Veranstaltung zu "Marketing in Netzeffektmärkten" im Rahmen des Kurses "Management, Marketing & Informationssysteme" im Rahmen des Masterstudiengangs Wirtschaftsinformatik am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2013/2014, online: http://wikis.fu-berlin.de/display/mmis
Management, Marketing & Informationssysteme - Marketing in Netzeffektmärkten
Management, Marketing & Informationssysteme - Organisationale Routinen und Informationssysteme
1. Management, Marketing und Informationssysteme
Organisationale Routinen und Informationssysteme
Leonhard Dobusch
28. November 2013
2. Diskussion der Vorablektüre
Edmondson et al. (2001): Disrupted Routines: Team
Learning and New Technology Implementation...
Gruppe 1:
§ Wie lässt sich diese Abhängigkeit vom Teamleader
reduzieren?
§ Gibt es Technologie-Einführungen, wo "practice and
communicate" oder "encouragement of communication" sowie
"collective reflection" eher als erfolgshemmend sind?
Gruppe 2:
§ Führt die "Verwässerung" der Hierarchie nicht besonders in
kritischen Situationen, in denen viele Entscheidungen binnen
Sekunden getroffen werden müssen, zu Problemen?
§ Welche Unternehmensbereiche haben welchen Einfluss auf
Entstehung von Routinen (Management, Fachabteilung, IT)?
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
3. Diskussion der Vorablektüre
Feldman/Pentland (2003): Reconceptualizing Organizational Routines as a Source of Flexibility and Change:
Gruppe 3:
§ Verhindern Routinen nicht Innovationen bzw. Kreativität?
Routinen ein Wettbewerbsnachteil in dynamischem Umfeld?
§ Wo ist der Unterschied zwischen Routinen und Prozessen?
Gruppe 4:
§ Für welche Unternehmensbereiche sind Routinen am besten
geeignet und für welche nicht?
§ Stellt ein gewisser Grad der intrinsischen Motivation der
Beteiligten eine Grundvoraussetzung für endogene
Veränderungen dar?
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
6. Klassischer Routinebegriff Taylors
§ Ausgangspunkt: Taylors Bewegungsstudien („Scientific
Management“)
§ Routinen als individueller, wiederholter Regelvollzug
§ Basis für arbeitsteilige Produktivitätsgewinne
§ Problem: Demotivation, Sinnverlust, Inflexibilität
§ Drei Elemente (nach Geiger/Koch 2008)
(1) ein (genau) bestimmbares, auslösendes Ereignis (Stimulus)
(2) der Vollzug eines konkreten Handlungsmusters (Response)
(3) die ständige Wiederholung des Routinevollzugs
>> Stabilität, Repetition, Verlässlichkeit als zentrale
Merkmale von Routinen
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
7. Routinen als Könnerschaft (Geiger/Koch 2008)
§ Ausgangspunkt: Polanyis Konzept von „tacit
knowledge“
§ Personal Knowledge: individuelle Könnerschaft in das
Handeln von Personen eingewoben
§ Schwer zu kodifizieren („tacit“)
§ Problem: Erwerb nur durch Übung- und Imitationsverhalten
§ Verhältnis zum klassischen Routinebegriff:
§ Außergewöhnliche Leistungen als Routinen
§ Nicht-Explizierbarkeit der Könnerschaft
§ Aber: weiterhin individuell-habitueller Routinebegriff
>> Bedeutung des Kontexts als organisationaler Aspekt
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
8. Evulotionsökonomischer Routinebegriff
§ Ausgangspunkt: Routinen als zentrale Bausteine
(„Gene“) von Organisationen
§ Beharrungstendenzen und Rigiditäten
§ Grund für Selektion auf Populationsebene
§ Drei Arten von Routinen nach Nelson/Winter (1992)
(1) Operationale Routinen: kurzfristig, operationale Leistungen
(2) Routinen: Budgetierung, Investitionsentscheidungen
(3) Veränderungsroutinen: Reorganisationsroutinen
>> erstmals Wandel mittels Routinen, in revolutionären
Phasen („punctuated equilibrium“)
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
9. Routinen als Grund für Stabilität und Wandel
§ Ausgangspunkt: Aufgabe der Trennung zwischen
stabilen und verändernden Routinen
§ Routinen als „mikrofundierte soziale Praktik“ (Geiger/Koch
2008)
§ Zwei analytisch getrennte Aspekte jeder Routinen nach
Feldman/Pentland (2003)
(1) Ostensive: übergreifender, strukturelle Aspekte von Routinen
(2) Performative: Vollzug von Routinen, Anwendung im
konkreten Einzelfall
>> Flexibilität und Wandel als Wesensmerkmal
organisationaler Routinen
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
10. Exkurs zum Konzept der Performativität
§ Butler (1990/2003):
„Zunächst einmal darf Performativität nicht als ein vereinzelter
oder absichtsvoller ‚Akt’ verstanden werden, sondern als die
ständig wiederholende Praxis, durch die der Diskurs die
Wirkungen erzeugt, die er benennt.“
§ Ortmann (2004): „Vorgriff, der von der Nachträglichkeit
seiner Einlösung zehrt“
§ Tendenz zu Selbstbestätigung, Selbstwiderlegung und Drift
§ Beispiel für performative Akte in Organisationen:
§ „Hiermit eröffne ich die Sitzung“
§ Legitimationsfassaden, die „effizient“ Effizienz simulieren
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
11. Zum Verhältnis von Praktiken und Routinen
§ Reckwitz (2003): Praktiken im Spannungsfeld zwischen
„Routinisiertheit einerseits, der Unberechenbarkeit
interpretativer Unbestimmtheiten andererseits“
§ Routinen als „Einheit von Handeln, Lernen und
Innovation“ (Geiger/Koch 2008: 700)
§ Routinen als Basiseinheit aller organisationalen Phänomene
§ Anschlussfähig an Konzepte wie dynamic capability, bricolage,
etc.
>> Jede Routine ist eine Praktik und jede Praktik stützt
sich auf Routinen
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
12. SOZIALE PRAKTIK
Tabelle 1: Gegenüberstellung der einzelnen Entwicklungsstufen des
Bedeutungwandel des Routine-Begriffs
Routine-verständnisses
Entwicklungsstufen
1. Entwicklungsstufe „klassische
Routine“
1. Entwicklungsstufe Routine als
Könnerschaft
3. Entwicklungsstufe Routine
als kollektive
Fähigkeit
4. Entwicklungsstufe Routine
als soziale
Praktik
Gegenstand
Ex-ante definierte
Handlungsvollzüge
Außergewöhnliche (individuelle)
Handlungsergebnisse
Gedächtnis/Gene/
Basismuster einer
Organisation
Kollektive,
komplexe
Handlungsvollzüge
Zentrales
Erklärungsziel
Gleichförmiges,
erwartbares
Verhalten, Rationalisierung durch
Routine
Außergewöhnliche individuelle
Leistungen
Organisationale Evolution/
Kompetenz
Organisationale
Handlungsverläufe
Kausalschema
Immer wenn a,
erfolgt b und
führt zu c.
Immer wenn
erfolgreiches c
eintritt, wird b
vermutet, Stimulus
unbedeutend
Immer wenn c
eintritt, wird b
vermutet, Stimulus
unbedeutend
Keine
Kausalzurechnung
Formalisierung
Vollständig und
notwendig
Unmöglich
z.T. möglich
Formalität nicht
thematisiert
Dimension
Formale Struktur,
explizit
Informell, implizit
Struktur und
Prozess
Prozess
Veränderung
Undynamisch
Nur z.T., da Skill
Makrodynamik und
Mikroveränderung
Reine
Mikrodynamik
Reflexionsgrad
Vollständig
durchdrungen
Keine Reflexion
Umfasst reflektierte
als auch unreflektierte Elemente
Umfasst reflektierte
als auch unreflektierte Elemente
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
Aus: Geiger/Koch
(2008, S. 703)
13. Routinen und (Informations-)Technologien
§ Technologie als Nexus aus „task, technique,
knowledge, and tools“ (Orlikowski 1992: 399)
§ Körperlichkeit und Materialität als Eigenschaft jeder
Routine
§ Z.B. Habitus, Kommunikationswerkzeuge, etc.
§ Informationsystemforschung: Fokus auf „Tool“-Aspekte
(inter-)organisationaler Routinen
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
14. IT und Organisation: Klassische Perspektiven
§ Drei klassische Forschungsstränge (Orlikowski 1992)
§ Technologischer Determinismus: Auswirkungen von
Technologien auf Organisationen
§ Strategische Wahl: Kontingenz bei Entscheidungen über
Technologieeinsatz
§ Technologie als Auslöser für Wandel: Kontingenz bei
organisationaler Reaktion auf technologischen Wandel
>> Schwanken zwischen voluntaristischen und
deterministischen Positionen
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
15. Dualität von Struktur (Giddens 1984)
Struktur
Handlung
unerkannte
Handlungsbedingungen
Überwachen, Kontrollieren und
Steuern des Handelns
(reflexive monitoring)
Handlungsrationalisierung
Handlungsmotivation
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
unbeabsichtigte
Handlungsfolgen
16. Dualität von Technologie: Beispiele
§ Der Segelschiff-Effekt: Innovationssprünge am Ende
von Technologielebenszyklen
§ User-Innovation: Appropriation und Mashup jenseits
von Designer-Intentionen
§ Emanzipations-Unterdrückungs-Paradox
§ Internet als Emanzipative Technologie: Zugang, Verbreitung,
Verteilung, Ubiquität
§ Internet als Unterdrückungsinstrument: Überwachung, Zensur,
Kontrolle, Ubiquität
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
17. Hausarbeitsthemen?
Gruppen á 3-4 Personen:
Was könnte eine Hausarbeit zum Thema
untersuchen?
§ Titel
§ Fragestellung
§ Fall
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin
18. Literatur
§ Geiger, D./Koch, J. (2008): Von der individuellen Routine zur organisatonalen
Praktik: Ein neues Paradigma für die Organisationsforschung? In: Zeitschrift für
betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), 60, 693-712
§ Giddens, A. (1984): The Constitution of Society: Outline of a Theory of
Structuration. Cambridge: Polity Press.
§ Nelson, R./Winter, S. (1982): Nelson, R.R./Winter:G. (1982): An Evolutionary
Theory of Economic Change. Cambridge, MA: Belknap Press.
§ Ortmann, G. (2004): Als Ob: Fiktionen und Organisationen. Wiesbaden: VSVerlag für Sozialwissenschaften.
§ Reckwitz, A. (2003): Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken: Eine
sozialtheoretische Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie, 43 (4), 282-301
Prof. Dr. Leonhard Dobusch, Freie Universität Berlin