SlideShare uma empresa Scribd logo
1 de 18
Baixar para ler offline
Management, Marketing und Informationssysteme
Organisationale Routinen und Informationssysteme

Leonhard Dobusch
28. November 2013
Diskussion der Vorablektüre
Edmondson et al. (2001): Disrupted Routines: Team
Learning and New Technology Implementation...
Gruppe 1:
§  Wie lässt sich diese Abhängigkeit vom Teamleader
reduzieren?
§  Gibt es Technologie-Einführungen, wo "practice and
communicate" oder "encouragement of communication" sowie
"collective reflection" eher als erfolgshemmend sind?

Gruppe 2:
§  Führt die "Verwässerung" der Hierarchie nicht besonders in
kritischen Situationen, in denen viele Entscheidungen binnen
Sekunden getroffen werden müssen, zu Problemen?
§  Welche Unternehmensbereiche haben welchen Einfluss auf
Entstehung von Routinen (Management, Fachabteilung, IT)?
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Diskussion der Vorablektüre
Feldman/Pentland (2003): Reconceptualizing Organizational Routines as a Source of Flexibility and Change:
Gruppe 3:
§  Verhindern Routinen nicht Innovationen bzw. Kreativität?
Routinen ein Wettbewerbsnachteil in dynamischem Umfeld?
§  Wo ist der Unterschied zwischen Routinen und Prozessen?

Gruppe 4:
§  Für welche Unternehmensbereiche sind Routinen am besten
geeignet und für welche nicht?
§  Stellt ein gewisser Grad der intrinsischen Motivation der
Beteiligten eine Grundvoraussetzung für endogene
Veränderungen dar?
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Routinen und Organisationen

Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Klassischer Routinebegriff Taylors
§  Ausgangspunkt: Taylors Bewegungsstudien („Scientific
Management“)
§  Routinen als individueller, wiederholter Regelvollzug
§  Basis für arbeitsteilige Produktivitätsgewinne
§  Problem: Demotivation, Sinnverlust, Inflexibilität

§  Drei Elemente (nach Geiger/Koch 2008)
(1)  ein (genau) bestimmbares, auslösendes Ereignis (Stimulus)
(2)  der Vollzug eines konkreten Handlungsmusters (Response)
(3)  die ständige Wiederholung des Routinevollzugs

>> Stabilität, Repetition, Verlässlichkeit als zentrale
Merkmale von Routinen
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Routinen als Könnerschaft (Geiger/Koch 2008)
§  Ausgangspunkt: Polanyis Konzept von „tacit
knowledge“
§  Personal Knowledge: individuelle Könnerschaft in das
Handeln von Personen eingewoben
§  Schwer zu kodifizieren („tacit“)
§  Problem: Erwerb nur durch Übung- und Imitationsverhalten

§  Verhältnis zum klassischen Routinebegriff:
§  Außergewöhnliche Leistungen als Routinen
§  Nicht-Explizierbarkeit der Könnerschaft
§  Aber: weiterhin individuell-habitueller Routinebegriff

>> Bedeutung des Kontexts als organisationaler Aspekt
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Evulotionsökonomischer Routinebegriff
§  Ausgangspunkt: Routinen als zentrale Bausteine
(„Gene“) von Organisationen
§  Beharrungstendenzen und Rigiditäten
§  Grund für Selektion auf Populationsebene

§  Drei Arten von Routinen nach Nelson/Winter (1992)
(1)  Operationale Routinen: kurzfristig, operationale Leistungen
(2)  Routinen: Budgetierung, Investitionsentscheidungen
(3)  Veränderungsroutinen: Reorganisationsroutinen

>> erstmals Wandel mittels Routinen, in revolutionären
Phasen („punctuated equilibrium“)
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Routinen als Grund für Stabilität und Wandel
§  Ausgangspunkt: Aufgabe der Trennung zwischen
stabilen und verändernden Routinen
§  Routinen als „mikrofundierte soziale Praktik“ (Geiger/Koch
2008)

§  Zwei analytisch getrennte Aspekte jeder Routinen nach
Feldman/Pentland (2003)
(1)  Ostensive: übergreifender, strukturelle Aspekte von Routinen
(2)  Performative: Vollzug von Routinen, Anwendung im
konkreten Einzelfall

>> Flexibilität und Wandel als Wesensmerkmal
organisationaler Routinen
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Exkurs zum Konzept der Performativität
§  Butler (1990/2003):
„Zunächst einmal darf Performativität nicht als ein vereinzelter
oder absichtsvoller ‚Akt’ verstanden werden, sondern als die
ständig wiederholende Praxis, durch die der Diskurs die
Wirkungen erzeugt, die er benennt.“

§  Ortmann (2004): „Vorgriff, der von der Nachträglichkeit
seiner Einlösung zehrt“
§  Tendenz zu Selbstbestätigung, Selbstwiderlegung und Drift

§  Beispiel für performative Akte in Organisationen:
§  „Hiermit eröffne ich die Sitzung“
§  Legitimationsfassaden, die „effizient“ Effizienz simulieren
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Zum Verhältnis von Praktiken und Routinen
§  Reckwitz (2003): Praktiken im Spannungsfeld zwischen
„Routinisiertheit einerseits, der Unberechenbarkeit
interpretativer Unbestimmtheiten andererseits“
§  Routinen als „Einheit von Handeln, Lernen und
Innovation“ (Geiger/Koch 2008: 700)
§  Routinen als Basiseinheit aller organisationalen Phänomene
§  Anschlussfähig an Konzepte wie dynamic capability, bricolage,
etc.

>> Jede Routine ist eine Praktik und jede Praktik stützt
sich auf Routinen
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
SOZIALE PRAKTIK

Tabelle 1: Gegenüberstellung der einzelnen Entwicklungsstufen des
Bedeutungwandel des Routine-Begriffs
Routine-verständnisses
Entwicklungsstufen

1. Entwicklungsstufe „klassische
Routine“

1. Entwicklungsstufe Routine als
Könnerschaft

3. Entwicklungsstufe Routine
als kollektive
Fähigkeit

4. Entwicklungsstufe Routine
als soziale
Praktik

Gegenstand

Ex-ante definierte
Handlungsvollzüge

Außergewöhnliche (individuelle)
Handlungsergebnisse

Gedächtnis/Gene/
Basismuster einer
Organisation

Kollektive,
komplexe
Handlungsvollzüge

Zentrales
Erklärungsziel

Gleichförmiges,
erwartbares
Verhalten, Rationalisierung durch
Routine

Außergewöhnliche individuelle
Leistungen

Organisationale Evolution/
Kompetenz

Organisationale
Handlungsverläufe

Kausalschema

Immer wenn a,
erfolgt b und
führt zu c.

Immer wenn
erfolgreiches c
eintritt, wird b
vermutet, Stimulus
unbedeutend

Immer wenn c
eintritt, wird b
vermutet, Stimulus
unbedeutend

Keine
Kausalzurechnung

Formalisierung

Vollständig und
notwendig

Unmöglich

z.T. möglich

Formalität nicht
thematisiert

Dimension

Formale Struktur,
explizit

Informell, implizit

Struktur und
Prozess

Prozess

Veränderung

Undynamisch

Nur z.T., da Skill

Makrodynamik und
Mikroveränderung

Reine
Mikrodynamik

Reflexionsgrad

Vollständig
durchdrungen

Keine Reflexion

Umfasst reflektierte
als auch unreflektierte Elemente

Umfasst reflektierte
als auch unreflektierte Elemente

Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin

Aus: Geiger/Koch
(2008, S. 703)
Routinen und (Informations-)Technologien
§  Technologie als Nexus aus „task, technique,
knowledge, and tools“ (Orlikowski 1992: 399)
§  Körperlichkeit und Materialität als Eigenschaft jeder
Routine
§  Z.B. Habitus, Kommunikationswerkzeuge, etc.
§  Informationsystemforschung: Fokus auf „Tool“-Aspekte
(inter-)organisationaler Routinen

Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
IT und Organisation: Klassische Perspektiven
§  Drei klassische Forschungsstränge (Orlikowski 1992)
§  Technologischer Determinismus: Auswirkungen von
Technologien auf Organisationen
§  Strategische Wahl: Kontingenz bei Entscheidungen über
Technologieeinsatz
§  Technologie als Auslöser für Wandel: Kontingenz bei
organisationaler Reaktion auf technologischen Wandel

>> Schwanken zwischen voluntaristischen und
deterministischen Positionen

Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Dualität von Struktur (Giddens 1984)
Struktur
Handlung
unerkannte
Handlungsbedingungen

Überwachen, Kontrollieren und
Steuern des Handelns
(reflexive monitoring)
Handlungsrationalisierung
Handlungsmotivation

Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin

unbeabsichtigte
Handlungsfolgen
Dualität von Technologie: Beispiele
§  Der Segelschiff-Effekt: Innovationssprünge am Ende
von Technologielebenszyklen
§  User-Innovation: Appropriation und Mashup jenseits
von Designer-Intentionen
§  Emanzipations-Unterdrückungs-Paradox
§  Internet als Emanzipative Technologie: Zugang, Verbreitung,
Verteilung, Ubiquität
§  Internet als Unterdrückungsinstrument: Überwachung, Zensur,
Kontrolle, Ubiquität

Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Hausarbeitsthemen?
Gruppen á 3-4 Personen:
Was könnte eine Hausarbeit zum Thema
untersuchen?
§  Titel
§  Fragestellung
§  Fall

Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Literatur
§  Geiger, D./Koch, J. (2008): Von der individuellen Routine zur organisatonalen
Praktik: Ein neues Paradigma für die Organisationsforschung? In: Zeitschrift für
betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), 60, 693-712
§  Giddens, A. (1984): The Constitution of Society: Outline of a Theory of
Structuration. Cambridge: Polity Press.
§  Nelson, R./Winter, S. (1982): Nelson, R.R./Winter:G. (1982): An Evolutionary
Theory of Economic Change. Cambridge, MA: Belknap Press.
§  Ortmann, G. (2004): Als Ob: Fiktionen und Organisationen. Wiesbaden: VSVerlag für Sozialwissenschaften.
§  Reckwitz, A. (2003): Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken: Eine
sozialtheoretische Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie, 43 (4), 282-301

Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin

Mais conteúdo relacionado

Destaque

Dulces fritos
Dulces fritosDulces fritos
Dulces fritospepteyyol
 
Impacto ambiental del barco gaudier chiki
Impacto ambiental del barco gaudier chikiImpacto ambiental del barco gaudier chiki
Impacto ambiental del barco gaudier chikijoanse00
 
Mathematik ditigal DigiLern
Mathematik ditigal DigiLernMathematik ditigal DigiLern
Mathematik ditigal DigiLernschellmann
 
La e-participació com a eina per a la inclusió social i el desenvolupament co...
La e-participació com a eina per a la inclusió social i el desenvolupament co...La e-participació com a eina per a la inclusió social i el desenvolupament co...
La e-participació com a eina per a la inclusió social i el desenvolupament co...rosamadrenasmir
 
Arepera mucha hambre
Arepera mucha hambreArepera mucha hambre
Arepera mucha hambrejeanyork
 
Informe Transparencia Internacional
Informe Transparencia Internacional Informe Transparencia Internacional
Informe Transparencia Internacional comunicaciones_funde
 
Mi exposicion
Mi exposicionMi exposicion
Mi exposicionanajensy
 
In Zukunft monolithisch Bauen
In Zukunft monolithisch BauenIn Zukunft monolithisch Bauen
In Zukunft monolithisch BauenJingleT
 
Cartilla tercer periodo
Cartilla tercer periodoCartilla tercer periodo
Cartilla tercer periodoKevin Urbano
 

Destaque (16)

Ciudad Digital
Ciudad DigitalCiudad Digital
Ciudad Digital
 
Dulces fritos
Dulces fritosDulces fritos
Dulces fritos
 
Impacto ambiental del barco gaudier chiki
Impacto ambiental del barco gaudier chikiImpacto ambiental del barco gaudier chiki
Impacto ambiental del barco gaudier chiki
 
Mathematik ditigal DigiLern
Mathematik ditigal DigiLernMathematik ditigal DigiLern
Mathematik ditigal DigiLern
 
La e-participació com a eina per a la inclusió social i el desenvolupament co...
La e-participació com a eina per a la inclusió social i el desenvolupament co...La e-participació com a eina per a la inclusió social i el desenvolupament co...
La e-participació com a eina per a la inclusió social i el desenvolupament co...
 
Arepera mucha hambre
Arepera mucha hambreArepera mucha hambre
Arepera mucha hambre
 
2 rms
2 rms2 rms
2 rms
 
Redes sociales
Redes socialesRedes sociales
Redes sociales
 
La Literatura
La LiteraturaLa Literatura
La Literatura
 
Qué es urgente
Qué es urgenteQué es urgente
Qué es urgente
 
Informe Transparencia Internacional
Informe Transparencia Internacional Informe Transparencia Internacional
Informe Transparencia Internacional
 
Pitch
PitchPitch
Pitch
 
administracion
administracionadministracion
administracion
 
Mi exposicion
Mi exposicionMi exposicion
Mi exposicion
 
In Zukunft monolithisch Bauen
In Zukunft monolithisch BauenIn Zukunft monolithisch Bauen
In Zukunft monolithisch Bauen
 
Cartilla tercer periodo
Cartilla tercer periodoCartilla tercer periodo
Cartilla tercer periodo
 

Mais de Leonhard Dobusch

Open Organizations and Organizing Openness 2023
Open Organizations and Organizing Openness 2023Open Organizations and Organizing Openness 2023
Open Organizations and Organizing Openness 2023Leonhard Dobusch
 
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2021)
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2021) Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2021)
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2021) Leonhard Dobusch
 
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2019)
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2019)Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2019)
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2019)Leonhard Dobusch
 
01 dobusch 4-open-introduction-180410
01 dobusch 4-open-introduction-18041001 dobusch 4-open-introduction-180410
01 dobusch 4-open-introduction-180410Leonhard Dobusch
 
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course (2017)
 Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course (2017)  Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course (2017)
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course (2017) Leonhard Dobusch
 
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the CourseOpen Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the CourseLeonhard Dobusch
 
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing und digitale Communities
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing und digitale CommunitiesManagement, Marketing & Informationssysteme - Marketing und digitale Communities
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing und digitale CommunitiesLeonhard Dobusch
 
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing in Netzeffektmärkten
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing in NetzeffektmärktenManagement, Marketing & Informationssysteme - Marketing in Netzeffektmärkten
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing in NetzeffektmärktenLeonhard Dobusch
 

Mais de Leonhard Dobusch (9)

Open Organizations and Organizing Openness 2023
Open Organizations and Organizing Openness 2023Open Organizations and Organizing Openness 2023
Open Organizations and Organizing Openness 2023
 
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2021)
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2021) Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2021)
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2021)
 
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2019)
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2019)Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2019)
Open Organizations and Organization Openness: Introduction to the Course (2019)
 
01 dobusch 4-open-introduction-180410
01 dobusch 4-open-introduction-18041001 dobusch 4-open-introduction-180410
01 dobusch 4-open-introduction-180410
 
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course (2017)
 Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course (2017)  Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course (2017)
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course (2017)
 
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the CourseOpen Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course
Open Organizations and Organizing Openness: Introduction to the Course
 
How to Essay
How to EssayHow to Essay
How to Essay
 
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing und digitale Communities
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing und digitale CommunitiesManagement, Marketing & Informationssysteme - Marketing und digitale Communities
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing und digitale Communities
 
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing in Netzeffektmärkten
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing in NetzeffektmärktenManagement, Marketing & Informationssysteme - Marketing in Netzeffektmärkten
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing in Netzeffektmärkten
 

Management, Marketing & Informationssysteme - Organisationale Routinen und Informationssysteme

  • 1. Management, Marketing und Informationssysteme Organisationale Routinen und Informationssysteme Leonhard Dobusch 28. November 2013
  • 2. Diskussion der Vorablektüre Edmondson et al. (2001): Disrupted Routines: Team Learning and New Technology Implementation... Gruppe 1: §  Wie lässt sich diese Abhängigkeit vom Teamleader reduzieren? §  Gibt es Technologie-Einführungen, wo "practice and communicate" oder "encouragement of communication" sowie "collective reflection" eher als erfolgshemmend sind? Gruppe 2: §  Führt die "Verwässerung" der Hierarchie nicht besonders in kritischen Situationen, in denen viele Entscheidungen binnen Sekunden getroffen werden müssen, zu Problemen? §  Welche Unternehmensbereiche haben welchen Einfluss auf Entstehung von Routinen (Management, Fachabteilung, IT)? Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 3. Diskussion der Vorablektüre Feldman/Pentland (2003): Reconceptualizing Organizational Routines as a Source of Flexibility and Change: Gruppe 3: §  Verhindern Routinen nicht Innovationen bzw. Kreativität? Routinen ein Wettbewerbsnachteil in dynamischem Umfeld? §  Wo ist der Unterschied zwischen Routinen und Prozessen? Gruppe 4: §  Für welche Unternehmensbereiche sind Routinen am besten geeignet und für welche nicht? §  Stellt ein gewisser Grad der intrinsischen Motivation der Beteiligten eine Grundvoraussetzung für endogene Veränderungen dar? Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 4. Routinen und Organisationen Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 5.
  • 6. Klassischer Routinebegriff Taylors §  Ausgangspunkt: Taylors Bewegungsstudien („Scientific Management“) §  Routinen als individueller, wiederholter Regelvollzug §  Basis für arbeitsteilige Produktivitätsgewinne §  Problem: Demotivation, Sinnverlust, Inflexibilität §  Drei Elemente (nach Geiger/Koch 2008) (1)  ein (genau) bestimmbares, auslösendes Ereignis (Stimulus) (2)  der Vollzug eines konkreten Handlungsmusters (Response) (3)  die ständige Wiederholung des Routinevollzugs >> Stabilität, Repetition, Verlässlichkeit als zentrale Merkmale von Routinen Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 7. Routinen als Könnerschaft (Geiger/Koch 2008) §  Ausgangspunkt: Polanyis Konzept von „tacit knowledge“ §  Personal Knowledge: individuelle Könnerschaft in das Handeln von Personen eingewoben §  Schwer zu kodifizieren („tacit“) §  Problem: Erwerb nur durch Übung- und Imitationsverhalten §  Verhältnis zum klassischen Routinebegriff: §  Außergewöhnliche Leistungen als Routinen §  Nicht-Explizierbarkeit der Könnerschaft §  Aber: weiterhin individuell-habitueller Routinebegriff >> Bedeutung des Kontexts als organisationaler Aspekt Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 8. Evulotionsökonomischer Routinebegriff §  Ausgangspunkt: Routinen als zentrale Bausteine („Gene“) von Organisationen §  Beharrungstendenzen und Rigiditäten §  Grund für Selektion auf Populationsebene §  Drei Arten von Routinen nach Nelson/Winter (1992) (1)  Operationale Routinen: kurzfristig, operationale Leistungen (2)  Routinen: Budgetierung, Investitionsentscheidungen (3)  Veränderungsroutinen: Reorganisationsroutinen >> erstmals Wandel mittels Routinen, in revolutionären Phasen („punctuated equilibrium“) Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 9. Routinen als Grund für Stabilität und Wandel §  Ausgangspunkt: Aufgabe der Trennung zwischen stabilen und verändernden Routinen §  Routinen als „mikrofundierte soziale Praktik“ (Geiger/Koch 2008) §  Zwei analytisch getrennte Aspekte jeder Routinen nach Feldman/Pentland (2003) (1)  Ostensive: übergreifender, strukturelle Aspekte von Routinen (2)  Performative: Vollzug von Routinen, Anwendung im konkreten Einzelfall >> Flexibilität und Wandel als Wesensmerkmal organisationaler Routinen Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 10. Exkurs zum Konzept der Performativität §  Butler (1990/2003): „Zunächst einmal darf Performativität nicht als ein vereinzelter oder absichtsvoller ‚Akt’ verstanden werden, sondern als die ständig wiederholende Praxis, durch die der Diskurs die Wirkungen erzeugt, die er benennt.“ §  Ortmann (2004): „Vorgriff, der von der Nachträglichkeit seiner Einlösung zehrt“ §  Tendenz zu Selbstbestätigung, Selbstwiderlegung und Drift §  Beispiel für performative Akte in Organisationen: §  „Hiermit eröffne ich die Sitzung“ §  Legitimationsfassaden, die „effizient“ Effizienz simulieren Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 11. Zum Verhältnis von Praktiken und Routinen §  Reckwitz (2003): Praktiken im Spannungsfeld zwischen „Routinisiertheit einerseits, der Unberechenbarkeit interpretativer Unbestimmtheiten andererseits“ §  Routinen als „Einheit von Handeln, Lernen und Innovation“ (Geiger/Koch 2008: 700) §  Routinen als Basiseinheit aller organisationalen Phänomene §  Anschlussfähig an Konzepte wie dynamic capability, bricolage, etc. >> Jede Routine ist eine Praktik und jede Praktik stützt sich auf Routinen Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 12. SOZIALE PRAKTIK Tabelle 1: Gegenüberstellung der einzelnen Entwicklungsstufen des Bedeutungwandel des Routine-Begriffs Routine-verständnisses Entwicklungsstufen 1. Entwicklungsstufe „klassische Routine“ 1. Entwicklungsstufe Routine als Könnerschaft 3. Entwicklungsstufe Routine als kollektive Fähigkeit 4. Entwicklungsstufe Routine als soziale Praktik Gegenstand Ex-ante definierte Handlungsvollzüge Außergewöhnliche (individuelle) Handlungsergebnisse Gedächtnis/Gene/ Basismuster einer Organisation Kollektive, komplexe Handlungsvollzüge Zentrales Erklärungsziel Gleichförmiges, erwartbares Verhalten, Rationalisierung durch Routine Außergewöhnliche individuelle Leistungen Organisationale Evolution/ Kompetenz Organisationale Handlungsverläufe Kausalschema Immer wenn a, erfolgt b und führt zu c. Immer wenn erfolgreiches c eintritt, wird b vermutet, Stimulus unbedeutend Immer wenn c eintritt, wird b vermutet, Stimulus unbedeutend Keine Kausalzurechnung Formalisierung Vollständig und notwendig Unmöglich z.T. möglich Formalität nicht thematisiert Dimension Formale Struktur, explizit Informell, implizit Struktur und Prozess Prozess Veränderung Undynamisch Nur z.T., da Skill Makrodynamik und Mikroveränderung Reine Mikrodynamik Reflexionsgrad Vollständig durchdrungen Keine Reflexion Umfasst reflektierte als auch unreflektierte Elemente Umfasst reflektierte als auch unreflektierte Elemente Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin Aus: Geiger/Koch (2008, S. 703)
  • 13. Routinen und (Informations-)Technologien §  Technologie als Nexus aus „task, technique, knowledge, and tools“ (Orlikowski 1992: 399) §  Körperlichkeit und Materialität als Eigenschaft jeder Routine §  Z.B. Habitus, Kommunikationswerkzeuge, etc. §  Informationsystemforschung: Fokus auf „Tool“-Aspekte (inter-)organisationaler Routinen Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 14. IT und Organisation: Klassische Perspektiven §  Drei klassische Forschungsstränge (Orlikowski 1992) §  Technologischer Determinismus: Auswirkungen von Technologien auf Organisationen §  Strategische Wahl: Kontingenz bei Entscheidungen über Technologieeinsatz §  Technologie als Auslöser für Wandel: Kontingenz bei organisationaler Reaktion auf technologischen Wandel >> Schwanken zwischen voluntaristischen und deterministischen Positionen Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 15. Dualität von Struktur (Giddens 1984) Struktur Handlung unerkannte Handlungsbedingungen Überwachen, Kontrollieren und Steuern des Handelns (reflexive monitoring) Handlungsrationalisierung Handlungsmotivation Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin unbeabsichtigte Handlungsfolgen
  • 16. Dualität von Technologie: Beispiele §  Der Segelschiff-Effekt: Innovationssprünge am Ende von Technologielebenszyklen §  User-Innovation: Appropriation und Mashup jenseits von Designer-Intentionen §  Emanzipations-Unterdrückungs-Paradox §  Internet als Emanzipative Technologie: Zugang, Verbreitung, Verteilung, Ubiquität §  Internet als Unterdrückungsinstrument: Überwachung, Zensur, Kontrolle, Ubiquität Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 17. Hausarbeitsthemen? Gruppen á 3-4 Personen: Was könnte eine Hausarbeit zum Thema untersuchen? §  Titel §  Fragestellung §  Fall Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
  • 18. Literatur §  Geiger, D./Koch, J. (2008): Von der individuellen Routine zur organisatonalen Praktik: Ein neues Paradigma für die Organisationsforschung? In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), 60, 693-712 §  Giddens, A. (1984): The Constitution of Society: Outline of a Theory of Structuration. Cambridge: Polity Press. §  Nelson, R./Winter, S. (1982): Nelson, R.R./Winter:G. (1982): An Evolutionary Theory of Economic Change. Cambridge, MA: Belknap Press. §  Ortmann, G. (2004): Als Ob: Fiktionen und Organisationen. Wiesbaden: VSVerlag für Sozialwissenschaften. §  Reckwitz, A. (2003): Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken: Eine sozialtheoretische Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie, 43 (4), 282-301 Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin