Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Dr. Arpad A. Sölter: Massiver Wandel und neue Ziele
1. D 1.11
Massiver Wandel und neue Ziele
Strategisches Veränderungsmanagement in Kulturbetrieben
am Beispiel der Reform im Goethe-Institut
Dr. Arpad A. Sölter
Der Wandel in Kulturbetrieben ist immer verbunden mit der Frage nach Prozessen des Umdenkens,
auf die notwendige Reformen folgen. Wie können Kultureinrichtungen vor institutioneller Sklerose
bewahrt, aus entstehender Starre befreit werden? Wie lässt sich im Wandel ihre Energie freisetzen,
um Kreativität und Dynamik neu zu entfalten? Ein Blick auf die radikale Reform des Goethe-
Instituts ist bei diesen Fragen nützlich. Das Institut hat zwischen 2006 und 2009 seinen Struktur-
wandel erfolgreich bewältigt.1
Gliederung Seite
1. Zum Kontext: Die Renaissance internationaler Kulturvermittlung 2
2. Die Rolle des Goethe-Instituts in der deutschen auswärtigen Kultur- und
Bildungspolitik 3
3. Der Weg zur Reform: Von der Krise zum Projekt „goethe09“ 4
4. Grundideen und Elemente der Reform 7
5. Das neue Goethe-Institut nach der Reform: Budgetierung und
Zielvereinbarung als strategische Steuerungsinstrumente 9
6. Zukünftige Leistungsanforderungen an die kulturelle Außenpolitik 20
1
2. D 1.11 Planung und Steuerung
Strategie und Entwicklung
Yes, it hurt. Yes, it worked.
(Wahlplakat der Tories in den 80er Jahren)
Wer bereit ist, Umwälzungen als Chance zu begreifen,
sich ständig zu erneuern, und vor allem: wer bereit ist,
andere teilhaben zu lassen an Ertrag, Ideen und Verbesserungen,
der kann weltweit erfolgreich sein.
(Frank-Walter Steinmeier, ehemaliger deutscher Außenminister)
1. Zum Kontext: Die Renaissance
internationaler Kulturvermittlung
Wiederentdeckung der Auf der globalen Bühne vollzieht sich die Wiederentdeckung der Kul-
Kulturdiplomatie turdiplomatie. Sie beruht auf neuen Bewertungskriterien und Instru-
mentarien. An sie hat sich das Goethe-Institut angepasst. Denn Me-
thoden der Soft Power stehen wieder hoch im Kurs. Die Stärke eines
Landes und sein Einfluss in einer globalisierten Welt werden wieder
mittels seines kulturellen Kapitals (Pierre Bourdieu) und seiner kreati-
ven Energie gemessen.2 Warum ist das so? „Heiße“ und „kalte“ Kon-
flikte zwischen Kulturen, Religionen, Lebensstilen und Wertesyste-
men sind signifikant für das 21. Jahrhundert. Das Scheitern von Hard
Power im Irak und in Afghanistan führt dazu, Alternativen zu rein
militärischen Interventionen als Smart Power neu zu bewerten. West-
liche Demokratien gelten wieder als umso erfolgreicher, je stärker sie
ihre Ideologien und Überzeugungen über einen wertschätzenden Aus-
tausch von Ideen und Menschen propagieren, statt über Panzer und
Raketen. Kulturaustausch ist im Übrigen langfristig nachhaltiger, ef-
fektiver und preiswerter als Militäreinsatz.3
Kulturdiplomatie: Joseph S. Nye (2004) definiert Cultural Diplomacy als „prime exam-
rascher ple of ‚Soft Power‘, the ability to persuade through culture, value, and
Bedeutungswandel ideas as opposed to ‚Hard Power’, which conquers or coerces through
military might.” Aus dieser Perspektive ist Kulturdiplomatie ein we-
sentlicher Bestandteil nationaler Außenpolitik und internationaler
Beziehungen und nichts weniger als ein Erfolgsfaktor in der Weltpoli-
tik. Aus theoretischer Perspektive zeitigt die Begriffsgeschichte in
Deutschland einen starken Bedeutungswandel in relativ kurzer Zeit.
Ursprünglich stand die kulturelle Außenpolitik Deutschlands nach
1945 im Zeichen intensiver Bemühungen, das durch den Nationalso-
zialismus belastete Image zu bereinigen und Vertrauen unter den euro-
päischen Nationen wiederherzustellen. In der deutschen Nachkriegs-
periode legitimierte sie sich über das ehrenwerte Anliegen, Dialog zu
initiieren, Verständnis und Vertrauen auf internationaler Ebene aufzu-
bauen und demgemäß Frieden unter den Nationen zu sichern. „Politik-
ferne“ und Autonomie waren dabei wesentliche Garanten für die
2
3. Planung und Steuerung D 1.11
Strategie und Entwicklung
Glaubwürdigkeit und erfolgreiche Arbeit des Goethe-Instituts in den
vergangenen 60 Jahren. Im Laufe der Zeit überlagerten mehrere, teil-
weise kontroverse Sichtweisen diese Aufgabe. Hans Magnus Enzens-
berger betrachtete auswärtige Kulturpolitik als ein Frühwarnsystem
für internationale Konflikte. Wolf Lepenies prägte die Formel einer
globalen „Lerngemeinschaft“ (1996), in der Institutionen als Überset-
zer und transkulturelles Bindeglied fungieren. Unter Joschka Fischer
wurde Kulturdiplomatie zum zivilgesellschaftlichen Instrument, um
besonders in autoritären Regimes die Verbreitung einer westlichen
Kultur der Freiheit zu initiieren (Sölter 2000; 2001).
Mit der Globalisierung der Welt, vorangetrieben durch moderne Tech- Goethe-Institut:
nologien und die digitale Transformation der Öffentlichkeit durch das drohender
Internet, werden alte Begründungsformeln obsolet.4 Theoretische und Substanzverlust
ideologische Grundlagen werden zunehmend hinterfragt. Mit der
Überholung ihres politischen Mandats und der Überfrachtung der
Kulturdiplomatie mit Erwartungen einer oft nicht belastbaren Wir-
kungslogik gingen drastische Budgetkürzungen in diesem Politikfeld
für das Goethe-Institut einher. Nach jahrelangen Kürzungs- bzw.
Schließungsrunden und kulturell im Grunde desinteressierten Außen-
ministern wie Fischer stand das ausgelaugte Institut schließlich vor
einem Substanzverlust als „Marionette der auswärtigen deutschen
Politik“ (Kilb 2010). Nach Jahren der Restrukturierung und Kostenre-
duktion lancierte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmei-
er 2007 endlich eine Umkehrpolitik in der deutschen kulturellen Au-
ßenpolitik. Zeitgleich entdeckten Amerika, China und Russland die
Kraft von Soft Power und Cultural Diplomacy wieder.5
2. Die Rolle des Goethe-Instituts in der
deutschen auswärtigen Kultur- und
Bildungspolitik
Für Deutschland Menschen bewegen, Freunde gewinnen und in Talen- Verständigung und
te investieren – das bleibt der Kern kultureller Außenpolitik im „Wett- Stärkung des deutschen
lauf ums Wissen“ (Schütte 2008), um die besten Köpfe, um kulturelle Ansehens in der Welt
Ausstrahlung. Das weltweit tätige deutsche Kulturinstitut fördert die
Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland, pflegt die internationale
kulturelle Zusammenarbeit und vermittelt ein umfassendes Deutsch-
landbild. In Zeiten neuer globaler Herausforderungen zielt die Arbeit
des Goethe-Instituts auf ein vertieftes Verständnis der Kulturen unter-
einander und auf die Stärkung des Ansehens Deutschlands in der Welt.
Das Goethe-Institut ist mit 136 Instituten und elf Verbindungsbüros in Goethe weltweit
92 Ländern weltweit präsent. An 13 Instituten in Deutschland führt es
Sprachkurse ohne Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln durch. In
toto sind dies: 149 Institute und elf Verbindungsbüros in 93 Ländern.
3
4. D 1.11 Planung und Steuerung
Strategie und Entwicklung
Das Netzwerk des Goethe-Instituts umfasst aber auch eine große
Bandbreite an Kooperationspartnern. Es betreut neben 77 Lesesälen,
Dialogpunkten und Informationszentren 138 deutsch-ausländische
Kulturgesellschaften, 55 Sprachlernzentren und 181 Lehrmittelzent-
ren. Insgesamt hat das Goethe-Institut in 128 Ländern 957 Anlaufstel-
len (Stand 2010). Die Zentrale steuert dieses Netzwerk.
Breite Projekt- und Das Goethe-Institut setzt dabei mit seinem Netz international aner-
Angebotspalette kannte Standards im „Deutsch als Fremdsprache“-Unterricht. Es führt
Sprachkurse durch, erarbeitet Lehrmaterialien, bildet Lehrende fort
und ist Partner bei wissenschaftlichen und sprachpolitischen Initiati-
ven. Das Goethe-Institut nimmt aktuelle Entwicklungen in Deutsch-
land auf und fördert die internationale kulturelle Zusammenarbeit u.a.
durch Kulturveranstaltungen und Festivalbeiträge in den Bereichen
Film, Tanz, Musik, Theater, bildende Kunst, Literatur und Überset-
zung. Bibliotheken und Informationszentren, Diskussionsforen, viel-
fältige Print-, Audio- und Video-Publikationen und unser Besucher-
programm vermitteln ein aktuelles Deutschlandbild und fördern den
internationalen Diskurs zu Schlüsselthemen der globalisierten Gesell-
schaft.
Erfolgsfaktor Die Größe und Bedeutung des Institut-Netzwerks entfaltet als kontinu-
Netzwerk ierliche kulturpolitische Präsenz an den jeweiligen Orten eigene Kraft
durch seine Leistungen im Bereich der Kontaktpflege und -vermitt-
lung zu Eliten. Diese Netzwerke können von unterschiedlichsten Ak-
teuren aus Deutschland genutzt werden und eröffnen Zugang zu
Deutschland. Gerade die Größe und der Radius seines Netzwerks ma-
chen das Goethe-Institut für Partner aus dem Bereich der Wirtschaft
und Stiftungen attraktiv. Trotz seiner Vorzüge stand das Institut vor
großen Herausforderungen.
3. Der Weg zur Reform: Von der Krise zum
Projekt „goethe09“
2006: dramatische Im Jahre 2006 steckt das Goethe-Institut in einer dramatischen Fi-
Finanzkrise nanzkrise. Die Institution, die einmal gegründet wurde, um unter Na-
tionen nach 1945 das kontinuierliche Gespräch zu fördern, steht vor
einer gravierenden Deckungslücke. Die Krise spitzt sich zu. Interne
Berechnungen ergeben, dass die Schere zwischen stagnierenden bzw.
sinkenden Zuwendungen und steigenden Kosten bis 2009 ein Defizit
in Höhe von 20 Millionen Euro verursachen würde, um den Betrieb zu
erhalten. Politik und Auswärtiges Amt als Zuwendungsgeber betrach-
ten das Institut als kaum reformierbares Sorgenkind. Über mehr als
zehn Jahre hinweg war das Goethe-Institut von Mittelkürzungen be-
troffen.
4