Jörg Pfannenberg (Hg.): Veränderungskommunikation. So unterstützen Sie den Change-Prozess wirkungsvoll. 3. Auflage mit Web 2.0 und neuen Fallstudien
http://www.amazon.de/Ver%E4nderungskommunikation-unterst%FCtzen-Sie-Change-Prozess-wirkungsvoll/dp/3899813081
JP│KOM: Neuauflage „Veränderungskommunikation“: Henkel – „Winning Culture“ ermöglicht überdurchschnittlichen Erfolg
1. 169
3 Strategie und Unternehmenskultur
Henkel – „Winning Culture“ ermöglicht
überdurchschnittlichen Erfolg
Martin Roos
Projektsteckbrief
Unternehmen Henkel AG & Co. KGaA
Projekt „Winning Culture“-Initiative
Fokus • Veränderung der Unternehmenskultur
• Gewinnung aller Mitarbeiter für neue Vision, Werte
und Ziele
• Steigerung der Performance
• Verbesserung der Reputation
Zentrale Maßnahmen • Neue Vision & Werte-Workshops für alle Mitarbeiter
• Neuer Claim und neues Corporate Design
• CEO Kommunikation
• Führungskräftekommunikation: Global Management
Summit und Leadership-Calls
• Management Board Roadshow und „Henkel Day“
• Microsite im Intranet und Mitarbeitermagazin
• E-Mails des Vorstands und Videobotschaft zur aktuellen
Entwicklung des Konzerns (quartalsweise)
• Begleitende Materialien (Videos, Poster, Broschüren)
• Führungskräftebefragung
• Medienarbeit
Das Veränderungsprojekt: Der neue Chef bewegt den Konzern
Henkel zählt mit seinen 47.000 Mitarbeitern weltweit und einem Jahres-
umsatz von rund 16,5 Milliarden Euro zu den Global Playern der Kon-
sumgüterbranche. Der Konzern gliedert sich in drei Bereiche: Wasch- und
Reinigungsmittel (mit Top-Marken wie Persil und Pril), Kosmetik und Kör-
perpflege (Schwarzkopf, Fa, Gliss Kur) sowie Klebstoff-Technologien (Pritt,
Loctite). Das Düsseldorfer Unternehmen befindet sich im Mehrheitsbesitz
der Familie des Unternehmensgründers Fritz Henkel. 80 Prozent der
Mitarbeiter sind außerhalb der Bundesrepublik beschäftigt, 50 Prozent
in den Wachstumsmärkten. Allein in der Düsseldorfer Konzernzentrale
arbeiten Menschen aus mehr als 40 Nationen.
2. 170
Der 14. April 2008 ist der Tag, der Henkel verändert: Der Däne Kasper
Rorsted wird zum neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt. Er ist der erste
Ausländer an der Spitze des Unternehmens ohne jahrelange Sozialisa
tion im Konzern – und mit 46 Jahren einer der jüngsten. Von Anfang an
macht Rorsted Tempo. Bereits ein gutes halbes Jahr nach seinem Antritt
verkündet er am 6. November 2008 in London auf einer Konferenz vor
Analysten und Investoren und auf der folgenden Pressekonferenz seine
neuen Finanzziele: Bis 2012 soll der Umsatz jährlich um bis zu fünf
Prozent und die Umsatzrendite auf 14 Prozent steigen. Das bereinigte Er-
gebnis je Vorzugsaktie soll jährlich um mehr als zehn Prozent wachsen,
der Umsatzanteil der Geschäfte in den Wachstumsregionen Asien, Ost
europa und Lateinamerika von 34 Prozent (2008) auf mindestens 45 Pro-
zent (2012) steigen.
Um diese Ziele zu erreichen, konzentriert sich Rorsted auf drei strategi-
sche Prioritäten: Ausschöpfen des vollen Geschäftspotenzials, Verbesse-
rung der Kundenorientierung und Stärkung der globalen Teams.
Dies bedeutet für den traditionsreichen Konzern tief greifende Verän-
derungen. Um effizienter und näher an den Wachstumsmärkten zu
produzieren, soll sich Henkel auf seine ertragsstarken Marken konzen-
trieren. Das Markenportfolio schrumpft zwischen 2008 und 2012 von
mehr als 1.000 Marken auf weniger als 400. Zudem ist es unumgänglich,
die über 200 Standorte weltweit zu reduzieren: Ineffiziente oder nicht
ausreichend ausgelastete Standorte werden geschlossen oder gehen in
anderen Standorten auf. Die Führungskräfte sind angehalten, die inter-
nen Prozesse zu straffen und sie durch Standardisierung und Einführung
Abbildung 30: Der Unternehmenswandel und die wichtigsten Maßnahmen
Feb. - Apr. 2008 ab Nov. 2008
Finanzziele
und Strategie
2012
ab Juni 2010
Neue Vision
undWerte
ab Jan. 2011
„Excellence is
our Passion“
ab März 2012 Nov. 2012
• Finanzziele und
neue Strategie
2012 werden
intern und extern
vorgestellt
• Start der Maß-
nahmen zur
Umsetzung der
strategischen
Prioritäten
• Externe Positio-
nierung durch
neues Corporate
Design und Claim
• HR-Maßnahmen:
Runde Tische
zur Evaluation
von Leistung und
Potential der Mit-
arbeiter,neues
Entlohnungs-
system
• Henkel erreicht
vorzeitig seine
Nachhaltigkeits-
ziele
• Vertiefen des
Werts„Nachhal-
tigkeit“ durch
neue Nachhaltig-
keitsstrategie
und abteilungs-
spezifische
Aktionspläne
• Henkel bestätigt
Erreichen der
Finanzziele 2012
• Globale Manage-
ment Board Road-
show:Henkel
verkündet neue
Strategie und
Finanzziele 2016
Strategie
2012
Strategie
2016
„Winning Culture“-
Initiative
Nachhaltig-
keitsstrategie
2030
Finanzziele
und Strate-
gie 2016
CEO
Transition
2008 2010 2011 2012
• Beginn CEO-
Positionierung
intern und extern
• Ankündigung von
Umstrukturie-
rungen
• Übernahme von
„National Starch“,
Hauptwettbewer-
ber Klebstoff-
Technologien
• Einführung und
Kaskadierung
neuer Vision
undWerte
(unternehmens-
intern)
• Rund 5.000
Vision &Werte-
Workshops
unternehmens-
weit
3. 171
sogenannter Shared Services (Zentralisierung von Dienstleistungen) effi-
zienter zu machen.
Unter Rorsteds Führung verjüngt sich auch der Vorstand. Als der Däne
als CEO anfing, lag das Durchschnittsalter in der Chefetage bei 59 Jahren.
Heute (2013) beträgt es 48 Jahre.
Zudem hat die Vielfalt in der Belegschaft zugenommen: mehr Nationen
und damit unterschiedliche Kulturen im Management und auch mehr
Frauen in Führungspositionen. Bei Henkel liegt der Frauenanteil bei
32,5 Prozent. Der Anteil von Frauen im Management ist im Konzern
in den vergangenen zehn Jahren von 22 Prozent auf knapp 30 Prozent
gestiegen.
Kein Unternehmen kann sehr gute Leistung erzielen, wenn nicht auch
die Menschen, die das Unternehmen beschäftigt, sehr gut ausgebildet
sind und entsprechend zusammenarbeiten. Davon ist Rorsted überzeugt.
Er will dem Henkel-Spirit neue Kraft verleihen und das Wir-Gefühl stär-
ken – die Zusammenarbeit im Team. Erst der außergewöhnliche Team-
geist und die Leidenschaft, sich das Beste abverlangen zu wollen, schaf-
fen für ihn wirklichen Erfolg. Rorsted glaubt an die Kraft der „Winning
Culture“ – so heißt auch sein neues Erfolgsrezept für Henkel. Er legt von
Beginn an großen Wert auf eine gezielte Förderung und eine transparen-
te Bewertung von Mitarbeitern: 2009 führt Henkel für die 9.000 Manager
der vier oberen Führungsebenen ein neues Performance Management
System ein. Dieses bewertet die Leistung des Mitarbeiters in der vergan-
Abbildung 31: Das „Winning Culture“-Konzept und die Finanzziele für 2012
Winning
Culture
Finanzziele 2012
Umsatzwachstum (ø) 3-5%
Umsatzrendite 14%
Gewinn je Aktie (ø) >10%
Stärkere
Konzentration
auf unsere
Kunden
Stärkung
unseres
globalenTeams
Aus-
schöpfen
unseres vollen
Geschäfts-
potentials
Strategische Prioritäten
4. 172
genen Periode und sein Potenzial für die künftige Entwicklung im Kon-
zern. Das Ranking der Beurteilten wird in teamübergreifenden moderier-
ten Foren („Development Roundtables“) diskutiert: Der Vorgesetzte
bespricht mit ranggleichen Kollegen Leistung und Potenzial und die Kar-
rierechancen des jeweiligen Mitarbeiters. Im Extremfall bedeutet das:
Wer im Quervergleich sehr gut ist, fällt auf und steigt die Karriereleiter
weiter nach oben. Wer schlecht ist, fällt auch auf, bekommt klares Feed-
back, gezielte Förderung oder muss sich überlegen, ob sein Arbeitgeber
dauerhaft der Richtige für ihn ist (vgl. Simons/Kindred 2012: 1, 7 ff.). Die
Incentivierung ist jetzt verbindlich an die Zielerreichung des Einzelnen,
an die des Teams und an die finanzielle Performance des Unternehmens
gekoppelt.
2010 erarbeitet der Vorstand eine neue Unternehmensvision „Global
führend mit Marken und Technologien“ und damit verbunden ein neu-
es Wertesystem. Bis dahin gab es zehn Werte, von denen manche aber
eher an Handlungsempfehlungen erinnerten. Zudem zeigten Umfragen
unter der Belegschaft, dass sich viele Mitarbeiter an die bisherigen Unter-
nehmenswerte kaum erinnern oder schon gar nicht deren Relevanz für
ihre Arbeit benennen konnten. Rorsted richtet das Handeln nun an fünf
Werten aus: Kunden, Mitarbeiter, wirtschaftlicher Erfolg, Nachhaltigkeit
und Familie (vgl. Tabelle). Diese Vision gilt als verbindendes Element für
Henkel über alle Unternehmensbereiche und Länder hinweg. Die Werte
sollen den Mitarbeitern Orientierung dafür geben, was sie in ihrer täg-
lichen Arbeit ändern müssen, um Henkels Strategie mit einer Winning
Culture erfolgreich umzusetzen (vgl. Tilger 2012 b: 286 f.).
Claim, Vision und Werte von Henkel
Logo mit Claim
(ab Februar 2011)
Vision
(ab Juli 2010)
Global führend mit Marken und Technologien
Werte
(ab Juli 2010)
• Kunden
• Mitarbeiter
• Wirtschaftlicher Erfolg
• Nachhaltigkeit
• Familie
5. 173
Kommunikationssituation:
Die Veränderungen sorgen für Spannungen
Angesichts einer Umsatzmarge von rund zehn Prozent im Jahr 2007 und
der sich anbahnenden Finanzkrise erschien das Ziel einer bereinigten
Umsatzrendite von 14 Prozent im Jahr 2012 kaum erreichbar. Auch die
stark steigenden Rohstoffkosten ließen nichts Gutes erahnen. Dement-
sprechend schlug Rorsted anfangs starke Skepsis entgegen – vor allem
am Finanzmarkt: „Wir glauben nicht, dass Henkel auch nur annähernd
in die Nähe dieser Marke kommen wird“, hieß es zu den Renditezielen in
einer Analyse von Merck Fink. Andere Analysten bezeichneten die Pläne
als „Farce“. Als Henkel seine Produkte bei unprofitablen Abnehmern aus
dem Regal nimmt oder Preiserhöhungen einführt, um die steigenden
Rohstoffkosten zu kompensieren, sind Kunden aus Industrie und Handel
irritiert (vgl. Engeser/Brück 2012: 82).
Damit nicht genug – auch in der Belegschaft löst der neue Kurs Verun
sicherung aus. Angekündigte und realisierte Re- und Umstrukturierun-
gen werden von Teilen der Belegschaft – vor allem am Stammsitz in
Düsseldorf – als Bruch mit der Tradition des ehrwürdigen Familien
unternehmens empfunden. Doch Rorsted ist sich sicher: Die Verände-
rungen sind notwendig. Denn entweder waren nicht erreichte Ziele ohne
Folgen für die Führungskräfte geblieben, oder die Ziele waren von vorn-
herein zu ungenau oder großzügig formuliert.
In den Jahren 2004 bis 2008 erreichten 95 Prozent der Mitarbeiter ihre
individuellen Ziele, obwohl das Unternehmen insgesamt seine Ziele
nicht mehr erreichte. So entstand der Eindruck, dass jeder Mitarbeiter
hervorragende Leistungen ablieferte. Auch das persönliche Gespräch zur
Leistungsbeurteilung war nicht sehr differenziert. In der Regel gaben die
Manager ihren Mitarbeitern ein positives Feedback. Kritik wurde hinge-
gen, wenn überhaupt, nur indirekt geäußert.
Kein Wunder also, dass Rorsteds neues Performance Management Sys-
tem mit seiner differenzierten Leistungsbeurteilung und den offenen,
kritischen Feedbacks auf viele Henkelaner anfangs wie ein Kulturbruch
wirkte. Zwar waren viele vom neuen System begeistert, weil es sie moti-
vierte und half, die High Potentials im Unternehmen besser zu erkennen.
Andere wollten sich der Herausforderung nicht stellen: Sie hatten Pro
bleme mit der verbindlichen Zuordnung von ambitionierten Zielen und
der kritischen Beurteilung ihrer Leistungen. „Das neue System sorgte für
Spannungen: Mitarbeitern, denen bisher immer erzählt worden war, wie
toll sie waren, wurde nun jetzt plötzlich das Gegenteil gesagt“, beschrieb
Rorsted die Veränderung (Simons/Kindred 2012: 9).