coubertin:
„Das Wichtigste ist nicht das Gewin-
nen, sondern das Teilnehmen, nicht
der Sieg, sondern das Erreichte.“
Der gegenseitige Respekt gilt den
Leistungen der anderen; Respekt ist
aber auch wichtig für sich selbst. So
erwächst die Selbstachtung z.B. aus
der Eigendisziplin und die Eigenver-
antwortung z.B. aus der Förderung
der eigenen Gesundheit durch Sport.
Sport trägt deshalb zu einer Kultur
der Achtung des anderen und der
Eigenverantwortung bei.
2. Toleranz
Die Vielschichtigkeit der Lebensstile
und der Wertvorstellungen verschie-
dener Nationalitäten, die Verände-
rungsdynamik, die zu Anpassungs-
und Leistungsdruck führt, können zu
einer Aversion und Abwehrhaltung
gegenüber anderen, dem Anders-
sein und dem Fremden führen. Das
gemeinsame Sporterlebnis verbindet
nicht nur Menschen verschiedener
sozialer und nationaler Herkunft,
sondern hilft auch beim Abbau von
Vorurteilen gegenüber Fremden.
Dies erleichtert die Achtung gegen-
über dem anderen, seiner unter-
schiedlichen Lebens- und Kulturge-
schichte, seinen anderen Erfahrun-
gen und Lebensweisen. Das gesell-
schaftliche wie sportliche Leben in
unseren Sportvereinen erleichtert
das gegenseitige Verstehen.
Sport trägt deshalb zu einer Kultur
des Verständnisses von Fremden und
der Akzeptanz vom Anderssein bei.
3. Frieden
Nicht zuletzt durch die tausendfa-
chen medialen „Vorbilder“, in denen
Aggression und Gewalt gezeigt wer-
den, neigen Jugendliche dazu, Kon-
flikte durch Gewalt zu lösen. Sport
ist eine hervorragende Möglichkeit,
durch Bewegung mögliche Aggressi-
vität abzubauen. Zugleich ist der
sportliche Wettkampf ein wichtiges
Beispiel dafür, dass das andere Team
nicht der böse Feind, sondern der
faire Gegner ist, dem man in einem
mit klaren Regeln versehenen Wett-
streit begegnet. Da die Spieler aus
verschiedenen Nationen und sozia-
len Verhältnissen kommen, tragen
Mannschaftsspiele zum friedlichen
sozialen Miteinander bei.
Sport trägt deshalb zu einer Kultur
des sozialen Friedens und des friedli-
chen Miteinanders bei.
4. Solidarität
Vor allem Mannschaftssportarten
schaffen einen Teamgeist über alle
gesellschaftlichen Schichten und
Nationalitäten hinweg. Dieses
Gemeinschaftserlebnis ist zugleich
eine wichtige Antwort auf das sich
Einspinnen in eigene Interessen und
die Vereinsamung vor den Medien.
Das gemeinschaftliche Ringen um den
Sieg, die gemeinschaftliche Anstren-
gung zur Erreichung eines Zieles för-
dert den Teamgeist und das Verant-
wortungsbewusstsein für andere.
Sport trägt deshalb zu einer Kultur
des gegenseitigen Helfens und Ver-
trauens bei.
9
1110
5. Gerechtigkeit
Das Einhalten von gemeinsamen
Regeln ist zwingende Voraussetzung
für ein gerechtes, friedliches Mitein-
ander. Zu den Grundregeln gehört
auch die Gleichheit; d. h. die Gleich-
behandlung bei der Einhaltung von
Regeln sowie das gleiche Recht auf
Teilhabe am Sport – unabhängig
vom sozialen Status und der Natio-
nalität.
Weil die Spielregeln für alle gelten,
ist die Teilhabe-Gerechtigkeit
zugleich eine Absage an Ausgren-
zung und Diskriminierung.
Sport trägt deshalb zu einer Kultur
des Fairplay und der sozialen Teilha-
be aller bei.
Aufgaben
Sport kann und soll Heimat für alle
bieten. Deshalb ist es wichtig, dass
die Verantwortlichen in Politik,
Gesellschaft und in den Sportorgani-
sationen die integrative Funktion
des Sports nachhaltig unterstützen.
1. Entsprechend dem Grundsatz der
Subsidiarität sollen deshalb nicht der
Staat und die Kommune direkt, son-
dern vor allem die gemeinnützigen
Sportorganisationen und Sportverei-
ne in ihrer Arbeit unterstützt wer-
den. Sie sind wesentlich von bürger-
schaftlichem Engagement getragen.
Im Verein können ganzheitliche
Angebote umgesetzt werden, die
werteorientiert sind. Aber auch in
unseren Kindergärten, Schulen,
Betrieben, Jugendvereinen und
Generationenhäusern kann durch
Sport für die Integration Wichtiges
geleistet werden.
2. Die Städte sind deshalb gefordert,
die Sportvereine und andere
gemeinnützige Sportanbieter in ihrer
Arbeit zu unterstützen, vor allem
auch durch das zur Verfügungstellen
von Sportinfrastruktur, besonders
von Sporthallen, Sportplätzen,
Schwimmbädern sowie durch
öffentliche Bewegungsräume, z. B.
Schulhöfe, Bolzplätze, Joggingpfa-
de, Wanderwege, etc.
Öffentliche Zuschüsse sind auch not-
wendig, damit es gelingt Sportange-
bote sowohl von der sportfachlichen
wie sozialen Seite qualitätvoll zu
gestalten und eine Vielzahl von
Sportarten und Bewegungsformen
nachfrageorientiert zu berücksichti-
gen. Dazu gehören differenzierte
altersgerechte, wohnortnahe Ange-
bote für den Breitensport, vor allem
den Gesundheits-, Freizeit- und Erleb-
nissport ebenso wie differenzierte
Angebote für den Leistungssport bis
hin zum Spitzensport.
3. Die Integration durch Sport bleibt
ein dynamisch lernender Prozess, bei
dem Sportverbände und Sportverei-
ne ebenso wie die Politik, vor allem
die Städte aufgerufen sind, zu einer
zukunftsorientierten Sportentwick-
lung beizutragen. Dies auch ange-
sichts der sich verändernden Frei-
zeitgewohnheiten und neuer Trend-
sportarten wie einer wachsenden
Professionalisierung und Kommer-
zialisierung des Sports.
Damit Integration durch Sport
gelingt, darf Sport nicht als isoliertes
gesellschaftliches Subsystem, son-
dern als integraler Bestandteil der
Entwicklung unserer Stadtgesell-
schaft verstanden werden. Umso
wichtiger wird es künftig sein,
neben der Weiterentwicklung der
Infrastruktur und finanziellen Förde-
rung des Sports, den Erfahrungsaus-
tausch zu intensivieren, durch best
practice-Beispiele voneinander zu
lernen und immer wieder neue
Wege zu finden, damit ein aktives
Miteinander in unseren Städten und
damit Integration gelebt wird.
15 gute Beispiele,
wie Integration durch Sport in
Stuttgart gelebt wird
12
Sprung aufs Gymnasium
Ringen kombiniert mit Sprachtraining
speziell für Aussiedler
Der Kraftsportverein Stuttgart
1895 hat unter seinen Ringern
viele Spätaussiedler. Gerade die
Integration der Kinder sollte ver-
bessert werden, indem Sporttrai-
ning mit Sprachkursen und Nach-
hilfe verbunden wird. Bei Kiril
Dieser, der aus Kirgisistan nach
Deutschland kam, hat es funktio-
niert. In der Zwischenzeit geht er
aufs Gymnasium.
14
Kontakt
1716
Ohne die Unterstützung von Adolf Rager (rechts), dem Vorsitzenden des Kraftsportvereins 1895, hätte Kiril
Dieser (links) den Sprachkurs kaum erfolgreich beenden können.
Kraftsportverein 1895
Stuttgart e.V.
Adolf Rager
Teufelswiesen 1
70569 Stuttgart
Telefon 0711/68 41 19
www.kv95.de
Als die Aufnahmeprüfung fürs
Gymnasium geschafft war, kam
Kiril Dieser freudestrahlend zu Adolf
Rager, dem Vorsitzenden des Kraft-
sportvereins 1895: „Ohne den
Sprachkurs hätte ich das nie
geschafft!“ 1999 ist der blonde Junge
mit seinen Eltern aus Kirgisistan nach
Deutschland gekommen; fünfeinhalb
Jahre war er damals alt. Sein Vater
gehörte dort zur deutschen Minder-
heit, seine Mutter ist Russin. Kiril
konnte Russisch gut verstehen, auch
etwas sprechen, aber sein Deutsch
war besser. Allerdings haperte es mit
der Rechtschreibung. In der Schule
führte das schnell zu Schwierigkeiten.
Anfangs war die Familie in der Stö-
ckachstraße im Stuttgarter Osten
untergebracht. Der sportliche Junge
kam über einen Freund zum Ringen,
ging zum KV 95 und lernte den Sport
von der Pike auf. Zweimal in der
Woche war er fleißig dabei. Als die
Familie 2001 nach Neugereut zog,
wurde es schwierig. Wie sollte Kiril
von dort zum Dachswald nach Vaihin-
gen, seinem Trainingsort, kommen?
Anfangs brachte ihn seine Mutter hin
und holte ihn wieder ab.
Als an der Waldburgschule in Stutt-
gart-Rohr ein spezieller Kurs für Aus-
siedler angeboten wurde, der Ringer-
training mit einem Sprachkurs und
Nachhilfestunden kombinierte, war
Kiril dabei. Bezahlt wurden die Kurse
aus dem städtischen Projektmittel-
fonds „Zukunft der Jugend“ und
organisiert vom Kraftsportverein
sowie der Sportkreisjugend. Jeden
Freitag von 16.30 bis 18 Uhr wurde
gepaukt, von 18 bis 19.30 Uhr gerun-
gen. Der Sprachkurs half Kiril, die
deutsche Rechtschreibung zu verbes-
sern.
Doch dann fand Kirils Mutter eine
Arbeitsstelle in der Stadtmitte und
konnte den Jungen nicht mehr zu sei-
nem Training bringen. So musste der
Zehnjährige spätabends allein noch
lange mit der Stadtbahn unterwegs
sein. Seiner Mutter war das nicht
recht. Nun schlug die Stunde Adolf
Ragers. Er wollte dem vielverspre-
chenden Ringernachwuchs helfen:
Ein halbes Jahr lang fuhr er Kiril jeden
Freitag vom Stuttgarter Süden nach
Neugereut. „Ich tu das alles nur für
den Sport“, betont er, denn eigentlich
hat er es nicht so gern, wenn Aufhe-
bens um sein Engagement gemacht
wird.
Halten konnte er den Jungen letztend-
lich nicht. Nachdem Ende 2005 das
Projekt mit dem Sprachkurs auslief,
hörte Kiril mit dem Ringen auf. Heute
spielt er beim TSV Steinhaldenfeld Fuß-
ball – der Sportplatz liegt einen Stein-
wurf von seinem Zuhause entfernt.
Inzwischen geht er aufs Gymnasium, in
die siebte Klasse der Jörg-Ratgeb-Schu-
le. Er muss viel lernen, und das acht-
jährige Abitur führt dazu, dass nicht
mehr viel Freizeit bleibt.
Adolf Rager hat auch weiterhin mit
Spätaussiedlern aus Russland zu tun,
denn die meisten seiner Ringer stam-
men aus der ehemaligen Sowjetuni-
on. Die Männermannschaft des KV 95
hat zum zweiten Mal hintereinander
den Aufstieg geschafft; in der nächs-
ten Saison geht es in der Verbandsliga
weiter.
Der KV 95 ist in Stuttgart der einzige
Stützpunktverein der Initiative „Inte-
gration durch Sport“ des Deutschen
Olympischen Sportbundes. Er
bekommt einen Zuschuss, dafür
unterstützt er die etwa 30 Teilnehmer
des Programms bei der Suche nach
einer Lehrstelle oder einem Praktikum.
Sport und Lebensberatung
Rosensteinschule: Sport-AG als Teil
eines Gesamtkonzeptes
Mal wird Sport getrieben, mal
gekocht und manchmal auch nur
geredet. Bei „Fit for Fun“ in der
Rosensteinschule ist nicht die
Leistung das Entscheidende.
Die Mädchen aus der siebten bis
neunten Klasse genießen es viel-
mehr, einmal die Woche in einer
festen Gruppe unter sich zu sein.
18
Kontakt
Unter der Bezeichnung „XXL“
Mädchen zu finden, die in einer
Sport-AG mitmachen, war schwierig
und erst der Namenswechsel in „Fit
for Fun“ brachte eine Gruppe zusam-
men. Bei den Jungs hatte das gleich
geklappt. Der Gedanke an der Rosen-
steinschule, einer Grund- und Haupt-
schule mit Ganztagesbetrieb, war,
gerade diejenigen zu mehr Sport zu
ermuntern, die sich sonst wenig
bewegen oder die Probleme mit
ihrem Körpergewicht haben.
In der Zwischenzeit treffen sich einmal
die Woche etwa zehn Mädchen aus
der siebten bis neunten Klasse. Neben
der Sportlehrerin ist auch eine Sozial-
arbeiterin dabei, die der Gruppe
zusätzlichen Halt gibt. Bei ihr können
die Mädchen auch mal ihr Herz aus-
schütten, beispielsweise wenn es Pro-
bleme mit der Schule oder daheim
gibt. Oft wird ein Treffen genutzt, um
einfach zu reden. Gemeinsames
Kochen steht ebenfalls hoch im Kurs.
„Sie wissen nicht unbedingt, was
gesund ist“, sagt die Sportlehrerin
Jenny Holland. Die Mädchen sollen
lernen, sich bewusster zu ernähren
und beispielsweise herausfinden,
wann sie zu Süßigkeiten greifen.
Dabei stellen sie fest: Häufig naschen
sie aus reiner Langeweile oder weil sie
Sorgen haben.
Im Schnitt wird jede zweite Woche
Sport getrieben – mal Volleyball bei
lauter Musik, Seilhüpfen oder Boden-
turnen mit Bändern. Den Mädchen
gefällt’s. Sie sind mit Begeisterung
dabei und gehen ausgesprochen
freundschaftlich miteinander um. Die
AG ist ihnen wichtig. Die Bewegung
führt vor allem bei denen, die sonst
wenig tun, zu einem positiveren Kör-
pergefühl.
Die Sport-AG der Jungs blieb bei
ihrem Namen „XXL“. „Dort haben
sich eher die Außenseiter gefunden“,
sagt Jenny Holland, „aber in der Zwi-
schenzeit bilden die Jungs eine feste
Clique.“
Die Programme „XXL“ und „Fit for
Fun“ der Rosensteinschule gehören zu
einem umfassenden pädagogischen
21
Rosensteinschule
Ingrid Macher
Nordbahnhofstraße 120
70191 Stuttgart
Telefon 0711/25 60 461
www.rosensteinschule.de
20
Ob dick oder dünn – bei „Fit for Fun“ in der Rosensteinschule steht der gemeinsame Spaß im Vordergrund.
Einmal in der Woche treffen sich die Mädchen mit einer Lehrerin und einer Sozialarbeiterin.
Konzept. Die meisten der Schülerin-
nen und Schüler haben einen Migrati-
onshintergrund, auf körperliche
Bewegung und vernünftige Ernäh-
rung achten viele Eltern nicht. Des-
halb will man sie einbinden, lässt zum
Beispiel an Elternabenden Kinderärzte
und Ernährungsberater Tipps geben.
Das Konzept der „sozialwirksamen
Schule“ sieht einen klaren Verhaltens-
kodex vor. Wer gegen ihn verstößt,
muss mit einer Strafe rechnen, aber
die ist in den Regeln klar festgelegt,
die Einhaltung wird konsequent
beachtet. Höflichkeit und gute
Umgangsformen sind an der Rosen-
steinschule wichtig.
Eine besondere Anerkennung erhielt
die Schule kürzlich mit dem Sonder-
preis „Die gute Idee“ der Alfred-
Toepfer-Stiftung. Prämiert wurde das
Projekt „Freunde schaffen Erfolg“.
Ehemalige Schüler der Rosenstein-
schule mit Migrationshintergrund, die
in der Zwischenzeit erfolgreich im
Beruf stehen, kümmern sich über
zweieinhalb Jahre um die Schüler, die
kurz vor ihrem Abschluss sind.
Hier zählt nicht die Leistung
Gemeinschaftserlebnis Sport: Fußball im Hallschlag
In der Altenburgschule im Hallschlag
können Schüler jeden Freitag in
einem lockeren Rahmen und mit der
immer gleichen Bezugsperson Fuß-
ball spielen. Ältere helfen Jüngeren,
die Kinder sollen lernen, miteinan-
der friedlich umzugehen.
22
Kontakt
Das Fußballangebot an der Alten-
burgschule ist kein Leistungs-
sport. Sein Leiter Thomas Krombacher
sagt, dass einige der Schüler, die bei
ihm spielen, sicher in keinem Fußball-
verein unterkommen würden – ihrer
Leistung wegen. Doch Ehrgeiz ist vor-
handen, und so rennen die Fünft- und
Sechstklässler wie wild dem Ball hin-
terher. Gewinnen ist angesagt, es gibt
schöne Szenen und vor allem werden
alle eingebunden – auch die Unsport-
lichen. Und als der Kleinste mit einer
spektakulären Aktion ein Tor erzielt,
nehmen ihn die Größeren in den Arm;
sie wissen, was sie an ihm haben.
Lange habe es gedauert, aber nun
organisiere sich die Gruppe ziemlich
selbstständig, sagt ihr Spielleiter
Krombacher. Die Mitspieler einer
Mannschaft seien jedes Mal schnell
gefunden, und auch der Aufbau klap-
pe reibungslos.
Das Programm „Gemeinschaftserleb-
nis Sport“ initiierten die Stadt Stutt-
gart und der Sportkreis Stuttgart in
ausgewählten Stadtbezirken für Kin-
der und Jugendliche, die nichts mit
ihrer Freizeit anzufangen wissen. In
der Altenburgschule – einer Haupt-
schule – können Kinder jeden Freitag
von 13.30 bis 15 Uhr kicken und so
„angstfrei Sport treiben“, so Kromba-
cher. Wichtig sei dabei, dass eine
feste Ansprechperson das Angebot
leite und die Gruppe einigermaßen
überschaubar bleibe.
Da es relativ früh am Nachmittag
stattfinde, seien die meisten Fußballer
Schüler der Altenburgschule. Dass
andere Kinder mitspielen, komme nur
sporadisch vor. Krombacher legt Wert
darauf, dass die Kinder das Spiel
selbst gestalten und selbst regulieren:
„Viele der Kinder kennen keine nor-
malen Verhaltensregeln. Das beginnt
schon mit dem Begrüßen.“
Ein Ziel ist, die Jugendlichen zusam-
menzubringen, unabhängig von der
sozialen Herkunft, ob mit Migrations-
hintergrund oder ohne. Zwar gebe es,
laut Krombacher, wegen der Nationa-
lität im Normalfall keinen Streit, Span-
nungen seien aber zu spüren, und bei
25
Gemeinschaftserlebnis
Sport
Thomas Krombacher
Fritz-Walter-Weg 19
70372 Stuttgart
Telefon 0711/2 80 77-657
www.gemeinschaftserlebnis-
sport.de
24
Schuss ... und Tor! Wenn der Kleinste im Team trifft, ist das immer etwas Besonderes. So wird man auch von
den Älteren schnell akzeptiert.
Auseinandersetzungen spiele die Her-
kunft eine Rolle. Krombacher: „Dann
ziehen die Türken die Griechen auf,
Osteuropäer und Aussiedler streiten
sich mit Schwaben.“ In der aktuellen
Mannschaft spielen 16 Jungen aus
zehn verschiedenen Ländern mit.
Da im Hallschlag auch viele sozial
schwache Familien leben, kommt die-
ses Sportprojekt gerade auch den
Jugendlichen zugute, deren Familie
sich keinen Vereinsbeitrag leisten wol-
len oder können. Für viele ist es die
einzige Gelegenheit, außerhalb der
Schule Sport zu treiben. Der Zugang
fällt leicht, weil das Angebot in der
vertrauten Schulturnhalle läuft. Die
Betreuung setzt dabei nicht nur auf
den Sport, sondern will auch „Team-
fähigkeit, Selbstbewusstsein, Fairness
und soziale Kompetenz verbessern“,
so Thomas Krombacher.
Der Trainer lernt mit
Sambo-Training beim SV Gold Blau Stuttgart e.V.
In der Vergangenheit blieben Spät-
aussiedler in ihren Vereinen oft
unter sich. Aber das hat sich geän-
dert: Da Sportarten wie der Kampf-
sport Sambo immer mehr Menschen
anziehen, die kein Russisch können,
setzt sich langsam Deutsch als
Umgangssprache durch. So profitie-
ren alle, selbst die Trainer, die von
ihren Schülern lernen können.
26
Kontakt
Sambo stammt ursprünglich aus der
Sowjetunion – Samosaschtschita
Bes Orushia ist die Langform und das
bedeutet: Selbstschutz ohne Waffen.
Erst seit in den neunziger Jahren viele
Spätaussiedler nach Deutschland ka-
men, etabliert sich dieser Kampfsport
auch hier. Die Rote Armee entwickelte
ihn als Nahkampfstil, der SV Gold Blau
trainiert die Wettkampfform, das heißt,
alle Schläge und Tritte fallen weg. Tech-
nisch ähnelt Sambo Judo und Ringen,
die Regeln jedoch unterscheiden sich.
Der SV Gold Blau ist der Sportverein
der Deutschen Jugend aus Russland. In
den Trainingsräumen in einem Feuer-
bacher Gewerbegebiet wird vor allem
Russisch gesprochen – oder Deutsch
mit starkem Akzent. Boriss Malkin,
amtierender Deutscher Sambo-Meister,
gibt beim Training für die Kinder seine
Anweisungen und Tipps auf Russisch.
Die Kleinen können ihn verstehen; sie
beherrschen beide Sprachen gut. Sie
üben Würfe und Beinhebel, die im
Gegensatz zu Judo erlaubt sind. Fällt
jemand, geht es im Bodenkampf wei-
ter.
So sehr Boriss Malkin körperlich
beeindruckt, fühlt er sich doch merk-
lich unsicher, wenn er Deutsch spre-
chen muss. Doch beim Training der
Erwachsenen bleibt ihm gar nichts
anderes übrig, als sich auf die fremde
Sprache einzulassen. Nach und nach
stießen immer mehr Leute zu der
Mannschaft, die kein Russisch ver-
standen. Sie bescheinigen Malkin
heute, dass sich sein Deutsch deutlich
29
Deutsche Jugend aus
Russland e.V.
Ernst Strohmeier
Landhausstraße 5
70182 Stuttgart
Telefon 0711/2 84 94 80
www.djr-stuttgart.de
28
Der Kampfsport Sambo hat vieles mit Judo gemeinsam. Hier bringt Ruslan gerade Scharafutin zu Boden.
Abram guckt noch etwas skeptisch.
Makaev setzt zum Wurf an.
Georgios mag keine Schimpfwörter
Bei der Kinder-Fußball-Akademie ist
gutes Benehmen wichtig
Seit der Weltmeisterschaft im eige-
nen Land wollen immer mehr Kinder
im Verein Fußball spielen. Die Kin-
der-Fußball-Akademie des MTV
bringt dem Nachwuchs gleich von
Anfang an bei, dass es nicht nur um
Kampf und Sieg geht, sondern dass
Fußball als Mannschaftssportart vor
allem auf gute Teamspieler ange-
wiesen ist.
verbessert habe. Damit er auch in
Übung bleibt, spricht beispielsweise
Arthur Renz, Präsident des baden-
württembergischen Samboverbandes,
konsequent Deutsch mit Malkin,
obwohl die Kommunikation auf Rus-
sisch einfacher wäre.
Sambo- und Judoverband arbeiten
eng zusammen. Sie organisieren
gemeinsame Lehrgänge, Sambo-
kämpfer haben oft auch einen Gürtel
im japanischen Kampfsport. Immer
mehr Judoka entdecken den Reiz von
Sambo und allmählich verlässt dieser
die russlanddeutsche Nische. Das
zeigt sich auch in der Bundesliga:
Russisch ist längst nicht mehr vorherr-
schend.
Ernst Strohmeier, Geschäftsführer der
Deutschen Jugend aus Russland, ist
froh, dass die Integrationsarbeit neue
Wege geht. Anfangs war der SV Gold
Blau ein reiner Aussiedler-Verein, der
beispielsweise erfolgreich das Projekt
„Boxen im Osten“ organisierte. Dabei
ging es vor allem darum, Russland-
deutsche von der Straße zu holen,
ihnen Freizeitmöglichkeiten zu bieten.
Im Endeffekt blieben die Aussiedler
unter sich. Dies habe sich nicht
bewährt. Strohmeier heute: „Wir
brauchen keine Migrantenvereine,
sondern die Mitgestaltung der Gesell-
schaft ist wichtig. Deshalb freut es
mich, wenn in unserem Verein auch
immer mehr Nichtrusslanddeutsche
mitmachen.“
30
Trainer Boriss Malkin erklärt eine
Sambo-Technik.
Kontakt
Georgios Metaxarakis ist ein lo-
ckerer Typ: Nach zwei Minuten
ist man mit ihm per du, die Einladung
zum Kaffee folgt auf den Fuß. Dass er
die Kinder, die bei ihm trainieren,
wirklich mag, merkt man sofort. Aber
nicht alles sieht er locker: So hat er
etwas gegen Trainer, die rauchend am
Platz stehen und quer über den Platz
schreien und damit kein gutes Vorbild
abgeben, oder Kinder, die sich mit
Schimpfwörtern anpöbeln. Das gibt
es bei ihm nicht.
Der gebürtige Kreter, der mit 23 Jah-
ren nach Deutschland kam und sich
selbst als „halben Schwaben“
bezeichnet, leitet die Kinder-Fußball-
Akademie des MTV Stuttgart. Sie
wurde 1993 gegründet und war die
Erste ihrer Art in Deutschland. Der
Titel „Akademie“ hört sich nach
Leistung und Elite an, aber grundsätz-
lich werden alle Kinder aufgenom-
men, die dort Fußball spielen möch-
ten. Allerdings gibt es unterschiedli-
che Gruppen, so dass jedes Kind sei-
ner Leistungsfähigkeit entsprechend
trainieren kann.
Auch soll die Mischung stimmen.
„Wenn zehn Türken bei mir anfan-
gen, dann kommen die nicht in eine
Mannschaft“, stellt Metaxarakis klar.
So liegt selbst bei der A-Jugend der
Anteil der deutschen Jugendlichen
noch bei 50 Prozent; das ist weit
mehr als bei den meisten Fußball-
vereinen.
Der Sport, sagt Metaxarakis, ist an
einer Fußball-Akademie keineswegs
das Wichtigste: „Erst kommen das
Soziale, die Umgangsformen und die
33
Kinder-Fußball-Akademie
Georgios Metaxarakis
Am Kräherwald 190 A
70193 Stuttgart
Telefon 0711/63 18 87
www.mtv-fussball-
akademie.de
32 Schon bei den Kleinsten wird hart um den Ball gekämpft.
Die Ersatzbank.
Gesundheit der Kinder. Wenn dies
alles stimmt, klappt es auch mit der
sportlichen Leistung.“ Weil dies seine
Maxime ist, sucht er auch die Trainer
mit großer Sorgfalt aus. Frühestens
nach einem halben Jahr Probezeit
werden sie übernommen, von einer
benachbarten Sportschule nimmt er
die besten zwei von 22 Absolventen.
„Die Trainer müssen vor allem mit
Kindern umgehen können“, betont
Metaxarakis, „und ein kindgerechtes
Training anbieten.“ Bei den Kleinsten
heißt das, dass auch viel getobt wird.
„Denen können Sie ja noch nicht die
Vierer-Kette beibringen.“ Für die Klei-
nen seien die Trainer natürlich die Hel-
den. „Die schauen sich genau ab, wie
sich einer verhält.“ Das Benehmen der
Kinder untereinander ist Georgios
Metaxarakis wichtig. Lachend erzählt
er, wie Neulinge bei der Akademie,
die andere Kinder beschimpfen, gleich
gewarnt werden: „Psst, Georgios mag
keine Schimpfwörter!“
Auf die Mitarbeit der Eltern legt er
großen Wert, verpflichtet sie auch mal
zu einem Treffen, will wissen, ob die
schulischen Leistungen seiner jungen
Kicker stimmen: „Die Schule ist wich-
tig, und sie geht vor.“Alle Altersgrup-
pen sind in der Akademie vertreten –
die Minis, deren Trikots noch bis zu
den Knien reichen, ebenso wie die A-
Jugend. Seit drei Jahren gibt es eine
Kooperation mit dem VfB Stuttgart.
Die Talente des MTV können probe-
weise zum Nachwuchs des Bundesligi-
sten wechseln. Wer aber dort schei-
tert – und das sind viele – dem stehen
die Türen beim MTV immer offen. Das
schafft Vertrauen.
Internationale Sprache Ballett
In Weilimdorf ist der Unterricht
für fast alle erschwinglich
Anca Popescu, einst Solistin des
Bukarester Opernhauses, hat bei der
Sportgemeinschaft Weilimdorf eine
Ballett-Abteilung aufgebaut und
garantiert dort seit über 15 Jahren
eine hervorragende Ausbildung.
Die Hälfte ihrer Schülerinnen haben
einen Migrationshintergrund, was
dort aber kein Thema ist.
34
Georgios Metaxarakis mit seinen
Minis.
Kontakt
Integration durch Sport? Aber wir
machen doch gar keine Integrati-
on“, sagt der Leiter der Ballett-Abtei-
lung, Victor Popescu, verwundert und
beweist damit, wie selbstverständlich
hier das Miteinander ist. „Wir fragen
überhaupt nicht, ob jemand einen
Migrationshintergrund hat, schließlich
ist Ballett eine internationale Spra-
che.“ Viele der Mädchen und der
wenigen Jungen, die seine Frau Anca
unterrichtet, sind in Deutschland
geboren, die Eltern stammen häufig
aus anderen Ländern. Eine Rolle spielt
das nicht.
Anca und Victor Popescu kamen vor
über 20 Jahren aus Rumänien nach
Deutschland. Sie war Solistin des
Bukarester Opernhauses, und es war
ihr klar, dass sie dem Ballett auch in
Deutschland treu bleiben würde.
„Wer das Tanzen so liebt wie ich,
kann einfach nicht ohne leben“, sagt
sie. 1990 entschloss sie sich, bei der
SG Weilimdorf eine Ballett-Abteilung
aufzubauen. Da es im Stadtbezirk
kein entsprechendes Angebot gab,
waren die Verantwortlichen im Verein
von der Idee begeistert. Heute unter-
richtet die Diplom-Ballettpädagogin
jede Woche 70 Kinder und Erwachsene.
„Ich bin sehr zufrieden, wie das alles
läuft“, sagt sie. Ihre Schülerinnen
müssen für den Ballettunterricht
lediglich den üblichen Vereinsbeitrag
bezahlen, so dass er auch für jene
erschwinglich ist, die sich keine Privat-
schule leisten könnten. So lassen sich
soziale und ethnische Barrieren ver-
meiden.
Der Unterricht kann neue Welten öff-
nen: Aus reinem Leistungsgedanken
fangen nur wenige das Tanzen an,
häufig geht es um die Freude an der
Bewegung, den Wunsch nach Ele-
ganz. Ballett steigert das Körperbe-
wusstsein, und nebenbei erleichtert es
den Zugang zur klassischen Musik,
die viele Jugendliche sonst gar nicht
kennen lernen würden.
Für Weilimdorf sind die Ballettgrup-
pen auch eine kulturelle Bereiche-
rung, denn häufig treten sie bei
Festen und Veranstaltungen auf.
37
SG Weilimdorf
Victor Popescu
Solitudestraße 111
70499 Stuttgart
Telefon 0711/86 52 39
www.sgweilimdorf.de
36
Etwa die Hälfte der Mädchen und Frauen, die Anca Popescu in Weilimdorf trainiert, hat einen Migrationshin-
tergrund. Gezählt hat das aber noch niemand.
Anca Popescu gelingt es dabei immer,
allen Jungen und Mädchen der Grup-
pe eine Rolle und damit einen eige-
nen Auftritt zu geben. Dies stärkt das
Gemeinschaftsgefühl und die Selbstsi-
cherheit jedes Einzelnen.
Damit die Präsentationen gelingen, hat
Anca Popescu die Eltern – vor allem die
Mütter – mit in die Pflicht genommen.
Zu Anfang nähten diese zusammen
mit ihren Töchtern die Kostüme selbst,
in der Zwischenzeit übernimmt dies
eine Schneiderin, die übrigens aus
Indonesien stammt. Auch für Fahr-
dienste und bei der Inszenierung sind
die Eltern eingespannt. So gelang es,
innerhalb des Stadtbezirks viele Netz-
werke zu knüpfen.
Apropos Netzwerke: Anca Popescu
hat den Kontakt zu Kolleginnen aus
ihrer Profizeit aktiviert, die in der Zwi-
schenzeit Leiterinnen verschiedener
Ballettschulen sind, und kann damit
den Weilimdorfern Kindern ganz
besondere Erlebnisse bieten. Ihre
Gruppen haben bei Austauschpro-
grammen schon Auftritte in Italien
und Frankreich absolviert.
Jeder muss mal pfeifen
„Die kleinen Zidanes“: Im Jugendhaus Anna steigt
jeden Freitag ein Fußballturnier
Schiedsrichter zu sein und unpopu-
läre Entscheidungen zu treffen, ist
gar nicht so einfach. Das erfahren
die Fußballer im Jugendhaus Anna
schnell, denn jeder muss mal ran
und den Unparteiischen spielen.
Das kann auch bedeuten, gegen die
eigenen Freunde zu pfeifen. Und
wer einmal in der Rolle des Schiris
gesteckt hat, ruft beim nächsten
Mal vermutlich nicht gleich „Schie-
bung“.
38
Perfekte Haltung: Anca Popescu
korrigiert die Details.
Kontakt
FC Biomüll gegen Aldi Süd: Einfalls-
reich sind sie, die etwa 20 Jungs,
die an diesem Freitag beim wöchentli-
chen Fußballturnier im Jugendhaus
Anna in Bad Cannstatt dabei sind. In
der Veranstaltungshalle wird jeweils
drei gegen drei auf kniehohe Tore
gespielt. Zunächst finden sich die
Teams, und dann geht es auch schon
los. Die Jungs im Alter von zwölf bis
16 Jahren geben alles. Hier schenkt
keiner dem anderen etwas, aber
trotzdem bleiben sie fair.
Der Schiedsrichter ist einer von ihnen.
Jeder muss mal ran und auch die
andere Seite kennen lernen und dafür
sorgen, dass die Regeln eingehalten
werden. Wer eine unpopuläre Ent-
scheidung trifft und deswegen ins
Kreuzfeuer der Kritik gerät, muss das
aushalten und lernt so, wie einsam
sich ein Schiedsrichter fühlen kann.
Droht trotzdem einmal Streit auf dem
Spielfeld, spricht Thomas Eisele, Mit-
arbeiter im Jugendhaus, ein Macht-
wort und entscheidet. Doch das
kommt nicht häufig vor.
„Wir haben einige unglaublich talen-
tierte Jungs dabei“, begeistert sich
Sabri Sakalli, der Leiter des Jugend-
hauses, der vor etwa vier Jahren die
Idee hatte, „Die kleinen Zidanes“ als
Projekt ins Leben zu rufen. Sie enga-
gierten sich sehr, denn ein paar wol-
len Profis werden. Durch die wö-
chentlichen Turniere seien auch jede
Menge Freundschaften entstanden.
Viele Jugendliche hätten sich erst im
Jugendhaus kennen gelernt. Etwa
30 Nationalitäten seien dabei, doch
Sakalli sagt: „Das sind alles Schwa-
ben. Die sehen sich als Cannstatter.
Und wenn wir hier mal kochen, dann
sind die Leibspeisen Maultaschen,
Spätzle und Saitenwürste mit Linsen.
Wegen der Moslems nehmen wir aber
Puten- oder Rindfleisch."
Manchmal kommt es zwischen den
Jugendlichen zu Streitigkeiten, dann
ist auch die unterschiedliche Herkunft
ein Thema. „Natürlich werden wir mit
Vorurteilen konfrontiert“, so Sakalli.
Das könne schon ein anderes Ausse-
hen sein. „Aber die Kinder sollen ler-
nen, dass sich durch Bewegung und
41
Jugendhaus Anna
Thomas Eisele
Gnesener Straße 20
70374 Stuttgart
Telefon 0711/52 20 04
www.jugendhaus-anna.de
40
Mehmet, Abdi, Serkan, Lokman, Zaim und Ingo (von links) sind regelmäßige Gäste im Jugendhaus Anna. „Das
sind alles Schwaben“, sagt der Jugendhausleiter.
durch ein gemeinsames Ziel ethnische
Barrieren überwinden lassen.“Auch
Thomas Eisele betont: „Die sollen sich
auf das Spiel konzentrieren.“ Die ver-
schiedenen Cliquen bildeten sich übri-
gens kaum nach Nationalitäten, son-
dern nach anderen Kriterien, zum Bei-
spiel nach Kleidung.
Die Aufgabe des Jugendhauses sieht
sein Leiter vor allem darin, die Lebens-
qualität der Jugendlichen zu verbes-
sern: „Für einige von ihnen ist Anna
das zweite Zuhause. Sie haben dort
Freiräume, die ihnen im Elternhaus oft
fehlen.“ Neben Fußball werden auch
andere Sportarten angeboten, zum
Beispiel Kickboxen und Tanzen, was
wiederum eher etwas für Mädchen sei.
Thomas Eisele fährt im Sommer mit
dem Fahrrad die verschiedenen Sport-
plätze ab, um auch Jugendliche, die
nicht mit dem Jugendhaus zu tun
haben, für die Turniere zu begeistern.
Wer eins gewinnt, bekommt zum Bei-
spiel Gutscheine für Angebote im
Jugendhaus; das kann dann etwa eine
halbe Stunde kostenloses Surfen im
Internet sein. So sollen die Kinder und
Jugendlichen hier ihren Platz finden,
statt auf der Straße herumzuhängen.
„Wir merken, die Kinder sind dank-
bar“, sagt Eisele. „Sie freuen sich,
dass Erwachsene sie in ihrer Freizeit
anleiten und sich um sie kümmern.“
Vertrauen lernen
Ameisenbergschule: Kletterprojekt
verbessert das Schulklima
Einmal in der Woche erobert eine
kleine Gruppe von Schülern aus der
Ameisenbergschule die Kletterhalle
auf der Waldau. Der Sport fordert
und fördert vor allem die kooperati-
ven Fähigkeiten der Schülerinnen
und Schüler. Sie müssen ihre Angst
überwinden und sich auf den ande-
ren voll verlassen können.
42
Schiedsrichter Abdi entgeht nichts.
Kontakt
Ahmet hat sich weit vorgearbeitet:
Jetzt hängt er in zwölf Metern
Höhe an der Kletterwand und weiß
nicht recht weiter. Seine Mitschüler
geben von unten Tipps: „Mit dem Fuß
auf den Tritt rechts oben!“ Leichter
gesagt als getan! Vorsichtig und in
Zeitlupe schafft er es, einen sicheren
Stand zu erreichen, und kommt ganz
oben an der Wand an. Geschafft! Das
Herz klopft – mit deutlich erhöhtem
Puls kann er sich zurücklehnen und
langsam abseilen lassen.
Nach ein paar Sekunden schwebt er
knapp über dem Boden, noch immer
gesichert von zwei Mädchen aus seiner
Klasse. Er weiß, dass er sich auf sie ver-
lassen kann, dass sie auf ihn aufpas-
sen, solange er in der Wand ist und
sein Leben an einem „seidenen
Faden“, den die beiden Schülerinnen
in der Hand halten, hängt. Das Risiko
ist allen bewusst.
Sonja Oßwald leitet die Schüler der
fünften Klasse der Ameisenbergschule,
einer Hauptschule, an. Die Mathema-
tik- und Sportlehrerin ist selbst passio-
nierte Kletterin, und sie freut sich, dass
sie diesen Sport weitergeben kann.
Eine Schülerin aus der neunten Klasse
hilft bei der Aufsicht. Generell wird das
Kletterprojekt für alle Klassen von der
fünften bis zur neunten angeboten.
„Die rennen mir die Bude ein“, sagt
die Lehrerin. Deswegen trainiert sie
eine feste Gruppe für sechs bis acht
Wochen, danach kommt eine andere
an die Reihe. Für die Schüler ist das
Projekt nur mit geringen Kosten ver-
bunden. Tagsüber können sie die Halle
für nur 2,50 Euro benutzen; das ist
weit weniger als der Normalpreis.
Höchstens acht Schüler nimmt sie mit
ins Kletterzentrum – aus Sicherheits-
gründen. Nach einer kurzen Einfüh-
rung geht es dann schnell in die Verti-
kale, denn das Projekt setzt vor allem
auf Praxis. „Beim Klettern sind alle voll
dabei“, so Sonja Oßwald, „und ich
habe das Gefühl, dass sie dabei einen
anderen Umgang miteinander lernen.“
Das ist auch der pädagogische Ansatz:
Jeder lernt, seine Angst zu überwin-
den, lernt seine Fähigkeiten und auch
45
Ameisenbergschule
Karl-Erich Gommel
Ameisenbergstraße 2
70188 Stuttgart
Telefon 0711/216-31 25
www.abs.s.schule-bw.de
44
Ahmet hat noch einen weiten Weg zu klettern. Seine Gesundheit hängt davon ab, dass Kristina und Erengül
ihn sorgfältig sichern. Lehrerin Sonja Oßwald (von rechts) kontrolliert, ob alles stimmt.
Grenzen kennen, hat Erfolgserlebnisse
und muss sich vollkommen auf einen
anderen verlassen können.
Vor allem wegen zweier Internationa-
ler Vorbereitungsklassen hat die
Ameisenbergschule einen hohen
Ausländeranteil. Kinder, die aus dem
Ausland nach Stuttgart kommen,
werden hier mit speziellen Kursen und
Sprachtraining für die weitere Schul-
laufbahn fit gemacht.
Eine Besonderheit ist die Zusammen-
arbeit mit der John-Cranko-Schule.
Diese international renommierte Bal-
lettschule unterrichtet Schüler aus der
ganzen Welt, die zunächst in der
Ameisenbergschule Deutsch lernen.
Nach etwa einem Jahr wird die Schul-
leistung bewertet, viele wechseln
dann auf andere Schulen.
Gerade bei einer so unterschiedlichen
Schülerschaft fördert der Sport die
Integration untereinander, denn für
ihn sind Sprachkenntnisse nicht nötig.
Deshalb gibt es in der fünften und
sechsten Klasse vier Sportstunden pro
Woche. Auf Schwimmen wird großer
Wert gelegt, vor allem auch, weil die
Ballettschüler keinen anderen Schul-
sport machen dürfen – die Verlet-
zungsgefahr ist für sie zu groß.
Auch die Polizei kickt mit
Einmal nachts Fußball spielen:
Neugereut macht’s möglich
Gute Lösungen müssen nicht teuer
sein: In Neugereut hat allein die Öff-
nung einer Schulturnhalle für
Jugendliche geholfen, den Kontakt
zwischen Jugendlichen, Sozialarbei-
tern und der Polizei zu verbessern.
Kooperation statt Konfrontation –
das funktioniert hier. Das Gefühl,
ihre Anliegen werden ernst genom-
men, ist den Jugendlichen wichtig.
46
Keine Panik! Auch wenn es anders
aussieht, hat Simone mithilfe von
Sena (von links) alles im Griff.
Kontakt
Auf dem Marktplatz in Neugereut
Fußball zu spielen, war keine
gute Idee: empfindliche Lampen,
große Fensterscheiben und natürlich
Passanten, denen das Gekicke auf die
Nerven ging. Eine Clique setzte sich
darüber hinweg, denn, so dachten
ihre Mitglieder, egal, wo sie am spä-
ten Abend spielen, Ärger gibt‘s
immer.
Der Ärger schaukelte sich hoch, Sach-
beschädigungen und Konfrontation
mit der Polizei folgten. Diese erhöhte
den Druck auf die Gruppe, die
Jugendlichen wiederum fühlten sich
provoziert und benahmen sich weiter
daneben.
Den Verantwortlichen war das Pro-
blem klar. Für Kinder gibt es ein
umfassendes Angebot im Stadtteil,
aber eben nicht für Jugendliche und
schon gar nicht abends. Dem sollte
abgeholfen werden. Die Lösung war
einfach: Die Jugendlichen dürfen nun
einmal die Woche spätabends in der
Sporthalle der Jörg-Ratgeb-Schule
Fußball spielen. Die zwei Betreuer der
Mobilen Jugendarbeit und des
Jugendhauses beaufsichtigen das
Fußballspiel, das ist Teil der Abma-
chung, und bekommen richtig guten
Fußball zu sehen. Denn die Jugendli-
chen spielen auf hohem Niveau und
mit vollem Einsatz. Einer hat sogar
schon Angebote aus der Regionalliga
bekommen. „Sie sind gemeinsam
besser geworden“, sagt Susanne Broß
von der Mobilen Jugendarbeit Neuge-
reut.
Mit diesem Projekt werden 40 Jugend-
liche und junge Erwachsene im Alter
von 16 bis 27 Jahren erreicht, Abitu-
rienten ebenso wie Hauptschüler.
15 Nationalitäten kommen hier
zusammen. Ein fester Kern von 15 bis
25 Spielern ist immer dabei. Vor allem
die Fairness beim Umgang der Spieler
miteinander fällt auf.
Das Projekt bringt Leute zusammen,
die sonst nichts miteinander zu tun
hätten – weil der Altersunterschied zu
groß wäre oder die Clique dazwi-
schen stünde. Wer aber mal zusam-
men in einer Mannschaft gekämpft
49
Gesellschaft für Mobile
Jugendarbeit Neugereut
Ita Meister
Kolpingstraße 62
70378 Stuttgart
Telefon 0711/53 30 94
www.mobile-jugendarbeit-
stuttgart.de
48
Aggressionsabbau mal anders: In Neugereut wird hart um jeden Ball gekämpft, aber trotzdem gehen die Spie-
ler sehr fair miteinander um.
hat, lernt sich schnell und vorurteils-
frei kennen.
„Die Jugendlichen haben durch das
Projekt das Gefühl, dass sie ernst
genommen werden“, sagt Susanne
Broß. Es habe sich bewährt, den
Jugendlichen entgegenzukommen,
ohne zunächst etwas zu fordern,
ohne Bedingungen zu stellen. Die
Situation in Neugereut hat sich ent-
spannt, und auch das Verhältnis zwi-
schen den Jugendlichen und der Poli-
zei ist besser geworden. Die schaut
immer mal wieder vorbei – aus Inte-
resse am Fußballspiel. Kürzlich trat sie
gegen die jungen Männer an – und
verlor 1:2.
Nachtschicht am Korb
Streetball – rasanter und lauter als Basketball
Mitternächtliche Basketball-Turniere
haben in Stuttgart Tradition. Im
Dezember 2006 wurde in der Tivoli-
Sporthalle der zehnte Geburtstag
gefeiert. Die Besten der Stuttgarter
Streetballer trafen sich, um den
Champion auszumachen; das Turnier
endete mit einer Überraschung.
50
Foul oder nicht Foul – das ist hier die Frage. Die
Mitspieler haben eher eine „Schwalbe“ gesehen.
Kontakt
Streetball ist wie Basketball, nur
spielen zwei Mannschaften mit
jeweils drei Spielern auf einen Korb,
was die Sache unheimlich rasant
macht, denn jede Sekunde kann ein
Team punkten. Für die Zuschauer ist
das aus verschiedenen Gründen eine
echte Herausforderung: Da nur ein
Korb gebraucht wird, können mehre-
re Matches parallel laufen. Außerdem
tragen die Spieler keine Trikots; sie
wissen schließlich, wer zu wem
gehört. Das Publikum kann da schon
mal die Übersicht verlieren. Die laute
Hip-Hop-Musik lässt den ohnehin
hohen Adrenalinspiegel weiter stei-
gen, heizt die Stimmung an und treibt
die Spieler vorwärts.
Als Basketball um Mitternacht vor
zehn Jahren startete, sollten vor allem
Jugendliche, die abends herumhingen
und „dummes Zeug“ machten, von
der Straße geholt werden. Das Projekt
war von Beginn an erfolgreich.
Anfangs gab es meist ebenso viele
Zuschauer wie Spieler, die Cliquen
ganzer Stadtteile feuerten ihre Helden
an. „Das Publikum hat sich verän-
dert“, sagt Dominik Hermet, der für
das Gemeinschaftserlebnis Sport die
Turniere organisiert. „Damals ist es
sicher wilder gewesen.“ Über die
Jahre hat sich eine Szene hervorra-
gender Streetball-Spieler etabliert, die
nun etwa alle drei Wochen in ver-
schiedenen Hallen in Stuttgart gegen-
einander antreten.
Heute fällt bei einem Turnier vor allem
die gespannte Nervosität auf. Viele
Jugendliche können trotz demonstra-
tiver Coolness nicht verbergen, dass
ihnen das Gewinnen wichtig ist.
Begrüßungsrituale und Kleidung erin-
nern stark an Hip-Hop-Videos, der
Umgang ist sehr freundschaftlich, die
Mannschaften sind bunt gemischt.
Hauptschüler, Gymnasiasten, auch
Mädchen und junge Frauen sind dar-
unter und viele Nationalitäten, aber es
gibt keine „ethnischen“ Teams.
Wer hier problematische Jugendliche
erwartet, sieht sich getäuscht. Die
Spieler wirken hochmotiviert und
durchtrainiert. „Da sind auch Rowdies
dabei“, sagt Dominik Hermet offen,
53
Gemeinschaftserlebnis
Sport
Dominik Hermet
Fritz-Walter-Weg 19
70372 Stuttgart
Telefon 0711/28 077-654
www.gemeinschaftserlebnis-
sport.de
52 Die „Fantastic 5“ lassen ihre Gegner alt aussehen. Am Schluss gewinnen sie das Turnier.
„aber eben nicht nur. Der Gedanke ist
ja auch, dass die schwierigen Fälle
hier mit anderen, vernünftigen
Jugendlichen zusammenkommen. Sie
sollen lernen, dass Gewinnen wichtig
ist, dass es aber ebenso wichtig ist,
auch verlieren zu können.“
Das Turnier geht los. Die „Fantastic
5“, ein Team aus drei jungen Frauen
und einem männlichen Auswechsel-
spieler, stehen einer reinen Männer-
truppe gegenüber. Klingt ungerecht
und ist es auch – für die Männer: Die
„Fantastic 5“ überrollen ihre Gegner
im Verlauf des Turniers, auch dank der
Unterstützung durch Kosta Karamats-
kos. Der 20-Jährige nahm früher
regelmäßig an den Turnieren teil und
spielt heute professionell beim Basket-
ball-Zweitligisten Kirchheim/Teck. Die
„Fantastic 5“ gewinnen das Turnier.
„Es war vor allem harte Arbeit“, sagt
Karamatskos rückblickend über seinen
Aufstieg zum Profi. Unter den Street-
ballern gebe es einige Jugendlichen
mit viel Talent, die auch schon kurz-
zeitig in professionellen Vereinen ge-
spielt hätten, aber bei den meisten
reichte dann die Disziplin nicht, um im
Profigeschäft zu bestehen, so Werner
Schüle, der Vorsitzende des Sportkrei-
ses Stuttgart.
Stolz sind die Verantwortlichen dar-
auf, dass einige der Jugendlichen das
Organisieren nun selbst in die Hand
nehmen wie bei der Basketball-Reihe
„Tha Shiznit“.
Durchbruch dank „La musica“
„Bewegter Kindergarten“ verbindet Musik und Tanz,
Bewegung und Spaß
Mehrere Bewegungsphasen über
den Tag verteilt, jede Woche Sport –
in der Kindertagesstätte Sattelstra-
ße 73 in Untertürkheim ist dies
selbstverständlich. Das tut vor allen
Kindern gut, die mit der Sprache
Schwierigkeiten haben.
54
Kontakt
Für den dreijährigen Marco muss
der erste Tag im Kindergarten die
Hölle gewesen sein: Fremde Kinder,
niemand sprach Italienisch, er bis jetzt
kaum Deutsch und eigentlich wollte
er gar nicht von zuhause weg. Sobald
seine Mutter sich nur ein paar Meter
entfernt hatte, begann der Junge zu
weinen – und das über Stunden.
Die Leiterin der Kindertagesstätte Sat-
telstraße 73 in Untertürkheim, Karla
Ulbrich, hatte das erste Mal seit lan-
gem wieder das Gefühl, ein Kind
würde es nicht schaffen, sich in der
Gruppe zu integrieren. „Ich hätte bei
Marco nicht gedacht, dass er gerne
Musik hört oder tanzt. Er war sehr
ängstlich und reagierte panikartig auf
die anderen Kinder.“
Doch wenn man ihn jetzt – gerade
drei Wochen später – beobachtet,
mag man gar nicht glauben, dass der
Anfang so schwer war: Wenn im Kin-
dergarten die Bewegungsphase
kommt, steht Marco im Mittelpunkt.
Er lacht, singt und tanzt und ist nicht
mehr zu halten.
Was ist passiert? Eines Tages sah
Marco die anderen Kinder beim Tan-
zen – und hörte das erste Mal auf zu
weinen. Gizem, ein türkischstämmi-
ges Mädchen, nahm ihn bei der
Hand, der Knoten war geplatzt. Wenn
Marco heute tanzen möchte, zeigt er
aufgeregt auf den Kassettenrekorder:
„La Musica!“
Bei der dreijährigen Maria, die griechi-
sche Wurzeln hat, lief es andersher-
um. Das lebhafte und sehr neugierige
Mädchen weinte, als sie als Neuling
nicht sofort ihren Stammplatz bei den
Bewegungsspielen bekam. Sie wollte
unbedingt dabei sein. Doch auch bei
ihr dauerte es nicht lange: Wenige
Wochen später tobte sie mit den
anderen Kinder herum.
Hinter alldem steckt natürlich ein pä-
dagogisches Konzept und das mit dem
hübschen Namen „Wie kommt Lisa
nach Pisa?“ Die Lieder, die die Kinder
heiß und innig lieben, verbessern auch
ihre Sprachkompetenz, denn sie lernen
dabei zu zählen, die Wochentage und
die Melodie der Sprache.
57
Forum
„Gesunde Stadt Stuttgart“
Heinz-Peter Ohm
Bismarckstraße 3
70176 Stuttgart
Telefon 0711/216-55 17
www.stuttgart.de/
gesunde-stadt
56
Marco inmitten der anderen Kinder, die während der morgendlichen Bewegungsphase auf dem Boden
„Fahrrad fahren“. Singen und Tanzen verbessert die Konzentration der Kleinen.
Damit es nicht langweilig wird, kom-
men immer wieder neue Lieder dazu,
neue „Choreographien“ und ein
neuer Text. In der Kita-Gruppe haben
alle Kinder einen Migrationshinter-
grund, umso wichtiger ist es, dass die
Kommunikation auf Deutsch läuft.
Seit drei Jahren kooperiert die Kinder-
tagesstätte mit dem örtlichen Sport-
verein, dem TB Untertürkheim. Einmal
die Woche geht es in die Sporthalle –
zur „psychomotorischen Bewegungs-
einheit“, in der die Kinder sich bei
Geschicklichkeits- und Koordinations-
spielen austoben können. „Wir haben
deutlich mehr Bewegung im Kinder-
garten als vor vier Jahren“, so Karla
Ulbrich, „und die Kinder sind nach
dem Sport viel konzentrierter.“
Sportlichen Horizont erweitern
Sport-Spektrum: alle zwei Wochen
eine neue Sportart
Im Gottlieb-Daimler-Gymnasium
können Sechstklässler beim „Sport-
Spektrum“ ungewöhnliche Sportar-
ten kennen lernen. Der Gedanke
dabei: Der Kontakt zu den örtlichen
Sportvereinen soll verbessert wer-
den, und die Kinder sollen ihren
Horizont erweitern.
58
Marco und Maria, die beiden
Neulinge im Kindergarten.
Kontakt
Fußball, Handball, Basketball – das
sind Sportarten, die die meisten
Schüler kennen. Aber Wasserball,
Hockey und Fechten? Oder gar Akro-
batik in einem Zirkus? Davon haben
sie vielleicht gehört, aber es wohl
kaum ausprobiert. Beim Wasserball
geht es ruppig zu und die Badekap-
pen haben Ohrenschützer, beim
Segeln oder Rudern kann das Boot
schon ganz schön schwanken – neue
Erfahrungen, die das Projekt „Sport-
Spektrum“ ermöglicht. Ungewohnte
Bewegungsabläufe müssen geübt,
neue Regeln gelernt werden. Wer
weiß bei uns schon, wie ein Baseball-
Spiel genau funktioniert?
Die Schüler der sechsten Klassen des
Gottlieb-Daimler-Gymnasiums in Bad
Cannstatt können das Sport-Spek-
trum als AG wählen. Das bedeutet,
dass sie zwei Stunden lang alle zwei
Wochen eine andere Sportart kennen
lernen. Die meisten werden direkt vor
Ort angeboten, manchmal müssen
die Schüler aber auch zu den Verei-
nen. Zurzeit belegen 39 Schülerinnen
und Schüler diese Arbeitsgemein-
schaft, das sind zwei Drittel des Jahr-
gangs. Wer sich einträgt, verpflichtet
sich zur Teilnahme. Dieses Jahr war
die Nachfrage so groß, dass die Grup-
pe geteilt werden musste.
Lutz Arnold, Sportlehrer am GDG und
Vater des Sport-Spektrums, will seinen
Schülern mit der AG Erfahrungen mit-
geben, die sie später vielleicht einmal
nutzen können. Nur wenige Schüler
steigen, nachdem sie eine Sportart
ausprobiert haben, tatsächlich fest in
einem Verein ein. „Dafür gibt es viele
Gründe“, sagt Arnold. „Einige sind
schon fest in einem Sportverein, die
zeitliche Belastung durch das achtjähri-
ge Gymnasium ist hoch, und mancher
möchte seine Freizeit nicht verplanen.“
Kurzfristig, so ist Arnold überzeugt,
hat sich die AG für die Schüler auf
jeden Fall gelohnt: „Zwei Drittel des
Jahrgangs haben zwei zusätzliche und
außergewöhnliche Sportstunden in
der Woche gehabt und damit etwas
gegen das so oft beklagte Bewe-
gungsdefizit getan. Außerdem waren
nicht nur die Sportskanonen dabei,
61
Gottlieb-Daimler-
Gymnasium
Lutz Arnold
Kattowitzer Straße 8
70374 Stuttgart
Telefon 0711/95 28 300
www.gdg-stuttgart.de
60 Beim Wasserballtraining mit dem SV Cannstatt. Die Schüler tragen Badekappen mit Ohrenschützern.
sondern auch viele, die sich motorisch
etwas weniger geschickt anstellen.“
Daneben soll das Projekt auch die
Kooperation mit den örtlichen Sport-
vereinen fördern. Diese stellen sich
und ihre Sportarten vor. Die Hoffnung
ist, dass dadurch langfristig auch die
Vernetzung innerhalb des Stadtbe-
zirks verbessert werden kann.
Am Gottlieb-Daimler-Gymnasium
werden 27 „Abstammungsländer“
gezählt, Sprach- und Integrationspro-
bleme gibt es nicht, was sicherlich
auch an der Schulart und ihrem Bil-
dungsniveau liegt.
Als Sport-Gymnasium hat die Schule
eine lange Tradition. Konsequent neh-
men ihre Schüler am Wettbewerb
„Jugend trainiert für Olympia“ teil,
und einige waren auch schon bei
Bundesfinalen dabei. Zurzeit ist die
Basketballmannschaft des Gymnasi-
ums Vizelandesmeister. Bei der Verlei-
hung des deutschen Schulsportpreises
ist das Sportkonzept des Gymnasiums
unter die besten zwölf gekommen.
Für die Schüler, die keine herausra-
genden Sportler sind, hat das Sport-
Spektrum einige Vorteile: „Da kann
jeder etwas finden, bei dem er mit
den anderen mithalten kann oder
sogar besser ist“, sagt Lutz Arnold.
„Beim Rudern brauchen sie Koordina-
tion und Kraft, im Hochseilgarten und
beim Zirkusprojekt Geschicklichkeit.
Da ist für jeden etwas dabei.“
Siegen durch Nachgeben
Eine ganze Klasse lernt in einem halben Jahr
gegenseitigen Respekt
Kämpfen mit festen Regeln, Medita-
tion, Rituale – das sind die Bausteine
von „Wertevermittlung und Orien-
tierung durch Kampfsport“, kurz:
WOK. In der Grund- und Hauptschu-
le Gablenberg wird seit Frühjahr
2006 damit gearbeitet.
62
Kontakt
N ein, ihr werdet unsere Königin
niemals gefangen nehmen!“,
ruft Peter Besenfelder und kniet sich
auf die Matte. Der Polizist vom Polizei-
revier Ostendstraße im Stuttgarter
Osten ist einer der Trainer beim Projekt
WOK. Die gegnerische „Königin“ sitzt
auf der anderen Seite der Judomatten
und muss besiegt werden. Die sieben
Schüler der Klasse 9 b der Grund- und
Hauptschule Gablenberg nehmen den
Kampf auf. Tapfer kämpfen auch die
Mädchen mit, die zunächst den Angriff
stoppen, indem sie sich an den Judoan-
zügen der gegnerischen Jungs festkral-
len. Doch trotz der Unterstützung
durch die Polizei geht diese Runde für
die Mädchen verloren.
Immer eine Klasse, aufgeteilt in Grup-
pen, damit der Gymnastikraum nicht
zu voll wird, hat ein halbes Jahr einmal
wöchentlich Training. Kooperations-
partner dieses Projekts sind das Polizei-
revier Stuttgart-Ost, die Schule, die
Mobile Jugendarbeit Stuttgart-Ost und
das Jugendhaus Stuttgart-Ost. Die Lan-
desstiftung Baden-Württemberg
bezahlte die Trainingskurse für die Aus-
bilder. Kooperationspartner und Spon-
soren stellten das Geld für die Matten,
Ausrüstung und Anzüge bereit. Für die
Schüler entstehen keine Kosten, ledig-
lich ein Pfand für ihre Judoanzüge müs-
sen sie hinterlegen. Die Teilnahme am
Kurs ist Pflicht.
Warum läuft dieses Projekt gerade in
Gablenberg? „Man erwartet immer,
dass es für so etwas einen konkreten
Anlass geben muss“, sagt Eddy Götz
von der Mobilen Jugendarbeit, „aber
das ist nicht der Punkt. Es geht um
Respekt, der vielen Schülern verloren
gegangen ist. Schon ihre Sprache ist
gewalttätig. Wir wollen ihnen beibrin-
gen, sich an klare Regeln zu halten und
Werte zu verinnerlichen.“
Deshalb besteht das Training nicht nur
aus Kampfsport. Zwar lernen die Schü-
ler Elemente aus Judo und Jiu-Jitsu,
aber auch Tai Chi und Meditation sind
im Programm enthalten. Regeln und
Rituale sind wichtig und allein zu ler-
nen, dass man still ist, wenn jemand
spricht, ist für einige Schüler eine He-
rausforderung.
65
Verein Mobile Jugendarbeit
Stuttgart-Ost
Eddy Götz
Hackstraße 89
70190 Stuttgart
Telefon 0711/26 08 77
E-Mail:
ost.89@mja-stuttgart.de
www.mobile-jugendarbeit-
stuttgart.de
64 Auch die Mädchen lernen bei dem Projekt, sich zu behaupten und ihre körperliche Kraft einzusetzen.
Bei den Entspannungsübungen am
Anfang wird gekichert, was die Trai-
ner mit strafenden Blicken quittieren.
Konzentrierter ist die Mitarbeit bei
Kampftechniken, auch wenn die
Mädchen offensichtlich Hemmungen
haben, körperliche Kraft auszuüben.
Anders bei den Kata, stilisierten
Kampfabläufen gegen imaginäre
Gegner, die synchron ausgeführt wer-
den: Dabei wird geschrieen; auch die
Mädchen sind deutlich zu hören.
Eine Auswertung des Projekts durch
die Fachhochschule Esslingen ergab,
dass besonders die Stillen und Zurück-
haltenden profitierten. Sie bekommen
ein besseres Körpergefühl, können
sich besser wehren und lernen vor
allem, Grenzen zu setzen. Auch das
Schreien bei der Kata wirkt befreiend.
Gerade für die männlichen Schüler ist
es auch eine besondere Erfahrung,
beim Bodenkampf mit Erwachsenen
ihre Kräfte zu messen. „Unter Realbe-
dingungen ist so etwas ja ausge-
schlossen“, sagt der Polizist Besenfel-
der.
Wer das Projekt durchhält und regel-
mäßig, pünktlich und aktiv mitarbei-
tet, bekommt am Schluss ein Zertifi-
kat, das sich auch für Bewerbungen
eignet.
Kicken auf dem Schulhof
Schülermentoren als Vorbilder für die Jüngeren
Einmal in der Woche bieten Acht-
klässler der Grund- und Hauptschule
Ostheim für die Grundschüler
Fußballtraining an. Jungen und
Mädchen bolzen gemeinsam auf
dem Schulhof. Das Schülermen-
toren-Programm stärkt den Zusam-
menhalt in der Schule, und die Älte-
ren übernehmen Verantwortung.
66
Das Training mit dem Stock verbes-
sert die Geschicklichkeit und die
Konzentration.
Kontakt
Gudrun Greth gerät richtig ins
Schwärmen, wenn sie von ihren
Schülern erzählt. Drei von ihnen, die
Achtklässler Henok, Faruk und Onur,
haben vor kurzem bei einem Klein-
feld-Fußballturnier den dritten Platz
erreicht und 1000 Euro gewonnen.
Als die Direktorin der Grund- und
Hauptschule Ostheim die Schüler
fragte, was die denn jetzt mit dem
Geld machen wollten, ob es durch
drei geteilt werde oder ein größeres
Fest mit der Klasse geplant sei, ant-
worteten die drei erstaunt: „Wieso,
das ist doch für unsere neue Sporthal-
le.“ Da war Gudrun Greth sprachlos.
Die soziale Kompetenz ihrer Schüler
zeigt auch ein anderes Beispiel: Die
drei waren Mitglied einer Mannschaft,
die bei einem anderen Turnier zwar
den letzten Platz belegte, dafür aber
den „Fair Play“-Pokal bekam.
Henok, Faruk und Onur haben als
typische „Straßenfußballer“ angefan-
gen. Sie spielten in keiner Fußball-
mannschaft, sondern kickten bei
jedem Wetter auf dem Schulhof.
Damit sie ihr Talent weiterentwickeln
können, schlug ihnen Gudrun Greth
vor, sich einem Verein anzuschließen.
Onur und Faruk, deren Eltern aus der
Türkei stammen, spielen in der Zwi-
schenzeit im Fußballverein, Henok –
er wurde in Eritrea geboren – ließ sich
zum Schülermentor ausbilden. Einmal
jährlich bietet das Kultusministerium
im Programm „Schulsportmentoren
Hauptschule“ diese Ausbildung an.
Nachdem die bisherigen Schülermen-
toren die Schule nach der neunten
Klasse verlassen haben, ist Henok nun
als Einziger übrig.
Gudrun Greth wünscht sich für das
nächste Jahr weitere Mentoren, denn
einer allein sei zu wenig, um sich um
die Kleinsten zu kümmern. Gerne
hätte sie auch wieder Mädchen dabei.
Wenn die Mentoren ihre Aufgabe ver-
lässlich erledigen, erhalten sie ein Zer-
tifikat, das sie ihren Bewerbungen
beilegen können.
Die 600 Schüler der Grund- und
Hauptschule Ostheim kommen aus 76
69
Grund- und Hauptschule
Ostheim
Gudrun Greth
Landhausstraße 117
70190 Stuttgart
Telefon 0711/26 19 18
www.ghs-ostheim.de
Landesinstitut für
Schulsport
Baden-Württemberg
www.lis-in-bw.de/mentoren
68
Faruk, Henok und Onur (von links): Die drei Achtklässler haben 1000 Euro, die sie bei einem Kleinfeld-Fußball-
turnier gewannen, für den Neubau der Schulsporthalle gespendet.
verschiedenen Ländern. Mit großem
Einsatz arbeiten Gudrun Greth und ihr
Kollegium daran, den Schülern Werte
mitzugeben und ihnen bei der Inte-
gration zu helfen. Projekte wie „Inspi-
ration Ostheim“ gehören dazu. Hier
erzählen Migranten wie der Rapper
Afrob und der Soulsänger Fetsum, die
beide ihre Karrieren in Stuttgart
begannen, wie sie erfolgreich ihren
Weg gemacht haben. Gemeinsam mit
einigen Schülern nahmen sie einen
Song auf und bereiten zurzeit ein
Theaterstück über Migration vor.
Gudrun Greth möchte, dass sich ihre
Schüler möglichst schon im Grund-
schulalter an Sportvereine binden.
Sie sieht darin eine große Chance,
sich in dieser Gesellschaft zu integrie-
ren. Deswegen bemüht sie sich auch
um erfolgreiche Sportler, die in der
Schule für den Vereinssport werben.
Die Jungs wünschen sich jemanden
vom Fußball-Bundesligisten VfB Stutt-
gart. Absoluter Favorit: Trainer Armin
Veh.
Schule der Sportelite
Schickhardt-Gymnasium: Hier ist es schwer,
herausragend zu sein
Für Schüler, die hervorragende
Sportler sind, gibt es die „Elite-
Schulen des Sports“. Hier werden
sie speziell gefördert, die Schule
passt sich den individuellen Bedürf-
nissen der Schüler an, wie das
Schickhardt-Gymnasium.
70
Bei dem Fußball-Training für die
Grundschüler sind alle Jungen und
Mädchen dabei.
Kontakt
Wie gut Anita Tischtennis spielt,
zeigt sie am besten, wenn sie
gefordert wird. Als ihre chinesische
Trainerin Ma Kun einen scharf gespiel-
ten Ball nach dem anderen knapp
über das Netz spielt, dreht sie richtig
auf. Die Sechstklässlerin mit kambo-
dschanischen Eltern spielt ebenso prä-
zise zurück; es wird ein richtig span-
nendes Match.
Zwei chinesische Tischtennisprofis,
Ma Kun und ihr Lebensgefährte Mu
Hao, trainieren die Tischtennis-AG am
Schickhardt-Gymnasium. Sie spielen
in der Regionalliga für den Sportbund
Stuttgart, ihr Vertrag umfasst auch
den Unterricht hier. Ihre Schülerinnen
und Schüler kommen vor allem aus
der fünften und sechsten Klasse, eini-
ge sind älter, über 30 Prozent haben
einen Migrationshintergrund. Das zei-
gen auch einige selbstbewusst, indem
sie Trikots in den Farben ihrer Natio-
nalmannschaft tragen.
Am Anfang kümmern sich die beiden
Trainer um jeden einzelnen ihrer
Schützlinge. Damit diese die richtigen
Techniken verstehen und auch lernen,
spielen Ma Kun und Mu Hao mit,
indem sie in die Schläger der Schüler
greifen und deren Hand führen. Nach
einigen Ballwechseln stellen sich die
ersten Erfolgserlebnisse ein. Nochmals
die Haltung korrigieren und dann
wird’s ernst: Beim Turnier spielt jeder
gegen jeden, auch die Großen gegen
die Kleinen. Die Anforderung ist hoch,
steigert aber den Lerneffekt.
Für sportlich talentierte Schüler ist das
Schickhardt-Gymnasium eine bevor-
zugte Adresse, denn hier können sie
damit rechnen, entsprechend geför-
dert zu werden. Das gilt auch für die-
jenigen, die nicht den Sportschwer-
punkt wählen und sich ihrer Bega-
bung vielleicht auch gar nicht sicher
sind. Hier wird geschaut, dass sie,
sofern Interesse vorhanden, sich
einem Sportverein anschließen.
1989 gab sich die Schule ein Sport-
profil und Jugendliche, die sich dafür
entscheiden, haben automatisch
Sport als ein Hauptfach. Einige Schü-
ler gehören in ihren Sportarten zu
73
Schickhardt-Gymnasium
Ludwig Dietzfelbinger
Schickhardtstraße 26
70199 Stuttgart
Telefon 0711/216-85 92
http://server.sgs.s.bw.schule.de
72
Die chinesische Trainerin Ma Kun, eine professionelle Tischtennisspielerin, zeigt die richtige Haltung, indem sie
in den Schläger greift. Nach einigen Schlägen sitzt die Technik.
75
Landes- oder sogar Bundeskadern.
Denn in „normalen“ Schulen gibt´s
immer wieder Probleme. Häufige
Wettkämpfe und zeitintensives Trai-
ning wirken sich oft auf die schuli-
schen Leistungen aus. An der „Elite-
schule des Sports“ hat man sich da-
rauf eingerichtet. Freistellung für
Wettkämpfe ist hier eine Selbstver-
ständlichkeit. Lernen müssen die
Jungen und Mädchen allerdings auch
hier. Sie pauken den Stoff dann in
ihren freien Minuten im Sportcamp.
In den Hauptfächern geben die Lehrer
so genannten Nachführunterricht,
wenn die jungen Sportler von ihren
Wettkämpfen oder aus Trainingsla-
gern zurück sind. Daneben gehört die
Hausaufgabenbetreuung mit zu ihrem
Programm.
Von der fünften bis zur achten Klasse
sind vier Stunden Sport in der Woche
obligatorisch. Dass hier so viele her-
ausragende Sportler aufeinandertref-
fen, hat für die Sportlehrer einige Vor-
teile: „Wir können mit den Schülern
im Sportunterricht Dinge machen, die
woanders gar nicht möglich sind. Dort
müssen oft erst noch die Grundtech-
niken vermittelt werden, wir arbeiten
hier schon an fortgeschrittenen Takti-
ken“, sagt der Sportlehrer Knut
Radke. „Die Schüler werden von den
anderen mitgezogen und entwickeln
viel Ehrgeiz, denn hier ist es schwer,
herausragend zu sein und mit seinen
sportlichen Leistungen aufzufallen.“
74
Bei den Turnieren spielt jeder
gegen jeden.
Landeshauptstadt Stuttgart
Sportamt
Markus Rieger
Telefon 0711/216-85 89
E-Mail:
markus.rieger@stuttgart.de
Stabsabteilung
Integrationspolitik
Martha Aykut
Telefon: 0711/216-76 40
Fax: 0711/216-5640
E-Mail:
martha.aykut@stuttgart.de
Herausgeberin:
Landeshauptstadt Stuttgart,
Stabsabteilung Kommunikation
Text: Dietmar Gustke
Redaktion: Regina Willner
Fotos: Christian Hass, Horst
Rudel (Seite 7), Britt Moulien
(Seite 19 und 20), Gottlieb-
Daimler-Gymnasium (Seite 60)
Gestaltung: Uli Schellenberger
© Januar 2007
Ansprechpartner
Integration durch Sport

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Integration durch Sport

  • 3. Wir sind Stuttgart, ein Miteinan- der von 170 Nationen. Rund 40 Prozent der Stuttgarterinnen und Stuttgarter haben einen Migrations- hintergrund, bei unseren Kindern ist es fast jedes Zweite. Stuttgart – ein Mikro- kosmos der Vereinten Nationen – profi- tiert seit Jahrzehnten von der Einwan- derung. Dies gilt für unser alltägliches Leben miteinander, für die Kultur und den Sport – und hier nicht nur für die Profis. In allen Jugendmannschaften spielen heute Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichsten Ländern. Deshalb ist es mir wichtig, die Integra- tion gerade durch den Sport zu fördern und voranzubringen. Denn über alle Grenzen hinweg sind zwei Sprachen universal: die Musik und der Sport. Beides begeistert Menschen, verbindet sie und wird erst in der Gemeinschaft richtig erlebbar. Daher liegt es nahe, Musik und Sport für die Integration zu nutzen. In Stuttgart tun wir dies seit rund zehn Jahren ganz konsequent. Vor allem das gemein- same Sporterlebnis, sei es im Training, im Erfolg oder auch in der Niederlage, schweißt zusammen und schafft eine Basis für die Verständigung. Auch andere europäische Städte machen diese Erfahrung, wie bei unserem Kongress „Integration durch Sport” am 22. und 23. Januar 2007 zu hören war. Die fünf Werte Respekt, Toleranz, Frieden, Solidarität und Gerechtigkeit kann der Sport in beson- derer Weise vermitteln. In diesem Sinne verabschiedeten die Kongressteilnehmer ein Manifest, das in dieser Broschüre abgedruckt ist. Eine Stadt hat nur dann eine gute Zukunft, wenn sich alle Bürgerinnen und Bürger mit ihr identifizieren, wenn sie – unabhängig von ihrer Herkunft – sagen: „Ich bin Stuttgarterin bzw. Stuttgarter.“ Dabei sind weder die Farbe der Haut noch der Pass aus- schlaggebend, sondern die Frage, wie 32 Inhalt Einführung von Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster 3 Manifest Integration durch Sport 5 Sprung aufs Gymnasium Ringen kombiniert mit Sprachtraining speziell für Aussiedler 15 Sport und Lebensberatung Rosensteinschule: Sport-AG als Teil eines Gesamtkonzeptes 19 Hier zählt nicht die Leistung Gemeinschaftserlebnis Sport: Fußball im Hallschlag 23 Der Trainer lernt mit Sambo-Training beim SV Gold Blau Stuttgart e.V. 27 Georgios mag keine Schimpfwörter Bei der Kinder-Fußball-Akademie ist gutes Benehmen wichtig 31 Internationale Sprache Ballett In Weilimdorf ist der Unterricht für fast alle erschwinglich 35 Jeder muss mal pfeifen „Die kleinen Zidanes“: Im Jugendhaus Anna steigt jeden Freitag ein Fußballturnier 39 Vertrauen lernen Ameisenbergschule: Kletterprojekt verbessert das Schulklima 43 Auch die Polizei kickt mit Einmal nachts Fußball spielen: Neugereut macht’s möglich 47 Nachtschicht am Korb Streetball – rasanter und lauter als Basketball 51 Durchbruch dank „La musica“ „Bewegter Kindergarten“ verbindet Musik und Tanz, Bewegung und Spaß 55 Sportlichen Horizont erweitern Sport-Spektrum: alle zwei Wochen eine neue Sportart 59 Siegen durch Nachgeben Eine ganze Klasse lernt in einem halben Jahr gegenseitigen Respekt 63 Kicken auf dem Schulhof Schülermentoren als Vorbilder für die Jüngeren 67 Schule der Sportelite Schickhardt-Gymnasium: Hier ist es schwer, herausragend zu sein 71 Einführung von Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster
  • 4. 4 sehr jeder Einzelne in diese Gemein- schaft eingebunden ist und sich zuge- hörig fühlt. Im „Stuttgarter Bündnis für Integration“ bekennen sich alle Grup- pen, die sich aktiv in unsere Stadtgesell- schaft einbringen, zu diesem Prozess der Integration und sehen ihn als Auf- gabe für alle. Integration durch Sport ist ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit. Diese Broschüre zeigt an 15 Beispielen, wie Integration durch Sport gelingen kann. Es sind Bürgerinnen und Bürger, die diese Projekte durch persönliches Engagement tragen und das freund- schaftliche Miteinander über ethnische Grenzen hinweg gestalten. Die Beispiele zeigen aber auch, dass es in der Regel nicht allzu schwierig ist, durch Sport zueinander zu finden. Seien es die übergewichtigen Jugendli- chen, die dank einer Sport-AG nicht nur Freude an der Bewegung erleben, sondern auch Freundschaften knüpfen, oder die Kindergartenkinder, die durch gemeinsames Singen die deutsche Sprache lernen und sich nun auch trauen, mit anderen herumzutollen. Mein Dank gilt allen, die sich dafür ein- setzen, dass Integration durch Sport gelingt. Die hohe Lebensqualität, die niedrige Kriminalitätsrate und vor allem die außerordentlich große Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger sind positi- ve Ergebnisse dieses Wirkens. Daher bitte ich alle, die sich im Sport engagie- ren, weiterzumachen, zum Wohle für uns alle und für eine gute Zukunft unserer Stadt. Wer mit Menschen spricht, die sich engagieren, spürt, wie sie in ihrer Ar- beit Erfüllung und Bestätigung finden; dies ist zugleich eine Ermutigung für uns alle. Deshalb würde ich mich freu- en, wenn diese Broschüre Sportvereine und Schulen anregen würde, sich an den Beispielen zu orientieren und wei- tere Projekte ins Leben zu rufen. Neue Ideen sind immer willkommen. Ich freue mich auf das weitere Miteinander. Manifest Integration durch Sport Für ein aktives Miteinander in unseren Städten Am 22. und 23. Januar 2007 fand im Stutt- garter Rathaus der Kongress „Integration durch Sport” statt. 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland und ganz Europa tauschten Erfahrungen aus und informierten sich über Stuttgarter Projekte. Zum Abschluss verabschiedete Oberbürger- meister Dr. Wolfgang Schuster gemeinsam mit ihnen das Stuttgarter Manifest zur „Integration von Migrantinnen und Migranten durch Sport in den Kommunen Europas”. Hier der Wortlaut: Dr. Wolfgang Schuster Oberbürgermeister der Landes- hauptstadt Stuttgart
  • 5. Einleitung In unserer Stadtgemeinschaft erleben wir täglich einen vielfältigen Verände- rungsprozess, der im Wesentlichen Folge von vier Herausforderungen ist: ■ der Globalisierung ■ dem demographischen Wandel ■ den technischen Entwicklungen ■ dem Wertewandel. 1. Die Globalisierung verändert unser berufliches Leben, unseren Alltag und unsere Bevölkerungs- struktur. Globalisierung öffnet Gren- zen, nicht nur für Waren, Dienst- leistungen, Finanzen und Informatio- nen, sondern auch für Menschen aus aller Welt. Deshalb wird die Bevölkerung unserer Städte immer internationaler. Wir sind deshalb gefordert, die zu uns Kommenden in unsere Stadtge- sellschaften zu integrieren und ihnen zugleich faire Chancen in unserer Gesellschaft zu eröffnen. Damit das Miteinander der Nationen gelingt, bedarf es vielfältiger gemeinsamer Anstrengungen gerade auch durch den Sport. 2. Der demographische Wandel bedeutet für uns alle die Chance, immer älter zu werden und dabei immer länger gesund und fit zu blei- ben; zugleich werden aber immer weniger Kinder geboren. Der demographische Wandel verän- dert unter anderem die Nachfrage nach Dienstleistungen gerade auch im Sport. Die wachsende Zahl der „jungen Alten“ möchte möglichst lang ein selbst bestimmtes Leben führen. Zugleich gilt es, auch ange- sichts der kleiner werdenden Zahl von Kindern, jedem Kind eine Förde- rung und Bildung zuteil werden zu lassen, die ihm faire Zukunftschan- cen eröffnen. Unsere Städte müssen daher für unsere Kinder Freiräume zum Spie- len und zum Sport anbieten. Her- kömmliche Formen des Sports wie neue Formen der Bewegungskultur sollen die Gesundheit von Jung und Alt fördern. Zugleich kann der Sport vielfältige Wege des Miteinanders der Generationen eröffnen. 3. Die technischen Entwicklungen beschleunigen das berufliche wie private Leben und führen zu einem wachsenden Medienkonsum. Immer neue Medientechniken eröffnen für jeden eine immer größere Flut an Informationen, Unterhaltung, Spielen, Filmen und vernetzten Kommunikati- onsmöglichkeiten. Dies führt zu viel- fältigen Verhaltensveränderungen, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Das tägliche stundenlange Nutzen dieser Medien führt häufig zu Kon- zentrationsstörungen, Haltungsschä- den, Passivität und Aggressivität sowie zu sozialer Vereinsamung. Um Kinder und Jugendliche weg vom Fernseher und Computer zu bringen, bedarf es Sportangebote, die zu Gemeinschaftserlebnissen werden. Zur Überwindung der Anonymität und der Vereinsamung vor dem Fernseher bedarf es aber auch wohnortnaher Angebote für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger zum gemeinsamen aktiven Älterwerden. Zugleich können solche Sportange- bote auch Möglichkeiten für ein Mit- einander von Jung und Alt eröffnen. 6 4. Der Wertewandel unserer Gesellschaft führt zu einer immer größeren Vielfalt der Lebensformen. Wir erleben eine stärkere Individuali- sierung mit der Folge, dass sich immer weniger Menschen langfristig binden wollen. Dies betrifft nicht nur Ehe und Fami- lie, sondern auch gemeinnützige Organisationen wie Sportvereine. Viele spinnen sich in ihre eigenen Interessenssphären ein und leben in „ihrer“ Welt. Mehr als die Hälfte der Haushalte in großen Städten sind inzwischen „Singlehaushalte“. Voll- ständige Familien mit Kindern sind zu einer kleinen Minderheit geworden. Doch individuelle Freiheit und soziale Verantwortung gehören zusammen. Zu diesem solidarischen Miteinander gerade auch gegenüber Schwäche- ren in unserer Gesellschaft, den Behinderten, den Kindern und den alten Menschen, kann der Sport einen wesentlichen Beitrag leisten. Dies vor allem dann, wenn die Menschen ihre persönliche Freiheit für ein freiwilliges ehrenamtliches Engagement für das soziale und sportliche Miteinander in unseren Vereinen nutzen. 7 Bei der Eröffnung des Kongresses begei- sterten die „Footwork Pioneers“ die Teil- nehmer und Gäste, darunter (vorne von rechts) Dr. Thomas Bach (Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees), Ministerpräsi- dent Günther H. Oettinger, Oberbürger- meister Dr. Wolfgang Schuster, Dr. Wolfgang Schäuble (Bundesminister des Innern der Bundesrepublik Deutsch- land) und Ulrich Bohner (Generalsekretär des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas beim Europarat in Straßburg.
  • 6. 8 Ziele Wir verstehen unsere Städte als Kommunen, als Gemeinschaften von Älteren und Jüngeren, von Gesun- den und Kranken, von Behinderten und nicht Behinderten, von Men- schen mit ausländischem oder inlän- dischem Pass. Auch wenn unsere Stadtgesellschaften immer interna- tionaler, multikultureller, älter, indivi- dueller und medial vernetzter wer- den, so bleibt es unser Ziel, dass sich unsere Städte als Kommunen, als Gemeinschaften entwickeln. Deshalb brauchen wir mehr denn je das gelebte Miteinander der Genera- tionen und der Nationen. Dazu kann Sport wesentlich beitragen. Denn Sport kann Werte vermitteln, die für unser Zusammenleben zwingend notwendig sind. „Wie die Musik ist der Sport etwas Universelles, das ungeachtet aller sozialen, ethnischen und religiösen Unterschiede global verstanden wird. Nicht der Sport, sondern auch seine Werte sind universell.“ (IOC- Präsident Dr. Jacques Rogge). So wie die olympischen Ringe miteinander verbunden sind, so sind auch die fünf Werte miteinander verbunden, die der Sport in besonderer Weise vermit- teln kann: Respekt, Toleranz, Frieden, Solidarität und Gerechtigkeit. Diese Werte sind für die Integration in unseren Stadtgesellschaften von zentraler Bedeutung. Die Vermittlung dieser Werte gerade bei Kindern und Jugendlichen gelingt nicht dadurch, dass sie Werte abstrakt und isoliert lernen, sondern im gemeinsamen Erleben und Handeln konkret erfah- ren werden. Sport kann diese Werte in vielfältiger Weise erlebbar machen. 1. Respekt Die Achtung vor dem anderen, vor seiner Person, seinem Einsatz, sei- nem Können, seinen Leistungen erleichtert zugleich die Achtung vor sich selbst. Die Vielfalt der Sportarten, die Diffe- renzierung nach Alter, nach Behinde- rung und Nicht-Behinderung ermög- licht jedem, dem anderen gegenüber für seinen Einsatz Respekt zu zollen – unabhängig vom Passport und vom sozialen Status – entsprechend dem Motto von Pierre Baron de Coubertin: „Das Wichtigste ist nicht das Gewin- nen, sondern das Teilnehmen, nicht der Sieg, sondern das Erreichte.“ Der gegenseitige Respekt gilt den Leistungen der anderen; Respekt ist aber auch wichtig für sich selbst. So erwächst die Selbstachtung z.B. aus der Eigendisziplin und die Eigenver- antwortung z.B. aus der Förderung der eigenen Gesundheit durch Sport. Sport trägt deshalb zu einer Kultur der Achtung des anderen und der Eigenverantwortung bei. 2. Toleranz Die Vielschichtigkeit der Lebensstile und der Wertvorstellungen verschie- dener Nationalitäten, die Verände- rungsdynamik, die zu Anpassungs- und Leistungsdruck führt, können zu einer Aversion und Abwehrhaltung gegenüber anderen, dem Anders- sein und dem Fremden führen. Das gemeinsame Sporterlebnis verbindet nicht nur Menschen verschiedener sozialer und nationaler Herkunft, sondern hilft auch beim Abbau von Vorurteilen gegenüber Fremden. Dies erleichtert die Achtung gegen- über dem anderen, seiner unter- schiedlichen Lebens- und Kulturge- schichte, seinen anderen Erfahrun- gen und Lebensweisen. Das gesell- schaftliche wie sportliche Leben in unseren Sportvereinen erleichtert das gegenseitige Verstehen. Sport trägt deshalb zu einer Kultur des Verständnisses von Fremden und der Akzeptanz vom Anderssein bei. 3. Frieden Nicht zuletzt durch die tausendfa- chen medialen „Vorbilder“, in denen Aggression und Gewalt gezeigt wer- den, neigen Jugendliche dazu, Kon- flikte durch Gewalt zu lösen. Sport ist eine hervorragende Möglichkeit, durch Bewegung mögliche Aggressi- vität abzubauen. Zugleich ist der sportliche Wettkampf ein wichtiges Beispiel dafür, dass das andere Team nicht der böse Feind, sondern der faire Gegner ist, dem man in einem mit klaren Regeln versehenen Wett- streit begegnet. Da die Spieler aus verschiedenen Nationen und sozia- len Verhältnissen kommen, tragen Mannschaftsspiele zum friedlichen sozialen Miteinander bei. Sport trägt deshalb zu einer Kultur des sozialen Friedens und des friedli- chen Miteinanders bei. 4. Solidarität Vor allem Mannschaftssportarten schaffen einen Teamgeist über alle gesellschaftlichen Schichten und Nationalitäten hinweg. Dieses Gemeinschaftserlebnis ist zugleich eine wichtige Antwort auf das sich Einspinnen in eigene Interessen und die Vereinsamung vor den Medien. Das gemeinschaftliche Ringen um den Sieg, die gemeinschaftliche Anstren- gung zur Erreichung eines Zieles för- dert den Teamgeist und das Verant- wortungsbewusstsein für andere. Sport trägt deshalb zu einer Kultur des gegenseitigen Helfens und Ver- trauens bei. 9
  • 7. 1110 5. Gerechtigkeit Das Einhalten von gemeinsamen Regeln ist zwingende Voraussetzung für ein gerechtes, friedliches Mitein- ander. Zu den Grundregeln gehört auch die Gleichheit; d. h. die Gleich- behandlung bei der Einhaltung von Regeln sowie das gleiche Recht auf Teilhabe am Sport – unabhängig vom sozialen Status und der Natio- nalität. Weil die Spielregeln für alle gelten, ist die Teilhabe-Gerechtigkeit zugleich eine Absage an Ausgren- zung und Diskriminierung. Sport trägt deshalb zu einer Kultur des Fairplay und der sozialen Teilha- be aller bei. Aufgaben Sport kann und soll Heimat für alle bieten. Deshalb ist es wichtig, dass die Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und in den Sportorgani- sationen die integrative Funktion des Sports nachhaltig unterstützen. 1. Entsprechend dem Grundsatz der Subsidiarität sollen deshalb nicht der Staat und die Kommune direkt, son- dern vor allem die gemeinnützigen Sportorganisationen und Sportverei- ne in ihrer Arbeit unterstützt wer- den. Sie sind wesentlich von bürger- schaftlichem Engagement getragen. Im Verein können ganzheitliche Angebote umgesetzt werden, die werteorientiert sind. Aber auch in unseren Kindergärten, Schulen, Betrieben, Jugendvereinen und Generationenhäusern kann durch Sport für die Integration Wichtiges geleistet werden. 2. Die Städte sind deshalb gefordert, die Sportvereine und andere gemeinnützige Sportanbieter in ihrer Arbeit zu unterstützen, vor allem auch durch das zur Verfügungstellen von Sportinfrastruktur, besonders von Sporthallen, Sportplätzen, Schwimmbädern sowie durch öffentliche Bewegungsräume, z. B. Schulhöfe, Bolzplätze, Joggingpfa- de, Wanderwege, etc. Öffentliche Zuschüsse sind auch not- wendig, damit es gelingt Sportange- bote sowohl von der sportfachlichen wie sozialen Seite qualitätvoll zu gestalten und eine Vielzahl von Sportarten und Bewegungsformen nachfrageorientiert zu berücksichti- gen. Dazu gehören differenzierte altersgerechte, wohnortnahe Ange- bote für den Breitensport, vor allem den Gesundheits-, Freizeit- und Erleb- nissport ebenso wie differenzierte Angebote für den Leistungssport bis hin zum Spitzensport. 3. Die Integration durch Sport bleibt ein dynamisch lernender Prozess, bei dem Sportverbände und Sportverei- ne ebenso wie die Politik, vor allem die Städte aufgerufen sind, zu einer zukunftsorientierten Sportentwick- lung beizutragen. Dies auch ange- sichts der sich verändernden Frei- zeitgewohnheiten und neuer Trend- sportarten wie einer wachsenden Professionalisierung und Kommer- zialisierung des Sports. Damit Integration durch Sport gelingt, darf Sport nicht als isoliertes gesellschaftliches Subsystem, son- dern als integraler Bestandteil der Entwicklung unserer Stadtgesell- schaft verstanden werden. Umso wichtiger wird es künftig sein, neben der Weiterentwicklung der Infrastruktur und finanziellen Förde- rung des Sports, den Erfahrungsaus- tausch zu intensivieren, durch best practice-Beispiele voneinander zu lernen und immer wieder neue Wege zu finden, damit ein aktives Miteinander in unseren Städten und damit Integration gelebt wird.
  • 8. 15 gute Beispiele, wie Integration durch Sport in Stuttgart gelebt wird 12
  • 9. Sprung aufs Gymnasium Ringen kombiniert mit Sprachtraining speziell für Aussiedler Der Kraftsportverein Stuttgart 1895 hat unter seinen Ringern viele Spätaussiedler. Gerade die Integration der Kinder sollte ver- bessert werden, indem Sporttrai- ning mit Sprachkursen und Nach- hilfe verbunden wird. Bei Kiril Dieser, der aus Kirgisistan nach Deutschland kam, hat es funktio- niert. In der Zwischenzeit geht er aufs Gymnasium. 14
  • 10. Kontakt 1716 Ohne die Unterstützung von Adolf Rager (rechts), dem Vorsitzenden des Kraftsportvereins 1895, hätte Kiril Dieser (links) den Sprachkurs kaum erfolgreich beenden können. Kraftsportverein 1895 Stuttgart e.V. Adolf Rager Teufelswiesen 1 70569 Stuttgart Telefon 0711/68 41 19 www.kv95.de Als die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium geschafft war, kam Kiril Dieser freudestrahlend zu Adolf Rager, dem Vorsitzenden des Kraft- sportvereins 1895: „Ohne den Sprachkurs hätte ich das nie geschafft!“ 1999 ist der blonde Junge mit seinen Eltern aus Kirgisistan nach Deutschland gekommen; fünfeinhalb Jahre war er damals alt. Sein Vater gehörte dort zur deutschen Minder- heit, seine Mutter ist Russin. Kiril konnte Russisch gut verstehen, auch etwas sprechen, aber sein Deutsch war besser. Allerdings haperte es mit der Rechtschreibung. In der Schule führte das schnell zu Schwierigkeiten. Anfangs war die Familie in der Stö- ckachstraße im Stuttgarter Osten untergebracht. Der sportliche Junge kam über einen Freund zum Ringen, ging zum KV 95 und lernte den Sport von der Pike auf. Zweimal in der Woche war er fleißig dabei. Als die Familie 2001 nach Neugereut zog, wurde es schwierig. Wie sollte Kiril von dort zum Dachswald nach Vaihin- gen, seinem Trainingsort, kommen? Anfangs brachte ihn seine Mutter hin und holte ihn wieder ab. Als an der Waldburgschule in Stutt- gart-Rohr ein spezieller Kurs für Aus- siedler angeboten wurde, der Ringer- training mit einem Sprachkurs und Nachhilfestunden kombinierte, war Kiril dabei. Bezahlt wurden die Kurse aus dem städtischen Projektmittel- fonds „Zukunft der Jugend“ und organisiert vom Kraftsportverein sowie der Sportkreisjugend. Jeden Freitag von 16.30 bis 18 Uhr wurde gepaukt, von 18 bis 19.30 Uhr gerun- gen. Der Sprachkurs half Kiril, die deutsche Rechtschreibung zu verbes- sern. Doch dann fand Kirils Mutter eine Arbeitsstelle in der Stadtmitte und konnte den Jungen nicht mehr zu sei- nem Training bringen. So musste der Zehnjährige spätabends allein noch lange mit der Stadtbahn unterwegs sein. Seiner Mutter war das nicht recht. Nun schlug die Stunde Adolf Ragers. Er wollte dem vielverspre- chenden Ringernachwuchs helfen:
  • 11. Ein halbes Jahr lang fuhr er Kiril jeden Freitag vom Stuttgarter Süden nach Neugereut. „Ich tu das alles nur für den Sport“, betont er, denn eigentlich hat er es nicht so gern, wenn Aufhe- bens um sein Engagement gemacht wird. Halten konnte er den Jungen letztend- lich nicht. Nachdem Ende 2005 das Projekt mit dem Sprachkurs auslief, hörte Kiril mit dem Ringen auf. Heute spielt er beim TSV Steinhaldenfeld Fuß- ball – der Sportplatz liegt einen Stein- wurf von seinem Zuhause entfernt. Inzwischen geht er aufs Gymnasium, in die siebte Klasse der Jörg-Ratgeb-Schu- le. Er muss viel lernen, und das acht- jährige Abitur führt dazu, dass nicht mehr viel Freizeit bleibt. Adolf Rager hat auch weiterhin mit Spätaussiedlern aus Russland zu tun, denn die meisten seiner Ringer stam- men aus der ehemaligen Sowjetuni- on. Die Männermannschaft des KV 95 hat zum zweiten Mal hintereinander den Aufstieg geschafft; in der nächs- ten Saison geht es in der Verbandsliga weiter. Der KV 95 ist in Stuttgart der einzige Stützpunktverein der Initiative „Inte- gration durch Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes. Er bekommt einen Zuschuss, dafür unterstützt er die etwa 30 Teilnehmer des Programms bei der Suche nach einer Lehrstelle oder einem Praktikum. Sport und Lebensberatung Rosensteinschule: Sport-AG als Teil eines Gesamtkonzeptes Mal wird Sport getrieben, mal gekocht und manchmal auch nur geredet. Bei „Fit for Fun“ in der Rosensteinschule ist nicht die Leistung das Entscheidende. Die Mädchen aus der siebten bis neunten Klasse genießen es viel- mehr, einmal die Woche in einer festen Gruppe unter sich zu sein. 18
  • 12. Kontakt Unter der Bezeichnung „XXL“ Mädchen zu finden, die in einer Sport-AG mitmachen, war schwierig und erst der Namenswechsel in „Fit for Fun“ brachte eine Gruppe zusam- men. Bei den Jungs hatte das gleich geklappt. Der Gedanke an der Rosen- steinschule, einer Grund- und Haupt- schule mit Ganztagesbetrieb, war, gerade diejenigen zu mehr Sport zu ermuntern, die sich sonst wenig bewegen oder die Probleme mit ihrem Körpergewicht haben. In der Zwischenzeit treffen sich einmal die Woche etwa zehn Mädchen aus der siebten bis neunten Klasse. Neben der Sportlehrerin ist auch eine Sozial- arbeiterin dabei, die der Gruppe zusätzlichen Halt gibt. Bei ihr können die Mädchen auch mal ihr Herz aus- schütten, beispielsweise wenn es Pro- bleme mit der Schule oder daheim gibt. Oft wird ein Treffen genutzt, um einfach zu reden. Gemeinsames Kochen steht ebenfalls hoch im Kurs. „Sie wissen nicht unbedingt, was gesund ist“, sagt die Sportlehrerin Jenny Holland. Die Mädchen sollen lernen, sich bewusster zu ernähren und beispielsweise herausfinden, wann sie zu Süßigkeiten greifen. Dabei stellen sie fest: Häufig naschen sie aus reiner Langeweile oder weil sie Sorgen haben. Im Schnitt wird jede zweite Woche Sport getrieben – mal Volleyball bei lauter Musik, Seilhüpfen oder Boden- turnen mit Bändern. Den Mädchen gefällt’s. Sie sind mit Begeisterung dabei und gehen ausgesprochen freundschaftlich miteinander um. Die AG ist ihnen wichtig. Die Bewegung führt vor allem bei denen, die sonst wenig tun, zu einem positiveren Kör- pergefühl. Die Sport-AG der Jungs blieb bei ihrem Namen „XXL“. „Dort haben sich eher die Außenseiter gefunden“, sagt Jenny Holland, „aber in der Zwi- schenzeit bilden die Jungs eine feste Clique.“ Die Programme „XXL“ und „Fit for Fun“ der Rosensteinschule gehören zu einem umfassenden pädagogischen 21 Rosensteinschule Ingrid Macher Nordbahnhofstraße 120 70191 Stuttgart Telefon 0711/25 60 461 www.rosensteinschule.de 20 Ob dick oder dünn – bei „Fit for Fun“ in der Rosensteinschule steht der gemeinsame Spaß im Vordergrund. Einmal in der Woche treffen sich die Mädchen mit einer Lehrerin und einer Sozialarbeiterin.
  • 13. Konzept. Die meisten der Schülerin- nen und Schüler haben einen Migrati- onshintergrund, auf körperliche Bewegung und vernünftige Ernäh- rung achten viele Eltern nicht. Des- halb will man sie einbinden, lässt zum Beispiel an Elternabenden Kinderärzte und Ernährungsberater Tipps geben. Das Konzept der „sozialwirksamen Schule“ sieht einen klaren Verhaltens- kodex vor. Wer gegen ihn verstößt, muss mit einer Strafe rechnen, aber die ist in den Regeln klar festgelegt, die Einhaltung wird konsequent beachtet. Höflichkeit und gute Umgangsformen sind an der Rosen- steinschule wichtig. Eine besondere Anerkennung erhielt die Schule kürzlich mit dem Sonder- preis „Die gute Idee“ der Alfred- Toepfer-Stiftung. Prämiert wurde das Projekt „Freunde schaffen Erfolg“. Ehemalige Schüler der Rosenstein- schule mit Migrationshintergrund, die in der Zwischenzeit erfolgreich im Beruf stehen, kümmern sich über zweieinhalb Jahre um die Schüler, die kurz vor ihrem Abschluss sind. Hier zählt nicht die Leistung Gemeinschaftserlebnis Sport: Fußball im Hallschlag In der Altenburgschule im Hallschlag können Schüler jeden Freitag in einem lockeren Rahmen und mit der immer gleichen Bezugsperson Fuß- ball spielen. Ältere helfen Jüngeren, die Kinder sollen lernen, miteinan- der friedlich umzugehen. 22
  • 14. Kontakt Das Fußballangebot an der Alten- burgschule ist kein Leistungs- sport. Sein Leiter Thomas Krombacher sagt, dass einige der Schüler, die bei ihm spielen, sicher in keinem Fußball- verein unterkommen würden – ihrer Leistung wegen. Doch Ehrgeiz ist vor- handen, und so rennen die Fünft- und Sechstklässler wie wild dem Ball hin- terher. Gewinnen ist angesagt, es gibt schöne Szenen und vor allem werden alle eingebunden – auch die Unsport- lichen. Und als der Kleinste mit einer spektakulären Aktion ein Tor erzielt, nehmen ihn die Größeren in den Arm; sie wissen, was sie an ihm haben. Lange habe es gedauert, aber nun organisiere sich die Gruppe ziemlich selbstständig, sagt ihr Spielleiter Krombacher. Die Mitspieler einer Mannschaft seien jedes Mal schnell gefunden, und auch der Aufbau klap- pe reibungslos. Das Programm „Gemeinschaftserleb- nis Sport“ initiierten die Stadt Stutt- gart und der Sportkreis Stuttgart in ausgewählten Stadtbezirken für Kin- der und Jugendliche, die nichts mit ihrer Freizeit anzufangen wissen. In der Altenburgschule – einer Haupt- schule – können Kinder jeden Freitag von 13.30 bis 15 Uhr kicken und so „angstfrei Sport treiben“, so Kromba- cher. Wichtig sei dabei, dass eine feste Ansprechperson das Angebot leite und die Gruppe einigermaßen überschaubar bleibe. Da es relativ früh am Nachmittag stattfinde, seien die meisten Fußballer Schüler der Altenburgschule. Dass andere Kinder mitspielen, komme nur sporadisch vor. Krombacher legt Wert darauf, dass die Kinder das Spiel selbst gestalten und selbst regulieren: „Viele der Kinder kennen keine nor- malen Verhaltensregeln. Das beginnt schon mit dem Begrüßen.“ Ein Ziel ist, die Jugendlichen zusam- menzubringen, unabhängig von der sozialen Herkunft, ob mit Migrations- hintergrund oder ohne. Zwar gebe es, laut Krombacher, wegen der Nationa- lität im Normalfall keinen Streit, Span- nungen seien aber zu spüren, und bei 25 Gemeinschaftserlebnis Sport Thomas Krombacher Fritz-Walter-Weg 19 70372 Stuttgart Telefon 0711/2 80 77-657 www.gemeinschaftserlebnis- sport.de 24 Schuss ... und Tor! Wenn der Kleinste im Team trifft, ist das immer etwas Besonderes. So wird man auch von den Älteren schnell akzeptiert.
  • 15. Auseinandersetzungen spiele die Her- kunft eine Rolle. Krombacher: „Dann ziehen die Türken die Griechen auf, Osteuropäer und Aussiedler streiten sich mit Schwaben.“ In der aktuellen Mannschaft spielen 16 Jungen aus zehn verschiedenen Ländern mit. Da im Hallschlag auch viele sozial schwache Familien leben, kommt die- ses Sportprojekt gerade auch den Jugendlichen zugute, deren Familie sich keinen Vereinsbeitrag leisten wol- len oder können. Für viele ist es die einzige Gelegenheit, außerhalb der Schule Sport zu treiben. Der Zugang fällt leicht, weil das Angebot in der vertrauten Schulturnhalle läuft. Die Betreuung setzt dabei nicht nur auf den Sport, sondern will auch „Team- fähigkeit, Selbstbewusstsein, Fairness und soziale Kompetenz verbessern“, so Thomas Krombacher. Der Trainer lernt mit Sambo-Training beim SV Gold Blau Stuttgart e.V. In der Vergangenheit blieben Spät- aussiedler in ihren Vereinen oft unter sich. Aber das hat sich geän- dert: Da Sportarten wie der Kampf- sport Sambo immer mehr Menschen anziehen, die kein Russisch können, setzt sich langsam Deutsch als Umgangssprache durch. So profitie- ren alle, selbst die Trainer, die von ihren Schülern lernen können. 26
  • 16. Kontakt Sambo stammt ursprünglich aus der Sowjetunion – Samosaschtschita Bes Orushia ist die Langform und das bedeutet: Selbstschutz ohne Waffen. Erst seit in den neunziger Jahren viele Spätaussiedler nach Deutschland ka- men, etabliert sich dieser Kampfsport auch hier. Die Rote Armee entwickelte ihn als Nahkampfstil, der SV Gold Blau trainiert die Wettkampfform, das heißt, alle Schläge und Tritte fallen weg. Tech- nisch ähnelt Sambo Judo und Ringen, die Regeln jedoch unterscheiden sich. Der SV Gold Blau ist der Sportverein der Deutschen Jugend aus Russland. In den Trainingsräumen in einem Feuer- bacher Gewerbegebiet wird vor allem Russisch gesprochen – oder Deutsch mit starkem Akzent. Boriss Malkin, amtierender Deutscher Sambo-Meister, gibt beim Training für die Kinder seine Anweisungen und Tipps auf Russisch. Die Kleinen können ihn verstehen; sie beherrschen beide Sprachen gut. Sie üben Würfe und Beinhebel, die im Gegensatz zu Judo erlaubt sind. Fällt jemand, geht es im Bodenkampf wei- ter. So sehr Boriss Malkin körperlich beeindruckt, fühlt er sich doch merk- lich unsicher, wenn er Deutsch spre- chen muss. Doch beim Training der Erwachsenen bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als sich auf die fremde Sprache einzulassen. Nach und nach stießen immer mehr Leute zu der Mannschaft, die kein Russisch ver- standen. Sie bescheinigen Malkin heute, dass sich sein Deutsch deutlich 29 Deutsche Jugend aus Russland e.V. Ernst Strohmeier Landhausstraße 5 70182 Stuttgart Telefon 0711/2 84 94 80 www.djr-stuttgart.de 28 Der Kampfsport Sambo hat vieles mit Judo gemeinsam. Hier bringt Ruslan gerade Scharafutin zu Boden. Abram guckt noch etwas skeptisch. Makaev setzt zum Wurf an.
  • 17. Georgios mag keine Schimpfwörter Bei der Kinder-Fußball-Akademie ist gutes Benehmen wichtig Seit der Weltmeisterschaft im eige- nen Land wollen immer mehr Kinder im Verein Fußball spielen. Die Kin- der-Fußball-Akademie des MTV bringt dem Nachwuchs gleich von Anfang an bei, dass es nicht nur um Kampf und Sieg geht, sondern dass Fußball als Mannschaftssportart vor allem auf gute Teamspieler ange- wiesen ist. verbessert habe. Damit er auch in Übung bleibt, spricht beispielsweise Arthur Renz, Präsident des baden- württembergischen Samboverbandes, konsequent Deutsch mit Malkin, obwohl die Kommunikation auf Rus- sisch einfacher wäre. Sambo- und Judoverband arbeiten eng zusammen. Sie organisieren gemeinsame Lehrgänge, Sambo- kämpfer haben oft auch einen Gürtel im japanischen Kampfsport. Immer mehr Judoka entdecken den Reiz von Sambo und allmählich verlässt dieser die russlanddeutsche Nische. Das zeigt sich auch in der Bundesliga: Russisch ist längst nicht mehr vorherr- schend. Ernst Strohmeier, Geschäftsführer der Deutschen Jugend aus Russland, ist froh, dass die Integrationsarbeit neue Wege geht. Anfangs war der SV Gold Blau ein reiner Aussiedler-Verein, der beispielsweise erfolgreich das Projekt „Boxen im Osten“ organisierte. Dabei ging es vor allem darum, Russland- deutsche von der Straße zu holen, ihnen Freizeitmöglichkeiten zu bieten. Im Endeffekt blieben die Aussiedler unter sich. Dies habe sich nicht bewährt. Strohmeier heute: „Wir brauchen keine Migrantenvereine, sondern die Mitgestaltung der Gesell- schaft ist wichtig. Deshalb freut es mich, wenn in unserem Verein auch immer mehr Nichtrusslanddeutsche mitmachen.“ 30 Trainer Boriss Malkin erklärt eine Sambo-Technik.
  • 18. Kontakt Georgios Metaxarakis ist ein lo- ckerer Typ: Nach zwei Minuten ist man mit ihm per du, die Einladung zum Kaffee folgt auf den Fuß. Dass er die Kinder, die bei ihm trainieren, wirklich mag, merkt man sofort. Aber nicht alles sieht er locker: So hat er etwas gegen Trainer, die rauchend am Platz stehen und quer über den Platz schreien und damit kein gutes Vorbild abgeben, oder Kinder, die sich mit Schimpfwörtern anpöbeln. Das gibt es bei ihm nicht. Der gebürtige Kreter, der mit 23 Jah- ren nach Deutschland kam und sich selbst als „halben Schwaben“ bezeichnet, leitet die Kinder-Fußball- Akademie des MTV Stuttgart. Sie wurde 1993 gegründet und war die Erste ihrer Art in Deutschland. Der Titel „Akademie“ hört sich nach Leistung und Elite an, aber grundsätz- lich werden alle Kinder aufgenom- men, die dort Fußball spielen möch- ten. Allerdings gibt es unterschiedli- che Gruppen, so dass jedes Kind sei- ner Leistungsfähigkeit entsprechend trainieren kann. Auch soll die Mischung stimmen. „Wenn zehn Türken bei mir anfan- gen, dann kommen die nicht in eine Mannschaft“, stellt Metaxarakis klar. So liegt selbst bei der A-Jugend der Anteil der deutschen Jugendlichen noch bei 50 Prozent; das ist weit mehr als bei den meisten Fußball- vereinen. Der Sport, sagt Metaxarakis, ist an einer Fußball-Akademie keineswegs das Wichtigste: „Erst kommen das Soziale, die Umgangsformen und die 33 Kinder-Fußball-Akademie Georgios Metaxarakis Am Kräherwald 190 A 70193 Stuttgart Telefon 0711/63 18 87 www.mtv-fussball- akademie.de 32 Schon bei den Kleinsten wird hart um den Ball gekämpft. Die Ersatzbank.
  • 19. Gesundheit der Kinder. Wenn dies alles stimmt, klappt es auch mit der sportlichen Leistung.“ Weil dies seine Maxime ist, sucht er auch die Trainer mit großer Sorgfalt aus. Frühestens nach einem halben Jahr Probezeit werden sie übernommen, von einer benachbarten Sportschule nimmt er die besten zwei von 22 Absolventen. „Die Trainer müssen vor allem mit Kindern umgehen können“, betont Metaxarakis, „und ein kindgerechtes Training anbieten.“ Bei den Kleinsten heißt das, dass auch viel getobt wird. „Denen können Sie ja noch nicht die Vierer-Kette beibringen.“ Für die Klei- nen seien die Trainer natürlich die Hel- den. „Die schauen sich genau ab, wie sich einer verhält.“ Das Benehmen der Kinder untereinander ist Georgios Metaxarakis wichtig. Lachend erzählt er, wie Neulinge bei der Akademie, die andere Kinder beschimpfen, gleich gewarnt werden: „Psst, Georgios mag keine Schimpfwörter!“ Auf die Mitarbeit der Eltern legt er großen Wert, verpflichtet sie auch mal zu einem Treffen, will wissen, ob die schulischen Leistungen seiner jungen Kicker stimmen: „Die Schule ist wich- tig, und sie geht vor.“Alle Altersgrup- pen sind in der Akademie vertreten – die Minis, deren Trikots noch bis zu den Knien reichen, ebenso wie die A- Jugend. Seit drei Jahren gibt es eine Kooperation mit dem VfB Stuttgart. Die Talente des MTV können probe- weise zum Nachwuchs des Bundesligi- sten wechseln. Wer aber dort schei- tert – und das sind viele – dem stehen die Türen beim MTV immer offen. Das schafft Vertrauen. Internationale Sprache Ballett In Weilimdorf ist der Unterricht für fast alle erschwinglich Anca Popescu, einst Solistin des Bukarester Opernhauses, hat bei der Sportgemeinschaft Weilimdorf eine Ballett-Abteilung aufgebaut und garantiert dort seit über 15 Jahren eine hervorragende Ausbildung. Die Hälfte ihrer Schülerinnen haben einen Migrationshintergrund, was dort aber kein Thema ist. 34 Georgios Metaxarakis mit seinen Minis.
  • 20. Kontakt Integration durch Sport? Aber wir machen doch gar keine Integrati- on“, sagt der Leiter der Ballett-Abtei- lung, Victor Popescu, verwundert und beweist damit, wie selbstverständlich hier das Miteinander ist. „Wir fragen überhaupt nicht, ob jemand einen Migrationshintergrund hat, schließlich ist Ballett eine internationale Spra- che.“ Viele der Mädchen und der wenigen Jungen, die seine Frau Anca unterrichtet, sind in Deutschland geboren, die Eltern stammen häufig aus anderen Ländern. Eine Rolle spielt das nicht. Anca und Victor Popescu kamen vor über 20 Jahren aus Rumänien nach Deutschland. Sie war Solistin des Bukarester Opernhauses, und es war ihr klar, dass sie dem Ballett auch in Deutschland treu bleiben würde. „Wer das Tanzen so liebt wie ich, kann einfach nicht ohne leben“, sagt sie. 1990 entschloss sie sich, bei der SG Weilimdorf eine Ballett-Abteilung aufzubauen. Da es im Stadtbezirk kein entsprechendes Angebot gab, waren die Verantwortlichen im Verein von der Idee begeistert. Heute unter- richtet die Diplom-Ballettpädagogin jede Woche 70 Kinder und Erwachsene. „Ich bin sehr zufrieden, wie das alles läuft“, sagt sie. Ihre Schülerinnen müssen für den Ballettunterricht lediglich den üblichen Vereinsbeitrag bezahlen, so dass er auch für jene erschwinglich ist, die sich keine Privat- schule leisten könnten. So lassen sich soziale und ethnische Barrieren ver- meiden. Der Unterricht kann neue Welten öff- nen: Aus reinem Leistungsgedanken fangen nur wenige das Tanzen an, häufig geht es um die Freude an der Bewegung, den Wunsch nach Ele- ganz. Ballett steigert das Körperbe- wusstsein, und nebenbei erleichtert es den Zugang zur klassischen Musik, die viele Jugendliche sonst gar nicht kennen lernen würden. Für Weilimdorf sind die Ballettgrup- pen auch eine kulturelle Bereiche- rung, denn häufig treten sie bei Festen und Veranstaltungen auf. 37 SG Weilimdorf Victor Popescu Solitudestraße 111 70499 Stuttgart Telefon 0711/86 52 39 www.sgweilimdorf.de 36 Etwa die Hälfte der Mädchen und Frauen, die Anca Popescu in Weilimdorf trainiert, hat einen Migrationshin- tergrund. Gezählt hat das aber noch niemand.
  • 21. Anca Popescu gelingt es dabei immer, allen Jungen und Mädchen der Grup- pe eine Rolle und damit einen eige- nen Auftritt zu geben. Dies stärkt das Gemeinschaftsgefühl und die Selbstsi- cherheit jedes Einzelnen. Damit die Präsentationen gelingen, hat Anca Popescu die Eltern – vor allem die Mütter – mit in die Pflicht genommen. Zu Anfang nähten diese zusammen mit ihren Töchtern die Kostüme selbst, in der Zwischenzeit übernimmt dies eine Schneiderin, die übrigens aus Indonesien stammt. Auch für Fahr- dienste und bei der Inszenierung sind die Eltern eingespannt. So gelang es, innerhalb des Stadtbezirks viele Netz- werke zu knüpfen. Apropos Netzwerke: Anca Popescu hat den Kontakt zu Kolleginnen aus ihrer Profizeit aktiviert, die in der Zwi- schenzeit Leiterinnen verschiedener Ballettschulen sind, und kann damit den Weilimdorfern Kindern ganz besondere Erlebnisse bieten. Ihre Gruppen haben bei Austauschpro- grammen schon Auftritte in Italien und Frankreich absolviert. Jeder muss mal pfeifen „Die kleinen Zidanes“: Im Jugendhaus Anna steigt jeden Freitag ein Fußballturnier Schiedsrichter zu sein und unpopu- läre Entscheidungen zu treffen, ist gar nicht so einfach. Das erfahren die Fußballer im Jugendhaus Anna schnell, denn jeder muss mal ran und den Unparteiischen spielen. Das kann auch bedeuten, gegen die eigenen Freunde zu pfeifen. Und wer einmal in der Rolle des Schiris gesteckt hat, ruft beim nächsten Mal vermutlich nicht gleich „Schie- bung“. 38 Perfekte Haltung: Anca Popescu korrigiert die Details.
  • 22. Kontakt FC Biomüll gegen Aldi Süd: Einfalls- reich sind sie, die etwa 20 Jungs, die an diesem Freitag beim wöchentli- chen Fußballturnier im Jugendhaus Anna in Bad Cannstatt dabei sind. In der Veranstaltungshalle wird jeweils drei gegen drei auf kniehohe Tore gespielt. Zunächst finden sich die Teams, und dann geht es auch schon los. Die Jungs im Alter von zwölf bis 16 Jahren geben alles. Hier schenkt keiner dem anderen etwas, aber trotzdem bleiben sie fair. Der Schiedsrichter ist einer von ihnen. Jeder muss mal ran und auch die andere Seite kennen lernen und dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden. Wer eine unpopuläre Ent- scheidung trifft und deswegen ins Kreuzfeuer der Kritik gerät, muss das aushalten und lernt so, wie einsam sich ein Schiedsrichter fühlen kann. Droht trotzdem einmal Streit auf dem Spielfeld, spricht Thomas Eisele, Mit- arbeiter im Jugendhaus, ein Macht- wort und entscheidet. Doch das kommt nicht häufig vor. „Wir haben einige unglaublich talen- tierte Jungs dabei“, begeistert sich Sabri Sakalli, der Leiter des Jugend- hauses, der vor etwa vier Jahren die Idee hatte, „Die kleinen Zidanes“ als Projekt ins Leben zu rufen. Sie enga- gierten sich sehr, denn ein paar wol- len Profis werden. Durch die wö- chentlichen Turniere seien auch jede Menge Freundschaften entstanden. Viele Jugendliche hätten sich erst im Jugendhaus kennen gelernt. Etwa 30 Nationalitäten seien dabei, doch Sakalli sagt: „Das sind alles Schwa- ben. Die sehen sich als Cannstatter. Und wenn wir hier mal kochen, dann sind die Leibspeisen Maultaschen, Spätzle und Saitenwürste mit Linsen. Wegen der Moslems nehmen wir aber Puten- oder Rindfleisch." Manchmal kommt es zwischen den Jugendlichen zu Streitigkeiten, dann ist auch die unterschiedliche Herkunft ein Thema. „Natürlich werden wir mit Vorurteilen konfrontiert“, so Sakalli. Das könne schon ein anderes Ausse- hen sein. „Aber die Kinder sollen ler- nen, dass sich durch Bewegung und 41 Jugendhaus Anna Thomas Eisele Gnesener Straße 20 70374 Stuttgart Telefon 0711/52 20 04 www.jugendhaus-anna.de 40 Mehmet, Abdi, Serkan, Lokman, Zaim und Ingo (von links) sind regelmäßige Gäste im Jugendhaus Anna. „Das sind alles Schwaben“, sagt der Jugendhausleiter.
  • 23. durch ein gemeinsames Ziel ethnische Barrieren überwinden lassen.“Auch Thomas Eisele betont: „Die sollen sich auf das Spiel konzentrieren.“ Die ver- schiedenen Cliquen bildeten sich übri- gens kaum nach Nationalitäten, son- dern nach anderen Kriterien, zum Bei- spiel nach Kleidung. Die Aufgabe des Jugendhauses sieht sein Leiter vor allem darin, die Lebens- qualität der Jugendlichen zu verbes- sern: „Für einige von ihnen ist Anna das zweite Zuhause. Sie haben dort Freiräume, die ihnen im Elternhaus oft fehlen.“ Neben Fußball werden auch andere Sportarten angeboten, zum Beispiel Kickboxen und Tanzen, was wiederum eher etwas für Mädchen sei. Thomas Eisele fährt im Sommer mit dem Fahrrad die verschiedenen Sport- plätze ab, um auch Jugendliche, die nicht mit dem Jugendhaus zu tun haben, für die Turniere zu begeistern. Wer eins gewinnt, bekommt zum Bei- spiel Gutscheine für Angebote im Jugendhaus; das kann dann etwa eine halbe Stunde kostenloses Surfen im Internet sein. So sollen die Kinder und Jugendlichen hier ihren Platz finden, statt auf der Straße herumzuhängen. „Wir merken, die Kinder sind dank- bar“, sagt Eisele. „Sie freuen sich, dass Erwachsene sie in ihrer Freizeit anleiten und sich um sie kümmern.“ Vertrauen lernen Ameisenbergschule: Kletterprojekt verbessert das Schulklima Einmal in der Woche erobert eine kleine Gruppe von Schülern aus der Ameisenbergschule die Kletterhalle auf der Waldau. Der Sport fordert und fördert vor allem die kooperati- ven Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler. Sie müssen ihre Angst überwinden und sich auf den ande- ren voll verlassen können. 42 Schiedsrichter Abdi entgeht nichts.
  • 24. Kontakt Ahmet hat sich weit vorgearbeitet: Jetzt hängt er in zwölf Metern Höhe an der Kletterwand und weiß nicht recht weiter. Seine Mitschüler geben von unten Tipps: „Mit dem Fuß auf den Tritt rechts oben!“ Leichter gesagt als getan! Vorsichtig und in Zeitlupe schafft er es, einen sicheren Stand zu erreichen, und kommt ganz oben an der Wand an. Geschafft! Das Herz klopft – mit deutlich erhöhtem Puls kann er sich zurücklehnen und langsam abseilen lassen. Nach ein paar Sekunden schwebt er knapp über dem Boden, noch immer gesichert von zwei Mädchen aus seiner Klasse. Er weiß, dass er sich auf sie ver- lassen kann, dass sie auf ihn aufpas- sen, solange er in der Wand ist und sein Leben an einem „seidenen Faden“, den die beiden Schülerinnen in der Hand halten, hängt. Das Risiko ist allen bewusst. Sonja Oßwald leitet die Schüler der fünften Klasse der Ameisenbergschule, einer Hauptschule, an. Die Mathema- tik- und Sportlehrerin ist selbst passio- nierte Kletterin, und sie freut sich, dass sie diesen Sport weitergeben kann. Eine Schülerin aus der neunten Klasse hilft bei der Aufsicht. Generell wird das Kletterprojekt für alle Klassen von der fünften bis zur neunten angeboten. „Die rennen mir die Bude ein“, sagt die Lehrerin. Deswegen trainiert sie eine feste Gruppe für sechs bis acht Wochen, danach kommt eine andere an die Reihe. Für die Schüler ist das Projekt nur mit geringen Kosten ver- bunden. Tagsüber können sie die Halle für nur 2,50 Euro benutzen; das ist weit weniger als der Normalpreis. Höchstens acht Schüler nimmt sie mit ins Kletterzentrum – aus Sicherheits- gründen. Nach einer kurzen Einfüh- rung geht es dann schnell in die Verti- kale, denn das Projekt setzt vor allem auf Praxis. „Beim Klettern sind alle voll dabei“, so Sonja Oßwald, „und ich habe das Gefühl, dass sie dabei einen anderen Umgang miteinander lernen.“ Das ist auch der pädagogische Ansatz: Jeder lernt, seine Angst zu überwin- den, lernt seine Fähigkeiten und auch 45 Ameisenbergschule Karl-Erich Gommel Ameisenbergstraße 2 70188 Stuttgart Telefon 0711/216-31 25 www.abs.s.schule-bw.de 44 Ahmet hat noch einen weiten Weg zu klettern. Seine Gesundheit hängt davon ab, dass Kristina und Erengül ihn sorgfältig sichern. Lehrerin Sonja Oßwald (von rechts) kontrolliert, ob alles stimmt.
  • 25. Grenzen kennen, hat Erfolgserlebnisse und muss sich vollkommen auf einen anderen verlassen können. Vor allem wegen zweier Internationa- ler Vorbereitungsklassen hat die Ameisenbergschule einen hohen Ausländeranteil. Kinder, die aus dem Ausland nach Stuttgart kommen, werden hier mit speziellen Kursen und Sprachtraining für die weitere Schul- laufbahn fit gemacht. Eine Besonderheit ist die Zusammen- arbeit mit der John-Cranko-Schule. Diese international renommierte Bal- lettschule unterrichtet Schüler aus der ganzen Welt, die zunächst in der Ameisenbergschule Deutsch lernen. Nach etwa einem Jahr wird die Schul- leistung bewertet, viele wechseln dann auf andere Schulen. Gerade bei einer so unterschiedlichen Schülerschaft fördert der Sport die Integration untereinander, denn für ihn sind Sprachkenntnisse nicht nötig. Deshalb gibt es in der fünften und sechsten Klasse vier Sportstunden pro Woche. Auf Schwimmen wird großer Wert gelegt, vor allem auch, weil die Ballettschüler keinen anderen Schul- sport machen dürfen – die Verlet- zungsgefahr ist für sie zu groß. Auch die Polizei kickt mit Einmal nachts Fußball spielen: Neugereut macht’s möglich Gute Lösungen müssen nicht teuer sein: In Neugereut hat allein die Öff- nung einer Schulturnhalle für Jugendliche geholfen, den Kontakt zwischen Jugendlichen, Sozialarbei- tern und der Polizei zu verbessern. Kooperation statt Konfrontation – das funktioniert hier. Das Gefühl, ihre Anliegen werden ernst genom- men, ist den Jugendlichen wichtig. 46 Keine Panik! Auch wenn es anders aussieht, hat Simone mithilfe von Sena (von links) alles im Griff.
  • 26. Kontakt Auf dem Marktplatz in Neugereut Fußball zu spielen, war keine gute Idee: empfindliche Lampen, große Fensterscheiben und natürlich Passanten, denen das Gekicke auf die Nerven ging. Eine Clique setzte sich darüber hinweg, denn, so dachten ihre Mitglieder, egal, wo sie am spä- ten Abend spielen, Ärger gibt‘s immer. Der Ärger schaukelte sich hoch, Sach- beschädigungen und Konfrontation mit der Polizei folgten. Diese erhöhte den Druck auf die Gruppe, die Jugendlichen wiederum fühlten sich provoziert und benahmen sich weiter daneben. Den Verantwortlichen war das Pro- blem klar. Für Kinder gibt es ein umfassendes Angebot im Stadtteil, aber eben nicht für Jugendliche und schon gar nicht abends. Dem sollte abgeholfen werden. Die Lösung war einfach: Die Jugendlichen dürfen nun einmal die Woche spätabends in der Sporthalle der Jörg-Ratgeb-Schule Fußball spielen. Die zwei Betreuer der Mobilen Jugendarbeit und des Jugendhauses beaufsichtigen das Fußballspiel, das ist Teil der Abma- chung, und bekommen richtig guten Fußball zu sehen. Denn die Jugendli- chen spielen auf hohem Niveau und mit vollem Einsatz. Einer hat sogar schon Angebote aus der Regionalliga bekommen. „Sie sind gemeinsam besser geworden“, sagt Susanne Broß von der Mobilen Jugendarbeit Neuge- reut. Mit diesem Projekt werden 40 Jugend- liche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 27 Jahren erreicht, Abitu- rienten ebenso wie Hauptschüler. 15 Nationalitäten kommen hier zusammen. Ein fester Kern von 15 bis 25 Spielern ist immer dabei. Vor allem die Fairness beim Umgang der Spieler miteinander fällt auf. Das Projekt bringt Leute zusammen, die sonst nichts miteinander zu tun hätten – weil der Altersunterschied zu groß wäre oder die Clique dazwi- schen stünde. Wer aber mal zusam- men in einer Mannschaft gekämpft 49 Gesellschaft für Mobile Jugendarbeit Neugereut Ita Meister Kolpingstraße 62 70378 Stuttgart Telefon 0711/53 30 94 www.mobile-jugendarbeit- stuttgart.de 48 Aggressionsabbau mal anders: In Neugereut wird hart um jeden Ball gekämpft, aber trotzdem gehen die Spie- ler sehr fair miteinander um.
  • 27. hat, lernt sich schnell und vorurteils- frei kennen. „Die Jugendlichen haben durch das Projekt das Gefühl, dass sie ernst genommen werden“, sagt Susanne Broß. Es habe sich bewährt, den Jugendlichen entgegenzukommen, ohne zunächst etwas zu fordern, ohne Bedingungen zu stellen. Die Situation in Neugereut hat sich ent- spannt, und auch das Verhältnis zwi- schen den Jugendlichen und der Poli- zei ist besser geworden. Die schaut immer mal wieder vorbei – aus Inte- resse am Fußballspiel. Kürzlich trat sie gegen die jungen Männer an – und verlor 1:2. Nachtschicht am Korb Streetball – rasanter und lauter als Basketball Mitternächtliche Basketball-Turniere haben in Stuttgart Tradition. Im Dezember 2006 wurde in der Tivoli- Sporthalle der zehnte Geburtstag gefeiert. Die Besten der Stuttgarter Streetballer trafen sich, um den Champion auszumachen; das Turnier endete mit einer Überraschung. 50 Foul oder nicht Foul – das ist hier die Frage. Die Mitspieler haben eher eine „Schwalbe“ gesehen.
  • 28. Kontakt Streetball ist wie Basketball, nur spielen zwei Mannschaften mit jeweils drei Spielern auf einen Korb, was die Sache unheimlich rasant macht, denn jede Sekunde kann ein Team punkten. Für die Zuschauer ist das aus verschiedenen Gründen eine echte Herausforderung: Da nur ein Korb gebraucht wird, können mehre- re Matches parallel laufen. Außerdem tragen die Spieler keine Trikots; sie wissen schließlich, wer zu wem gehört. Das Publikum kann da schon mal die Übersicht verlieren. Die laute Hip-Hop-Musik lässt den ohnehin hohen Adrenalinspiegel weiter stei- gen, heizt die Stimmung an und treibt die Spieler vorwärts. Als Basketball um Mitternacht vor zehn Jahren startete, sollten vor allem Jugendliche, die abends herumhingen und „dummes Zeug“ machten, von der Straße geholt werden. Das Projekt war von Beginn an erfolgreich. Anfangs gab es meist ebenso viele Zuschauer wie Spieler, die Cliquen ganzer Stadtteile feuerten ihre Helden an. „Das Publikum hat sich verän- dert“, sagt Dominik Hermet, der für das Gemeinschaftserlebnis Sport die Turniere organisiert. „Damals ist es sicher wilder gewesen.“ Über die Jahre hat sich eine Szene hervorra- gender Streetball-Spieler etabliert, die nun etwa alle drei Wochen in ver- schiedenen Hallen in Stuttgart gegen- einander antreten. Heute fällt bei einem Turnier vor allem die gespannte Nervosität auf. Viele Jugendliche können trotz demonstra- tiver Coolness nicht verbergen, dass ihnen das Gewinnen wichtig ist. Begrüßungsrituale und Kleidung erin- nern stark an Hip-Hop-Videos, der Umgang ist sehr freundschaftlich, die Mannschaften sind bunt gemischt. Hauptschüler, Gymnasiasten, auch Mädchen und junge Frauen sind dar- unter und viele Nationalitäten, aber es gibt keine „ethnischen“ Teams. Wer hier problematische Jugendliche erwartet, sieht sich getäuscht. Die Spieler wirken hochmotiviert und durchtrainiert. „Da sind auch Rowdies dabei“, sagt Dominik Hermet offen, 53 Gemeinschaftserlebnis Sport Dominik Hermet Fritz-Walter-Weg 19 70372 Stuttgart Telefon 0711/28 077-654 www.gemeinschaftserlebnis- sport.de 52 Die „Fantastic 5“ lassen ihre Gegner alt aussehen. Am Schluss gewinnen sie das Turnier.
  • 29. „aber eben nicht nur. Der Gedanke ist ja auch, dass die schwierigen Fälle hier mit anderen, vernünftigen Jugendlichen zusammenkommen. Sie sollen lernen, dass Gewinnen wichtig ist, dass es aber ebenso wichtig ist, auch verlieren zu können.“ Das Turnier geht los. Die „Fantastic 5“, ein Team aus drei jungen Frauen und einem männlichen Auswechsel- spieler, stehen einer reinen Männer- truppe gegenüber. Klingt ungerecht und ist es auch – für die Männer: Die „Fantastic 5“ überrollen ihre Gegner im Verlauf des Turniers, auch dank der Unterstützung durch Kosta Karamats- kos. Der 20-Jährige nahm früher regelmäßig an den Turnieren teil und spielt heute professionell beim Basket- ball-Zweitligisten Kirchheim/Teck. Die „Fantastic 5“ gewinnen das Turnier. „Es war vor allem harte Arbeit“, sagt Karamatskos rückblickend über seinen Aufstieg zum Profi. Unter den Street- ballern gebe es einige Jugendlichen mit viel Talent, die auch schon kurz- zeitig in professionellen Vereinen ge- spielt hätten, aber bei den meisten reichte dann die Disziplin nicht, um im Profigeschäft zu bestehen, so Werner Schüle, der Vorsitzende des Sportkrei- ses Stuttgart. Stolz sind die Verantwortlichen dar- auf, dass einige der Jugendlichen das Organisieren nun selbst in die Hand nehmen wie bei der Basketball-Reihe „Tha Shiznit“. Durchbruch dank „La musica“ „Bewegter Kindergarten“ verbindet Musik und Tanz, Bewegung und Spaß Mehrere Bewegungsphasen über den Tag verteilt, jede Woche Sport – in der Kindertagesstätte Sattelstra- ße 73 in Untertürkheim ist dies selbstverständlich. Das tut vor allen Kindern gut, die mit der Sprache Schwierigkeiten haben. 54
  • 30. Kontakt Für den dreijährigen Marco muss der erste Tag im Kindergarten die Hölle gewesen sein: Fremde Kinder, niemand sprach Italienisch, er bis jetzt kaum Deutsch und eigentlich wollte er gar nicht von zuhause weg. Sobald seine Mutter sich nur ein paar Meter entfernt hatte, begann der Junge zu weinen – und das über Stunden. Die Leiterin der Kindertagesstätte Sat- telstraße 73 in Untertürkheim, Karla Ulbrich, hatte das erste Mal seit lan- gem wieder das Gefühl, ein Kind würde es nicht schaffen, sich in der Gruppe zu integrieren. „Ich hätte bei Marco nicht gedacht, dass er gerne Musik hört oder tanzt. Er war sehr ängstlich und reagierte panikartig auf die anderen Kinder.“ Doch wenn man ihn jetzt – gerade drei Wochen später – beobachtet, mag man gar nicht glauben, dass der Anfang so schwer war: Wenn im Kin- dergarten die Bewegungsphase kommt, steht Marco im Mittelpunkt. Er lacht, singt und tanzt und ist nicht mehr zu halten. Was ist passiert? Eines Tages sah Marco die anderen Kinder beim Tan- zen – und hörte das erste Mal auf zu weinen. Gizem, ein türkischstämmi- ges Mädchen, nahm ihn bei der Hand, der Knoten war geplatzt. Wenn Marco heute tanzen möchte, zeigt er aufgeregt auf den Kassettenrekorder: „La Musica!“ Bei der dreijährigen Maria, die griechi- sche Wurzeln hat, lief es andersher- um. Das lebhafte und sehr neugierige Mädchen weinte, als sie als Neuling nicht sofort ihren Stammplatz bei den Bewegungsspielen bekam. Sie wollte unbedingt dabei sein. Doch auch bei ihr dauerte es nicht lange: Wenige Wochen später tobte sie mit den anderen Kinder herum. Hinter alldem steckt natürlich ein pä- dagogisches Konzept und das mit dem hübschen Namen „Wie kommt Lisa nach Pisa?“ Die Lieder, die die Kinder heiß und innig lieben, verbessern auch ihre Sprachkompetenz, denn sie lernen dabei zu zählen, die Wochentage und die Melodie der Sprache. 57 Forum „Gesunde Stadt Stuttgart“ Heinz-Peter Ohm Bismarckstraße 3 70176 Stuttgart Telefon 0711/216-55 17 www.stuttgart.de/ gesunde-stadt 56 Marco inmitten der anderen Kinder, die während der morgendlichen Bewegungsphase auf dem Boden „Fahrrad fahren“. Singen und Tanzen verbessert die Konzentration der Kleinen.
  • 31. Damit es nicht langweilig wird, kom- men immer wieder neue Lieder dazu, neue „Choreographien“ und ein neuer Text. In der Kita-Gruppe haben alle Kinder einen Migrationshinter- grund, umso wichtiger ist es, dass die Kommunikation auf Deutsch läuft. Seit drei Jahren kooperiert die Kinder- tagesstätte mit dem örtlichen Sport- verein, dem TB Untertürkheim. Einmal die Woche geht es in die Sporthalle – zur „psychomotorischen Bewegungs- einheit“, in der die Kinder sich bei Geschicklichkeits- und Koordinations- spielen austoben können. „Wir haben deutlich mehr Bewegung im Kinder- garten als vor vier Jahren“, so Karla Ulbrich, „und die Kinder sind nach dem Sport viel konzentrierter.“ Sportlichen Horizont erweitern Sport-Spektrum: alle zwei Wochen eine neue Sportart Im Gottlieb-Daimler-Gymnasium können Sechstklässler beim „Sport- Spektrum“ ungewöhnliche Sportar- ten kennen lernen. Der Gedanke dabei: Der Kontakt zu den örtlichen Sportvereinen soll verbessert wer- den, und die Kinder sollen ihren Horizont erweitern. 58 Marco und Maria, die beiden Neulinge im Kindergarten.
  • 32. Kontakt Fußball, Handball, Basketball – das sind Sportarten, die die meisten Schüler kennen. Aber Wasserball, Hockey und Fechten? Oder gar Akro- batik in einem Zirkus? Davon haben sie vielleicht gehört, aber es wohl kaum ausprobiert. Beim Wasserball geht es ruppig zu und die Badekap- pen haben Ohrenschützer, beim Segeln oder Rudern kann das Boot schon ganz schön schwanken – neue Erfahrungen, die das Projekt „Sport- Spektrum“ ermöglicht. Ungewohnte Bewegungsabläufe müssen geübt, neue Regeln gelernt werden. Wer weiß bei uns schon, wie ein Baseball- Spiel genau funktioniert? Die Schüler der sechsten Klassen des Gottlieb-Daimler-Gymnasiums in Bad Cannstatt können das Sport-Spek- trum als AG wählen. Das bedeutet, dass sie zwei Stunden lang alle zwei Wochen eine andere Sportart kennen lernen. Die meisten werden direkt vor Ort angeboten, manchmal müssen die Schüler aber auch zu den Verei- nen. Zurzeit belegen 39 Schülerinnen und Schüler diese Arbeitsgemein- schaft, das sind zwei Drittel des Jahr- gangs. Wer sich einträgt, verpflichtet sich zur Teilnahme. Dieses Jahr war die Nachfrage so groß, dass die Grup- pe geteilt werden musste. Lutz Arnold, Sportlehrer am GDG und Vater des Sport-Spektrums, will seinen Schülern mit der AG Erfahrungen mit- geben, die sie später vielleicht einmal nutzen können. Nur wenige Schüler steigen, nachdem sie eine Sportart ausprobiert haben, tatsächlich fest in einem Verein ein. „Dafür gibt es viele Gründe“, sagt Arnold. „Einige sind schon fest in einem Sportverein, die zeitliche Belastung durch das achtjähri- ge Gymnasium ist hoch, und mancher möchte seine Freizeit nicht verplanen.“ Kurzfristig, so ist Arnold überzeugt, hat sich die AG für die Schüler auf jeden Fall gelohnt: „Zwei Drittel des Jahrgangs haben zwei zusätzliche und außergewöhnliche Sportstunden in der Woche gehabt und damit etwas gegen das so oft beklagte Bewe- gungsdefizit getan. Außerdem waren nicht nur die Sportskanonen dabei, 61 Gottlieb-Daimler- Gymnasium Lutz Arnold Kattowitzer Straße 8 70374 Stuttgart Telefon 0711/95 28 300 www.gdg-stuttgart.de 60 Beim Wasserballtraining mit dem SV Cannstatt. Die Schüler tragen Badekappen mit Ohrenschützern.
  • 33. sondern auch viele, die sich motorisch etwas weniger geschickt anstellen.“ Daneben soll das Projekt auch die Kooperation mit den örtlichen Sport- vereinen fördern. Diese stellen sich und ihre Sportarten vor. Die Hoffnung ist, dass dadurch langfristig auch die Vernetzung innerhalb des Stadtbe- zirks verbessert werden kann. Am Gottlieb-Daimler-Gymnasium werden 27 „Abstammungsländer“ gezählt, Sprach- und Integrationspro- bleme gibt es nicht, was sicherlich auch an der Schulart und ihrem Bil- dungsniveau liegt. Als Sport-Gymnasium hat die Schule eine lange Tradition. Konsequent neh- men ihre Schüler am Wettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ teil, und einige waren auch schon bei Bundesfinalen dabei. Zurzeit ist die Basketballmannschaft des Gymnasi- ums Vizelandesmeister. Bei der Verlei- hung des deutschen Schulsportpreises ist das Sportkonzept des Gymnasiums unter die besten zwölf gekommen. Für die Schüler, die keine herausra- genden Sportler sind, hat das Sport- Spektrum einige Vorteile: „Da kann jeder etwas finden, bei dem er mit den anderen mithalten kann oder sogar besser ist“, sagt Lutz Arnold. „Beim Rudern brauchen sie Koordina- tion und Kraft, im Hochseilgarten und beim Zirkusprojekt Geschicklichkeit. Da ist für jeden etwas dabei.“ Siegen durch Nachgeben Eine ganze Klasse lernt in einem halben Jahr gegenseitigen Respekt Kämpfen mit festen Regeln, Medita- tion, Rituale – das sind die Bausteine von „Wertevermittlung und Orien- tierung durch Kampfsport“, kurz: WOK. In der Grund- und Hauptschu- le Gablenberg wird seit Frühjahr 2006 damit gearbeitet. 62
  • 34. Kontakt N ein, ihr werdet unsere Königin niemals gefangen nehmen!“, ruft Peter Besenfelder und kniet sich auf die Matte. Der Polizist vom Polizei- revier Ostendstraße im Stuttgarter Osten ist einer der Trainer beim Projekt WOK. Die gegnerische „Königin“ sitzt auf der anderen Seite der Judomatten und muss besiegt werden. Die sieben Schüler der Klasse 9 b der Grund- und Hauptschule Gablenberg nehmen den Kampf auf. Tapfer kämpfen auch die Mädchen mit, die zunächst den Angriff stoppen, indem sie sich an den Judoan- zügen der gegnerischen Jungs festkral- len. Doch trotz der Unterstützung durch die Polizei geht diese Runde für die Mädchen verloren. Immer eine Klasse, aufgeteilt in Grup- pen, damit der Gymnastikraum nicht zu voll wird, hat ein halbes Jahr einmal wöchentlich Training. Kooperations- partner dieses Projekts sind das Polizei- revier Stuttgart-Ost, die Schule, die Mobile Jugendarbeit Stuttgart-Ost und das Jugendhaus Stuttgart-Ost. Die Lan- desstiftung Baden-Württemberg bezahlte die Trainingskurse für die Aus- bilder. Kooperationspartner und Spon- soren stellten das Geld für die Matten, Ausrüstung und Anzüge bereit. Für die Schüler entstehen keine Kosten, ledig- lich ein Pfand für ihre Judoanzüge müs- sen sie hinterlegen. Die Teilnahme am Kurs ist Pflicht. Warum läuft dieses Projekt gerade in Gablenberg? „Man erwartet immer, dass es für so etwas einen konkreten Anlass geben muss“, sagt Eddy Götz von der Mobilen Jugendarbeit, „aber das ist nicht der Punkt. Es geht um Respekt, der vielen Schülern verloren gegangen ist. Schon ihre Sprache ist gewalttätig. Wir wollen ihnen beibrin- gen, sich an klare Regeln zu halten und Werte zu verinnerlichen.“ Deshalb besteht das Training nicht nur aus Kampfsport. Zwar lernen die Schü- ler Elemente aus Judo und Jiu-Jitsu, aber auch Tai Chi und Meditation sind im Programm enthalten. Regeln und Rituale sind wichtig und allein zu ler- nen, dass man still ist, wenn jemand spricht, ist für einige Schüler eine He- rausforderung. 65 Verein Mobile Jugendarbeit Stuttgart-Ost Eddy Götz Hackstraße 89 70190 Stuttgart Telefon 0711/26 08 77 E-Mail: ost.89@mja-stuttgart.de www.mobile-jugendarbeit- stuttgart.de 64 Auch die Mädchen lernen bei dem Projekt, sich zu behaupten und ihre körperliche Kraft einzusetzen.
  • 35. Bei den Entspannungsübungen am Anfang wird gekichert, was die Trai- ner mit strafenden Blicken quittieren. Konzentrierter ist die Mitarbeit bei Kampftechniken, auch wenn die Mädchen offensichtlich Hemmungen haben, körperliche Kraft auszuüben. Anders bei den Kata, stilisierten Kampfabläufen gegen imaginäre Gegner, die synchron ausgeführt wer- den: Dabei wird geschrieen; auch die Mädchen sind deutlich zu hören. Eine Auswertung des Projekts durch die Fachhochschule Esslingen ergab, dass besonders die Stillen und Zurück- haltenden profitierten. Sie bekommen ein besseres Körpergefühl, können sich besser wehren und lernen vor allem, Grenzen zu setzen. Auch das Schreien bei der Kata wirkt befreiend. Gerade für die männlichen Schüler ist es auch eine besondere Erfahrung, beim Bodenkampf mit Erwachsenen ihre Kräfte zu messen. „Unter Realbe- dingungen ist so etwas ja ausge- schlossen“, sagt der Polizist Besenfel- der. Wer das Projekt durchhält und regel- mäßig, pünktlich und aktiv mitarbei- tet, bekommt am Schluss ein Zertifi- kat, das sich auch für Bewerbungen eignet. Kicken auf dem Schulhof Schülermentoren als Vorbilder für die Jüngeren Einmal in der Woche bieten Acht- klässler der Grund- und Hauptschule Ostheim für die Grundschüler Fußballtraining an. Jungen und Mädchen bolzen gemeinsam auf dem Schulhof. Das Schülermen- toren-Programm stärkt den Zusam- menhalt in der Schule, und die Älte- ren übernehmen Verantwortung. 66 Das Training mit dem Stock verbes- sert die Geschicklichkeit und die Konzentration.
  • 36. Kontakt Gudrun Greth gerät richtig ins Schwärmen, wenn sie von ihren Schülern erzählt. Drei von ihnen, die Achtklässler Henok, Faruk und Onur, haben vor kurzem bei einem Klein- feld-Fußballturnier den dritten Platz erreicht und 1000 Euro gewonnen. Als die Direktorin der Grund- und Hauptschule Ostheim die Schüler fragte, was die denn jetzt mit dem Geld machen wollten, ob es durch drei geteilt werde oder ein größeres Fest mit der Klasse geplant sei, ant- worteten die drei erstaunt: „Wieso, das ist doch für unsere neue Sporthal- le.“ Da war Gudrun Greth sprachlos. Die soziale Kompetenz ihrer Schüler zeigt auch ein anderes Beispiel: Die drei waren Mitglied einer Mannschaft, die bei einem anderen Turnier zwar den letzten Platz belegte, dafür aber den „Fair Play“-Pokal bekam. Henok, Faruk und Onur haben als typische „Straßenfußballer“ angefan- gen. Sie spielten in keiner Fußball- mannschaft, sondern kickten bei jedem Wetter auf dem Schulhof. Damit sie ihr Talent weiterentwickeln können, schlug ihnen Gudrun Greth vor, sich einem Verein anzuschließen. Onur und Faruk, deren Eltern aus der Türkei stammen, spielen in der Zwi- schenzeit im Fußballverein, Henok – er wurde in Eritrea geboren – ließ sich zum Schülermentor ausbilden. Einmal jährlich bietet das Kultusministerium im Programm „Schulsportmentoren Hauptschule“ diese Ausbildung an. Nachdem die bisherigen Schülermen- toren die Schule nach der neunten Klasse verlassen haben, ist Henok nun als Einziger übrig. Gudrun Greth wünscht sich für das nächste Jahr weitere Mentoren, denn einer allein sei zu wenig, um sich um die Kleinsten zu kümmern. Gerne hätte sie auch wieder Mädchen dabei. Wenn die Mentoren ihre Aufgabe ver- lässlich erledigen, erhalten sie ein Zer- tifikat, das sie ihren Bewerbungen beilegen können. Die 600 Schüler der Grund- und Hauptschule Ostheim kommen aus 76 69 Grund- und Hauptschule Ostheim Gudrun Greth Landhausstraße 117 70190 Stuttgart Telefon 0711/26 19 18 www.ghs-ostheim.de Landesinstitut für Schulsport Baden-Württemberg www.lis-in-bw.de/mentoren 68 Faruk, Henok und Onur (von links): Die drei Achtklässler haben 1000 Euro, die sie bei einem Kleinfeld-Fußball- turnier gewannen, für den Neubau der Schulsporthalle gespendet.
  • 37. verschiedenen Ländern. Mit großem Einsatz arbeiten Gudrun Greth und ihr Kollegium daran, den Schülern Werte mitzugeben und ihnen bei der Inte- gration zu helfen. Projekte wie „Inspi- ration Ostheim“ gehören dazu. Hier erzählen Migranten wie der Rapper Afrob und der Soulsänger Fetsum, die beide ihre Karrieren in Stuttgart begannen, wie sie erfolgreich ihren Weg gemacht haben. Gemeinsam mit einigen Schülern nahmen sie einen Song auf und bereiten zurzeit ein Theaterstück über Migration vor. Gudrun Greth möchte, dass sich ihre Schüler möglichst schon im Grund- schulalter an Sportvereine binden. Sie sieht darin eine große Chance, sich in dieser Gesellschaft zu integrie- ren. Deswegen bemüht sie sich auch um erfolgreiche Sportler, die in der Schule für den Vereinssport werben. Die Jungs wünschen sich jemanden vom Fußball-Bundesligisten VfB Stutt- gart. Absoluter Favorit: Trainer Armin Veh. Schule der Sportelite Schickhardt-Gymnasium: Hier ist es schwer, herausragend zu sein Für Schüler, die hervorragende Sportler sind, gibt es die „Elite- Schulen des Sports“. Hier werden sie speziell gefördert, die Schule passt sich den individuellen Bedürf- nissen der Schüler an, wie das Schickhardt-Gymnasium. 70 Bei dem Fußball-Training für die Grundschüler sind alle Jungen und Mädchen dabei.
  • 38. Kontakt Wie gut Anita Tischtennis spielt, zeigt sie am besten, wenn sie gefordert wird. Als ihre chinesische Trainerin Ma Kun einen scharf gespiel- ten Ball nach dem anderen knapp über das Netz spielt, dreht sie richtig auf. Die Sechstklässlerin mit kambo- dschanischen Eltern spielt ebenso prä- zise zurück; es wird ein richtig span- nendes Match. Zwei chinesische Tischtennisprofis, Ma Kun und ihr Lebensgefährte Mu Hao, trainieren die Tischtennis-AG am Schickhardt-Gymnasium. Sie spielen in der Regionalliga für den Sportbund Stuttgart, ihr Vertrag umfasst auch den Unterricht hier. Ihre Schülerinnen und Schüler kommen vor allem aus der fünften und sechsten Klasse, eini- ge sind älter, über 30 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Das zei- gen auch einige selbstbewusst, indem sie Trikots in den Farben ihrer Natio- nalmannschaft tragen. Am Anfang kümmern sich die beiden Trainer um jeden einzelnen ihrer Schützlinge. Damit diese die richtigen Techniken verstehen und auch lernen, spielen Ma Kun und Mu Hao mit, indem sie in die Schläger der Schüler greifen und deren Hand führen. Nach einigen Ballwechseln stellen sich die ersten Erfolgserlebnisse ein. Nochmals die Haltung korrigieren und dann wird’s ernst: Beim Turnier spielt jeder gegen jeden, auch die Großen gegen die Kleinen. Die Anforderung ist hoch, steigert aber den Lerneffekt. Für sportlich talentierte Schüler ist das Schickhardt-Gymnasium eine bevor- zugte Adresse, denn hier können sie damit rechnen, entsprechend geför- dert zu werden. Das gilt auch für die- jenigen, die nicht den Sportschwer- punkt wählen und sich ihrer Bega- bung vielleicht auch gar nicht sicher sind. Hier wird geschaut, dass sie, sofern Interesse vorhanden, sich einem Sportverein anschließen. 1989 gab sich die Schule ein Sport- profil und Jugendliche, die sich dafür entscheiden, haben automatisch Sport als ein Hauptfach. Einige Schü- ler gehören in ihren Sportarten zu 73 Schickhardt-Gymnasium Ludwig Dietzfelbinger Schickhardtstraße 26 70199 Stuttgart Telefon 0711/216-85 92 http://server.sgs.s.bw.schule.de 72 Die chinesische Trainerin Ma Kun, eine professionelle Tischtennisspielerin, zeigt die richtige Haltung, indem sie in den Schläger greift. Nach einigen Schlägen sitzt die Technik.
  • 39. 75 Landes- oder sogar Bundeskadern. Denn in „normalen“ Schulen gibt´s immer wieder Probleme. Häufige Wettkämpfe und zeitintensives Trai- ning wirken sich oft auf die schuli- schen Leistungen aus. An der „Elite- schule des Sports“ hat man sich da- rauf eingerichtet. Freistellung für Wettkämpfe ist hier eine Selbstver- ständlichkeit. Lernen müssen die Jungen und Mädchen allerdings auch hier. Sie pauken den Stoff dann in ihren freien Minuten im Sportcamp. In den Hauptfächern geben die Lehrer so genannten Nachführunterricht, wenn die jungen Sportler von ihren Wettkämpfen oder aus Trainingsla- gern zurück sind. Daneben gehört die Hausaufgabenbetreuung mit zu ihrem Programm. Von der fünften bis zur achten Klasse sind vier Stunden Sport in der Woche obligatorisch. Dass hier so viele her- ausragende Sportler aufeinandertref- fen, hat für die Sportlehrer einige Vor- teile: „Wir können mit den Schülern im Sportunterricht Dinge machen, die woanders gar nicht möglich sind. Dort müssen oft erst noch die Grundtech- niken vermittelt werden, wir arbeiten hier schon an fortgeschrittenen Takti- ken“, sagt der Sportlehrer Knut Radke. „Die Schüler werden von den anderen mitgezogen und entwickeln viel Ehrgeiz, denn hier ist es schwer, herausragend zu sein und mit seinen sportlichen Leistungen aufzufallen.“ 74 Bei den Turnieren spielt jeder gegen jeden. Landeshauptstadt Stuttgart Sportamt Markus Rieger Telefon 0711/216-85 89 E-Mail: markus.rieger@stuttgart.de Stabsabteilung Integrationspolitik Martha Aykut Telefon: 0711/216-76 40 Fax: 0711/216-5640 E-Mail: martha.aykut@stuttgart.de Herausgeberin: Landeshauptstadt Stuttgart, Stabsabteilung Kommunikation Text: Dietmar Gustke Redaktion: Regina Willner Fotos: Christian Hass, Horst Rudel (Seite 7), Britt Moulien (Seite 19 und 20), Gottlieb- Daimler-Gymnasium (Seite 60) Gestaltung: Uli Schellenberger © Januar 2007 Ansprechpartner