Ohde, Brendler-Lodigkeit: Steuerliche Aspekte im Hospitality- Bereich, Teil 2
Röckrath: Leitfaden für die Befristung von Arbeitsverträgen anhand von Fallbeispielen
1. D Arbeits- und Personalrecht
D3 Arbeitsverhältnisse
Leitfaden für die Befristung von Arbeits-
verträgen anhand von Fallbeispielen
Prof. Dr. Gereon Röckrath
Geschäftsführer der HamburgMusik gGmbH − Elbphilharmonie und Laeiszhalle
Betriebsgesellschaft und Geschäftsführer der Elbphilharmonie und Laeiszhalle
Service GmbH, Lehrbeauftragter am Institut für Kultur- und Medienmanagement
der Hochschule für Musik und Theater Hamburg sowie Lehrkraft beim Internati-
onalen Studiengang Kultur- und Medienmanagement in Riga.
Inhalt Seite
D
3.5
S. 1
1. Einleitung 2
2. Befristung mit Sachgrund 3
3. Befristung ohne Sachgrund (§ 14 Absatz 2 TzBfG) 11
4. Mehrfachbefristungen 17
5. Schriftform für die Befristungsabrede 18
6. Formen der Befristung von Arbeitsverträgen und
die auflösende Bedingung 24
7. Ende des befristeten Arbeitsvertrages 28
8. Folgen unwirksamer Befristungen 40
9. Gerichtliche Geltendmachung der Unwirksamkeit
der Befristung 42
10. Gesetzesauszüge 55
55 Kultur & Recht Oktober 2011
2. D Arbeits- und Personalrecht
D3 Arbeitsverhältnisse
1. Einleitung
Befristete Arbeitsverträge spielen in Kultureinrichtungen und Medienbetrieben
seit jeher eine große Rolle. Künstler in Opern- und Schauspielhäusern sowie
programmgestaltende Mitarbeiter in Medienunternehmen werden im Regelfall
nur auf Zeit angestellt. In einem beträchtlichen Umfang werden aber auch die
Arbeitsverträge von Mitarbeitern befristet, die nicht mit dem Programm oder
einer künstlerischen Darbietung befasst sind. Die Befristung der Arbeitsverträge
dürfte auch mit der Scheu von Kultur- und Medieneinrichtungen zusammenhän-
gen, angesichts ihrer vielfach nicht stabilen wirtschaftlichen Verhältnisse und
nicht gesicherter öffentlicher Zuwendungen langfristig bindende Arbeitsverträge
abzuschließen, die den fixen Kostenanteil im Budget erhöhen und zementieren.
Befristete Arbeitsverträge verschaffen den Kultur- und Medieneinrichtungen eine
höhere Flexibilität und damit bessere Reaktionsmöglichkeiten auf sich negativ
D verändernde Umstände.
3.5
S. 2 Das Dauerarbeitsverhältnis ist wegen der eminenten Bedeutung für die Absiche-
rung des Lebensunterhaltes die sozialpolitisch gewünschte Vertragsgestaltung.
Eine arbeitgeberseitige Kündigung des unbefristeten Arbeitsvertrages ist stets an
den Maßstäben des Kündigungsschutzgesetzes zu messen.
Mit der Befristung werden die Arbeitsverträge dem Anwendungsbereich des
Kündigungsschutzgesetzes entzogen. Dies schafft insbesondere dem Arbeitgeber
rechtliche Vorteile, da es für die Beendigung allein auf den Zeitablauf ankommt.
Personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe muss der Arbeitgeber für die
Kündigung nicht vortragen. Der Arbeitgeber setzt sich mit der Befristung des
Arbeitsvertrages nicht dem Risiko aus, in einem möglichen Kündigungsschutz-
prozess zu unterliegen und den Arbeitnehmer gegen seinen Willen weiterbeschäf-
tigen zu müssen.
Die Arbeitsgerichte hatten in jahrelanger Rechtsprechung Fallgruppen entwickelt,
bei denen die Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes im Wege der Befristung
der Arbeitsverträge gerechtfertigt war. In diesen Fällen stellte die Befristung
keinen Rechtsmissbrauch dar. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz bildet seit dem
1. Januar 2001 die Rechtsgrundlage für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge
in Deutschland. In dieses Gesetz hat der Gesetzgeber die vom Bundesarbeitsge-
richt bis Ende 2000 in Ermangelung gesetzlicher Grundlagen für die sachlich
gerechtfertige Befristung entwickelten Fallgruppen in § 14 Absatz 1 Ziffern 1 bis
8 TzBfG übernommen. Auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den
einzelnen Sachgründen kann zur Klärung von Detailfragen daher auch heute noch
zurückgegriffen werden. Vorbild für die in § 14 Absatz 2 TzBfG normierte sach-
grundlose Befristung war das frühere Beschäftigungsförderungsgesetz. Dieses
wurde mehrfach verlängert, da der Gesetzgeber Impulse für die Entwicklung des
damals schwächelnden Arbeitsmarktes setzen wollte.
55 Kultur & Recht Oktober 2011
3. D Arbeits- und Personalrecht
D3 Arbeitsverhältnisse
Die Befristung ohne Sachgrund steht seit 2001 gleichberechtigt neben der Befris-
tung mit Sachgrund. Die sachgrundlose Befristung erfüllt gleichsam eine Auf-
fangfunktion, wenn für eine Befristung sachliche Gründe gemäß § 14 Absatz 1
TzBfG fehlen. Die Regelung von § 14 Absatz 2 TzBfG weicht allerdings, wie
später auszuführen sein wird, in zwei wichtigen Aspekten von den Bestimmungen
des Beschäftigungsförderungsgesetzes ab. Zum besseren Verständnis der Neure-
gelung des TzBfG wird daher im Anhang auch der außer Kraft gesetzte § 1 des
Beschäftigungsförderungsgesetzes angeführt.
Einen aktuellen Anlass zu diesem Beitrag bot zudem die Entscheidung des Bun-
desarbeitsgerichts vom 6. April 2011, die im Hinblick auf den Ausschlussgrund
der „Zuvor-Beschäftigung“ in § 14 Absatz 2 TzBfG eine vom arbeitsrechtlichen
Schrifttum vehement geforderte Klarstellung gebracht hat. Auf diese für die Pra-
xis außerordentlich wichtige Entscheidung und deren Vorgeschichte wird in die-
sem Beitrag besonders ausführlich eingegangen. D
3.5
Die im Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelten Befristungstatbestände werden
S. 3
nachfolgend anhand von Fallbeispielen beleuchtet, da die Personalverantwortli-
chen in den Kultur- und Medieneinrichtungen mit den Möglichkeiten und Gren-
zen der Befristung von Arbeitsverträgen vertraut sein müssen.
2. Befristung mit Sachgrund
In § 14 Absatz 1 TzBfG sind acht Sachgründe aufgelistet, die eine Befristung von
Arbeitsverträgen rechtfertigen. Mit dem Wort „insbesondere“ zeigt der Gesetzge-
ber an, dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung der sachlichen
Gründe handelt. Damit ist also nicht ausgeschlossen, dass in einem konkreten
Einzelfall von den Arbeitsvertragsparteien ein nicht normierter Sachgrund für
eine Befristung geltend gemacht werden kann, der im Lichte der gesetzlichen
Tatbestände auch nach Beurteilung der Arbeitsgerichte Anerkennung verdient.
Ein solcher Sachgrund müsste den im Gesetz genannten Gründen an Gewicht
entsprechen.1
Um eine Feststellung darüber treffen zu können, ob ein Sachgrund vom Arbeitge-
ber nur vorgeschoben wird, prüfen die Arbeitsgerichte penibel, ob die sachlichen
Voraussetzungen für die einzelnen Gründe im konkreten Fall erfüllt sind. Eine
Fehleinschätzung des Arbeitgebers über die Reichweite eines Befristungsgrundes
hat, sofern nicht eine sachgrundlose Befristung möglich ist, die unliebsame Fol-
ge, dass mit dem Arbeitnehmer der vom Arbeitgeber gerade nicht gewollte unbe-
fristete Arbeitsvertrag entsteht.
55 Kultur & Recht Oktober 2011
4. D Arbeits- und Personalrecht
D3 Arbeitsverhältnisse
2.1 Vorübergehender Arbeitskräftebedarf
Die Befristung von Arbeitsverträgen ist nach Ziffer 1 gerechtfertigt, wenn der
betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Der Sach-
grund ist erfüllt, wenn zeitlich begrenzt Zusatzaufgaben im Betrieb entstehen. Die
Arbeitsgerichte prüfen, ob nachweislich solche Tatsachen vorliegen, aus denen
sich ein zeitlich limitierter erhöhter Personalbedarf ergibt.2
Fallbeispiel 1: Eine Kultureinrichtung veranstaltet jährlich ein achtwö-
chiges Klassikfestival mit rund 150 Konzerten an verschiedenen Spielor-
ten im Bundesland X. Neben dem Intendanten und dem kaufmännischen Ge-
schäftsführer sind auf der Basis unbefristeter Arbeitsverträgen 15 Mitarbeiter
ganzjährig zur Planung und Vorbereitung im Künstlerischen Betriebsbüro, der
Marketing- und Presseabteilung und der Buchhaltung beschäftigt. Für die Dauer
D des Festivals und einer jeweils zweiwöchigen Vor- und Nachbereitungszeit sollen
3.5 14 Mitarbeiter für die Konzertorganisation an den verschiedenen Spielorten und
für die Künstlerbetreuung für einen Zeitraum von 12 Wochen eingestellt werden.
S. 4
Die Tätigkeitsfelder der Künstlerbetreuung und der Konzertorganisation vor Ort
sind in zeitlicher Hinsicht eindeutig auf die unmittelbare Zeit vor Beginn des
Festivals und die Festivalzeit begrenzt. Die Aufgaben kommen nachweislich nach
Ende des Festivals und einer zweiwöchigen Nachbereitung in Wegfall. Die Ar-
beitsverträge der in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter können daher unbedenk-
lich auf der Grundlage von § 14 Absatz 1 Ziffer 1 befristet werden.
Auf diesen Befristungsgrund können sich auch alle Kultur- und Medieneinrichtungen
berufen, die in begrenzten Zeiträumen im Jahr Sonderveranstaltungen und -projekte
durchführen, die nicht dem künstlerischen Alltagsbetrieb zuzurechnen sind.
Diese Fallgestaltung im Kulturbereich entspricht den Saisonbetrieben in den
Skigebieten oder an den Urlaubsorten an Nord- und Ostsee, die nur zu bestimm-
ten Jahreszeiten ihr Geschäft betreiben können. Für diese Saisonbetriebe wurde
eine Befristung der Arbeitsverträge stets anerkannt.
Fallbeispiel 2: Eine Kultureinrichtung veranstaltet ein dreiwöchiges
Jazzfestival im März, ein zweiwöchiges Alte-Musik-Festival im Juli und
ein Klassikfestival im Oktober. Für die einzelnen Festivals werden Mitar-
beiter für die Konzertorganisation, die Abendkassen und die Betreuung der mit-
wirkenden Künstler befristet beschäftigt.
Der Wegfall des Bedarfs an zusätzlichen Arbeitskräften muss nicht dauerhaft
sein. Auch wenn die Aufgaben mit einem gewissen zeitlichen Abstand wieder-
kehren, ist eine Befristung für die Dauer des einzelnen Festivals zulässig. Nach
der Rechtsprechung ist ein die Befristung rechtfertigender Sachgrund gegeben,
wenn der erneute Arbeitsanfall erst nach einer mehrwöchigen Unterbrechung
wieder auftritt.3 In der Literatur wird eine Unterbrechung von zwei Monaten für
ausreichend gehalten.
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