"Das ferne Reichsoberhaupt? Aspekte der Beziehungen der Freien Reichsstadt Speyer zu Kaiser Friedrich III. (1440-1493).
Vortrag im Rahmen der "Heidelberger Vorträge zur Landesgeschichte", 20. Mai 2015, Universität Heidelberg.
Das ferne Reichsoberhaupt? (Vortrag 20. Mai 2015, Heidelberg)
1. Das ferne Reichsoberhaupt?
Das ferne Reichsoberhaupt? Aspekte der
Beziehungen der Freien Reichsstadt Speyer
zu Kaiser Friedrich III. (1440-1493)
Heidelberg, 20. Mai 2015
Joachim Kemper, Abteilung Kulturelles Erbe /
Stadtarchiv Speyer
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2. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Landesgeschichtliche Perspektive, am
Oberrhein bzw. von Speyer ausgehend
(Bischof, Kurpfalz, Kurmainz, Baden,
kleinere Territorien usw.)
• Kaiser Friedrich III. – Gegner Friedrichs
des Siegreichen (Reichsacht)
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4. Kaiser Friedrich III.,
Beinamputation (1493)
• Bewertung („Diffamierung“) in der
älteren Historiographie
• Geiz, Untätigkeit, Käuflichkeit,
Passivität = „Erzschlafmütze des
Reiches“ – aber auch Frömmigkeit
• Positivere Bewertung erst in den
letzten Jahrzehnten (Friedrich-
Forschung, vor allem: Bearbeitung
der Urkunden und Briefe im
Rahmen der Regesta Imperii)
• Aufarbeitung nach
Empfängerarchiven, also:
Regionalperspektive
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5. Kaiser Friedrich III.,
Kunsthistorisches
Museum Wien
• Bisher 30 „Hefte“ publiziert
(1982-2014), z.B. Frankfurt
(1047 Regesten), Nürnberg
(mehrere Hefte!), aber auch
Haus-, Hof- und Staatsarchiv
Wien (Allgemeine
Urkundenreihe u.ä., mehrere
Hefte)
• Heft 17: Urkunden und Briefe
aus den Archiven und
Bibliotheken (in) der Stadt
Speyer
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6. Internetauftritt:
http://www.regesta-
imperii.de/
• Fazit: Gute Quellenbasis, zumal
die Publikationsfolge sehr hoch
ist. Kein jahrzehntelanges
Warten auf eine Gesamtedition.
• Ca. 40.000 (50.000?)
Urkunden und Briefe (Offene
und Geschlossene Briefe),
davon 30.000 bei den RI per
Datenbank bekannt; über 25%
in Heften publiziert
(Vollregesten).
• Kaiser Maximilian I.:
Kurzregesten als Mittel, in
Auswahl
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7. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Positivere Bewertung des Herrschers
• Bedrohungen, Bindung in Österreich
• Grundlagen für die Dominanz des Hauses Habsburg
• Bedächtiges und daher überlegenes und an alle Situationen
angepasstes Handeln (Heinrich Koller)?
• Faktor Länge der Regierungszeit? Friedrich überlebt seine
wichtigsten Widersacher (Friedrich der Siegreiche, Matthias
Corvinus)…
• Beharren auf kaiserlichen Rechten/Positionen – Rolle der
Reichsstädte
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8. • uns und dem heiligen reiche an mittel gewont und
nyemand anders verpflicht
• Speyer (ähnlich: Worms): Lange Zeit der
Reichsunmittelbarkeit – Ortsbischöfe, Domkapitel oft
pfalznah (Heidelberg, Kurpfalz)
• Bischof von Speyer: Hochstiftsterritorium
• Erhebliche Auseinandersetzungen unter Bischof
Raban von Helmstatt (1396-1430)
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9. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Gefahr der Mediatisierung (v.a. während der Amtszeit des Bf. Matthias Rammung, 1464-
1478), analog zur Wormser Situation
• Schirmverträge mit Kurpfalz (u.a. 1467: Schlusspunkt unter mehrjährige Konflikte wegen
der Speyerer Stuhlbrüder)
• Streit um Stuhlbrüderpfründen: Kaiser Friedrich III. setzt sich zunächst für seinen
Kanzleischreiber Wolfgang Spitzweg ein, der aber verhindert wird; später: ksl. Einsatz für
Peter Schreier, Speyerer Bürger – Kulmination und Gefangensetzung einer Speyerer
Gesandtschaft in Udenheim
• Speyerer Rat: Ratsgesandter beim Kaiserhof – Friedrich III. beharrt gegenüber Bischof,
Domkapitel und den Stuhlbrüdern (sowie: Kurpfalz) auf seinem Recht, ebenso als „oberster
Richter und natürlicher Herrscher“ der Stadt
• Stuhlbrüderkonflikt: In Forschung bekannt (u.a. Beitrag Krieger) bzw. schon in älterer
Historiographie dargestellt
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10. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Gesamtüberlieferung Friedrichs III. im Stadtarchiv
Speyer (= ehemals reichsstädtisches Archiv)?
• Regestenheft Nr. 17 (Speyer): Ca. 400 Regesten,
davon weit überwiegend aus dem Stadtarchiv und
Landesarchiv
• Stadtarchiv: Größter Anteil im Heft!
• Begründung: Gute Reichsbeziehungen der Stadt
spiegeln sich auch in der Überlieferung.
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11. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Stadtarchiv Speyer: Seit dem 14. Jahrhundert bereits
als Amt der Stadt genannt; wenig
Überlieferungsverluste, auch im Jahr 1689
(Stadtzerstörung) vergleichsweise geringe Verluste
(Auslagerung nach Straßburg)
• Dichte Überlieferung (auch Akten) bereits im späten
Mittelalter
• Problem: Nutzung durch Forschung
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21. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Friedrich-Überlieferung im Stadtarchiv: Bürgermeister und Rat haben sich anscheinend
sehr intensiv um die Dokumentation gekümmert (Anlage von Akten, Rückvermerke usw.) –
Interesse an Kaiser und Reich
• Überlieferung: Nicht nur „große Politik“ (Rundschreiben an alle Reichsuntertanen bzw.
Reichsstädte = Reichssachen), Gratialsachen u.ä.
• In Ergänzung dazu (und in der Mehrheit!): Kleinteilige Überlieferung, „Lokalpolitik“
• Beispiel für Gratialsachen: Allgemeine Privilegienbestätigungen, „Reformatio Friderici“
(1442, Exemplar für Stadt Speyer; mehrere hundert identische Exemplare waren damals in
Umlauf gebracht worden)
• Gratialsachen im Zusammenhang mit Wirtschaft und „Sicherheit“ (Bau von befestigten
Anlagen bzw. Burgen im Umland, Bsp. Waldsee und Marientraut bei Hanhofen)
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23. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Weitere Überlieferung: „Reichssachen“ (militärische,
finanzielle Hilfe – gegen Ungarn, Osmanen, Frankreich…)
• Beilegung von Streitfällen und Konflikten (sehr umfangreich!)
• Beispiele dafür: Gebote und Verbote, Ladungen,
Kommissionen, KG-Urteile (Kammergericht)
• Rat sucht in Streitfällen sehr rasch den Weg zum Herrscher
• Beispiel: Fehde/Konflikt mit Nikolaus Vogt von Hunolstein, der
die Stadt vor die Westfälischen Gerichte laden ließ
(Widerspruch zur „Reformatio“ von 1442)
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24. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Weitere Beispiele dafür: Stuhlbrüder, Münzer und
Hausgenossen (beides auch in Literatur bekannt)
• Jüngere Literatur zur Stadtgeschichte hat
Archivquellen bzw. die Schreiben Friedrichs III. nur
rudimentär zur Kenntnis genommen
• Dies ist aber wichtig – aus kommunaler Perspektive
(aber nicht nur: das Handeln Friedrichs III. setzt sich
aus vielen „Einzelstücken“ zusammen)
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25. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Streit des Ratsherren Peter Sassensack,
Ende der 1480er Jahre (anscheinend eher
„geringfügige“, aber ausnehmend gut
überlieferte Streitsache)
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26. Das ferne Reichsoberhaupt?
• „Untiefen“ der Stadtgeschichte: Der „Fall“ Jakob von Nürnberg, Bürger zu
Speyer (gest. 1457)
• Kreditgeschäft Jakobs mit Heilbronn, bald werden zahlreiche weitere
„Parteien“ involviert (Kaiser Friedrich, Friedrich der Siegreiche, Graf Kraft V.
von Hohenlohe und dessen Söhne, Ratsherren und Kaufleute beider
Städte, Speyerer Rat)
• Über 20 Schreiben Kaiser Friedrichs III. im Speyerer Archiv, daneben
zahlreiche weitere Entwürfe, Korrespondenz usw.
• Kreditgeschäft: Jakob verleiht an Stadt Heilbronn 1.000fl.; Zins soll nach
seinem Tod an das Speyerer Spital gezahlt werden. Heilbronn verleiht den
Kredit weiter an Graf Kraft von Hohenlohe
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27. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Graf Kraft von Hohenlohe: Vorwurf der unehelichen
Geburt Jakobs von Nürnberg, daher: Heimfall des
Vermögens an das Reich?
• Konkurrent: Friedrich der Siegreiche (Wildfangrecht
der Kurpfalz)
• Erst 1473 erfolgt Endurteil (Kammergericht, 24
Seiten), es folgten Schadenersatzklagen = 25 Jahre
Dauer des Streitfalls
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29. Das ferne Reichsoberhaupt?
• Ratsgesandte am Kaiserhof – auch damals;
Notwendigkeit der Präsenz der Reichsstadt
• Das „ferne“ Reichsoberhaupt: Kontakte sind auch für
eine vergleichsweise weniger bedeutende Reichsstadt
wie Speyer grundlegend
• Aufenthalt des Kaisers in Speyer? Ca. 18. Dezember
1486 bis Mitte Februar 1487 (kaiserlicher Tag,
Vorbereitung des Frankfurter Reichstags)
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