Poser: Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten...
Hinrichs: Die rechtsverbindliche Rückgabezusage zur Sicherung des Leihverkehrs mit ausländischen Kulturgütern
1. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L3 Bildende Kunst
Die rechtsverbindliche Rückgabezusage
zur Sicherung des Leihverkehrs mit
ausländischen Kulturgütern
Ulrike Hinrichs
Rechtsanwältin in Berlin
Inhalt Seite
1. Einleitung 2
2. Kein gutgläubiger Eigentumserwerb an „abhanden
gekommenen Sachen“ 2
3. Gesetzestext § 20 KultSchG: 4
4. Regelungsgehalt: Rechtliche Schutzwirkungen einer
rechtsverbindlichen Rückgabezusage 5
5. Der Weg zur rechtsverbindlichen Rückgabezusage: 7
5.1 Zuständige Behörde 7
5.2 Inhalt des Antrages 8
5.3 Vertretung durch den Entleiher 8
5.4 Inhalt des Verwaltungsaktes 8
Checkliste für die Antragsstellung nach § 20 KultSchG 8
Bei der Konzeption einer Kunstausstellungen kommen regelmäßig ausländische Kultur-
güter als Leihgaben in Betracht. Doch nicht immer ist der potenzielle Verleiher bereit,
das Werk für eine deutsche Ausstellung tatsächlich zur Verfügung zu stellen. Einer der
Gründe für die Verweigerung könnte darin liegen, dass die Eigentumsverhältnisse des
Kulturguts strittig sind. Der Verleiher befürchtet daher, dass er das Werk nicht nach der
Beendigung der Ausstellung aus BRD ausführen kann und ihn sogar ein Rechtsstreit
erwartet. Für diesen Fall ist der Gesetzgeber tätig geworden. § 20 Kulturschutzgesetz
ermöglicht es, dass der Verleiher eine rechtsverbindliche Rückgabezusage beantragen L
kann, die ihn vor den befürchteten Risiken schützt. 3.3
S. 1
11 Kultur & Recht Juli 2001
2. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L3 Bildende Kunst
1. Einleitung
Versuche hiesiger Museen und anderer Kultureinrichtungen, ausländische Kulturgüter in
ihren Einrichtungen auszustellen, scheiterten lange Zeit an der verständlichen Zurück-
haltung der Verleiher, ihre wertvollen Kunstgegenstände aus den Händen zu geben. Den
Verleihern erschien das damit verbundene Risiko des Verlustes ihrer Schätze zu groß.
Denn Verlust ihrer Kunstgegenstände drohte ihnen auf ganz legale Weise, nämlich mit-
tels Beschreitung des hiesigen Rechtsweges durch Dritte, die ein Recht an der verliehe-
nen Sache oder einen anderen Anspruch gegen den Verleiher durchzusetzen versuchten.
Das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung mussten Verleiher insbesondere dann
befürchten, wenn die Eigentumsverhältnisse an den Kunstgegenständen nicht eindeutig
geklärt waren. Nun sind aber ungeklärte Eigentumsverhältnisse keine ungewöhnliche
Begleiterscheinung im Zusammenhang mit dem Besitz wertvoller Kunstgegenstände, von
denen beispielsweise viele zu Kriegszeiten illegal ins Ausland verbracht wurden. Trotz
redlicher Bemühungen wissen viele Inhaber solcher Kunst- und Kulturgüter oft aber gar
nichts über die tief in der Vergangenheit liegenden tatsächlichen Eigentumsverhältnisse
und sahen sich unter anderem deshalb zu Vorsichtsmaßnahmen im Zusammenhang mit
einer Leihgabe nach Deutschland gezwungen. Denn auch als gutgläubiger Erwerber
eines einst gestohlenen Kunstgutes kann man nach der deutschen Rechtsordnung das
Eigentum an der Sache grundsätzlich nicht erwerben.
Dem Verlust solcher Kulturgegenstände durch Beschreitung des Rechtsweges durch
Dritte hat die Neufassung des § 20 Kulturschutzgesetz zugunsten des internationalen
Kulturaustausches einen temporären Riegel vorgeschoben. Eine Vorschrift, die – wie
kaum eine andere im deutschen Rechtssystem – durch massive Beschränkung des
Rechtsweges quasi einen grenzenlosen Rechtsschutz für den Verleiher gewährt, wenn
dieser vor der Leihgabe eine so genannte rechtsverbindliche Rückgabezusage erwirkt.
Im Folgenden soll ein Überblick über die Rechtsbeschränkungen durch § 20 KultSchG
gegeben und die damit verbundenen Vorteile für die ausländischen Verleiher sowie die
Entleiher ausländischen Kulturgutes aufgezeigt werden.
Darüber hinaus werden die Voraussetzungen für den erforderlichen Antrag bei der zustän-
digen Behörde und der Regelungsgehalt für den notwendigen Verwaltungsakt dargelegt.
2. Kein gutgläubiger Eigentumserwerb an
L „abhanden gekommenen Sachen“
3.3
Bevor tiefergehend auf die Vorschrift des § 20 KultSchG eingegangen wird, soll vorab
S. 2
noch einmal ein Exkurs ins Bürgerliche Gesetzbuch genommen werden, um zu klären,
unter welchen Voraussetzungen ein gutgläubiger Erwerber Eigentum erlangen kann,
obwohl dem Veräußerer die Sache nicht gehört. Darüber hinaus wird dargestellt, wann
ein solcher gutgläubiger Eigentumserwerb gemäß § 935 BGB ausgeschlossen ist.
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3. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L3 Bildende Kunst
Eigentum an einer nicht dem Veräußerer gehörenden Sache kann zunächst nur dann
erlangt werden, wenn der Erwerber gutgläubig ist. Nach § 932 II BGB ist eine Person
dann nicht gutgläubig, wenn ihr bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt
ist, dass die Sache dem Veräußerer nicht gehört. Für einen gutgläubigen Erwerb nach §
932 Abs.1 S.1 BGB ist darüber hinaus die Einigung über den Eigentumsübergang und
die Übergabe der Sache an den gutgläubigen Erwerber erforderlich.
Liegen diese Voraussetzungen vor, kann eine nicht dem Veräußerer gehörende Sache
immer dann gutgläubig erworben werden, wenn der wahre Eigentümer – egal aus
welchem Grund – seinen Besitz an der Sache weder unfreiwillig noch ohne seinen
Willen verliert (kein abhanden kommen i.S.d. § 935 BGB).
Ist der Eigentümer nicht mehr unmittelbarer Besitzer der Sache kommt es bei der Beur-
teilung der Freiwilligkeit der Besitzaufgabe auf den unmittelbaren Besitzer an (derjenige,
der die Sache in den Händen hält).
Man stelle sich vor, ihr Nachbar kauft sich ein wertvolles Bild und vereinbart mit
dem Verkäufer eine Ratenzahlung. Der Verkäufer will sich auf diese Zahlungs-
modalitäten aber nur unter der Bedingung einlassen, dass ein „Eigentumsvorbehalt“ bis
zur endgültigen Zahlung der Gesamtsumme vereinbart wird. Das bedeutet, dass der
Verkäufer bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung Eigentümer der Sache bleibt, auch
wenn er dem Käufer schon den unmittelbaren Besitz an dem Bild verschafft hat (Über-
gabe des Bildes). Nun kommt der Nachbar zu Ihnen mit dem Bild in der Hand und bietet
es zum Kauf an, obwohl er den Kaufpreis selber noch nicht voll gezahlt hat und damit
noch kein Eigentümer der Sache ist. Da Sie die Hintergründe (Eigentumsvorbehalt) nicht
kennen und nach den Umständen auch nicht kennen müssen, gehen Sie gutgläubig
davon aus, dass der Nachbar Eigentümer der Sache ist. Obwohl der wahre Eigentümer
ein anderer (der ursprüngliche Verkäufer) ist, können Sie in diesem Fall gutgläubig Ei-
gentum erlangen, weil der Verkäufer seinen unmittelbaren Besitz an der Sache freiwillig
an den Nachbarn gegeben hat. Dass das Bild sodann gegen den Willen des Verkäufers
(Eigentümer) vom Nachbarn Ihnen zum Kauf angeboten wird, ist für den gutgläubigen
Erwerb nicht beachtlich. Maßgebend ist, dass der Nachbar Ihnen das Bild freiwillig
veräußert.
Anders verhält es sich nur in Fallkonstellationen, in denen der unmittelbare Besitz un-
freiwillig oder ohne den Willen des Eigentümers bzw. des unmittelbaren Besitzers verlo-
ren geht (§ 935 BGB). Hier kann der Dritte nicht gutgläubig Eigentum an der Sache
erlangen (Ausnahme: Geld, Inhaberpapiere, Veräußerung im Wege öffentlicher Versteige-
rung; § 935 II BGB).
L
Dies gilt zum einen für Sachen, die dem Eigentümer oder unmittelbaren Besitzer gestoh- 3.3
len wurden oder die er verloren hat. Daher können zum Beispiel zu Kriegszeiten ent- S. 3
wendete Kulturgüter nicht gutgläubig erworben werden.
Aber auch der gutgläubige Erwerber von „sonst abhanden gekommenen Sachen“ kann
kein Eigentum an der Sache erwerben. Wurde der Eigentümer beispielsweise durch
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4. L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L3 Bildende Kunst
Drohung oder mittels Gewaltanwendung zur Herausgabe gezwungen, ist auch kein
gutgläubiger Erwerb möglich. Anders verhält es sich wiederum, wenn die Sache auf-
grund einer Täuschung hergegeben wird. Denn hier verkennt der Eigentümer zwar die
wahre Situation und gibt den Besitz irrtümlich auf, er tut dies aber dennoch freiwillig
mit seinem Willen.
Im oben geschilderten Fall lägen die Voraussetzungen des § 935 BGB vor, wenn
dem Nachbarn – als unmittelbarer Besitzer – das Bild unfreiwillig (beispielsweise
Diebstahl) entzogen wird. Hätte der Nachbar das Bild hingegen selbst gestohlen, könnten
Sie kein Eigentum erwerben, weil es dann dem Eigentümer abhanden gekommen ist
(unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes am Bild).
Unter engen Voraussetzungen besteht rechtlich dennoch die Möglichkeit, auch bei
abhanden gekommenen Sachen Eigentümer derselben zu werden. Dies ist in der Regel
dann der Fall, wenn man sie 10 Jahre im Eigenbesitz hat (§ 937 BGB). Der Erwerber
muss auch hier in gutem Glauben sein und darf auch später nicht erfahren, dass ihm das
Eigentum eigentlich nicht zusteht. Darüber hinaus gibt es noch weitere Einschränkun-
gen, die eine sog. „Ersitzung“ verhindern bzw. die zeitlichen Grenzen ausdehnen.
Festzuhalten bleibt somit, dass der Erwerb von Eigentum im Falle der Nichtberechtigung
des Veräußerers offensichtlich sehr kompliziert ist und viele Erwerber von Kulturgut die
tatsächliche sachenrechtliche Lage nicht kennen und daher einer Leihgabe nach
Deutschland skeptisch gegenüber stehen.
3. Gesetzestext § 20 KultSchG:
Wie schützt nun aber die rechtsverbindliche Rückgabezusage den Verleiher ausländi-
schen Kulturgutes vor dem Verlust?
Der Gesetzestext des § 20 KultSchG spricht für sich. Man sollte ihn unbedingt einmal
gelesen haben, da er doch recht verständlich die Voraussetzungen und Wirkungen der
rechtsverbindlichen Rückgabezusage wiedergibt:
(1) Soll ausländisches Kulturgut vorübergehend zu einer Ausstellung im Bundesge-
biet ausgeliehen werden, so kann die zuständige oberste Landesbehörde im Ein-
vernehmen mit der Zentralstelle des Bundes dem Verleiher die Rückgabe zum
festgesetzten Zeitpunkt rechtsverbindlich zusagen. Bei Ausstellungen, die vom
L Bund oder einer bundesunmittelbaren juristischen Person getragen werden, ent-
3.3 scheidet die zuständige Behörde über die Erteilung der Zusage.
S. 4 (2) Die Zusage ist vor der Einfuhr des Kulturgutes schriftlich und unter Gebrauch
der Worte „Rechtsverbindliche Rückgabezusage“ zu erteilen. Sie kann nicht zu-
rückgenommen oder widerrufen werden.
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