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Prof. Dr. Max Fuchs: Kulturelle Bildung international. Konzepte, Akteure, Diskurse
1. Kultur und Politik B 2.5
Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
Kulturelle Bildung international
Konzepte, Akteure, Diskurse
Prof. Dr. Max Fuchs
Internationale Debatten und Akteure werden im Hinblick auf die kulturelle Bildung wichtiger. In
dem Beitrag werden sowohl inhaltlich-konzeptionelle als auch politische Themen und Trends dar-
gestellt, die auch für Deutschland relevant sind oder werden können.
Gliederung Seite
1. Kulturelle Bildung in unterschiedlichen Politikfeldern 2
2. Konzepte kultureller Bildung 4
3. Gemeinsamkeiten bei der Grundlegung kultureller Bildung 7
4. PISA und die Folgen – zum politischen Einfluss eines Global Players 8
5. Bildungspartnerschaften – aber wie? 10
6. Das Problem der Aus- und Fortbildung von Fachkräften 12
7. Forschungsprobleme 13
8. Kulturelle Bildungspolitik 14
9. Wie geht es weiter? 15
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2. B 2.5 Kultur und Politik
Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
1. Kulturelle Bildung in unterschiedlichen
Politikfeldern
Road Map Im März 2006 fand in Lissabon zum ersten Mal im UNESCO-Kontext
eine Weltkonferenz zur kulturellen Bildung statt. Ziel war es, eine
Road Map, in der deutschen Fassung: ein „Fahrplan für kulturelle
Bildung“, zu diskutieren und zu verabschieden. Voran gegangen waren
so genannte Regionalkonferenzen für Nord- und Südamerika, für Eu-
ropa, für Asien und Pazifik und für Afrika. Es war also ein umfassen-
des weltweites politisches und Diskursprojekt, das sich über mehrere
Jahre erstreckte und das zum ersten Mal Konzepte, Praxen und politi-
sche Strategien kultureller Bildung in den beteiligten Nationen mitein-
ander verglich. Die geplante Road Map ist in Lissabon diskutiert wor-
den. Sie liegt nunmehr vor (siehe Homepage des Deutschen Kulturra-
tes www.kulturrat.de) und kann als Referenzpapier sowohl für weitere
internationale Aktivitäten, aber auch für die je nationalen politischen
Strategien zur Verbesserung der Rahmenbedingungen kultureller Bil-
dung dienen.
Keine bindende Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass dieses Papier keinerlei bin-
völkerrechtliche dende Kraft hat. Es ist von keinem relevanten beschlussfähigen Organ
Relevanz – national wie international – diskutiert oder gar verabschiedet wor-
den. Es hat somit keine bindende völkerrechtliche Relevanz. Es war
auch in seinem Entstehungsprozess umstritten, es wurde in Lissabon –
auch von der deutschen Expertenrunde – z. T. heftig kritisiert, weil
sein Verständnis von „Kunst“ zu eng und es zudem zunächst nur auf
Schule konzentriert war. Einige dieser Kritikpunkte sind in der vorlie-
genden Version berücksichtigt worden. Daher taugt der Text nunmehr
als Orientierungsmöglichkeit und Referenzpapier für die nationale
Debatte. Begleitet wurde diese UNESCO-Aktivität zudem durch eine
internationale empirische Vergleichsstudie, in der Anne Bamford
(Australien/England) die Rolle und den Umfang kultureller Bildung in
den nationalen Bildungspolitiken untersucht hat.
Im Folgenden kann es nicht darum gehen, diese und andere internati-
onalen Aktivitäten im Detail darzustellen, zumal dann auch die z. T.
dynamischen spartenspezifischen Entwicklungen etwa in der Musik-,
Theater- und Kunstpädagogik einbezogen werden müssten. Es sollen
vielmehr einige Trends ausgewählt werden, die für die deutsche Ent-
wicklung von Interesse sind. Diese betreffen sowohl inhaltliche und
konzeptionelle Aspekte, es geht aber auch um politische Rahmenbe-
dingungen.
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3. Kultur und Politik B 2.5
Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
Eine gewisse Komplexität ergibt sich dabei aus der Tatsache, dass
kulturelle Bildung in Deutschland und auch in anderen Ländern gleich
in mehreren Politikfeldern stattfindet:
• Kulturelle Bildung in der Schule findet in erster Linie in den künst- Kulturelle Bildung
lerischen Schulfächern (u. a. Musik, Theater, Bildende Kunst, aber in der Schule
auch Tanz und Literatur) statt. Jede Schule hat daneben außerunter-
richtliche Aktivitäten wie Theater- oder Musik-AGs. Zudem finden
von der Schule aus immer wieder Exkursionen in Kultureinrich-
tungen (Museen, Theater, Konzerte) außerhalb der Schule statt. Ei-
ne gewisse Tradition in anderen Ländern und nunmehr verstärkt
auch in Deutschland haben Projekte mit Künstler/innen in der
Schule. Kulturelle Bildung ist in diesem Kontext Teil der Bildungs-
und Schulpolitik. Sie hat es zu tun mit dem öffentlichen Bildungs-
wesen, mit der Frage der Lehrpläne, des Lehrpersonals, der Ent-
wicklung geeigneter Lehrmaterialien.
• Kulturelle Bildung findet jedoch auch statt in Kunst- und Kultur- Kulturelle Bildung
einrichtungen. Mit unterschiedlichen Traditionen gibt es in vielen in Kunst- und
Kultureinrichtungen und nationalen Kulturpolitiken einen Bil- Kultureinrichtungen
dungsauftrag im Kulturbereich. Deshalb und auch im Rahmen ei-
ner Pflege des Publikums („Marketing“) gibt es ein breites Spek-
trum von Konzepten und Angeboten rund um den weiten Begriff
der Kulturvermittlung. Kulturelle Bildung ist daher ein zentrales
Thema der Kulturpolitik.
• Methoden der kulturellen Bildungsarbeit kommen zudem in vielen Kulturelle Bildung in
Einrichtungen aus dem Jugend-, Sozial- und Gesundheitsbereich Jugend-, Sozial- und
zur Anwendung. Jugendfreizeitstätten, Altenheime, Krankenhäuser, Gesundheitsbereich
Jugendorganisationen: Nahezu überall macht man sich spezifische
Wirkungen eines Umgangs mit Kunst, Spiel oder Medien zunut-
zen. Kulturelle Bildung ist daher auch ein Thema der Jugend-, So-
zial- und Gesundheitspolitik.
So vielseitig die Anwendbarkeit von Arbeitsweisen der Kulturpädago-
gik auch ist: Damit ergibt sich für eine Verortung und Darstellung von
Entwicklungstrends und Konzepten eine kaum zu bewältigende Kom-
plexität. Für eine erste Übersicht kann man unterscheiden:
• inhaltliche und konzeptionelle Impulse, die international diskutiert
und aufgegriffen werden,
• politische und rechtliche Rahmenbedingungen, die zunehmend von
einigen einflussreichen „Global Players“ beeinflusst werden, wobei
einige der wichtigsten internationalen Akteure überhaupt nicht
primär aus dem bildungs- und kulturpolitischen Feld kommen.
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4. B 2.5 Kultur und Politik
Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
Im folgenden sollen einige ausgewählte inhaltliche und politische
Fragen dargestellt werden, um zu zeigen, dass für die kulturelle Bil-
dung inzwischen dieselben beiden Tendenzen gelten wie in der Kul-
turpolitik:
1. Zum einen nämlich die Tendenz, dass internationale Einflüsse auf
die nationalen Politiken immer größer werden, so groß, dass man
mit einer gewissen Berechtigung inzwischen von einem Verlust der
nationalen bildungs- und kulturpolitischen Souveränität sprechen
kann.
2. Die zweite Tendenz besteht darin, dass genuine kultur- und bil-
dungspolitische Fragen immer stärker in Ressorts außerhalb der
Bildungs- und Kulturpolitik vorentschieden werden.
2. Konzepte kultureller Bildung
In Deutschland ist „kulturelle Bildung“ zwar inzwischen politisch und
fachlich als Begriff eingeführt. Doch bringt es die wachsende Zahl der
zunehmend in diesem Feld tätigen neuen Akteure – gerade aus der
Kulturpolitik – mit sich, dass man die bereits vorhandenen Träger und
Traditionen oft nicht kennt oder kennen will. Dies ist z. T. verständ-
lich, da das Feld kultureller Bildung recht weit und zudem ständig in
Bewegung ist. So kamen in den letzten Jahren als bundesweit relevan-
te Praxisformen und -orte etwa die Zirkuspädagogik oder Kindermu-
seen zu traditionellen Orten wie den Musik- und Jugendkunstschulen,
den Chören und Theatergruppen, den Tanz- und Medienwerkstätten
dazu. Diese Ausdehnung des Praxisfeldes führt durchaus zu Verständ-
nis- und Akzeptanzproblemen – national und international.
Kontinentaleuropäisches So zeigte sich wie erwähnt die Enge des kontinental-europäischen
Kunstverständnis Kunstverständnisses in der Vorbereitung der UNESCO-Weltkonfe-
renz, als aus Afrika und Asien darauf gepocht wurde, dass in verschie-
denen Ländern Stelzenlaufen oder Flechten wichtige Kunstformen
sind, wohingegen – etwa in Teilen Indiens – Musik innerhalb des
normalen Schulunterrichts offenbar keine Rolle spielt. Internationale
Erfahrungen sind also äußerst hilfreich beim Verständnis der eigenen
konzeptionellen Grundlagen. Dies beginnt schon bei dem Problem der
angemessenen Übersetzung der eigenen Begriffe. Gerade der Begriff
„kulturelle Bildung“ führt zwei Begriffe zusammen, die eine äußerst
komplexe und komplizierte Tradition gerade im deutschsprachigen
Raum haben. Einige Hinweise sollen dies illustrieren.
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