Die Akteur-Netzwerk-Theorie - Eine Techniktheorie für das Lernen und Lehren m...
Human–Computer Interaction - Usability Engineering im Bildungskontext
1.
2. 2
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
cessing“) an den Rechner übergeben, die sequentiell
1. Einführung
abgearbeitet wurden und als Ergebnis Ausgabedaten
Human-Computer Interaction (HCI) ist ein erst seit auf Lochkarten erzeugten.
rund 30 Jahren etabliertes Teilgebiet der Informatik,
das mit der Verbreitung so genannter grafischer Be-
nutzeroberflächen (Shneiderman, 1983) entstand und
seit Beginn versucht, die Brücke zwischen Informatik
und Psychologie zu verbreitern.
Während die klassische HCI-Forschung (Card et
al., 1983; Norman, 1986) sich auf das Zusammen-
spiel zwischen Mensch-Aufgabe-Computer konzen-
trierte, widmet sich die neuere HCI-Forschung,
neben der Erforschung neuer Interaktionspara-
digmen, zum Beispiel intelligente, adaptive, personali- Abbildung
1:
HCI
erforscht
die
Aspekte
an
der
sierte Benutzeroberflächen, Augmented Non-Clas- Nahtstelle
zwischen
Perzeption,
Kognition
und
Infor-‐
sical Interfaces, aber auch Social Computing, vor mation
(vgl.
Holzinger,
2000a)
allem der Erhöhung der Effektivität und Effizienz
des Zusammenwirkens menschlicher und technischer Character
Based
User
Interfaces
Performanz. Und genau damit wird HCI-Wissen
grundlegend zur Optimierung technologiegestützten Die Verwendung von Bildschirm (vom Fernseher)
Lehrens und Lernens (Niegemann et al., 2008), ins- und Tastatur (von der Schreibmaschine) als Com-
besondere im Bereich der Interaktion zwischen zu- puter-Interfacegeräte waren ein wichtiger Schritt:
künftigen semantischen Technologien und mensch- Zeichen sind nun von dem was sie darstellen unab-
lichen Wissensräumen (Cuhls, Ganz & Warnke, hängig und können daher auf unterschiedlichste
2009). Weise realisiert werden. Anstatt einen Stapel von Auf-
trägen auf Lochkarten vorgefertigt zu liefern, und
2. Interak2on
und
Interak2vität
auf das Ergebnis zu warten, wird die Aufgabe nun
Interaktion ist eigentlich ein psychologischer Begriff Schritt für Schritt im Dialog erledigt. Somit wird
und bezeichnet einen auf der Basis gewisser Erwar- nicht nur die Durchführung der eigentlichen
tungen, Einstellungen und Bewertungen beruhenden Aufgabe, sondern die Entwicklung der Aufgaben-
Austausch (von Information) auf sprachlicher oder stellung im Dialog mit den Computer unterstützt.
nichtsprachlicher (symbolischer) Ebene. Interaktion Das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für
ist also eng mit dem Begriff Kommunikation ver- Lernprogramme. Allerdings, anfangs noch als Dialog-
bunden. Darum wird im Deutschen HCI auch oft als systeme mit Kommandozeileninterpreter (Command
Mensch-Computer Kommunikation bezeichnet. line Interpreter, Shell). Dies waren die ersten User In-
Interaktivität hingegen ist ein technischer Begriff der terfaces, die bereits Text in der Kommandozeile ein-
Möglichkeiten und Eigenschaften des Computers be- lesen, diesen Text als Kommando interpretieren und
zeichnet, den Benutzern verschiedene Eingriffs-, Ma- ausführen konnten. So können Programme gestartet,
nipulations- und Steuerungsmöglichkeiten zu ermög- Parameter und Dateien übergeben werden. Die Reali-
lichen (Abbildung 1). sierung als eigenständiges Programm führte schnell
Interaktivität wird zu einem didaktisch wichtigen zu Verbesserungen zum Beispiel durch Fehlerbe-
Teil des technologiegestützten Lernens gezählt handlungsroutinen und Kommandounterstützung.
(Schulmeister, 2002), insbesondere weil Interaktivität Waren Computerbenutzerinnen und Computerbe-
die Möglichkeit bietet, dass die Endbenutzerinnen nutzer anfangs noch ausgewiesene Expertinnen und
und Endbenutzer die Auswahl, die Art und die Prä- Experten, wird nun – gerade auf Grund der immer
sentation von Informationen manipulieren und damit breiteren Gruppe von Endbenutzerinnen und End-
ihrem individuellen Vorwissen und Bedürfnissen an- benutzern – die Benutzeroberfläche selbst zum Ge-
passen können. Das war allerdings nicht immer so. genstand von Forschung und Entwicklung. Damit
Zu Beginn der Computertechnik war die Interakti- war die Basis geschaffen, HCI an unterschiedlichste
vität sehr beschränkt, Computer hatten weder Bild- Dialogprinzipien anpassen zu können.
schirm noch Tastatur: Eingabedaten wurden mit
Lochkarten in Stapelverarbeitung (engl. „batch pro-
3. Human–Computer
Interac?on.
Usability
Engineering
zur
Gestaltung
im
Bildungskontext
—
3
Graphical
User
Interfaces
(GUI)
GUI
und
Desktop
sind
Kernparadigmen
der
HCI,
die
Die immer breitere Anwendung von Computern in
der Öffentlichkeit verlangte, dass die zeichenbasierte ! zwar
kon?nuierlich
erweitert
und
verbessert
werden
(zum
Beispiel
Toolbars,
Dialogboxen,
adap?ve
Menüs),
Unabhängigkeit der Dialogsysteme noch weiter ab- aber
vom
Prinzip
her
konstant
bleiben.
strahiert wird, weil auch andere als alpha-numerische
Zeichen für die Darstellung und den Dialog ver- Non-‐Classical
Interfaces
wendet werden können: Grafische Elemente, die Desktop und WIMP Interfaces beruhen auf der
analog zum alltäglichen Arbeiten, durch zeigen, Nutzung der klassischen Interface-Geräte (zum Bei-
nehmen, verschieben oder ablegen manipuliert spiel Bildschirm, Tastatur und Maus), die Schritt für
werden können, so genannte WIMP (kurz für Schritt bei Beibehaltung ihrer Grundstruktur er-
Windows, Icons, Menus, Pointers). Diese WIMP-In- weitert, zum Beispiel für SILK oder für andere Meta-
teraktion, die sich als „Desktop-Metapher“ an unter- phern, und adaptiert werden. Die Leistungsfähigkeit
schiedliche Arbeitsumgebungen anpassen kann und der Computer und die zunehmende Unabhängigkeit
über „Point & Click“ und „Drag & Drop“ benutzbar der Interfaces integrieren damit Schritt für Schritt
ist, eröffnete dem technologiegestützten Lernen auch andere Ein- und Ausgabegeräte und Interakti-
einen ungeheuren Schub. Kommt doch diese „direkte onsmechanismen wie zum Beispiel Sprache und
Manipulation“ virtueller Objekte den kognitiven Gesten. Unsere klassischen Sinne Sehen und Hören
Konzepten der Benutzerinnen und Benutzer sehr können damit durch weitere „körperbewusste“ (engl.
entgegen. GUI und Desktop sind Kernparadigmen „proprioceptive“) Modalitäten wie Berühren/Tasten,
der HCI, die zwar kontinuierlich erweitert und ver- Schmecken, Riechen, aber auch Temperatur, Gleich-
bessert werden (zum Beispiel Toolbars, Dialogboxen, gewicht, Schmerz oder Aufmerksamkeit ergänzt
adaptive Menüs), aber vom Prinzip her konstant werden. Solche „Non-Classical Interfaces“ haben
bleiben. Eine Konstanz, die ein wichtiges Prinzip un- sich daher zu einem wichtigen Forschungsbereich
terstützt: Reduktion kognitiver Überlastung. Bestehen entwickelt. Damit wird der Mensch als Ganzes in die
GUI zwar aus grafischen Elementen, so bleiben im Interaktion miteinbezogen, was zu neuen Möglich-
Hintergrund abstrakte, zeichenbasierte Beschrei- keiten des Lehrens und Lernens führt (ein aktuelles
bungen von Prozessen, die grundsätzlich unabhängig Beispiel ist die Nintendo Wii mit der Wiimote; Hol-
von der Art der Darstellung sind und daher auch zinger et al., 2010).
über unterschiedlichste Interfaceprinzipien realisiert
werden können. Moderne
Interfaces
erlauben
nicht
nur
die
Interak?on
Erweiterte
WIMP
Interfaces:
SILK
(Speech,
Image,
Lan-‐ ! des
Menschen
mit
dem
Computer
mit
herkömmlichen
Eingabegeräten,
sondern
versuchen
hap?sche
Mög-‐
guage,
Knowledge) lichkeiten
zu
berücksich?gen.
Der Desktop als Metapher ist nicht für alle Anwen-
Intelligente
Adap2ve
seman2sche
Interfaces
dungsbereiche ideal. Durch die Einbindung von Mul-
timedia (zum Beispiel Sprache, Video, Gesten) in das Da heutige Computersysteme zunehmend alle Le-
GUI und der Integration mobiler und zunehmend bensbereiche durchdringen und sich die Interaktivität
pervasiver und ubiquitärer Technologien, also Com- zunehmend vom klassischen Schreibtisch wegbewegt,
puter, die in Alltagsgegenständen eingebettet sind verbreiten sich neue ubiquitäre, pervasive Möglich-
und als solche gar nicht mehr erkennbar sind, werden keiten für das Lehren und Lernen (Safran et al.,
Alternativen zu WIMP nicht nur möglich sondern 2009). In Zukunft werden Benutzeroberflächen mit
auch notwendig. Hier können quasi-intelligente, se- intelligenten, semantischen Mechanismen ausgestattet
mantische Funktionen integriert werden, wodurch ein werden, die den Benutzerinnen und Benutzern bei
weiterer wichtiger Schritt erfolgte: Wenn Interfaces der Erledigung der immer größeren Vielfalt und
unterschiedlichste Metaphern unterstützen müssen Komplexität von Aufgaben des täglichen Lernens
und die Metapher an unterschiedliche Benutzerinnen und wissensintensiven Arbeitens unterstützen (zum
und Benutzer, Medien, Endgeräte und Situationen Beispiel Suchen, Ablegen, Wiederfinden oder Ver-
angepasst werden muss, bedarf es einer Standardi- gleichen). Diese Systeme passen sich dynamisch an
sierung der Interfacemechanismen und einer entspre- die Umgebung, Geräte und vor allem ihre Benutze-
chenden Beschreibung (zum Beispiel durch XUL – rinnen und Benutzer und deren Präferenzen an (Hol-
XML User Interface Language), die über unterschied- zinger & Nischelwitzer, 2005). Entsprechende Infor-
liche Werkzeuge realisiert werden können. mationen werden für die Gestaltung der Interaktion
in Profilen gesammelt und ausgewertet (User pro-
4. 4
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
filing). Ebenso erlaubt die steigende technische Per- ähnliches Verhalten zu simulieren. Damit ergeben
formanz die Multimedialität und Multimodalität vor- sich vielfältige Möglichkeiten für E-Learning-Anwen-
anzutreiben, wodurch man sich von der Desktop Me- dungen. Ein Beispiel: Studierende lernen meistens
tapher immer weiter entfernen kann. Damit können erst kurz vor der Prüfung, dann aber meistens mas-
adaptive Systeme realisiert werden, bei denen die siert, das heißt kurz aber nahezu Tag und Nacht. Aus
Systeme selbst mit der Umgebung intelligent intera- der klassischen Lernforschung ist aber bekannt, dass
gieren und semantische Information verarbeiten und über das Semester verteiltes Lernen wesentlich wir-
so die User Interfaces der jeweiligen Situation, den kungsvoller ist. In einer Studie konnte gezeigt
Bedürfnissen, dem Kontext und den vorhandenen werden, dass durch entsprechenden und gezielten
Endgeräten anpassen (Holzinger et al., 2006). Einsatz eines Blogs dieses verteilte Lernen "er-
zwungen" werden kann, was nicht nur zu einer bes-
Web
2.0
als
Ausgangspunkt
der
veränderten
HCI
seren Prüfungsleistung führte, sondern auch nachhal-
Mit dem Aufkommen des Web 2.0 (O’Reilly, 2005, tiges Lernen förderte (Holzinger, Kickmeier &
2006) veränderte sich die Interaktion – weg vom klas- Ebner, 2009). Wir wollen uns nun aber in aller Kürze
sischen „Personal Computing“. Die Benutzerinnen einiger Grundregeln für benutzergerechte HCI zu-
und Benutzer sind nicht mehr passive Informations- wenden.
konsumenten, sondern erstellen aktiv Inhalte, bear-
3. Grundregeln
für
benutzergerechte
HCI
beiten und verteilen und vernetzen sich darüber
hinaus mit anderen („Social Computing“). Obwohl Wenn wir uns mit der Interaktion, Perzeption und
der Begriff Web 2.0 keine rein technische Ent- Kognition von Information durch den Menschen be-
wicklung bezeichnet, werden einige Ansätze aus der schäftigen, müssen wir einige wesentliche Unter-
Informatik unmittelbar damit verbunden, wie zum schiede zwischen Mensch und Computer kennen.
Beispiel RSS-Feeds (Really Simple Syndication) zum Während Menschen die Fähigkeit zum induktiven,
schnellen Informationsaustausch für die einfache und flexiblen Denken und komplexen Problemlösen aus-
strukturierte Veröffentlichung von Änderungen auf zeichnet, zeigen Computer bei deduktiven Opera-
Websites (zum Beispiel Blogs) in einem standardi-
sierten Format (XML). Oder beispielsweise AJAX
(Asynchronous JavaScript and XML) als mächtiges Usability
ist
nicht
nur
die
–
wie
das
Wort
ins
Deutsche
Konzept der asynchronen Datenübertragung zwi- ! übersetzt
wird
–
schlichte
„Gebrauchstauglichkeit“.
Usability
setzt
sich
nämlich
aus
Effek?vität,
Effizienz
schen einem Browser und einem Server. Damit hat und
der
Zufriedenheit
der
Endbenutzerinnen
und
man die Möglichkeit in einem Browser ein desktop- Endbenutzer
zusammen.
tionen und logischen Aufgaben ermüdungsfreie Per-
Mensch Computer formanz (siehe Tabelle 1).
Empfindlichkeit
für
Reize Präzises
Zählen
und
Mes-‐ HCI
und
Usability
(visuelle,
auditorische, sen
physikalischer
Größen
tak?le,
olfaktorische) Zur Interaktion zwischen Mensch und Computer gibt
Fähigkeit
zum
induk?ven Deduk?ve
Opera?onen, es einige Elemente, die im Folgenden kurz vorgestellt
Denken
und
komplexen formale
Logik,
Anwenden werden. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass funk-
Problemlösen von
Regeln
tionale als auch ästhetische Elemente zusammen-
Bildung
von
vernetztem Speichern
großer
Daten-‐
wirken sollten. Brauchbarkeit (usefulness), Benutz-
Wissen
und
Behalten
über mengen,
die
nicht
aufein-‐
große
Zeiträume ander
bezogen
sind barkeit (usability) und Ästhetik (enjoyability) sollten
Flexibilität
bei
Entschei-‐ Zuverlässige
Reak?on
auf ausgewogen zusammenwirken.
dungen,
auch
in
neuar?-‐ eindeu?g
definierte
Ein-‐ Usability
–
was
ist
das
eigentlich?
gen
Situa?onen gangssignale
Entdecken
unscharfer
Si-‐ Zuverlässige
und
ermü-‐ Effektivität wird darin gemessen, ob und in welchem
gnale,
auch
vor
einem dungsfreie
Performanz Ausmaß die Endbenutzer ihre Ziele erreichen
Rauschhintergrund über
langen
Zeitraum können. Effizienz misst den Aufwand, der zur Errei-
Tabelle
1:
Grober
Vergleich
Mensch-‐Computer
chung dieses Ziels nötig ist. Zufriedenheit schließlich
(vgl.
Holzinger,
2000b)
ist gerade im E-Learning wichtig, denn es enthält
subjektive Faktoren wie „joy of use“, „look and feel“
und „motivation and fun“ „(enjoyability“). Usability
5. Human–Computer
Interac?on.
Usability
Engineering
zur
Gestaltung
im
Bildungskontext
—
5
wird demnach durch optimales Zusammenspiel von lagen des Konstruktivismus (Lernen als konstruktive
Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit für einen Informationsverarbeitung) und des problembasierten
bestimmten Benutzerinnenkontext und Benutzer- Lernen stützt. Ähnlich wie beim UCD fokussiert sich
kontext gemessen. das LCD auf das Verstehen der Lernenden im
In den folgenden vier Aufzählungen soll exempla- Kontext.
risch klar werden, worauf es in der Usability an- Ähnlich wie im User-Centered Design wird bei
kommt: dieser Methode ein spiralförmiger (iterativer) Ent-
▸ Orientierung (zum Beispiel Übersichten, Gliede- wicklungsprozess durchlaufen, der aus drei Phasen
rungen, Aufzählungszeichen, Hervorhebungen, besteht. In jeder Phase kommen spezielle Usability-
oder Farbbereiche) dienen dazu, sich zurechtzu- Methoden zum Einsatz, die Einblick in die Bedürf-
finden. Die Endbenutzer müssen stets zu jeder nisse, das Verhalten und den Kontext der Endbe-
Zeit genau erkennen, wo sie sich befinden und wo nutzer erlauben (zum Beispiel: Wer? Was? Wann?
sie „hingehen“ können. Wozu? Wie? Womit? Warum?). So kann eine genaue
▸ Navigation (zum Beispiel Buttons oder Links) Kenntnis der Lernenden gewonnen werden: Ziele,
helfen den Endbenutzern sich zu bewegen und ge- Motivation, Zeit, Kultur, Sprache, Voraussetzungen
zielt bestimmte Bereiche anzuspringen, zum Bei- Vorwissen und weiteres.
spiel über eine Navigationsleiste. Die Navigation Es wird jeweils zum nächsten Schritt übergangen,
muss logisch, übersichtlich, rasch und konsistent wenn kein nennenswerter Erkenntnisgewinn mehr
(immer gleichartig) erfolgen. Sprichwort: „What erzielt wird. Wichtig ist die interdisziplinäre Zusam-
ever you do, be consistent“ (das gilt auch für menarbeit verschiedener Personen, wie zum Beispiel
Fehler: solange dieser konsistent ist, fällt dieser Fachexpertin/innen, Didaktiker/innen, Multimedia
nicht so sehr auf). Expertin/innen und Usability-Ingenieure – und den
▸ Inhalte (zum Beispiel Texte, Bilder, Töne, Anima- Lernenden! Selten fallen alle Rollen in einer Person
tionen oder Videos) sind die Informationen, die zusammen. Während der Analysen wird klar, welches
vermittelt werden sollen (Content). Hier gelten alle didaktische Modell für den jeweiligen Kontext am
Grundregeln der menschlichen Informationsver- besten geeignet ist und welche pädagogischen Kon-
arbeitung. Alle Inhalts-Elemente müssen entspre- zepte angewandt werden können, die die Lernenden
chend aufbereitet werden. Text muss kurz und
prägnant sein. Anweisungen müssen eindeutig und
„Thinking
aloud“
beschreibt
eine
Methode
bei
dem
unmissverständlich sein.
▸ Interaktions-Elemente (zum Beispiel Auswahl- ! zumeist
4-‐5
Testpersonen
gebeten
werden,
ein
Pro-‐
gramm
oder
einen
Programmablauf
zu
testen
und
menüs, Slider oder Buttons) ermöglichen gewisse dabei
gebeten
werden
ihre
Gedanken
laut
auszu-‐
Aktionen zu erledigen. Sämtliche Interaktionen sprechen.
müssen den (intuitiven) Erwartungen der Endbe-
nutzer entsprechen.
im Zielkontext mit der jeweiligen Zieltechnologie
Usability-‐Engineering-‐Methoden
sichern
den
Erfolg (zum Beispiel Mobiltelefon, iPod oder iTV) best-
Eine breite Palette an Usability-Engineering-Me- möglich unterstützen. Mit Hilfe eines ersten Proto-
thoden (UEM) sichern erfolgreiche Entwicklungs- typen kann Einsicht in viele Probleme gewonnen
prozesse (siehe Holzinger, 2005). Ein Beispiel dafür werden. Sehr bewährt hat sich so genanntes „Rapid
ist: Der Ansatz „User-Centered Design“ (UCD) ori- Prototyping“, das auf papierbasierten Modellen
beruht und enorme Vorteile bringt. Dabei kann das
Verhalten der Endbenutzerinnen und Endbenutzer
Das
Tool
(E-‐Learning
Umgebung)
und
der
Content zum Beispiel mit der Lautdenken-Methode (engl.
! (Lerninhalt)
müssen
einen
maximalen
Nutzen
(Ler-‐
nerfolg)
bringen.
„thinking aloud“) untersucht werden.
Erst wenn auf Papierebene alles „funktioniert“
wird ein computerbasierter Prototyp erstellt, der
dann wiederholt getestet wird. Erst wenn auch hier
entiert sich an Bedürfnissen, Fähigkeiten, Aufgaben, kein weiterer Erkenntnisgewinn erfolgt, kann die
Kontext und Umfeld der Endbenutzer, die von Freigabe für die Umsetzung der endgültigen Version
Anfang an in den Entwicklungsprozess mit einbe- gegeben werden. Papier in der Anfangsphase, das
zogen werden. Daraus entwickelte sich das „Learner- klingt seltsam ist aber extrem praktisch, weil wesent-
Centered Design“ (LCD), das sich auf den Grund-
6. 6
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
liche Interaktionselemente schnell erstellt und simu- Ähnlich wie Schemata funktioniert die Theorie der
liert werden können, ohne dass bereits Programmier- Frames und Slots nach Anderson (Anderson et al.,
arbeit geleistet wird. 1996). Die Wissensrepräsentation mit Hilfe von
Frames stellt eine objektorientierte Wissensrepräsen-
Lerninhalt
–
Metadaten
–
Didak2k
tation dar und zeigt Ähnlichkeiten zwischen mensch-
Damit E-Learning-Content einem lerntheoretisch ad- lichem Gedächtnis und wissensbasierenden Informa-
äquaten Ansatz entspricht, muss dieser nicht nur ent- tionssystemen. Objekte der realen Welt werden dabei
sprechend aufbereitete Lerninhalte und Metainfor- durch so genannte Frames dargestellt. Die Eigen-
mation (Metadaten, das sind Informationen die zum schaften der Objekte werden in den Frames in so ge-
Beispiel das Wiederfinden ermöglichen) enthalten, nannten Slots (Leerstellen) gespeichert. Der Tatsache,
sondern auch noch einige weitere technische Voraus- dass es in der realen Welt mehrere unterschiedliche
setzungen erfüllen. Ähnlich wie in der objektorien- Objekte eines Objekttyps gibt, wird mit Hilfe von ge-
tierten Programmierung (OOP), entstand die Grun- nerischen Frames und deren Instanzen Rechnung ge-
didee von Lernobjekten, das heißt komplexe Lernin- tragen. Ein generischer Frame hält für jedes Attribut,
halte (engl. „content“) auf Objektebene zu erstellen. mit dem ein Objekt beschrieben wird, einen Slot
Wichtige technische Eigenschaften solcher Objekte bereit. In einer Instanz des generischen Frames wird
(die man sich zumindest wünscht) sind Austauschfä- nun jedem Slot – entsprechend für das Attribut für
higkeit (engl. „interoperability“) und Wiederverwert-
barkeit (engl. „reusability“). Dazu muss es aber nicht Erfolgsregel:
Alles
was
bereits
in
der
Anfangsphase
er-‐
nur Lerninhalte und Metadaten enthalten, sondern
auch Vorwissensfragen (engl. „prior knowledge ques-
! kannt
wird
spart
Zeit
und
Kosten!
Der
Return
on
In-‐
vestment
(ROI)
liegt
dabei
zwischen
1:10
bis
1:100.
tions“) und Selbstevaluierungsfragen (engl. „self-eva-
luation questions“). Vorwissensfragen haben im Ler-
nobjekt die Funktion von Advance Organizers das er steht – ein Wert zugeordnet. Die Beziehung
(Ausubel, 1960). Dabei handelt es sich um einen in- zwischen einem generischen Frame und einer Instanz
struktionspsychologischen Ansatz in Form einer wird mit Hilfe des „is-a“-Slot hergestellt. Im Beispiel
„Vorstrukturierung“, die dem eigentlichen Lernma- ist im ,,is-a“-Slot gespeichert, dass es sich bei Ka-
terial vorangestellt werden. Allerdings driften hier die tharina um ein Kind handelt. In den übrigen Slots
Forschungsbefunde auseinander: die ältere Forschung sind jeweils Werte zu den Attributen gespeichert.
betont, dass ein Advance Organizer nur dann wirk- Diese Theorien besagen, dass Lernende besser
sam wird, wenn dieser tatsächlich auf einem höheren lernen, wenn die Information assoziativ organisiert
Abstraktionsniveau als der Text selbst liegt, das heißt ist, denn: die Lernenden bauen neue Information
lediglich eine inhaltliche Zusammenfassung des nach- stets auf alten Informationen (Vorwissen) auf. Be-
folgenden Textes ist noch keine Vorstrukturierung.
Solche Vorstrukturierungen, die analog zu den Struk- „Bedienerfreundlichkeit“
wird
im
englischen
Sprach-‐
turen des Textes aufgebaut sind, bringen bessere Er-
gebnisse bei der inhaltlichen Zusammenfassung als
! raum
nicht
mit
Usability
bezeichnet.
Der
Begriff
Usa-‐
bility
setzt
sich
aus
zwei
Worten
zusammen:
use
(be-‐
solche, die zwar inhaltlich identisch, aber nicht in nutzen)
und
ability
(Fähigkeit),
wird
im
deutschen
mit
diesem Sinn analog aufgebaut sind. Andererseits hebt „Gebrauchstauglichkeit“
übersetzt
und
umfasst
weit
die jüngere Forschung hervor, dass sich konkrete, das mehr
als
nur
Bedienerfreundlichkeit:
In
der
ISO
Norm
9241
wird
Usability
als
das
Ausmaß
definiert,
in
dem
heißt weniger abstrakt formulierte Vorstrukturierung ein
Produkt
durch
bes?mmte
Benutzer/innen
in
auf das Behalten längerer Texte positiv auswirkt. Sie einem
bes?mmten
Nutzungskontext
(!)
genutzt
aktivieren demnach das vorhandene Vorwissen und werden
kann,
um
deren
Ziele
effek?v
und
effizient
zu
verbinden sich damit zu einer „reichhaltigen Vor- erreichen.
stellung“ – einem mentalen Modell (dazu Ausubel,
1968; Kralm & Blanchaer, 1986; Shapiro, 1999). Das reits (Piaget, 1961) bezeichnete Schemata als grundle-
Konzept der Advance Organizer ist verwandt mit gende Bausteine zum Aufbau von Wissen.
dem Schema-Modell kognitiver Informationsverar-
Was
bringt
Usability?
beitung (Bartlett, 1932). Schemata spielen eine
wichtige Rolle bei der sozialen Wahrnehmung, beim Ein Usability-orientierter Prozess schafft Erfolgssi-
Textverstehen, beim begrifflichen und schlussfol- cherheit, deckt Risiken frühzeitig auf und sichert eine
gernden Denken und beim Problemlösen. endbenutzerzentrierte Entwicklung.
7. Human–Computer
Interac?on.
Usability
Engineering
zur
Gestaltung
im
Bildungskontext
—
7
In der Praxis: Evaluation von Systemem und Software
Für
die
Praxis
ist
die
Evalua?on,
also
die
Beurteilung
von
Sys-‐ nalskala,
Rangskala,
Verhältnisskala)
verwendet
werden,
die
temen
und
Solware
wich?g.
Eine
Evalua?on
sollte
stets
sys-‐ unter
bes?mmten
Voraussetzungen
durch
eine
Skalentrans-‐
tema?sch,
methodisch
und
prozessorien?ert
durchgeführt forma?on
ineinander
übergeführt
werden
können.
Mes-‐
werden.
sungen
sollen
sich
stets
durch
hohe
Reliabilität
Es
wird
unterschieden
zwischen forma2ver
Evalua?on
(Zuverlässigkeit),
Validität
(Gül?gkeit)
und
Objek?vität
(Sach-‐
(während
der
Entwicklung)
und summa2ver
Evalua?on
lichkeit)
auszeichnen.
Als
Beurteilungsverfahren
(Zuweisung
(nach
Fer?gstellung). Subjek2ve
Evalua?on
schließt
die
von
Werten)
werden
Grading
(Einstufung),
Ranking
mündliche
und
die
schrilliche
Befragung
und
das
laute (Reihung),
Scoring
(Punktevergabe)
und
Appor?oning
(Auf-‐
Denken
ein. Objek2ve Evalua?on
bedient
sich
der
anwe-‐
teilung,
Zuteilung)
verwendet.
Eine
quan?ta?ve
Beurteilung
senden
und
abwesenden
Beobachtung.
(Vorteil:
leichte
Vergleichbarkeit
von
Systemen)
kann
durch
Bei lei[adenorien2erten
Evalua?onsmimeln
wird
das
Prod-‐
Schulnoten
erfolgen,
aber
ol
wird
es
auch
umgekehrt
ge-‐
ukt
entlang
eines
Prüfleioadens
beurteilt,
der
sich
aus
typi-‐ macht:
Mehr
ist
besser.
Mul?media-‐Systeme
können
syste-‐
schen
Aufgaben
des
Systems
ergibt.
Bei
der
Erfassung
der ma?sch
mit
Checklisten
beurteilt
werden.
Messwerte
können
verschiedene
Skalen
(zum
Beispiel
Nomi-‐
Usability-Engineering-Methoden machen nicht
nur Probleme sichtbar, sondern generieren in der Gehen
Sie
systema?sch
Ihre
persönliche
Arbeitsum-‐
Entwicklungsphase neue Ideen und Möglichkeiten –
denn Usability Engineering stellt den Menschen in
? gebung
durch
(also
jene
Dinge
die
Sie
selbst
als
Lern-‐
unterstützung
verwenden)
und
bewerten
Sie
diese
den Fokus der Entwicklung! mit
der
Schulnotenskala
(1
„sehr
gut“
bis
5
„nicht
ge-‐
nügend)“
anhand
der
folgenden
ausgewählten
Kri-‐
4. Ausblick terien
▸ Technische
Performanz
-‐
funk?oniert
alles
schnell,
So spannend auch immer Forschung und Ent- zügig
und
ohne
viel
zu
klicken?
wicklung neuer Technologien zur Unterstützung ▸ Klarheit
-‐
sind
alle
Funk?onen
sofort,
einfach
und
menschlichen Lernens ist, es muss uns stets klar sein: unmissverständlich
erkennbar?
Lernen ist ein kognitiver Grundprozess, den jedes In- ▸ Konsistenz
-‐
ist
alles
durchgängig,
einheitlich
und
dividuum selbst durchlaufen muss – Technologie an
der
erwarteten
Stelle?
▸ Amrak?vität
-‐
ist
das
„look
and
feel“
ansprechend,
kann menschliches Lernen lediglich unterstützen – fühlen
Sie
sich
wohl?
nicht ersetzen. Unsere großen Chancen beim Einsatz ▸ Fehlertoleranz
-‐
werden
Eingabefehler
tolerant
be-‐
neuer Technologien liegen zusammengefasst in drei handelt,
ist
stets
ein
Zurück
möglich?
großen Bereichen (Holzinger, 1997; Holzinger &
Maurer, 1999; Holzinger, 2000a): Technologiegestütztes Lehren und Lernen er-
▸ Sichtbarmachung von Vorgängen, die wir mit klas- fordert es, den gesamten Bildungsprozess inklusive
sischen Medien (zum Beispiel der Schultafel) nicht die durch die neuen Medien entstehende Lehr-Lern-
darstellen können (wie zum Beispiel interaktive Si- Kultur zu betrachten. Fragen der Effektivität (Aus-
mulationen, Animationen, Visualisierungen); maß der Zielerreichung) und der Effizienz (Kosten-
▸ intelligenter Zugriff auf Information an jedem Nutzen Relation) sind notwendig. HCI-Forschung
Ort zu jeder Zeit (zum Beispiel M-Learning) und versucht einen kleinen Beitrag dazu zu leisten und
schließlich UE versucht die Erkenntnisse auf systemischer
▸ motivationale Effekte (das heißt Motivation, Ebene einfließen zu lassen.
Literatur
Überlegen
Sie
wie
man
mit
zukünligen
Computersys-‐
▸ Anderson, J. R.; Reder, L. M. & Lebiere, C. (1996). Working
? temen
in
Dialog
treten
könnte?
Denken
Sie
dabei
an
schon
vorhandene
Interfaces,
zum
Beispiel
Wii Memory: Activation Limitations on Retrieval. In: Cognitive
Remote
Controller,
was
ist
dort
besonders
gut
ge-‐ Psychology, 30, 3, 221-256.
lungen?
Was
wird
unterstützt?
Was
könnte
damit
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8. 8
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