Simulationen und simulierte Welten - Lernen in immersiven Lernumgebungen
Kommunikation und Moderation - Internetgestützte Kommunikation zur Lernunterstützung
1.
2. 2
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
Streams; siehe Kapitel #educast und Kapitel #vi-
1. Die
Bedeutung
von
Kommunika3on
im
Lernprozess
deokonferenz) möglich und findet immer mehr Ver-
Viele denken beim technologiegestützten Lernen an breitung. Mit entsprechender technischer Ausrüstung
einsame Lernende, alleingelassen vor Bildschirmen in ist heute das Telefonieren im bzw. über das Internet
abgedunkelten Zimmern. Zwar kann das isolierte An- (Voice-Over-IP) oder die Verwendung von Software
eignen von Informationen in manchen Fällen aus- für Online-Videokonferenzen möglich.
reichen. Insbesondere für komplexe Themen und Die zahlreichen Anwendungsformen computer-
kompetenzorientiertes Lernen ist Kommunikation vermittelter Kommunikation im Internet umfassen
für das (technologiegestützte) Lernen jedoch essen- diverse Tools und Medien, wie beispielsweise E-Mail,
tiell: Sozial-konstruktivistische Lerntheorien gehen Diskussionsforen, Chats, Webkonferenzen, Blogs,
davon aus, dass der Wissensaufbau vor allem an Microblogs, Wikis und eine Vielzahl anderer webba-
aktive Teilnahme und Partizipation gebunden ist. Die sierter Kommunikationsmöglichkeiten.
Gestaltung von Lernumgebungen soll daher „dazu Zur Beschreibung und Differenzierung der vielfäl-
anregen, die Aktivität und Konstruktivität der Ler- tigen computervermittelten Kommunikationsmög-
nenden zu fördern“ (Gräsel et al., 1997). Dement- lichkeiten können mehrere Parameter herangezogen
sprechend sollen Lernende unterstützt werden, ihre werden (Beck, 2006; Hartmann, 2004; Hesse &
eigenen Vorstellungen zu artikulieren und sie mit Schwan, 2005):
denen von anderen zu vergleichen (ebenda, S. 6). ▸ Zeitdimension (synchron versus asynchron),
In Diskussionen wird einerseits Erlerntes erprobt ▸ Zahl der Empfänger/innen beziehungsweise
und Stellung bezogen, andererseits werden andere Sender/innen (1:1, 1:N, N:N),
Sichtweisen aufgezeigt. Insbesondere beim Erfassen ▸ Symbolsystem (textbasiert, audio-visuell),
von komplexen Zusammenhängen steigern kommu- ▸ Modus (schriftlich, mündlich, mit Video),
nikative und diskursive Elemente den Lernerfolg
▸ Nutzungsmechanismen (auf Angebots- bzw.
(Kerres, 2000). Schulmeister (2006) stellt zur Rolle
Nachfragebetrieben),
der Kommunikation fest: „Kommunikation ist Dia-
log, Dialog impliziert Rückmeldung, Lernen basiert ▸ Informationsfluss (unidirektional, bidirektional,
polydirektional),
auf Verstehen, Verstehen benötigt Rückmeldung.
Ohne Rückmeldung ist demnach Lernen nicht ▸ Öffentlichkeitsgrad (persönlich, geschlossene Be-
möglich“. nutzergruppe, öffentlich),
Gute Kommunikation zu ermöglichen ist eine der ▸ Personalisierungsgrad (anonym versus identifi-
wesentlichen Anforderungen an erfolgreiche Lern- zierbar) und
szenarien, das gilt gleichermaßen für Präsenzsitua- ▸ Kopräsenz (kopräsent versus isoliert).
tionen wie auch Online-Arrangements. In diesem Computervermittelte Kommunikation hat eine
Kapitel betrachten wir die Besonderheiten computer- Vielzahl an Konsequenzen und Besonderheiten. Auf
vermittelter Kommunikation, sowie die Möglich- zwei Aspekte möchten wir dabei im Folgenden ge-
keiten und Formen der Unterstützung der Bildung nauer eingehen: die Symbole zur Darstellung von Ge-
von Online-Lerngemeinschaften durch E-Mode- fühlen sowie die Kommunikation von Vielen.
ration.
Symbole
und
Codes
als
Ersatz
für
fehlende
Gefühlsdar-‐
stellungen
Computervermi<elte
Kommunika@on
(engl.
„Com-‐
! puter-‐mediated
communica@on“)
ist
die
Bezeichnung
für
unterschiedliche
Anwendungsformen
der
elektro-‐
Die Nutzung von computervermittelter Kommuni-
kation bringt - nicht nur in Bildungskontexten -
nischen
Übermi<lung,
der
Speicherung
und
des einige Besonderheiten mit sich. Rein textbasierte
Abrufs
von
Daten
zum
Zwecke
der
Kommunika@on
durch
Menschen
über
miteinander
vernetzte
Com-‐
computervermittelte Kommunikation wird folgen-
puter
(nach
Pelz,
1995,
32).
dermaßen charakterisiert (Döring 2003, 187; Misoch
2006, 63ff): Sie erscheint aufgrund der wenigen ange-
2. Computervermi;elte
Kommunika3on
sprochenen Wahrnehmungskanäle im Vergleich zur
Präsenzkommunikation als defizitär und unper-
Bewegte sich computervermittelte Kommunikation sönlich. Aus der Perspektive sozialer Interaktion be-
anfangs auf schriftlicher Basis (E-Mail, Chats, News- trachtet, ermöglicht computervermittelte Kommuni-
groups, Mailinglisten) ist durch die stetig zunehmend kation dadurch nur einen geringen Grad an so-
verfügbaren Bandbreiten nun auch die Übertragung zialer Präsenz, weil soziale Hinweisreize wie Mimik,
von Ton und Bewegtbild (Podcasts, Videos, Life- Gestik oder Intonation ausgefiltert werden. „Internet
3. Kommunika@on
und
Modera@on.
Internetgestützte
Kommunika@on
zur
Lernunterstützung
—
3
Relay Chat“, kurz IRC, war eine populäre netzwerk- Gesetz von Metcalfe sowie das Gesetz von Reed;
gestützte Form der schriftlichen Echtzeitkommuni- Schaffert & Wieden-Bischof, 2009, 36ff). In der
kation in den 1980er Jahre. Hier verbreiteten und ent- Praxis zeigt sich jedoch häufig, dass das Interakti-
wickelten sich eine Vielzahl zeichenbasierte Gefühls- onsverhalten nicht (über-) proportional zu der
äußerungen, die sogenannten Emoticons und andere Zahl von Mitgliedern zunimmt. Auch dauert es oft
Zeichenkürzel, welche die eigenen Gefühle darstellen länger, bis überhaupt wahrnehmbare Kommuni-
sollen. So wird beispielsweise Freude durch die Zei- kation beginnt. Dieses bekannte Phänomen, dass nur
chenfolge :-) und Ironie durch ein Zwinkern ;-) dar- ein Teil der potentiell interessierten Personen aktiv an
gestellt (siehe Abbildung 1). Diese Weitergabe von Online-Interaktionen teilnimmt, greift die Theorie
sozialen Hinweisreizen scheint unter computerver- der kritischen Masse auf (Morris & Ogan, 1996):
mittelter Kommunikation nicht weniger wichtig als in Erst ab einer bestimmten Zahl von Personen, die sich
der Präsenzkommunikation (Derks et al., 2008). zum Beispiel für eine Mailingliste oder eine Gruppe
bei Facebook anmelden, beginnt die Interaktion.
Diese Zahl ist von vielen Faktoren abhängig, sodass
Der
Mangel
an
sozialen
Hinweisreizen
über
andere
sie schwer zu erfassen ist.
! Wahrnehmungskanäle
wird
in
textbasierter
computer-‐
vermi<elter
Kommunika@on
durch
Verwendung
von Gleichzeitig können solche Kommunikations-
speziellen
Zeichenkürzel
und
Symbolen
kompensiert.
formen keinen optimalen Kommunikationsfluss
mehr gewährleisten, wenn die Zahl der Teilneh-
mer/innen zu sehr ansteigt. Zwei Theorien bieten
dafür Erklärungen (Beck, 2006, 26ff): Die Social-
Loafing-Theorie führt aus, dass Menschen für ge-
meinsame, kollektive Aufgaben weniger Aufwand be-
treiben als für individuelle Aufgaben (Karau & Wi-
liams, 2001). Dass eine wachsende Zahl von (potenti-
ellen) Beitragenden nicht immer hilfreich ist, lässt
sich auch mit Informationsüberflutung (engl. „in-
formation overlad“) erklären: Menschen können
demnach nur eine endliche Zahl von Informationen
adäquat verarbeiten. Asynchrone Medien wie Diskus-
sionsforen sind dabei prinzipiell hilfreich, weil Infor-
mationseinheiten zeitlich gestaffelt wahrgenommen
werden können. Allerdings stoßen Nutzer/innen an
Grenzen, wenn die einzelnen Diskussionsstränge
nicht mehr zu überblicken sind, also eine Informati-
onsüberflutung statt findet. Auch große Mailinglisten
ziehen zwar kurzfristig viele Nutzer/innen an, ver-
lieren aber auch viele wieder (Butler, 2001).
Dass bei großen Nutzerzahlen auch viele einfach
nur lesen und passiv sind, überrascht nicht. Das Phä-
Abbildung
1:
Emoticons
und
Abkürzungen
nomen wird als Lurking bezeichnet (auf deutsch:
„herumschleichen“, „verheimlichen“, „sich versteckt
Kommunika3on
von
und
mit
Vielen
halten“). Lurking ist Gegenstand groß angelegter Un-
Ein weiterer besonderer Aspekt von computerver- tersuchungen (Nonnecke & Preece, 2001; Ebner &
mittelter Kommunikation ist die hohe Zahl poten- Holzinger, 2005). Als „Lurker“ bezeichnet man all
tiell beteiligter Personen, die durch bestimmte jene, die in Foren zwar Beiträge lesen, aber sich selbst
Formen der computervermittelten Kommunikation nicht aktiv beteiligen. Sie bleiben also im Hintergrund
erreicht werden können bzw. sich daran beteiligen und werden üblicherweise von der Online-Gemein-
können. Ein Beispiel dafür sind Mailinglisten, Dis- schaft nicht als aktive Teilnehmer/innen wahrge-
kussionsforen oder Chats. nommen. Lurking-Verhalten ist oft notwendig, um
So ist zunächst davon auszugehen, dass mit der nicht in Informationsüberflutung zu ersticken (Taka-
Zahl der Beteiligten in Netzwerken die Möglichkeiten hashi et al., 2003). Es wäre beispielsweise regelrecht
der Interaktion und damit auch verbunden die Moti- unproduktiv und störend, wenn jeder einfach in
vation zur Interaktion zum Quadrat steigt (siehe Foren Nachrichten hinterlässt ohne bestehende Bei-
4. 4
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
träge zu lesen und zu berücksichtigen (Preece et al.,
Eine
Online-‐Lerngemeinscha^
ist
eine
Gruppe
von
2003). Für unterschiedliche Systeme und Anwen-
dungsbeispiele gibt es Zahlen, wie groß der Anteil ! Personen,
die
sich
formal
organisiert
oder
informell
zu
einem
Themen-‐
bzw.
einem
Lerngegenstand
aus-‐
aktiv Beitragender ist, bei Wiki-Systemen liegt dieser tauscht,
sich
dabei
gegensei@g
kennt
und
gemeinsame
Anteil oft im Prozent- bzw. Promillebereich. internetbasierte
Kommunika@onskanäle
nutzt
(Schaffert
&
Wieden-‐Bischof,
2009).
Eine
Lurking-‐Phase
ist
für
das
Erfassen
von
computer-‐
! vermi<elter
Kommunika@on
ein
notwendiger
Beginn,
um
später
gegebenenfalls
ak@v
und
zielgerichtet
in
Wesentlich erscheint der Hinweis, dass durch in-
tensive Kommunikation in diesen Lerngemein-
den
Kommunika@onsprozess
einzusteigen.
schaften trotz räumlicher Distanz eine persönliche
Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden
3. LerngemeinschaIen
im
Web ebenso entstehen kann, wie zwischen Lernenden un-
Gruppenbasiertes Lernen wird im Unterricht seit tereinander (Kerres & Jechle, 2000).
vielen Jahren eingesetzt. Mit steigender Internet- Online-Lerngemeinschaften unterscheiden sich
nutzung und voranschreitenden technischen Mög- von traditionellen gruppenbasierten Lernformen in
lichkeiten gewinnt die Zusammenarbeit in Online- folgender Weise:
Lerngemeinschaften in den letzten Jahren an Be- ▸ Online-Lerngemeinschaften erlauben eine zeitlich
deutung. Online-Lerngemeinschaften basieren auf und räumlich flexiblere Gestaltung von Lehren
der Idee vom gemeinschaftsorientierten Lernen in und Lernen, sowie eine stärker an individuelle An-
einem „virtuellen Raum“. Kommunikation ermög- sprüche ausgerichtete Auseinandersetzung mit In-
licht dabei die Entstehung persönlicher Beziehungen halten.
und von Online-Lerngemeinschaften. Insbesondere ▸ Lernen in Online-Lerngemeinschaften fördert die
in örtlich verteilten Lernsituationen ist die Bildung Medienkompetenz und es können motivationale
von Lerngemeinschaften oft ein ausgewiesenes Ziel
der computergestützten Lehre.
In der Praxis : Samanthanet
Samanthanet
ist
eine
Online-‐Lern-‐Community,
die
2010
ge-‐ reits
von
Anfang
an
wurde
auf
eine
sehr
strenge
Einhaltung
gründet
wurde
und
sich
noch
in
der
Aucauphase
befindet. der
Kommunika@onsregeln
geachtet
und
einen
wertschät-‐
Ziel
ist
es,
besonders
Frauen
Weiterbildungsmöglichkeiten
zu zenden
Umgang
miteinander.
bieten,
die
aufgrund
hoher
zeitlicher
Belastung
oder
wegen Die
Lernak@vitäten
selbst
finden
dabei
in
moderierten
Foren
Familienzeiten
nicht
oder
nur
unter
erschwerten
Bedin-‐ und
Gruppen
sta<
beziehungsweise
durch
Nutzung
eines
gungen
in
der
Lage
sind,
an
Präsenzveranstaltungen
teilzu-‐ Lernmanagementsysteme
wie
Moodle
und
entsprechenden
nehmen.
Zunächst
einmal
stand
die
Aufgabe
an,
die Demonstra@onen,
Simula@onen
und
Online-‐Prüfungen.
Lerngemeinscha^
bekannt
zu
machen,
für
die
ein
soziales Als
besonderer
Anreiz
wurde
ein
Ak@vitätsindex
entwickelt,
Netzwerk
konzipiert
wurde.
Dazu
wurden
unter
anderem
die der
individuelles
Engagement
einzelner
Mitglieder/innen
der
Microblogging-‐Plahorm
Twi<er
als
auch
Facebook
benutzt Gemeinscha^
anzeigt,
welches
dadurch
sichtbar
und
belohnt
und
bei
Koopera@onspartner/innen
und
anderen
um
Weiter-‐ wird.
Schließlich
sind
reale
Treffen
ein
wich@ger
Baustein
für
leitung
und
Werbung
für
das
Angebot
gebeten
sowie
ständig Samanthanet.de.
über
die
eigenen
Kanäle
informiert
und
kommen@ert.
Zudem
wurden
auch
andere
Netzwerke
angesprochen.
Neben
diesen
Online-‐Ak@vitäten
wurde
auch
in
tradi@onellen
Medien
und
im
Bildungsbereich
geworben,
zum
Beispiel
in
Frauenzeitschri^en,
Tageszeitungen
oder
auf
Bildungs-‐
messen.
Samanthanet
bildet
daneben
Trainer/innen
aus,
die
im
deutschsprachigen
Raum
Kurse
zur
Plahorm
anbieten.
Durch
Koopera@onen
mit
Bildungsanbietern
wie
VHS
und
Akademien
wird
die
A<rak@vität
des
Angebots
erhöht.
Be-‐ Abbildung
2:
Startseite
von
Samanthanet.de
5. Kommunika@on
und
Modera@on.
Internetgestützte
Kommunika@on
zur
Lernunterstützung
—
5
Impulse gesetzt werden (Hasan & Ali, 2007; das Vorhandensein einer Netiquette und die Ge-
Ehsan et al. 2008; Bodemer et al. 2009; Stahl et al. staltung der Partizipation genannt (Johnson et al.,
2006). 2009, 1172).
▸ Online-Lerngemeinschaften ermöglichen die In-
tensivierung von sozialen Beziehungen und Wis-
sensaustausch zwischen Mitglieder/innen auf-
grund unterschiedlicher Kommunikations- und
Interaktionsmöglichkeiten sowie hierarchieflachen
Organisationsformen.
▸ Lernräume für die Förderung kommunikativer
und sozialer Kompetenzen entstehen, in denen
Lernprozesse für die im späteren Berufsleben es-
sentielle Zusammenarbeit in heterogenen und
räumlich verteilten Teams abgebildet werden
Abbildung
3:
Kommunikationsarten
in
Lehr-‐
und
können.
Lernumgebungen
aus
Perspektive
Lehrender
Computerbasierte Lerngemeinschaften sind kein
ganz neues Konzept (Schaffert & Wieden-Bischof, 4. Kommunika3onsformen
beim
Online-‐Lernen
und
Modera3on
von
Online-‐LerngemeinschaIen
2009). Frühere Ansätze des Lernens mit dem Com-
puter haben die Einbindung von anderen Lernenden Kommunika3onsformen
zunächst nicht berücksichtigt. Die soziale Ein-
bindung und das gemeinsame Lernen ist aber ent- Abbildung 3 zeigt eine reduzierte Darstellung der
scheidend für Lernerfolge (Pfister & Wessner, 1999). Eingangs geschilderten Kommunikationsformen, die
Im Fachgebiet „Computerunterstütztes koopera- heute typischerweise innerhalb einer konkreten Lehr-
tives Lernen“ (Computer Supported Collaborative und Lernumgebung zum Einsatz kommen.
Learning; CSCL) wird so seit Anfang der 1990er Herangezogen werden dafür die drei Parameter
Jahre zum gemeinsamen, kooperativen Lernen ge- Zeitdimension, Betreuung und Verhältnis der Betei-
forscht. Beispielsweise wurde in einer Studie von ligten: Zunächst unterscheidet man zwischen syn-
Campione, Brown und Jay (1992) die Gruppe der chroner (zeitgleicher) und asynchroner (zeitver-
Lernenden im Klassenzimmer mit Hilfe des Com- setzter) Kommunikation. Aus Sicht der Lehrenden
puters und des World Wide Web erweitert und damit gibt es Situationen in den sie betreuend tätig sind
andere Klassen aus anderen Ländern miteinbezogen: oder die ein Angebot an Lernende darstellen, ohne
So korrespondierten Schüler/innen aus drei verschie- dass dabei eine zusätzliche Betreuung erfolgt. Dann
denen Städten via Quickmail, einem Mail-System, das wird die Art der Kommunikation im Hinblick auf die
noch vor der Einführung des World Wide Web ent- Zahl der Beteiligten und wer mit wem kommuniziert
wickelt wurde, und konnten so erfolgreich ge- dargestellt. So können Einzelgespräche (1:1) statt-
meinsame Projektarbeiten erstellen. finden, sich einzelne Lehrende mehreren Lernenden
Die Forschung zur Entstehung von Online- austauschen (1:n) oder auch eine Vielzahl von Betei-
Lerngemeinschaften zeigt, dass diese tatsächlich oft ligten auf einer Plattform in Austausch treten (n:n).
ohne Zutun von Bildungseinrichtungen oder Leh- Beispielsweise findet in Newsgroups in der Regel
renden entstehen. Ein Beispiel dafür sind „Commu- keine Betreuung durch Lehrende statt, während Dis-
nities of Practice“ (Lave & Wenger, 1991), die aus in- kussionsforen, sofern sie in der Lehre eingesetzt
teressierten Personen, Expertinnen und Experten be- werden, meist durch eine oder mehrere Lehrpersonen
stehen, die zu einem bestimmten Themenfeld Erfah- betreut werden. Je nach didaktischer Zielsetzung ist
rungen und Wissen austauschen. der Einsatz verschiedener Kommunikationsarten und
Bezeichnend für Online-Lerngemeinschaften ist, Medien in einem entsprechenden Lernszenario
dass sie in der Regel nur „auf Zeit“ gegründet sinnvoll.
werden. Gerade bei für Bildungszwecke initiierten
Online-Lerngemeinschaften steht für die stattfin- Computervermi<elte
Kommunika@on
und
Prozesse
denden Lern- und Kommunikationsprozesse meist
ein vorab klar definierter Zeitrahmen zu Verfügung.
! des
Lernens
können
nach
verschiedenen
Parametern
beschrieben
werden.
Die
gebräuchlichsten
sind:
Zeit-‐
Als Erfolgsfaktoren für Lerngemeinschaften werden dimension,
Empfängerzahl,
Symbolsystem,
Informa@-‐
dabei der von allen Teilnehmenden erkannte Zweck, onsfluss,
Öffentlichkeitsgrad
und
Betreuung.
6. 6
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
E-‐Modera3on Modera3onsabläufe
und
-‐modelle
Die ohnehin hohe Komplexität des gruppenbasierten Levin und Cervantes (2002) beschreiben den Le-
Lernens wird durch die Besonderheiten der compu- benszyklus von Online-Lerngemeinschaften fol-
tervermittelten Kommunikation oft noch zusätzlich gendermaßen (S. 207f):
verstärkt. Zur Strukturierung des gemeinsamen Lern- ▸ In der Antragsphase geht es darum, alle Mitglieder
prozesses bietet sich daher der Einsatz von E-Mode- der Lerngemeinschaft davon zu überzeugen, sich
ratorinnen und E-Moderatoren an. an einem gemeinsamen Lernprozess zu beteiligen,
Diese erfüllen eine Reihe von Aufgaben, die sich und die Lerngemeinschaft als solche zu initiieren.
den idealtypischen Betreuungsbereichen Inhalt, Orga- ▸ Darauf folgt die Verfeinerungsphase, in deren
nisation, Technik und Lernklima zuordnen lassen, je Verlauf die Idee eines gemeinsamen Lernpro-
nach Lernszenario aber natürlich kontextspezifisch zesses konkretisiert und hinsichtlich der Zielset-
auszufüllen sind. Insbesondere das Lernklima, also zungen präzisiert wird.
die psychosoziale Betreuung und Motivation der Ler- ▸ In der Organisationsphase werden die Formen
nenden, ist für den Erfolg gruppenbasierter Lernsze- und Arten der Kommunikation beschlossen, sowie
narien wichtig. Zeitpläne vereinbart und ausgetauscht.
▸ Nun folgt die Ausführungsphase, in der die eigent-
Lesen
Sie
das
Beispiel
von
Samantha.net
(siehe
Box lichen Lernprozesse stattfinden, und die ge-
? „In
der
Praxis“).
Wie
würden
Sie
ein
Angebot
konzi-‐
pieren,
dass
den
Aucau
und
die
Pflege
von
Lernge-‐
meinsam festgelegten Ziele verfolgt werden.
meinscha^en
in
Ihrem
Studium
op@mal
unterstützt? Während andere Online-Communitys in aller
Welche
Merkmale
und
Kommunika@onsmöglichkeiten Regel ohne definierten Endzeitpunkt betrieben
sollte
ein
solches
Angebot
haben?
Bi<e
illustrieren
Sie werden, ist bei Online-Lerngemeinschaften oft ein
Ihren
Entwurf
und
vergleichen
Sie
ihn
mit
den
Vor-‐ bestimmter Zeitraum für diese Phase vorgesehen.
schlägen
von
anderen.
Vergleichen
Sie
Ihren
Vorschlag Die Ausführungsphase endet häufig mit einer Zu-
auch
mit
dem
Entwurf
zur
Online-‐Gemeinscha^
Me-‐
sammenfassung oder einem Dankeschön der In-
diencommunity
(Buchem
&
Hamelmann,
2010,
online
zugänglich!) itiator/innen.
▸ In der letzten Phase, der Publikationsphase,
Gruppendynamisches
Ablaufmodell
werden schließlich die Ergebnisse des gemein-
samen Lernens dargestellt und veröffentlicht, ge-
Viele Moderationsmodelle, so auch Vorschläge für
gebenenfalls auch reflektiert.
E-Moderations-Abläufe beziehen sich dabei bewusst
a u f gruppendynamische Ablaufmodelle (vor allem Das wohl am weitesten verbreitete Modell für reine
auf Tuckmans Stufenmodell zur Gruppendynamik, Online-Veranstaltungen ist das von Salmon (2002).
1965): In der Formierungsphase (engl. „forming“) Sie empfiehlt ein sehr strukturiertes Vorgehen beim
lernen sich die Gruppenmitglieder kennen, die Kon- Online-Lehren und -Lernen. Während jedes Ab-
fliktphase (engl. „storming“) ist durch unterschwel- schnittes gibt es bestimmte Tätigkeiten seitens der
lige Konflikte aufgrund der Selbstdarstellung der E-Moderatorinnen und E-Moderatoren, wobei die
(neuen) Teammitglieder und Cliquenbildungen ge- Interaktivität zwischen den Lernenden mit jeder
prägt. In der folgenden Phase werden Regeln und Phase stark zunimmt. Die fünf Stufen sind (siehe
Normen geklärt (engl. „norming“), so dass schließ- Abbildung 4):
lich produktives Agieren (engl. „performing“) mög- ▸ Die erste Phase betrifft Zugang und Motivation:
lich wird und Zusammenarbeit und das zielgerichtete Am Beginn muss sichergestellt sein, dass alle Teil-
Handeln der Gemeinschaft im Vordergrund steht. nehmenden einen problemlosen und schnellen
Schließlich löst sich eine Gemeinschaft wieder auf Zugang zu den Online-Ressourcen haben. Die
(engl. „adjourning“). E-Moderation soll diese Grup- technische Komponente darf dabei nicht zum
penprozesse nun bewusst unterstützen und opti- Hindernis werden. Darüber hinaus sollten die Ler-
mieren. nenden immer wieder ermutigt und motiviert
werden auf die Lernplattform zurückzukehren.
Salmon weist auf die Bedeutung einer Vorstel-
lungsrunde hin und auch auf eine explizite Ein-
weisung und Erprobung der Kommunikations-
E-‐Modera@on
ist
die
ziel-‐
bzw.
curriculumsorien@erte möglichkeiten.
! Steuerung
und
Leitung
der
Kommunika@on
und
des
Austauschs
von
Lern-‐
und
Arbeitsgruppen.
▸ In der Phase der Online-Sozialisation soll die
lehrende Person versuchen, eine Gemeinschaft zu
7. Kommunika@on
und
Modera@on.
Internetgestützte
Kommunika@on
zur
Lernunterstützung
—
7
Abbildung
4:
Das
Fünf-‐Stufen-‐Modell
der
E-‐Moderation
nach
Salmon
(2002)
bilden. Sozialisationsphase und Beseitigung kultu- 5. Fazit
reller Barrieren kennzeichnen diesen Schritt zur Zwar kann Online-Kommunikation zum Lernen und
Bildung der Lerngemeinschaft. das Lernen in Online-Gemeinschaften zu einem
▸ Im Zuge des Informationsaustauschs sichten, Selbstläufer werden, denn man möchte sich austau-
sammeln und verarbeiten die Lernenden Informa- schen, engagiert zeigen und auch anerkannt werden.
tionen. Es sollten vorwiegend asynchrone Kom- Jedoch können durch die soziale Interaktion und Ex-
munikationstools verwendet werden, damit jeder position auch Ängste, Konkurrenzsituationen und
Lernende sein Tempo selbst bestimmen kann und Frustrationen auftreten, gerade wenn gemeinsame
sich an die Nutzung der technischen Möglich- Arbeiten und Ergebnisse vorgelegt werden müssen.
keiten gewöhnt. Diese Probleme müssen frühzeitig erkannt und ange-
▸ Erst in der Phase der Wissenskonstruktion wird messen behandelt werden, um ein „Einschlafen“ der
zuerkannt, dass die Lernenden das Potential der Kommunikation und damit ein Scheitern des Lern-
Kommunikationstools ausschöpfen. Es erfolgt prozesses zu verhindern. Im Unterschied zum
laut Salmon aktiver Austausch. Das neu erworbene Präsenz-Setting unterscheiden sich Online-Lernge-
Wissen wird mit der eigenen Erfahrung und jener meinschaften auf der einen Seite in der wahrgenom-
der anderen kombiniert. Diese Phase ist durch In- menen Verbindlichkeit und auf der anderen in der
teraktivität und Aktivität gekennzeichnet. besseren Transparenz der Beiträge und Aktivitäten
▸ In der Phase der Entwicklung übernehmen die der Beteiligten.
Lernenden selbst die Verantwortung für das
Lernen. Die Anwendung des neuen Wissens steht Entwerfen
Sie
einen
Ablaufplan
für
eine
gelungene
E-‐
ab jetzt im Vordergrund. Reflexion und kritische
Auseinandersetzung sollten mit den entspre-
? Modera@on
einer
Lerngruppe
zu
einer
Lehrveran-‐
staltung
Ihrer
Wahl.
Bi<e
beziehen
Sie
sich
zunächst
chenden Applikationen unterstützt werden. E-Mo- auf
ein Kommunika@onsmedium,
dass
Sie
kennen.
derator/innen sollen Hinweise auf vertiefende Welche
Fragen
stellen
Sie,
wie
gewährleisten
Sie,
dass
Materialien geben und beenden die Veranstaltung alle
zur
Sprache
kommen,
wie
gehen
Sie
vor?
Präsen-‐
@eren
Sie
und
vergleichen
Sie
Ihren
Entwurf!
mit einer Abschlussrunde.
8. 8
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
Literatur ▸ Karau, S. J. & Wiliams, K.D. (2001). Understanding individual
▸ Beck, K. (2006). Computervermittelte Kommunikation im In- motivation in groups: The Collective Effort Model. In: M.E.
ternet. München: Oldenbourg. Turner (Hrsg.), Groups at work: Theory and Research. New
▸ Bodemer, D.; Gaiser, B. & Hesse, F.W. (2009). Kooperatives York: Lawrence Erlbaum, 113-141.
netzbasiertes Lernen. In: L.J. Issing & P. Klimsa (Hrsg), ▸ Kerres, M. & Jechle, T. (2000). Betreuung des Lernens in tele-
Online-Lernen. Handbuch für Wissenschaft und Praxis, medialen Lernumgebungen. In: Unterrichtswissenschaft, 28
München: Oldenbourg, 151-158. (3), 257-277.
▸ Buchem, I. & Hamelmann, H. (2010). Microlearning: a strategy ▸ Kerres, M. (2000). Entwicklungslinien und Perspektiven medi-
for ongoing professional development. In: eLearning Papers, endidaktischer Forschung. In: Zeitschrift für Erziehungswis-
21, URL: http://www.elearningeuropa.info/files/media/me- senschaften, 3 (1), 111-130.
dia23707.pdf [2010-11-08]. ▸ Lave, J. & Wenger, E. (1991). Situated Learning: Legitimate pe-
▸ Butler, B. (2001). Membership Size, Communication Activity, ripheral participation. Cambridge: Cambridge University Press.
and Sustainability: A resource-based model of online social ▸ Levin, J. & Cervantes, R. (2002). Understanding the Life Cycles
structures. In: Information System Research, 12 (4), 346-362. of Network-Based Learning Communities. In: K. A. Renninger
▸ Campione, J.C., Brown, A.L., & Jay, M. (1992). Computers in a & W. Shumar (Hrsg.), Building Virtual Communities. Learning
community of learners. In: E. D. Corte, M. C. Linn, H. Mandl, and Change in Cyberspace, Cambridge: Cambridge Press, 293-
& L. Verschaffel (Hrsg.), Computer-Based Learning Environ- 320.
ments and Problem Solving. New York: Springer, 163-188. ▸ Misoch, S. (2006). Online-Kommunikation. Konstanz: UTB.
▸ Derks, D.; Fischer, A. H. & Bos, A. E. R. (2008). The role of ▸ Morris, M., & Ogan, C. (1995). The Internet as a Mass
emotion in computer-mediated communication: A review. In: Medium. In: Journal of Communication, 46(1), 39-50.
Computers in Human Behavior, 24(3), 766-785. ▸ Nonnecke, B. & Preece, J. (2001). Why Lurkers Lurk. In:
▸ Döring, N. (2003). Sozialpsychologie des Internet. Die Be- AMCIS Conference, Boston, 1-10.
deutung des Internets für Kommunikationsprozesse, Identi- ▸ Pelz, J. (1995). Gruppenarbeit via Computer. Sozialpsycholo-
täten, soziale Beziehungen und Gruppen. Göttingen: Hogrefe gische Aspekte eines Vergleichs zwischen direkter Kommuni-
Verlag. kation und Computerkonferenz. In: Europäische Hochschul-
▸ Ebner, M. & Holzinger, A. (2005). Lurking: An Underesti- schriften, Reihe 6: Psychologie, Band 56. Frankfurt am Main:
mated Human-Computer Phenomenon, IEEE MultiMedia, Peter Lang.
12(4),70-75. ▸ Pfister, H.R. & Wessner, M. (1999). CSCL – Computerunter-
▸ Ehsan, N.; Mirza, E. & Ahmad, M. (2008). Impact of Com- stützes kooperatives Lernen. In: Künstliche Intelligenz, 4, 46.
puter-Mediated Communication on Virtual Teams’ Perfor- ▸ Preece, J.; Nonnecke, B., & Andrews, D. (2003). The top five
mance: An Empirical Study. World Academy of Science. In: reasons for lurking: improving community experiences for eve-
Engineering and Technology, 42, 694-703. ryone. In: Computers in Human Behavior, 20 (2), 201-223.
▸ Gräsel, C.; Bruhn, J.; Mandl, H. & Fischer, F. (1997). Lernen ▸ Salmon, G. (2002). E-tivities. Der Schlüssel zu aktivem Online-
mit Computernetzen aus konstruktivistischer Perspektive. In: Lernen. Zürich: Orell Füssli.
Unterrichtswissenschaft, 25, 4-18. ▸ Schaffert, S. & Wieden-Bischof, D. (2009). Erfolgreicher
▸ Hartmann, T. (2004). Computervermittelte Kommunikation In: Aufbau von Online-Communitys. Konzepte, Szenarien und
R. Mangold; P. Vorderer & G. Bente (Hrsg.), Lehrbuch der Me- Handlungsempfehlungen. In: G. Güntner & S. Schaffert
dienpsychologie. Göttingen: Hogrefe Verlag, 673-693. (Hrsg.), Social Media, Band 1, Salzburg: Salzburg: Salzburg Re-
▸ Hasan, B. & Ali, J. (2007). An Empirical Examination of search.
Factors Affecting Group Effectiveness in Information Systems ▸ Schulmeister, R. (2006). Editorial - Virtuelle Kommunikation.
Projects. In: Decision Sciences Journal of Innovative Edu- In: Zeitschrift für e-Learning. 1/2006, URL: http://www.e-
cation, 5(2), 229-243. learning-zeitschrift.org/01_2006/editorial.php [2010-10-01].
▸ Hesse, F. W. & Schwan, S. (2005). Einführung in die Medien- ▸ Stahl, G.; Koschmann, T. & Suthers, D. (2006). Computer-sup-
und Kommunikationspsychologie. URL: http://www.e-tea- ported collaborative learning: An historical perspective. In:
ching.org/didaktik/theorie/medienpsychologie/hesse- Sawyer RK (Hrsg), The Cambridge handbook of the learning
schwan.pdf.pdf [2010-11-08]. sciences, Cambridge: Cambridge University Press, 409-426.
▸ Johnson, J.; Dyer, J.; Chapman, C.; Hebenton, R.; Lockyer, B. & ▸ Takahashi, M.; Fujimoto, M. & Yamasaki, N. (2003). The
Luck, K. (2008). Literature Review on Online Communities, Active Lurker: Influence of an In-house Online Community
Deliverable D 3.1, Projekt „ComeIn“. URL: http://www.- on its Outside Enviroment. In: Proceedings of the 2003 inter-
comein-project.eu/scientific/index.php? national ACM SIGGROUP, 1-10.
option=com_docman&task=doc_download&gid=33&Itemid ▸ Tuckman, B. W. (1965). Developmental Sequence in Small
=11 [2010-05-06]. Groups. Psychological Bulletin, 63 (6), 384-399.