Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Von Selle, von Selle: Illegaler Kunsthandel – Teil 2. Kulturgüterschutz, Internationaler Kunsthandel, Rechtsschutz und Verfahrensfragen
1. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L3 Bildende Kunst
Illegaler Kunsthandel – Teil 2
Kulturgüterschutz, Internationaler Kunsthandel, Rechtsschutz und
Verfahrensfragen
Claudia von Selle
Rechtsanwältin in der Kanzlei Zschunke Avocats/Rechtsanwälte Paris/Berlin,
Tätigkeitsschwerpunkte Wirtschafts- und Kunstrecht
Dr. Dirk von Selle
Richter am Brandenburgischen Oberlandesgericht, dort in einem Zivilsenat tätig,
Veröffentlichungen insbesondere zum Strafrecht
Inhalt Seite
1. Kulturgüterschutz 2
1.1 Charakteristika des Kulturgüterschutzes 2
1.2 Kulturgüterschutz in bewaffneten Konflikten 2
1.3 Internationale Übereinkommen 3
1.4 EU-Recht 6
1.5 Nationales Recht 7
2. Internationaler Kunsthandel 8
2.1 Internationales Privatrecht 8
2.2 Ausländische Rechte 10
3. Rechtsschutz und Verfahrensfragen 11
3.1 Ermittlungsverfahren 11
3.2 Zivilprozess mit Beweisfragen 11
3.3 Einstweiliger Rechtsschutz und Zwangsvollstreckung 14
4. Zusammenfassende Empfehlungen 15
Beweislast im Zivilprozess 12
Illegaler Kunsthandel: Empfehlungen 15
L
3.8
S. 1
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2. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L3 Bildende Kunst
1. Kulturgüterschutz
1.1 Charakteristika des Kulturgüterschutzes
Entsprechend Art. 1 des Unesco-Übereinkommens vom 14. November 1970 über
Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr
und Übereignung von Kulturgut (BGBl. 2007 II S. 626) lässt sich dieses werk-
übergreifend definieren: Als Kulturgut gilt das von jedem Staat aus religiösen
oder weltlichen Gründen als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Litera-
tur, Kunst oder Wissenschaft besonders wichtig bezeichnete Gut. Aus der Staats-
bezogenheit folgt, dass Kulturgüterschutz primär im öffentlichen Interesse
liegt; Individualrechtsgüter werden zumeist nur mittelbar geschützt. Umgekehrt
kann der zuvor behandelte Eigentums- und Vermögensschutz mittelbar dem Kul-
turgüterschutz dienen, indem etwa der Eigentumserwerb an gestohlenen Kultur-
gütern unterbunden wird (Einzelheiten Beitrag L 3.7, Kap. 2.4 und 2.5).
1.2 Kulturgüterschutz in bewaffneten Konflikten
Der Krieg ist der Vater des Kulturgüterschutzes. Mit der Haager Konvention zum
Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 ist der all-
gemeine kriegsvölkerrechtliche Eigentumsschutz durch die Haager Landkriegs-
ordnung spezifiziert worden. Von Interesse für den Kunsthandel ist insbesondere
die Verpflichtung der Vertragsparteien, die Ausfuhr von Kulturgut aus dem
Konfliktgebiet zu verhindern und gleichwohl ausgeführtes Kulturgut nach
Beendigung der Feindseligkeiten zurückzugeben (Ziff. I. 1. und 3. Satz 1 des
Ersten Protokolls zu der Konvention).1
Völkerrechtliche Abkommen binden grundsätzlich nur die beteiligten Staaten,
ohne Rechte und Pflichten privater Personen zu begründen.2 So verpflichtet
Art. 28 der Konvention die Unterzeichnerstaaten zunächst nur dazu, Zuwider-
handlungen gegen die Konvention unter Strafe zu stellen. Dies ist in Deutsch-
land u. a. mit § 10 Abs. 1 VStGB geschehen. Mit § 2 Abs. 1 Satz 1 des Ausfüh-
rungsG vom 18. Mai 2007 (BGBl. I S. 757) ist nunmehr jede Verbringung von
Kulturgut entgegen Abschnitt I Nr. 2 des Protokolls aus einem besetzten Gebiet
eines Vertragsstaats während eines bewaffneten Konflikts in das Bundesgebiet
verboten worden. Wo ein solches Verbotsgesetz eingreift, sind die gegen es
verstoßenden Rechtsgeschäfte nichtig (§ 134 BGB). Das entzieht der völker-
rechtswidrigen Einfuhr von Kulturgütern – über § 935 Abs. 1 BGB hinaus – die
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vertragliche Grundlage. Verbotswidrig in das Bundesgebiet verbrachtes Kulturgut
3.8 unterliegt der Beschlagnahme durch den Zoll (§ 2 Abs. 5 Satz 1 AusführungsG).
S. 2 Gutgläubige private Besitzer sind zur Rückgabe allerdings nur gegen eine ange-
messene Entschädigung des ersuchenden Staats verpflichtet (§ 1 Abs. 4 Ausfüh-
rungsG).
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3. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L3 Bildende Kunst
Parallel dazu wird versucht, kriegsbedingten Plünderungen durch Ad-hoc-
Vorschriften einen Riegel vorzuschieben. Mit Art. 3 der Verordnung (EG) Nr.
1210/2003 des Rates vom 7. Juli 2003 hat die EU untersagt, irakische Kulturgüter
in das Gemeinschaftsgebiet zu importieren, aus ihm zu exportieren oder, sofern
sie der illegalen Verbringung aus Irak verdächtig sind, mit ihnen zu handeln. Die
Verordnung gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU, auch wenn Art. 15
der Verordnung von den Mitgliedstaaten weitergehende Umsetzungsmaßnahmen
verlangt. Der Handel mit irakischen Kulturgütern kann damit gemäß § 134
BGB nicht wirksam vertraglich abgesichert werden.
1.3 Internationale Übereinkommen
Durch das Unesco-Übereinkommen vom 14. November 1970 wird der grenz-
überschreitende Handel mit Kulturgütern i. S. v. Art. 1 des Übereinkommens
reglementiert, die individuell identifizierbar von einem anderen Vertragsstaat in
ein Verzeichnis des bedeutenden öffentlichen und privaten Kulturgutes aufge-
nommen worden sind. Nach dessen Art. 3 gelten die Einfuhr, Ausfuhr und
Übereignung von Kulturgut als unzulässig, wenn sie im Widerspruch zu den
Bestimmungen stehen, die von den Vertragsstaaten auf Grund dieses Überein-
kommens angenommen worden sind. Hierzu haben die Vertragsparteien nament-
lich die Ausfuhr von Kulturgut aus ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten, sofern die
Genehmigung zur Ausfuhr nicht amtlich bescheinigt wird (Art. 6 des Über-
einkommens). Wird es ohne eine solche Bescheinigung ausgeführt, hat der Ein-
fuhrstaat im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften die erforderlichen
Maßnahmen zu ergreifen, um Museen und ähnliche Einrichtungen in ihrem Ho-
heitsgebiet am Erwerb von Kulturgut zu hindern (Art. 7 a Satz 1 des Überein-
kommens). Zudem hat er die Einfuhr von Kulturgut zu verbieten, das aus einem
Museum oder einem religiösen oder weltlichen öffentlichen Baudenkmal oder
einer ähnlichen Einrichtung in einem anderen Vertragsstaat gestohlen worden ist
(Art. 7 b Abs. 1 des Übereinkommens). Mit mehr als 100 Vertragsstaaten ist das
Unesco-Übereinkommen die bedeutendste Regelung des internationalen Kultur-
güterschutzes.
Deutschland hat dem Übereinkommen mit Gesetz vom 20. April 2007 zuge-
stimmt. Mit AusführungsG vom 18. Mai 2007 (KultGüRückG, BGBl. I S. 757)
hat es den sich aus dem Übereinkommen ergebenden Gesetzgebungsauftrag
erfüllt. Eckpunkte des Gesetzes sind:
- Die Schaffung von öffentlich-rechtlichen Rückgabeansprüchen zwischen
Vertragsstaaten des Unesco-Übereinkommens für illegal ausgeführtes Kultur- L
gut, das vom Herkunftsstaat individuell identifizierbar als besonders bedeut-
3.8
sames Kulturgut klassifiziert und in entsprechende öffentliche Verzeichnisse
aufgenommen wurde (§ 6 Abs. 2, 4 und 5 KultRückG). S. 3
- Gemäß Art. 1, 3 Unesco-Übereinkommens findet keine Überprüfung der
Klassifizierung als besonders bedeutsames Kulturgut durch den Herkunfts-
staat in der BR Deutschland statt.
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4. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L3 Bildende Kunst
- Der Rückgabeanspruch des Vertragsstaats ist unmittelbar gegen diejenige
Privatperson zu richten, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Kultur-
gut ausübt (§ 7 Abs. 2 KultGüRückG); hierzu steht ihm die Klage zu den
deutschen Verwaltungsgerichten offen (§ 13 Abs. 1 KultGüRückG).
- Für die Rückgabe hat der Vertragsstaat lediglich dann eine angemessene
Entschädigung zu leisten, wenn der Rückgabeschuldner bei Erwerb des Kul-
turguts in gutem Glauben war; außerdem wird der Schuldner nicht in voller
Höhe und regelmäßig nicht für sämtliche Schäden entschädigt, die er durch
die Rückgabe erleidet (§ 10 Abs. 1 bis 3 KultGüRückG).
- Die Normierung eines Genehmigungsvorbehalts bei der Einfuhr von nati-
onal bedeutsamen Kulturgut anderer Vertragsstaaten mit Strafbewehrung bei
Zuwiderhandlung (§§ 14, 15, § 20 Abs. 1 Nr. 3 KultGüRückG).
- Gesetzliche Aufzeichnungspflichten des Kunst- und Antikenhandels ein-
schließlich des Versteigerergewerbes für bedeutsames Kulturgut, deren Ver-
letzung mit Bußgeld geahndet werden kann (§ 18 KultGüRückG).
Tipp
Ausgangspunkt für die Haftung des Kunsthandels sind die durch das KultGü-
RückG vorausgesetzten Verzeichnisse. Nur wenn das Kulturgut individuell identi-
fizierbar von einem anderen Vertragsstaat in ein Verzeichnis des bedeutenden
öffentlichen und privaten Kulturguts aufgenommen worden ist, das im Bundes-
gebiet ohne zumutbare Hindernisse öffentlich zugänglich ist, kann es von diesem
zurückgefordert werden (§ 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KultGüRückG). Nur wenn das
Kulturgut darüber hinaus im Verzeichnis wertvollen Kulturgutes der Vertrags-
staaten geführt wird, das vom Bund erstellt, gepflegt und mit jeder Aktualisierung
im Bundesanzeiger bekannt gemacht wird, ist seine Verbringung in das Bundesge-
biet strafbar (§ 14 Abs. 1 und 2, § 20 Abs. 1 Nr. 3 KultGüRückG).
Der Kunsthandel ist daher im eigenen Interesse gehalten, ausländisches
Kulturgut vor Import mit diesen Verzeichnissen abzugleichen.
Der wesentliche Unterschied zwischen dem Verzeichnis des bedeutenden Kultur-
gutes und dem Verzeichnis des wertvollen Kulturgutes liegt in ihrer Publizität.
Die durch Fortschreibung im Bundesanzeiger gesteigerte Publizität des Ver-
zeichnisses wertvollen Kulturguts, das auch etwaige Ausfuhrverbote des Her-
kunftsstaats enthalten muss, dient letztlich der Beschränkung der Strafbarkeit.
Denn nach deutschem Verfassungsrecht darf eine Person nur für eine Tat bestraft
werden, deren Strafbarkeit zuvor eindeutig gesetzlich bestimmt worden ist
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(Art. 103 Abs. 2 GG). Zivilrechtlich hat die ungenehmigte Einfuhr von Gegen-
3.8
ständen, die im Verzeichnis wertvollen Kulturguts geführt werden, zur Folge,
S. 4 dass die der Einfuhr dienenden Rechtsgeschäfte bis zur Genehmigung schwebend
unwirksam sind und mit ihrer Versagung endgültig unwirksam werden (§ 134
BGB).3 Das hindert den Kunsthändler an der wirksamen Weiterveräußerung des
Kulturguts, was wiederum zu seiner Haftung wegen Rechtsmangels gegenüber
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