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Schröder: Allgemeine Geschäftsbedingungen im Theateralltag
1. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L2 Bühne
Allgemeine Geschäftsbedingungen
im Theateralltag
Michael Schröder
Rechtsanwalt, Referent für juristische Fragen beim Deutschen Bühnenverein
Bundesverband Deutscher Theater, Köln
Inhalt Seite
1. Einführung 2
2. Was sind Allgemeine Geschäftsbedingungen? 3
2.1 Vorformulierte Vertragsbedingungen 3
2.2 Formulierung für eine Vielzahl von Verträgen 4
2.3 Ausgehandelte Bedingungen sind keine AGB 4
3. Wie werden AGB in einen Vertrag einbezogen? 5
3.1 Einbeziehung in den Vertrag und Kenntnisnahme der AGB 5
3.2 Einverständnis des Kunden 7
3.3 Ungewöhnliche und überraschende Klauseln 7
4. Wo liegen die rechtlichen Grenzen für den Inhalt von AGB? 8
4.1 Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen 8
4.2 Aufbau der gesetzlichen Vorschriften und Prüfungsreihenfolge 8
4.3 Gesetzliche Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeiten 9
4.4 Gesetzliche Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 11
4.5 Die gesetzliche Generalklausel 12
5. Für wen gelten die gesetzlichen Regelungen über Allgemeine
Geschäftsbedingungen? 13
6. AGB für das Vertragsverhältnis zwischen Theater und Besucher 15
7. Klauseln bezüglich der Rückgabe gekaufter Eintrittskarten 16
7.1 Genereller Ausschluss eines „Umtauschrechts“ 16
7.2 Absage der Vorstellung 17
7.3 Verspäteter Theaterbesucher 18
7.4 Vorstellungsänderung 18
7.5 Besetzungsänderung 19
7.6 Vorzeitiger Abbruch einer Vorstellung 20
8. Klauseln bez. Eintrittskarten, Eintrittspreis und Ermäßigung 23
8.1 Pflicht zur Vorlage der Eintrittskarte und Verlust der Karte 23
8.2 Ermäßigte Eintrittskarten 24
8.3 Unberechtigter Platzwechsel 24
9. Verkehrssicherungspflichten, Haftung 26
10. Urheberrecht 27
11. Schlussbemerkung 28 L
2.4
S. 1
27 Kultur & Recht Februar 2005
2. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L2 Bühne
1. Einführung
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind ein selbstverständlicher Teil des
wirtschaftlichen Alltagslebens geworden. Dementsprechend werden sie häufig
benutzt, ohne dass sich der Verwender bzw. der andere Vertragspartner, der im
Folgenden auch als Kunde bezeichnet wird, darüber im Klaren sind, allgemeine
Geschäftsbedingungen zum Bestandteil ihres Vertrags gemacht zu haben. Denn
wie so häufig im Zivilrecht müssen Vertragsbedingungen nicht als AGB bezeich-
net werden, um bei einem späteren Rechtsstreit von einem Gericht als solche
qualifiziert und den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen unterworfen zu
werden.
Auch der Theaterbereich wird vielfach von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
erfasst. Zum einen kann ein Wirtschaftsunternehmen, das Vertragspartner eines
Theaters ist, AGB verwenden. Kommt es zu einer Auseinandersetzung, wird das
Theater wissen wollen, ob die AGB überhaupt auf das bestehende Vertragsver-
hältnis zur Anwendung kommen und – wenn ja – ob einzelne Bestimmungen, die
zu Lasten des Theaters gehen, vielleicht unzulässig sein könnten. In vielen Fällen
nutzt das Theater aber auch selber AGB, so gegenüber Theaterbesuchern, aber
auch gegenüber Gastsolisten, mit denen ein Mustervertrag abgeschlossen wird. In
diesen Fällen ist das Theater gut beraten, im Vorfeld prüfen zu lassen, ob die
verwendeten Bestimmungen einer AGB-Kontrolle standhalten, um im späteren
Streitfall nicht eine böse Überraschung zu erleben.
Ein Beispielfall zur Illustration: Ein Theater veranstaltet im Sommer
Freilichtaufführungen. Gegenüber den Theaterbesuchern möchte es ein-
heitlich regeln, was passiert, wenn eine Vorstellung wegen schlechten Wetters
nicht stattfinden kann oder abgebrochen werden muss. Das Theater möchte na-
türlich die Rückzahlung des Eintrittspreises an die Besucher so weit wie möglich
und auf jeden Fall Schadenersatzforderungen der Besucher vermeiden. Wird
keine Regelung getroffen, finden also uneingeschränkt die Bestimmungen des
BGB Anwendung, muss das Theater wegen des von ihm nicht verschuldeten
Ausfalls oder Abbruchs der Vorstellung zwar keinen Schadenersatz leisten, wohl
aber den Besuchern die Eintrittspreise ganz oder zumindest teilweise zurückzah-
len. Selbst bei dem Abbruch der Vorstellung erst kurz vor dem regulären Ende
des Abends könnte ein Besucher versuchen, den vollen Kartenpreis mit dem
Argument zurückzuverlangen, die Aufführung eines Stücks ohne den dazu gehö-
renden Schluss sei für ihn völlig wertlos.
L Aus diesen Vorbemerkungen ergibt sich schon die Struktur des nachfolgen Bei-
2.4 trags. Zunächst wird das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Über-
blick dargestellt (2. bis 5.). Daher ist zu klären, welche vertraglichen Regelungen
S. 2
unter Allgemeine Geschäftsbedingungen im juristischen Sinne fallen (2.). Nach-
folgend bedarf es der Erörterung, wie solche Regelungen korrekt Bestandteil des
Vertrags werden. Dies ist sowohl für den Verwender der AGB von Interesse, der
natürlich erreichen will, dass seine AGB auch tatsächlich für ein bestimmtes
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3. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L2 Bühne
Vertragsverhältnis wirksam werden, als auch für die andere Vertragspartei, die
möglicherweise für sie überraschend AGB nach Vertragsschluss vorgelegt be-
kommt mit dem Hinweis, diese seien Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung
(3.). In einem dritten Abschnitt sind einige Bemerkungen über die Zulässigkeit
einzelner Regelungen notwendig, die in AGB häufig verwendet werden. Natür-
lich kann dieser Beitrag insoweit nur einen ersten Überblick bieten. Details müs-
sen selbstverständlich im konkreten Einzelfall sorgfältig juristisch geprüft wer-
den. Abschließend ist (4.) der Anwendungsbereich der gesetzlichen Vorschriften
abzustecken. Im konkreten Fall kann dies recht einfach geschehen, indem die im
Gesetz vorgesehenen Ausnahmen erörtert werden (5.).
2. Was sind Allgemeine Geschäftsbedingungen?
§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB
"Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen
vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der
anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt."
Das Gesetz selbst gibt eine so genannte Legaldefinition der Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen und erläutert diese in den weiteren Sätzen des Absatzes 1.
Bevor wir näher auf die Einzelheiten dieser Festlegung eingehen, ist noch darauf
hinzuweisen, dass das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bis Ende
2001 in einem eigenen Gesetz, dem Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingun-
gen, geregelt war. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sind die
Vorschriften ab 1. Januar 2002 in das BGB eingefügt worden, wodurch die
Rechtsanwendung insofern vereinfacht wurde, als die Bestimmungen im direkten
Zusammenhang mit den sonstigen Regelungen stehen, die für den Abschluss und
die Abwicklung von Verträgen maßgebend sind. Inhaltlich sind die Vorschriften
dabei nur geringfügig geändert worden.
Nun aber zur Definition der Allgemeinen Geschäftsbedingungen:
2.1 Vorformulierte Vertragsbedingungen
Es geht also um vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der
anderen stellt. Das Gesetz weist in Satz 2 ausdrücklich klarstellend darauf hin,
dass die äußere Form der Vertragsbedingungen keinen Einfluss hat auf die Frage,
ob Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen. Insbesondere ist es unerheblich,
ob die Bedingungen auf einem gesonderten Blatt abgedruckt werden oder Be-
standteil der eigentlichen Vertragsurkunde sind. Selbstverständlich müssen die L
Geschäftsbedingungen auch nicht als solche kenntlich gemacht sein. Auch die 2.4
Verwendung eines Vertragsmusters stellt bezüglich der Passagen, in denen das
S. 3
Muster Regelungen vorgibt und keinen Änderungsspielraum vorsieht, die Benut-
zung Allgemeiner Geschäftsbedingungen dar.
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4. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L2 Bühne
2.2 Formulierung für eine Vielzahl von Verträgen
Die Vertragsbedingungen müssen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert
worden sein. Nicht verlangt wird eine unbestimmte Zahl von Verträgen, so dass
ein Standardvertrag, der bei dem Verkauf von zehn Eigentumswohnungen in
einem Neubauvorhaben verwendet wird, in seinen vorformulierten Teilen Allge-
meine Geschäftsbedingungen enthält. Ebenso genügt die Absicht, die Vertrags-
klauseln in einer Vielzahl von Verträgen zu verwenden. Also auch der erste Ver-
tragspartner, der die neuen Bedingungen vorgesetzt bekommt, kann die Kontrolle
nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften veranlassen. Noch ein Drittes
ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen: Nicht der Verwender der Vertragsbe-
dingungen muss diese selbst entworfen haben, noch diese in einer Vielzahl von
Fällen einsetzen. Beim Verkauf eines Gebrauchtwagens wird ein Standardvertrag
aus einem Vertragshandbuch verwendet. Der Verkäufer nutzt diesen nur einmal,
dennoch unterliegt der Vertrag den gesetzlichen Regelungen, auf die sich der
Autokäufer gegenüber dem Verkäufer berufen kann.
2.3 Ausgehandelte Bedingungen sind keine AGB
Das Gesetz fasst also den Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehr
weit. In § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB wird jedoch eine Grenze gezogen: Um AGB
handelt es sich nicht mehr, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Ver-
tragsparteien im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Natürlich liegt eine Gefahr
aus Sicht des Kunden auf der Hand. Der Verwender der AGB stellt pro forma die
Frage, ob der Vertragspartner Änderungswünsche habe, diskutiert über Einwände
kurz, die Klauseln bleiben jedoch unverändert. Hinterher behauptet der Verwen-
der, es sei doch über den Vertragsinhalt verhandelt worden. Darauf hat die Recht-
sprechung mit einer feinsinnigen Begriffsunterscheidung reagiert: Das Gesetz
benutze nicht das Wort "verhandeln", sondern den weiterreichenden Begriff des
"Aushandelns". Dementsprechend genügen auch nicht bloße marginale Änderun-
gen, vielmehr muss der Verwender den Kerngehalt seiner Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellen und dem anderen Vertrags-
partner Gestaltungsfreiheit zur Wahrnehmung seiner Interessen einräumen. Im
Massengeschäft, in dem AGB sehr häufig zur Anwendung kommen, z. B. bei
Kauf einer Eintrittskarte für das Theater, ist eine solche reale Möglichkeit des
Kunden, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen, praktisch ausge-
schlossen, so dass diese Einschränkung des Gesetzes nur sehr begrenzt zur An-
wendung kommt.
L
2.4
S. 4
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