3. 3
»Das hört sich aber gar nicht nett an, Tristan!«, unter-
brach Großvater Jakob. Er hatte gehört, wie sich die
beiden Jungen zankten und kam, um herauszufinden,
worum sie sich stritten.
»Troy nimmt mir immer all meine Lieblingsspielsachen
weg und spielt mit ihnen«, protestierte Tristan.
»Aber er spielt ja jetzt gerade nicht damit«, rechtfer-
tigte sich Troy unter Tränen. »Er will einfach nicht, dass
ich damit spiele.«
»Stimmt das, Tristan?«, fragte Opa. »Warum möchtest
du denn nicht, dass Troy mit deinen Spielsachen spielt?«
»Weil...«, antwortete Tristan und zögerte einen
Moment, »ich vielleicht auch mit ihnen spielen will und
wenn er sie dann hat, kann ich das nicht.«
4. 4
Opa Jakob strich sich nachdenklich
übers Kinn und sagte dann: »Da fällt mir
eine Geschichte ein.«
»Was für eine Geschichte denn?«,
fragte Troy und trocknete seine Tränen.
»Nun, falls ich mich genau
erinnere, fiel es der Biene Bits
auch sehr schwer, mit anderen zu
teilen«, sagte Opa. »Ich gehe mal
mein Vorlesebuch holen. Vielleicht
können wir etwas lernen, was
uns hilft, dieses
Problem zu
lösen.«
Geschichtenschatz
5. 5
Bits hatte keinen guten Tag. Sie machte immer
nur ein langes Gesicht, während sie im Bienenhaus
beschäftigt war. Irgendetwas bedrückte sie sehr. Den
ganzen Morgen lang war sie traurig und ärgerlich
gewesen.
Als sie aus dem Bienenstock
flog, um noch etwas Nektar
zu sammeln, hörte
sie, wie jemand
nach ihr rief.
6. 6
»Bits! Warte mal!« Es war Pepper, einer ihrer
Freunde aus einem nahe gelegenen Bienenstock.
Bits flog etwas langsamer. Sie war brummig und
war sich nicht sicher, ob sie momentan mit Pepper
zusammen sein wollte.
Obwohl er etwas außer Atem war, lächelte
Pepper, als er sie einholte. »Meine Güte, du
fliegst heute aber schnell herum, Bits! Das hilft so
einer alten Biene wie mir, in Form zu bleiben«,
lachte Pepper.
7. 7
Bits lächelte
ein klein wenig.
»Ich muss mich
wirklich beeilen«,
entschuldigte sie
sich. »Ich muss
noch mehr Nektar
sammeln.« Sie wollte
unbedingt weiter
und hatte keine Lust,
mit jemandem zu
reden.
»Hast du was
dagegen, wenn
ich neben dir
herfliege?«,
fragte Pepper.
»Na gut,
wenn du
willst«,
ant-
wor-
tete
Bits und
eilte weiter.
Sie flogen
zum nächsten
Blumenbeet,
das ebenso
8. 8
voll mit süßem Nektar war.
Bits wollte so viel wie möglich zum
Bienenstock zurückbringen, denn daraus
machen die Bienen ihren Honig. Pepper redete
unentwegt, aber Bits sagte kaum etwas.
»Es ist wirklich ein wunderschöner Tag«, rief Pepper,
als er eine Pause einlegte und sich auf einem Grashalm
ausruhte.
Bits zuckte nur mit den Achseln.
»Oh, ich genieße den Sommer so«, fuhr Pepper fort.
Und wieder sagte Bits kein Wort.
Endlich richtete Pepper sich auf und schaute Bits an,
die wie wild Nektar sammelte. »Was bedrückt dich,
Bits?
»Nichts«, entgegnete sie ausweichend.
»Nun, du hast heute kaum ein Wort mit mir gespro-
9. 9
chen. Es sieht aus, als wärst du irgendwie ärgerlich.«
Pepper hielt inne. »Du bist doch nicht etwa böse auf
mich, oder?«
Bits hörte endlich auf, so herumzueilen. »Oh nein,
überhaupt nicht«, beruhigte sie ihn und hatte plötzlich
ein schlechtes Gewissen, weil sie Pepper so ignoriert
hatte. »Es tut mir Leid, Pepper. Du hast mir nichts
getan, was mich böse auf dich machen könnte. Ich hab
einfach einen ziemlich miesen Tag.«
»Das kann ich verstehen, miese Tage machen
keinen Spaß«, sagte Pepper mitleidig. »Ist irgendetwas
passiert?«
»Das kann man wohl sagen«, entgegnete Bits, als
sie sich neben Pepper auf dem Grashalm niederließ.
»Vor ein paar Tagen, nachdem wir gerade eine ganze
10. 10
Menge köstlichen Honig
gemacht hatten, kam
der Bauer vorbei
und nahm uns
mehr als die Hälfte
davon weg. Wir
hatten viele
Tage damit
verbracht,
rauszufliegen
und Nektar
zu sammeln,
um den
Honig
machen zu
können, und
dann nahm
er ihn uns
einfach weg!
Und das war
auch nicht das
erste Mal! Er kommt
ziemlich oft und nimmt
uns den Honig einfach
weg.
Früher hat mir das nicht so
viel ausgemacht«, erzählte sie
weiter. »Er nimmt ja auch nicht alles
und wir haben immer noch genug
übrig für uns selbst, aber es macht mich
manchmal einfach wütend, weil ich mich
dafür so abplagen muss.«
11. 11
»Hmmm, ich kann mir vorstellen, wie frustrierend
das sein muss«, sagte Pepper mitfühlend. »Ich hab mich
auch mal so gefühlt, damals in meinem Bienenstock.«
»Ist das wahr?«, wunderte sich Bits. »Und ärgert es
dich immer noch?«
»Nein, denn ich habe etwas sehr Interessantes
erfahren«, antwortete er. »Weißt du, warum der Bauer
uns den Honig wegnimmt, Bits?«
»Keine Ahnung«, verneinte sie und schüttelte den
Kopf.
»Nun, der Bauer braucht den Honig auch, genau
wie wir. Er findet den Honig so köstlich, dass er sich
welchen nimmt, um ihn mit seinen Pfannkuchen oder
auf seinem Brot zu essen oder um andere süße Sachen
daraus zu machen.«
12. 12
Honig
»Wirklich?«, fragte Bits verwundert.
»Ja, er findet ihn wirklich lecker. Seine kleine Tochter
auch«, fügte Pepper lächelnd hinzu.
Bits überlegte einen Augenblick. »Dann ist es wohl
gar nicht so schlimm, dass er einen Teil unseres Honigs
nimmt. Ich wusste nicht, dass er ihn so gerne mag.«
»Wenn wir anderen von etwas abgeben, selbst
wenn wir es auch gerne mögen oder wir hart dafür
gearbeitet haben, dann machen wir sie froh und Gott
13. 13
freut sich auch darüber«, erklärte Pepper. »Und egal,
was oder wie viel man gibt, man bekommt immer mehr
zurück, als man verschenkt. Gott möchte, dass wir mit
anderen genauso teilen, wie Er die wunderschöne
Welt, die Er geschaffen hat, mit uns teilt.«
»Danke, dass du mir das erklärt hast, Pepper«, sagte
Bits und umarmte ihn. »Es tut mir Leid, dass ich heute
Morgen so schlecht gelaunt war. Dein Beispiel hat mir
geholfen, nicht bitter darüber zu werden, dass der
Bauer unseren Honig wegnimmt. Jetzt fühle ich mich
viel besser.«
»Kein Problem«, gab Pepper zurück und umarmte
sie auch. »Ich freue mich, dass ich dich aufmuntern
konnte!«
14. 14
Eine Weile später, als Bits beim
Nektarsammeln war, sah sie das Töchterchen
des Bauern im Garten spielen. Das kleine
Mädchen hörte wie Bits vorbeisummte,
und sie lächelte. »Danke, lieber Gott, für
die Bienen!«, rief sie. »Honig ist so lecker.
Danke, dass Du ihnen beigebracht hast, wie
man ihn macht. Und danke auch, dass sie
ihn mit uns teilen.«
Bits grinste von einem
Ohr zum anderen. Sie
freute sich sehr zu hören,
dass der Honig das
kleine Mädchen
so froh gemacht
hatte. »Gern
geschehen«,
flüsterte sie
und flog zum
Bienenstock
zurück.
15. 15
»Ich möchte meine Spielsachen mit dir teilen, Troy«,
versichterte Tristan seinem Cousin. »Genau so, wie Bits
den Honig, an dem sie hart gearbeitet hatte, gerne mit
dem Bauern und seiner Familie teilen wollte.«
»Danke«, freute sich Troy. »Ich werde gut auf sie
aufpassen.«
Opa Jakob lächelte, als er aus dem Zimmer
ging, während die beiden Jungen glücklich weiter
miteinander spielten.
16. Moral: Anderen
zu geben,
macht dich
glücklich,
denn wenn du
anderen gibst,
kann Gott dir
geben.
Verpass nicht die nächste Folge
von Insectissima:
Freude bringen zu Weihnachten 9 7 8 3 0 3 7 3 0 0 7 7 0
ISBN 3-03730-077-9