Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Prof. Dr. Birgit Mandel: Audience Development. Eine interdisziplinäre Strategie der nachhaltigen Kulturnutzerbindung
1. Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit H 2.10
Marketingkonzepte
Audience Development
Eine interdisziplinäre Strategie
der nachhaltigen Kulturnutzerbindung
Prof. Dr. Birgit Mandel
Dieser Beitrag vermittelt grundlegende Strategien und Maßnahmen des Audience Development als
einer interdisziplinären Strategie, die Konzepte der Kultur-PR, des Kulturmarketing, der Kunst-
vermittlung und der kulturellen Bildung nutzt, um Menschen nachhaltig für Kunst und Kultur zu
gewinnen.
Gliederung Seite
1. Ziele und Aufgaben von Audience Development 2
2. Vorgehensweise von Audience Development 5
3. Empirische Erkenntnisse zur Kulturnutzung in Deutschland 6
4. Zentrale Strategien von Audience Development 9
5. Maßnahmen des Audience Development 12
5.1 Besucherforschung und Nichtbesucherforschung 12
5.2 Analyse der Angebote und Programme im Hinblick auf ihr Attraktionspotential 13
5.3 Bei den Interessen und Lebenswelten des anvisierten Publikums ansetzen 13
5.4 Herstellen angenehmer Rahmenbedingungen 14
5.5 Konzeption ereignisorientierter Formen der Vermittlung 14
5.6 Aufbau von Stammnutzerschaft 15
5.7 Konzeption neuer Wege und Formate der Kommunikation mit potentiellen Nutzern 15
6. Fazit 16
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2. H 2.10 Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Marketingkonzepte
1. Ziele und Aufgaben von Audience
Development
Der Begriff „Audience Development“ wurde Mitte der 90er Jahre in
angelsächsischen Ländern eingeführt als Bezeichnung für die strategi-
sche Gewinnung neuen Publikums für Kultureinrichtungen.
Interdisziplinärer Ansatz Audience Development arbeitet mit Ansätzen aus dem Kulturmarke-
ting, der Kultur-PR, der Besucherforschung, der Kunstvermittlung und
der kulturellen Bildung, um kulturelle Angebote für unterschiedliche
Zielgruppen zu gestalten, zu positionieren, zu kommunizieren, zu
vertreiben und zu vermitteln.
In Kulturinstitutionen sind Aktivitäten des Audience Development als
Querschnittsaufgabe in den Bereichen Marketing, PR und/oder Ver-
mittlung angesiedelt. In einigen europäischen Ländern, allen voran in
Großbritannien, gibt es in öffentlichen Kulturbehörden spezielle Bera-
tungsstellen bzw. regionale Agenturen für Audience Development, die
Fördergelder für innovative Audience-Development-Projekte verge-
ben, Kultureinrichtungen bei ihren Aktivitäten für das Publikum bera-
ten, Kontakte herstellen zwischen Kultureinrichtungen und Institutio-
nen im Bildungs-, Sozial- oder Wirtschaftsbereich und institutionen-
übergreifende Kampagnen konzipieren und durchführen.
Zum Einstieg einige Beispiele für Audience Development, die mit
sehr unterschiedlichen Ansätzen an dem Ziel arbeiten, neue Nutzer für
Kunst und Kultur zu gewinnen:
Tate Gallery London • Im Rahmen des New Audience Program des Arts Council England
entwickelte die Tate Gallery London unter dem Titel „At home
with arts“ eine Kooperation mit der populären Haushaltswarenkette
Homebase. Sie beauftragte bekannte Künstler, Gebrauchsgegen-
stände zu gestalten, die massenhaft hergestellt und in den Home-
base-Läden zu günstigen Preisen verkauft wurden – gemeinsam
mit Gutscheinen für Eintrittskarten und Führungen durch die Tate
Gallery. „Kunst für Zuhause“ sollte bei einer lifestyleorientierten
Klientel Schwellen im Umgang mit Kunst beseitigen und weiteres
Interesse anregen.
Theater Hebbel am Ufer • Das Berliner Theater Hebbel am Ufer lud anlässlich des 100. Ge-
burtstages des Theaters den in der türkischen Jugend-Community
sehr bekannten türkischen Rapper Cesa ein, um damit die türkische
Jugendszene des Bezirks Kreuzberg, in dem das HAU liegt, in das
Theater zu holen und es (zumindest für einen Abend) zu einem Ort
für diese Szene zu machen.
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3. Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit H 2.10
Marketingkonzepte
• Die kommunale Audience-Development-Agentur der Stadt Man- Stadt Manchester
chester initiierte ein „Test Drive the Arts“ genanntes Programm,
mit dem sie 50.000 Erstbesuchern Freitickets für Theater, Konzert-
häuser und Museen per Telefonmarketing anbot. Die Kulturinstitu-
tionen stellten Freitickets aus ihren nichtverkauften Kapazitäten
zur Verfügung. 20.000 der Kontaktierten probierten eine Kultur-
form aus, die sie zuvor noch nie besucht hatten. Im Anschluss an
ihren Besuch wurden die Nutzer zu ihren Erfahrungen befragt und
es wurden ihnen weitere Informationen und Angebote zu den Pro-
grammen der Kultureinrichtung gegeben.
Die Berliner Schaubühne bietet für Schulklassen Workshops zu Insze- Berliner Schaubühne
nierungen aus dem Programm der Schaubühne, in denen es darum
geht, die spezifischen Inhalte und ästhetischen Mittel einer Inszenie-
rung durch eigenes künstlerisch-praktisches Nachempfinden zu be-
greifen sowie die Lust am Theaterspielen und -schauen zu wecken.
Verbunden mit dem Workshop ist ein gemeinsamer Besuch der ent-
sprechenden Inszenierung.
Das kommunale Literaturhaus in Leeds kooperiert mit dem ansässigen Literaturhaus Leeds
Krankenhaus und entsendet Literaten, die Erfahrungen und Lebensge-
schichten der Kranken aufschreiben, Lesungen arrangieren und die
Patienten zu eigenem kreativen Schreiben anregen. In Kooperation
mit einer kommunalen Bücherei werden Bücher zum Lesen und ge-
meinsamen Diskutieren angeboten.
All diesen Beispielen gemeinsam ist, dass neue Zielgruppen für Kunst
und Kultur gewonnen werden sollen. Dabei werden unterschiedliche
Ziele und Reichweiten verfolgt, von der Ebene der einzelnen Kultur-
institution bis zur gesellschaftspolitischen Ebene.
Aufgaben und Ziele von Audience Development
• Besucherzahlen und Einnahmen einer Einrichtung erhöhen
• Neue Besuchergruppen gewinnen aus Segmenten, die bislang
nicht zum Besucherprofil der Einrichtung gehörten
• Besucher nachhaltig an eine kulturelle Einrichtung binden; aus
Erst- und Gelegenheitsbesuchern Stammpublikum machen
• Vertrauen in und Legitimation für eine kulturelle Einrichtung in der
Bevölkerung aufbauen
• Kulturpolitische Ziele der Partizipation umsetzen durch Heranfüh-
ren neuer, bislang nicht kunstaffiner Zielgruppen an kulturelle An-
gebote
Handout H 2.10-1 Aufgaben und Ziele von Audience
Development
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4. H 2.10 Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Marketingkonzepte
Audience Development Anders als in Deutschland gibt es in anderen Ländern schon seit langem
in Großbritannien öffentlich initiierte und finanzierte Programme zur Kulturnutzerförde-
rung. Besonders in Großbritannien liegt der zentrale Fokus öffentli-
cher Kulturförderpolitik auf dem Audience Development. Grundlage
dafür sind die nationalen Leitlinien des Kulturministeriums, die vor-
sehen, öffentlich geförderte kulturelle Angebote allen Bevölkerungs-
gruppen offensiv zugänglich zu machen, so dass jeder, unabhängig
von sozialer Herkunft, Bildung und Einkommen, vom Umgang mit
Kunst und Kultur profitieren kann. Der Arts Council England führt
seit vielen Jahren spezielle Programme durch, um den Anteil derer, die
sich für Kunst und Kultur interessieren und kulturelle Angebote für ihr
Leben bereichernd nutzen, zu erhöhen. Zwei Ergebnisse der Evaluati-
on der Audience-Development-Programme in England sind besonders
bemerkenswert:
1. Unterschiedlichste-, auch kunstferne- Bevölkerungsgruppen kön-
nen für Kunst und Kultur gewonnen werden, wenn Kulturinstituti-
onen neue, auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtete Wege finden,
Kunst zu entwickeln, zu präsentieren und zu kommunizieren.
2. Entgegen der in Deutschland immer wieder geäußerten Befürch-
tung, eine stärkere Publikumsorientierung führe zu einer Reduzie-
rung der Vielfalt und Qualität von Kunst auf Marktgängiges, kons-
tatierte ein Großteil der beteiligten Institutionen, dass sich die in-
tensive Auseinandersetzung mit neuen Publikumsgruppen auch po-
sitiv auf die künstlerischen Produktionen auswirkte.
Dazu der Arts Council England nach einer Befragung aller am Pro-
gramm beteiligten Kulturinstitutionen und Künstler:
„Eines der beeindruckendsten Ergebnisse des New-Audience-Pro-
gramms besteht darin, dass Institutionen, die ihrem Publikum vertrau-
en, es verstehen und wertschätzen, zugleich auch kraftvolle und quali-
tativ hochwertige Kulturprogramme erstellen und dadurch erfolgreich
sind.“ (Peter Hewitt in: Arts Council England/Johnson, G., S. 2)
Dialog zwischen Arbeiter Audience Development erweist sich dabei als dialogischer Prozess
und Publikum zwischen Kulturanbietern und (potentiellem) Kulturpublikum. Damit
setzen sich Kulturinstitutionen der Chance ebenso wie dem Risiko
aus, nicht nur ihre Kommunikation, sondern sich als gesamte Instituti-
on verändern zu müssen, indem sie sich tatsächlich langfristig auf
neue Zielgruppen einlassen und diese in ihren Interessen ernst nehmen
und wertschätzen, ohne dass damit künstlerische Abstriche verbunden
sind. Audience Development bedeutet, das Publikum bzw. die poten-
tiellen Nutzer als Partner genauso wichtig zu nehmen wie die Kunst.
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