1. Mitgliederversammlung
Einladung zur ZGF Mitglieder-
versammlung 2013
Auftakt in Peru
Neues großes Waldschutzprojekt
im Manú Biosphärenreservat
MITGLIEDERMAGAZIN DER
ZOOLOGISCHEN GESELLSCHAFT FRANKFURT VON 1858 E. V.
ISSN 1863-1789
GORILLA
Chancen für Wildnis in Deutschland
No
03
2013
3. teten Auen entstehen keine Verluste, genauso wenig wie bei Windwurf
in Nationalparks. Gleichzeitig sind Wildnisgebiete wichtige Puffer für
unsere Wohn- und Wirtschaftsregionen. Jeder Kubikmeter Wasser in
der Aue findet sich nicht im Keller oder auf dem Acker.
Vierzehn Nationalparks gibt es heute in Deutschland, der Großteil
von ihnen in den neuen Bundesländern. Abgesehen von den Küs-
tennationalparks sind sie von der Fläche her
im internationalen Vergleich geradezu win-
zig. Der jetzt so heiß diskutierte National-
parkvorschlag im Nordschwarzwald, in der
Basisvariante gerademal zehn auf zehn Ki-
lometer Staatswald umfassend, hat weniger
als ein Prozent der Fläche des peruanischen
Manú-Nationalparks. Und da sage heute kei-
ner mehr: „Tja, in Afrika und Südamerika
gibt es riesige unbesiedelte Landstriche, die
kann man leicht als Nationalpark ausweisen“. Der Bedarf an Boden-
schätzen, Straßen oder Staudämmen ist auch auf den anderen Kon-
tinenten inzwischen riesig und dennoch haben die Länder dort bis
zu zehn Mal mehr Anteile ihrer Landesfläche unter strengen Schutz
gestellt. Und auch den wichtigen Wildnisansatz nehmen sie viel er-
ster. Nur vier der deutschen Parks erfüllen überhaupt den internatio-
nalen Standard, dass nämlich auf 75 Prozent der Nationalparkfläche
kein Eingreifen des Menschen erfolgen soll.
Weltweit werden wir uns weiter mit aller Kraft für die Filetstücke
des Naturschutzes, für die Nationalparks, einsetzen. Dem Klassen-
Schlusslicht Deutschland wollen wir helfen, aus dieser Position he-
rauszukommen und der internationalen Verantwortung und den
nationalen Vorgaben gerecht zu werden. Mit Rat und Tat wollen wir
den zukünftigen Nationalparks beistehen. Und Politkern, Behörden,
Landräten, Forstämtern und Nationalparkgegnern können wir den
Blick über den Tellerrand wärmstens empfehlen.
Es ist der Blick über den Tellerrand, der Erkenntnis
schafft und Impulse gibt. Bernhard Grzimek hatte ihn ohne Zweifel,
als er sich zusammen mit Hubert Weinzierl und weiteren Mitstrei-
tern vor fast 50 Jahren vehement für den ersten deutschen Natio-
nalpark im Bayerischen Wald einsetzte. Grzimek hatte zahlreiche
Nationalparks in Amerika und Afrika bereist und längst stand diese
Königskategorie der Schutzgebiete im Fokus der Naturschutzarbeit
seiner Zoologischen Gesellschaft Frankfurt.
Doch schon damals waren andere Länder
und Kontinente den Deutschen im Flächen-
schutz weit voraus. Amerika hatte mit dem
Yellowstone Nationalpark 1872 den weltweit
ersten Nationalpark geschaffen, Afrika folgte
1925 mit dem Virunga Nationalpark im
Kongo, 1951 wurde die heute weltberühmte
Serengeti als Nationalpark ausgewiesen, acht
Jahre später folgten die Galápagos-Inseln vor
der ekuadorianischen Küste. All diese Namen stehen heute für die
schönsten und artenreichsten Landschaften, für ungezähmte Natur
und häufig auch für einen großartigen wirtschaftlichen Erfolg.
Millionen von Menschen verbringen dort ihren Urlaub, ihre „wert-
vollsten Tage des Jahres“. Nationalparks finden sich auf Landkarten
verzeichnet und in Reiseführern beschrieben. Sie gelten als Natur-
kapital eines Landes und als Erbmasse für kommende Generationen.
Keine echten Naturlandschaften, keine Urwälder, kein Platz und
das Holz brauchen wir für die Sägewerke und nicht für den Borken-
käfer – das sind auch heute noch die gängigen Argumente, gegen neue
Nationalparks in Deutschland. Dabei hat sich längst gezeigt, dass
Forste wieder zu Urwäldern werden, wenn man sie nur lässt und dass
sich selbst anspruchsvolle Tiere wie Luchs, Wolf, Schwarzstorch oder
Seeadler wieder einstellen. Und die großen Fluten zum Sommer-
anfang haben deutlich gemacht: Nur in Naturlandschaften können
Naturkatastrophen keinen Schaden anrichten. Nur dort sind Sturm
und Wasser nicht gefürchtet sondern gewünscht. Sie sind Bestandteil
einer Dynamik, wie sie seit Millionen von Jahren besteht. In überflu-
Dr. Christof Schenck, Geschäftsführer der
Zoologischen Gesellschaft Frankfurt
Liebe Leserinnen und
Leser, liebe Mitglieder
und Freunde,
Nur vier der deutschen
Nationalparks erfüllen
überhaupt den internatio-
nalen Standard.
3ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
EDITORIAL
4. ALBANIEN
Prespa-Seen sind international bedeutsame Feuchtgebiete
Es gibt viele Gründe, warum die Region um die
Prespa-Seen so einzigartig und bedeutsam ist
– die Landschaft, die Vogelwelt oder die by-
zantinischen Ruinen. Auch der Fischreichtum
des Sees ist bemerkenswert, 9 der 23 Fisch-
arten in den Seen und Flüssen von Prespa
sind endemisch. Das heißt, sie kommen nur
hier und nirgendwo sonst auf der Erde vor. Bei
den Vögeln ist die Liste noch eindrucksvoller:
272 Vogelarten wurden in der Region kartiert.
Anfang Juli hat das albanische Umweltmi-
nisterium dem Rechnung getragen und die
albanischen Anteile am Großen und am
Kleinen Prespa-See bei der Ramsar-Kon-
vention zum Schutz internationaler Feucht-
gebiete nominiert. Prespa ist somit offiziell
das vierte international bedeutsame Feucht-
gebiet des Landes.
Fatos Bundo, der Leiter der Abtei-
lung Biodiversität des albanischen Um-
weltministeriums, freut sich über die
Ramsar-Nominierungen: „Hierdurch er-
fahren die Prespa-Seen, die als Perlen des
Balkans gelten können, endlich den nöti-
gen Schutz, der von internationalen Exper-
ten schon lange gefordert worden war. Ohne
die starke Unterstützung der Fachleute des
von der KfW mitfinanzierten Projektes zum
Aufbau der Prespa Nationalparkverwaltung,
wäre die Nominierung nicht so schnell mög-
lich gewesen.“
Die 1971 ins Leben gerufene Ramsar-Kon-
vention ist eine internationale Vereinbarung,
unter der sich die 168 beigetretenen Länder
verpflichten, ihre Feuchtgebiete nachhal-
tig und „weise“ zu nutzen und zu schützen.
Weltweit gibt es mittlerweile 2.143 solcher
Ramsar-Gebiete.
34 Jahre später als Griechenland
Bereits im Jahr 1979 waren die griechischen
Anteile der Prespa-Seen unter den Schutz
der Ramsar-Konvention gestellt worden.
Damals trennte der Eiserne Vorhang Jugos-
lawien und Albanien von Griechenland. Erst
nach 1992 konnte die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit im Dreiländereck zwischen
Griechenland, Albanien und Mazedonien
in Angriff genommen werden. Heute ist das
gesamte Seensystem, vom Ohrid-See bis zu
den Prespa-Seen, eingebettet in internatio-
nale Kooperationen wie etwa das „Grüne
Band Europa“, in dem das Seengebiet einen
wichtigen Eckstein darstellt.
Das nun nominierte albanische Ramsar-Ge-
biet hat eine Fläche von 15.119 Hektar und
ist vollständig eingebettet in den 1999 ge-
gründeten Nationalpark Prespa in Albanien.
Foto:NorbertGuthier
BUKIT TIGAPULUH AUF CNN
Über acht Folgen hinweg nimmt uns ein
Fernsehteam von CNN mit nach Bukit Tiga-
puluh im Herzen Sumatras. Zwischen dem
13. September und dem 1. November geht
Philippe Cousteau auf CNN International
immer freitagabends im Land der 30 Hügel
auf "Expedition: Sumatra". Cousteau beglei-
tet das Tiger- und das Elefanten-Team und
beobachtet natürlich die Arbeit auf der ZGF-
Orang-Utan Station, die Auswilderung von
Orang-Utan Bobo und das Leben der jungen
Die ZGF und die Österreichische Bundesforste AG führen das von der KfW finanzierte Projekt am
Prespa-See gemeinsam durch.
Orangs Violet und Radja. Die genaue Sende-
zeit wissen wir zum Zeitpunkt der Druckle-
gung des GORILLAs leider noch nicht, sie
wird aber zusammen mit dem Inhalt der
einzelnen Folgen auf unserer Webseite zu
finden sein.
4 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
AKTUELLES WELTWEIT
5. SERENGETI
Interaktive Safari
Die Serengeti ist nicht nur weltweit berühmt,
sondern auch Synonym für Wildnis in Afrika.
Doch Klimawandel, Wilderei und eine stetig
wachsende Bevölkerung bedrohen diesen
Mythos. Im Juni machte sich ein Team der
Deutschen Welle auf den Weg in die tansa-
nische Savanne, um diese Problematik für die
DW-Reihe „Global Ideas“ in einer sogenann-
ten Web-Dokumentation zu thematisieren.
„Global Ideas“ stellt Klima- und Artenschutz-
projekte in Schwellen- und Entwicklungs-
ländern vor. Gefördert wird die Reihe vom
Bundesumweltministerium im Rahmen der
Internationalen Klimaschutzinitiative.
Geplant und produziert wurde die Produk-
tion in enger Zusammenarbeit mit der ZGF,
denn der Schutz der Serengeti ist für die Or-
Serengeti – Wanderung ins Ungewisse
Die Web-Dokumenation mit Bildern, Filmen
und Texten gibt es ab dem 20. August auf
Deutsch, Englisch und Spanisch.
Online unter:
www.dw.de/serengeti (deutsch)
www.dw.de/english/serengeti (englisch)
www.dw.de/spanish/serengeti (spanisch)
Die Reportage wird am 26.8. im TV-Pro-
gramm der Deutschen Welle ausgestrahlt –
in Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch.
Online zu sehen ist sie unter:
www.dw.de/themen/global-ideas/s-30494
Ein Vogelparadies
Das Gebiet ist für Zugvögel der gesamten
Paläarktis als Winterquartier von großer
Bedeutung. Zehntausende von Zugvögeln
verbringen jedes Jahr im Ohrid-Prespa-
Seengebiet den Winter. Trotz ihrer Lage auf
690 bzw. 850 m Höhe frieren der Ohrid- und
Prespa-See selten zu. Und dank ihres Fisch-
reichtums bieten sie im Sommer wie im
Winter ausreichend Nahrung für fischfres-
sende Wasservögel.
Dank intensiver Schutzbemühungen, insbe-
sondere auf griechischer Seite, hat sich in den
vergangenen Jahrzehnten die Brutkolonie
der beiden europäischen Pelikanarten (Rosa-
und Krauskopfpelikan) zur größten Pelikan-
kolonie des Balkanraums entwickelt. Mit ca.
1.100 Brutpaaren ist sie vielleicht sogar die
größte in ganz Europa.
Durch die Gründung eines Nationalparks
auf albanischer Seite im Jahr 1999, die jetzige
Ramsar-Nominierung sowie die anstehende
Einrichtung eines Biosphärenreservats, das
mit über 500.000 Hektar den Ohrid- und die
beiden Prespa-Seen umfasst, wird der Schutz
durch die drei Anrainerstaaten noch deutlich
verbessert. Hierdurch erhalten stark bedrohte
Arten im Gebiet um die Seen ihren Lebens-
raum zurück. Neben dem Braunbär und dem
Wolf zählen insbesondere der Balkanluchs
(Lynx lynx martinoi) und die Balkangämse
(Rupicapra r. balcanica) zu den Arten, die im
Fokus weiterer Schutzbemühungen stehen.
WEITERBILDUNG IN DEN USA
Claudel Tshibangu aus dem ZGF-Team in
Upemba im Ostkongo konnte im Juli an
der jährlichen Konferenz der Society for
Conservation GIS (SCGIS) in Kalifornien
teilnehmen und zusätzlich noch seine GIS-
Kenntnisse in einem Trainingskurs dort
erweitern. Geografische Informationssy-
steme, kurz GIS, sind Informationssysteme
zur Erfassung, Bearbeitung, Analyse und
Präsentation räumlicher Daten. Sie liefern
zum Beispiel die Datengrundlage zur Er-
stellung von Karten. Claudel Tshibangu
zeigte schnell Talent im Umgang mit Da-
ten und Karten und half bei der Erstel-
lung von Karten für den Managementplan
des Upemba Nationalparks. Sein Einsatz
zahlte sich nun aus: Für das Stipendium der
SCGIS war Tshibangu aus 800 Bewerbern
ausgewählt worden.
Claudel Tshibangu
ganisation seit Grzimeks Zeiten ein zentrales
Anliegen. Mit dem Ziel, die Herausforde-
rungen und die Arbeit der ZGF vorzustellen,
sind die drei DW-Mitarbeiter in die Serengeti
gereist und das Reporterglück war mit ihnen:
Die Gnus machten sich während der Drehar-
beiten kamerawirksam zu ihrer großen Wan-
derung auf und auch die anderen Tiere lagen
dem DW-Team zu Füßen und posierten für
beeindruckende Bilder.
In der Web-Dokumentation „Serengeti –
Wanderung ins Ungewisse“ kann sich der
Internetnutzer per Mausklick auf eine in-
teraktive Reise durch die Savanne begeben,
Tiere betrachten, mehr darüber erfahren, was
sie bedroht sowie ihren Beschützern bei der
Arbeit über die Schulter sehen.
Foto:DeutscheWelle
5ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
AKTUELLES WELTWEIT
6. Foto:SERNANP
PERU
Neues Waldschutzprojekt
Deutschland trägt zum Schutz des Waldes
und der biologischen Vielfalt im Manú Bio-
sphärenreservat bei. „Wir tun dies, indem wir
bestehende Schutzgebiete stärken und ver-
größern oder Lebensräume wiederherstellen.
All das ist auch zum Wohle der Menschen
dort und der indigenen Gemeinden“, sagte
der deutsche Botschafter in Peru, Christoph
Schmillen, anlässlich des Projektstartes von
„ProBosque Manú“. Damit bringt er den Kern
des Projektes auf den Punkt.
Unter dem Motto „Mensch und Park“ strebt
das Projekt eine größere Annäherung der in-
digenen Gemeinden im Manú-Tiefland mit
den Nationalparkbehörden an. Beide Par-
teien sollen gemeinsame Nutzungsstrategien
entwickeln wie beispielsweise ein naturver-
trägliches Tourismuskonzept.
Das Projekt mit dem langen Namen „Wald-
schutz und Management der natürlichen Res-
sourcen im Manú Biosphärenreservat“ wird
vom Bundesumweltministerium (BMU) ge-
fördert. Umgesetzt wird das Projekt gemein-
sam von der ZGF und der peruanischen
Schutzgebietsbehörde SERNANP. Hauptziele
sind ein merklicher Rückgang der Entwal-
dung sowie eine nachhaltigere Nutzung der
natürlichen Ressourcen. Das Manú Biosphä-
renreservat im Südosten Perus, das neben
dem Manú Nationalpark im Amazonas-Tief-
AUSZEICHNUNG FÜR DIE ZGF
Die nationale Biodiversitätskommission des
peruanischen Umweltministeriums zeichnet
jedes Jahr Personen und Institutionen für
ihr besonderes Engagement zum Schutz der
biologischen Vielfalt aus. In diesem Jahr ging
die Auszeichnung in der Kategorie „Institu-
tionen“ an das ZGF-Team Peru. Unter dem
diesjährige Motto „Water is life, life is biodi-
versity“ fügt sich das Engagement der ZGF
zum Schutz der Riesenotter ganz hervor-
QR Code: Video des Projekt-
starts von ProBosque Manú
in Lima.
land auch die Bergwälder an den Osthängen
der Anden umfasst, ist Heimat unzähliger
Tier- und Pflanzenarten. Im letzten Jahr-
zehnt gingen jedoch immer größere Teile des
Waldes verloren. Sie wurden von den Bewoh-
nern abgeholzt, um Platz für Anbauflächen
und Weideland zu schaffen.
Offiziell vorgestellt wurde das Projekt am 21.
Mai 2013 in der peruanischen Hauptstadt
Lima. Es wird mit zwei Millionen Euro aus
der Internationalen Klimaschutzinitiative
(IKI) des BMU gefördert. Das Projekt dient
nicht nur der Erhaltung der Biodiversität im
peruanischen Regenwald, durch das Ver-
meiden von Entwaldung trägt es auch zum
Klimaschutz bei.
Pedro Gamboa, Chef der peruanischen
Schutzgebiete sowie Vize-Umweltminister
Gabriel Quijandría Acosta zeigten sich zu-
versichtlich, dass die ZGF der richtige Pro-
jektpartner zur Umsetzung des Vorhabens
sei. Um die gute Zusammenarbeit zu un-
termauern, unterzeichneten Acosta und
ZGF-Programmleiter Dr. Robert Williams
eine neue Kooperationsvereinbarung zwi-
schen der ZGF und dem Ministerium für
die nächsten fünf Jahre.
ZGF-Programmleiter Dr. Robert Williams und der peruanische Vize-Umweltminister Gabriel Quijandría
Acosta unterzeichneten eine neue Kooperationsvereinbarung zwischen der ZGF und dem Ministerium.
ragend ein. Und somit passte es auch, dass
ZGF-Geschäftsführer Dr. Christof Schenck
den Preis in Lima in Empfang nehmen
konnte, denn mit seinen Arbeiten über die
Riesenotter im Manú Nationalpark hatte vor
mehr als 20 Jahren alles angefangen.
6 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
AKTUELLES WELTWEIT
7. 40 Jahre Manú Nationalpark werden von Groß
und Klein gefeiert.
ÄTHIOPIEN
Der Steinbock sucht ein Zuhause
Drei Tage lang stand das große Konferenzzen-
trum Addis Ababa Exhibition Center im Zeichen
der Natur des Landes. Vom 28. bis 30. Juni fei-
erten mehrere Tausend Besucher das erste
Wildlife Festival. Aktionen, Ausstellungen, Vor-
führungen und Infostände informierten über
die vielfältigen Naturschätze Äthiopiens.
Ein ganz besonderes Augenmerk lag auf dem
Simien Nationalpark im Norden des Lan-
des, der unter dem Motto „The Walia needs
a home“ auf sich und die Gefahren, die den
Park bedrohen, aufmerksam machte. Der
„Walia“ ist der Äthiopische Steinbock, ein
wunderschöner schokoladenbrauner Stein-
bock, der nur in den hohen Lagen im Nor-
den Äthiopiens vorkommt. Anfang der
1960er-Jahre waren aufgrund von Jagd und
Lebensraumverlust weniger als 200 Tiere
der Art Walia ibex übrig geblieben. Mit der
Gründung des Simien Nationalparks 1969
wurde der Walia dessen Flaggschiffart und
erholte sich langsam. Heute gibt es zwar wie-
der etwa 500 Tiere, doch gefährdet ist die Art
immer noch. Simien beheimatet nicht nur
die einzige geschützte Steinbock-Population,
sondern auch die zweitgrößte Population des
Äthiopischen Wolfs.
Wie überall kann der Schutz des National-
parks nur gelingen, wenn die Menschen im
Land gut informiert sind und den Park ak-
zeptieren. Auch dazu wollte das Festival
beitragen. Veranstaltet wurde es daher von
der äthiopischen Naturschutzbehörde, der
Ethiopian Wildlife Conservation Autho-
rity (EWCA). Treibende Kraft hinter dem
Festival war Sängerin und Aktivistin Chachi
Tadesse, die auch Ehrenbotschafterin der
EWCA ist. Aber auch die ZGF war als Part-
ner von EWCA einer der Hauptorganisatoren
des Festivals. Das ZGF-Team in Äthiopien
präsentierte während des Festivals einen
ganzen Schwung an neuen Flyern und Bro-
schüren, die dazu beitragen sollen, Simien
bekannter zu machen, ein neuer Führer zu
den Tieren und Pflanzen des Parks und vor
allem die brandneue Internetseite des Parks.
Unter www.simienmountains.org kann man
FESTE FEIERN IM MANÚ
Im Mai und Juni kam das ZGF-Team in Peru
kaum noch aus den Festivitäten heraus. Zu-
erst stand das Riesenotterfestival in der Pro-
vinzhauptstadt Puerto Maldonado auf dem
Programm. Zum zweiten Mal wurde das von
der ZGF ins Leben gerufene Festival gefeiert.
Viele Vereine und Schulen beteiligten sich
bei Vorträgen und einem Festumzug, das
ZGF-Team organisierte eine Ausstellung,
Filmvorführungen und Kinderaktionen.
Höhepunkt war die Zählung der Riesenotter
im Tambopata-Reservat, die unter Anleitung
des ZGF-Otterteams von Parkrangern, Tou-
ristenführern und Volontären durchgeführt
wurde. Insgesamt 25 Riesenotter konnten
die Beobachter zählen. Wenig später stan-
den die Zeremonien anlässlich des 40-jäh-
rigen Bestehens des Manú Nationalparks
an. Seit 20 Jahren ist die ZGF ein fester und
wichtiger Partner des Nationalparks.
Foto:ElizaRichman,ZGF
nun den Park erforschen und findet wert-
volle Tipps für eine Reise nach Simien.
Die ZGF arbeitet seit 2006 in enger Abstim-
mung mit der Ethiopian Wildlife Conser-
vation Authority im Simien Nationalpark.
Gemeinsam mit EWCA und dem Amhara
Bureau of Culture and Tourism entwickelt
das ZGF-Team vor Ort zurzeit einen Manage-
mentplan für den Nationalpark, bildet das
Parkpersonal aus und fördert die Umwelt-
clubs in den Schulen in den Simien-Bergen.
www.simienmountains.org
Viele Ausstellungen und Musikdarbietungen auf dem ersten Wildlife Festival in Addis Abeba
standen ganz im Zeichen des Simien Nationalparks.
7ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
AKTUELLES WELTWEIT
8. RUMÄNIEN
Naturnahe Wiederaufforstung in den Karpaten
In den letzten zehn Jahren fielen im Dam-
bovita Tal, dem östlichen Teil des Natura-
2000-Gebietes Muntii Fagaras, knapp 2.000
Hektar Wald einem unkontrollierten Raub-
bau zum Opfer. Im Rahmen eines LIFE-Pro-
jektes, dem Finanzierungsinstrument der
EU für Natur- und Umweltschutz, bemüht
sich die CARPATHIA-Initiative um die Wie-
derherstellung der degradierten Flächen.
Aufgrund der nachlässigen Forstwirtschaft-
spraktiken zeigen viele der Flächen eine feh-
lende oder sehr verzögerte Naturverjüngung
und der Boden ist ungeschützt der Erosion
preisgegeben. Hinzu kommt, dass umlie-
gende Schäfer diese Kahlschläge vermehrt
als Waldweide nutzen und damit eine even-
tuell aufkommende Naturverjüngung gleich
wieder vernichten. In den letzten Monaten
wurde aus diesen Gründen mit der Bepflan-
zung erster ausgesuchter Flächen begonnen,
um so den Grundstein für eine naturnahe
Waldentwicklung zu legen. Besonderes Au-
genmerk wird dabei auf eine dem Standort
entsprechende natürliche Artenzusammen-
setzung gelegt: eine Mischung aus Buche,
Tanne, Bergahorn, Esche und Ulme soll die
ansonsten vorherrschenden Fichtenbestände
langsam zurückdrängen. Ziel der Initiative
ist die Errichtung eines 60.000 Hektar großen
Wildnisgebietes mit einer reich strukturierten
Waldlandschaft, die einer vielfältigen Tierwelt
als Rückzugsgebiet dient. Mithilfe starker pri-
vater Unterstützung entwickelt sich hier eines
der größten Naturschutzprojekte Europas.
Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt ist
seit 2012 Partner dieser Intitiative.
DER DEUTSCHE WALD
Einst war Deutschland zu 95 Prozent mit
dichtem Wald bedeckt. Eine Vielfalt von fast
70 Baumarten, von der heute nur noch Frag-
mente zeugen. Die prächtigsten dieser Er-
innerungsstücke hat der Fotograf Thomas
Stephan für dieses Buch zusammengetra-
gen: Ein nationaler Schatz, der sich wieder
ausbreiten könnte, wenn unsere Politiker ihr
Versprechen von fünf Prozent Waldwildnis
wahr machen würden. Das Buch führt uns
von den Wäldern an Deutschlands Küsten bis
Foto:BarbaraPromberger
Wiederaufforstung in den Karpaten.
Eins
dich
70 B
men
inne
Step
gen:
ausb
V
8 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
AKTUELLES WELTWEIT
9. Obwohl Orang-Utans (Pongo abelii) bereits
seit 50 Jahren wieder ausgewildert werden,
sind noch lange nicht alle Fragen zu den Men-
schenaffen beantwortet, zu ihrem Verhalten
und vor allem der Frage, wie die Wiederan-
siedlungen so gestaltet werden können, dass
sie auch wirklich der Erhaltung der Art dienen.
Um mit ihrer Forschung zum Erfolg von
Orang-Utan-Wiederansiedlungen beizutra-
gen, untersuchte Dr. Doris Kelle vom Institut
für Forstwissenschaften der Universität Frei-
burg unter der Leitung von ZGF-Projektleiter
Dr. Peter Pratje für ihre Doktorarbeit Orang-
Utans in freier Wildbahn und entwickelte ge-
meinsam mit Kolleginnen und Kollegen ein
Überlebensmodell für die Tiere. Dank dieses
Modells wurde nun sehr viel klarer, was ein
Wald den Orang-Utans bieten muss, damit er
ihnen dauerhaft ein Zuhause sein kann.
Doris Kelle forschte fast zwei Jahre lang in
der Auswilderungsstation der ZGF in In-
donesien, vermaß in der Zeit 18.344 Bäume,
beobachtete vier Monate lang den Alltag der
Orang-Utans und analysierte deren Nahrung.
Besonderes Augenmerk galt der räumlichen
Verteilung von Baumarten, besonders der
Bäume, die den wiederausgewilderten Orang-
Utans als Nahrung dienen. Dabei zeigte sich,
dass gewässernahe Tieflandgebiete, aber
auch Sekundärwald eine hohe Anzahl wich-
tiger Nahrungsbäume aufweisen und dass die
Baumarten Ficus, Parkia und Artocarpus für
die Affen besonders wichtige Nahrungsquel-
len sind. Dass Sekundärwald für die Orang-
Utans besser oder auch genauso gut geeignet
sein soll wie der ursprüngliche Primärwald,
irritiert zunächst.
„Im direkten Vergleich zwischen Primär-
wald und Sekundärwald habe ich tatsäch-
lich hinsichtlich der Nahrungsbäume eine
geeignetere Baumartenzusammensetzung im
Sekundärwald gefunden“, sagt die Wissen-
schaftlerin. Dies gehe wahrscheinlich damit
einher, dass in den "alten" Wäldern Baumar-
ten vorherrschen, die zwar für die Holzindu-
strie interessant seien, aber nicht als Nahrung
für die Orang-Utans infrage kommen. „Da-
durch, dass diese Bäume riesig sind und al-
les andere unterdrücken, ist die Artenvielfalt
geringer und somit auch die Nahrungsbaum-
vielfalt für Orang-Utans. Zudem gibt es im
Sekundärwald Öffnungen im Kronendach
und größere lichte Stellen. Das heißt, es gibt
eine Vielfalt an Sukzessionsstadien, die opti-
mal für schnell wachsenden Bäumen sind“,
erläutert Kelle.
Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, ein
sekundärer, also ein nach dem Abholzen des
ursprünglichen Primärwaldes wieder neu
gewachsener Wald, sei vollkommen aus-
reichend, wäre ein arger Trugschluss. „Wir
haben vielmehr gezeigt, dass der Sekun-
därwald in Puncto Nahrung für die Tiere
ein sehr gutes Habitat ist“, sagt Doris Kelle.
Ihre Arbeit belegt damit einmal mehr, wie
wichtig die Pufferzonen um den National-
park herum sind und dass Störungen in die-
sen Pufferzonen, etwa durch Holzeinschlag
oder die Förderung von Kohle im Tagebau,
weit in den Bukit Tigapuluh Nationalpark
hineinwirken. „Der Wert des Primärwaldes
mit Lianen und hohen Schlafbäumen für die
Orangs ist nicht zu unterschätzen, mal ganz
abgesehen von der Abgeschiedenheit und
Sicherheit des Parks“, sagt Doris Kelle.
Noch ist die neue Orang-Utan-Population
in Bukit Tigapuluh nicht endgültig etabliert,
was es schwer macht, zu bewerten, in wel-
chem Umfang sie tatsächlich zur Erhaltung
des Art Pongo abelii beiträgt. Doch es gibt
mittlerweile die erste Generation von Orang-
Utans, die in der Wildnis geboren worden
ist. Damit wurde eine große Hürde auf dem
Weg zur dauerhaften Etablierung bereits ge-
nommen. „Da Orang-Utans sich nur sehr
langsam entwickeln und fortpflanzen, wird
es noch einige Jahre dauern, bis eine ein-
deutigere Bewertung möglich ist“, sagt Doris
Kelle. „Bis dahin ist die größte Aufgabe bei
der Wiederauswilderung von Orang-Utans
die Erhaltung des Lebensraums, ohne den
die Art nicht bestehen kann.
Doris Kelle und Jenggo, einer der Orang-Utans
des Wiederauswilderungsprogrammes.
ORANG-UTANS
Die Baumvermesserin
zu den bayerischen Bergwäldern. Die außer-
gewöhnlichen Aufnahmen werden begleitet
von einem Text der ehemaligen GEO-Re-
dakteurin Uta Henschel, der anschaulich
und mit manch überraschender Information
die Geschichte von der romantischen Verklä-
rung bis zur heutigen politischen Diskussion
um den deutschen Wald erzählt.
Thomas Stephan, Uta Henschel
GRÜNES WUNDER – Wälder in Deutschland
Erschienen 2012 bei Grubbe Media GmbH
Hardcover mit Schutzumschlag
200 Seiten mit ca. 180 Farbabbildungen,
49,95 €
ISBN: 978 3 942194 08 2
Foto:DorisKelle
9ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
AKTUELLES WELTWEIT
10. Warum wir Nationalparks brauchen.
THEMA
S chwe r punkt
10 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
11. U
nser Land ist reich an vielfältigen Landschaften. In der Mitte
Europas gelegen, hat es Anteile an vielen Naturräumen dieses
Kontinents, die uns als seit Jahrhunderten genutzte und ge-
pflegte Naturlandschaften vertraut sind.
Arm ist unser Land hingegen an ursprünglicher Wildnis. Nur im
Hochgebirge, in Teilen der Küstenlandschaft an Nord- und Ostsee
sowie auf Restflächen der ehemals großen Moorlandschaften finden
wir noch Gebiete, wo seit jeher Natur Natur sein darf. Diese Armut
an Wildnis mit ihrem eigenen Wert und Reiz an Schönheit, Unbere-
chenbarkeit und manchmal auch Gefahr wird uns umso bewusster,
je mehr sich in den letzten Jahrzehnten die alte, vertraute, vielfältige
Kulturlandschaft der Äcker, Wiesen und Wälder in hochmechani-
sierte Produktionsflächen von Nahrungsmitteln und nachwachsen-
den Rohstoffen verwandelt hat.
Erstmals leben in Deutschland mehr Menschen in den Städten als
auf dem Land. Unsere moderne Art zu leben hat weltweit die Gren-
zen der nachhaltigen Nutzung des Planeten überschritten. Die Fol-
gen dieser Entwicklung können wir an unseren Landschaften sehen
und den Verlust an Vielfalt in den Roten Listen und der geringer
werdenden Artenvielfalt erkennen. Der Verlust für die Qualität un-
serer eigenen Beziehung zu unserer natürlichen Umwelt ist erst in
Ansätzen zu erahnen. Diese knappe Situationsbeschreibung zeigt
den Hintergrund, vor dem heute eine oft hoch emotional geführte
Debatte über das Zulassen von neuer Wildnis in Nationalparks und
den Kernzonen der Biosphärenreservate entbrannt ist.
Von Karl Friedrich Sinner
In unseren Nationalparks lassen
wir Wildnis zu, darf die Natur
Natur sein. Nicht nur für
Artenvielfalt und natürliche
Prozesse ist dies elementar,
sondern auch für uns Menschen.
Das Ziel, fünf Prozent unserer
Wälder aus der wirtschaftlichen
Nutzung zu nehmen, sollte
eigentlich ohne große Debatte
umgesetzt werden können.
Eigentlich.
FotFotFotFos:os:os:KaKaKaarlrrFriFriFriFriFrrrredrredredrdeddddechhichichchchchichchhchhciciciiiSiSiSiSiSiSiiSiSSSSnnennennenenneennnnnnnnnnnnnrrrrrrrr
ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013 11
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
12. Im "Gesellschaftlichen Vertrag zu Waldbewirt-
schaftung" war bereits 2001 Konsens, dass
fünf Prozent der Waldfläche aus der Nutzung
zu nehmen sind.
Auslöser für die Debatte ist das Ziel in der Biodiversitätsstrategie der
Bundesregierung, bis 2020 in Deutschland wieder auf zwei Prozent
der Fläche Wildnis zuzulassen und fünf Prozent der Wälder unseres
Landes nicht mehr zu nutzen. Es ist ein bleibender Verdienst des
Deutschen Forstwirtschaftsrates, dass anlässlich des 1. Deutschen
Waldgipfels 2001 mit allen relevanten Gruppen der Forstwirtschaft,
der Holzindustrie und des Naturschutzes der „Gesellschaftliche Ver-
trag zur Waldbewirtschaftung“ abgeschlossen wurde. Im Kapitel Na-
turschutz sieht dieser Vertrag vor, dass neben der Integration des
Naturschutzes in die Bewirtschaftung, fünf Prozent der Waldfläche
aus der Nutzung zu nehmen sind. Aus diesem von allen getragenen
Konsens kam das Fünf-Prozent-Ziel in die Biodiversitätsstrategie –
und damit begann ein erbitterter Streit zwischen den Partnern des
gesellschaftlichen Vertrages.
Wildnisgegner argumentieren mit dem nicht zu verantwortenden
Verzicht auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen unseres Lan-
des, dem tausendfachen Verlust von Arbeitsplätzen in der Wert-
schöpfungskette des Clusters Forst, Holz und Papier sowie der
Vernichtung von Existenzen gerade im ländlichen Bereich und da-
mit der Verödung ganzer Landstriche, ja der Entvölkerung ganzer
Dörfer. Wildnis wird damit als zerstörerisch für die Natur – Totholz-
wüste statt Wald – und menschenfeindlich dargestellt. Wildnis sei
damit die ökologische und ökonomische Katastrophe für den vom
Menschen über Jahrhunderte gepflegten Garten Eden unserer Kul-
turlandschaft, der von allen geliebten und vertrauten Heimat. In
dieser Argumentation wird ein Bild menschenfeindlicher Wildnis
gezeichnet, mit der emotional – Heimatverlust – Menschen zur Ver-
teidigung nüchterner wirtschaftlicher Interessen im Rahmen von
Verteilungskämpfen an der Verfügbarkeit von zwar nachwachsen-
den, aber dennoch begrenzten Rohstoffen mobilisiert werden.
Wildnis ist der Teil der Natur, den wir
Menschen nicht unseren materiellen
Bedürfnissen untergeordnet haben.
Wildnis kann nicht wissenschaftlich definiert werden. Wildnis ist
die Beschreibung für den Teil der Natur, den wir Menschen nicht
unseren materiellen Bedürfnissen untergeordnet haben, von dem
sich die ersten Bauern und Viehzüchter durch Zäune abgegrenzt ha-
ben, um ihre Produktion vor den Gefahren der umgebenden Wild-
nis zu schützen. Wildnis war das Unkontrollierte und Gefährliche,
waren die wilden unzugänglichen Wälder unseres Landes mit ihrer
12 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
13. erschreckenden unermesslichen Uferlosigkeit, ihren wilden gefähr-
lichen Tieren, bestenfalls Aufenthaltsort für Gesetzlose und Räuber,
für Zauberer und Hexen. Es wurde als kulturelle Leistung verstan-
den, diese Wildnis zu beseitigen, sie nutzbar zu machen und ihre Na-
tur zu zähmen und zu kontrollieren. Doch mit ihrem zunehmenden
Verschwinden wurden die letzten kleinen Reste der wilden Wälder
zu Denkmälern einer vergangenen Zeit, zu Symbolen einer nicht ge-
stillten Sehnsucht nach ursprünglicher, unverfälschter Natur, nach
Mythen und Sagen, nach den Traumländern der Kindheit mit Elfen,
guten Feen und helfendem kleinen Volk, den Zwergen.
Aus der neuen Welt, aus den Vereinigten Staaten von Amerika mit
ihrem Wilden Westen, kam in dieser Zeit des fast vollständigen
Verschwindens unserer heimischen Ursprungslandschaft die Idee
der Nationalparks nach Europa und spät auch in unser Land. 1970
wurde der erste Nationalpark in Deutschland im Bayerischen Wald
gegründet, dem bis heute 13 weitere folgten.
Das war der Aufbruch zu einem neuen Weg des Naturschutzes.
Nicht mehr das Festhalten eines gerade existierenden wertvollen
Entwicklungszustandes der Natur in der Kulturlandschaft, sondern
das Wiederzulassen der natürlichen Dynamik und der natürlichen
Prozesse wurde nach vielen Diskussionen und Lernen von ande-
ren Nationalparks weltweit zum Markenzeichen der Nationalparks
in Deutschland.
Macht und Kraft der Natur zeigen sich im
schier undurchdringlichen Verhau von Windwür-
fen, im Mikadospiel zusammenbrechender Bor-
kenkäferflächen. Alle Pflanzen und Tiere, die im
tiefen Schatten der Wälder oft jahrzehntelang auf
das Öffnen des Kronendaches warten mussten,
nutzen ihre Lebenschance – bis sich der Vorhang
erneut zuzieht und für lange Zeit das geheimnis-
volle Dämmerlicht des Waldinneren schafft.
Genauso tastend und vorsichtig, wie sich der Gedanke einer neu
entstehenden Wildnis in Nationalparks entwickelte, so langsam und
gleichsam zögerlich entwickelten sich die Wälder in den National-
parks; zunächst fast unmerklich, dann aber oft stürmisch und hoch
dynamisch sprengten sie das ihnen durch die frühere menschliche
Nutzung angelegte Korsett und gewannen damit nach und nach alle
Strukturen und Lebensphasen wieder, wie sie ursprünglichen natür-
lichen Wäldern zu eigen sind. Dieser Prozess ist unaufhörlich und
gibt den ehemaligen Wirtschaftswäldern Reifung, Alterung, Zerfall
und Erneuerung mit all ihren uns fremd gewordenen Erscheinungs-
formen zurück. Bäume leben wieder bis an ihr natürliches Lebens-
ende, werden zu mächtigen Baumgestalten und erfüllen unsere
13ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013 13
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
14. fantasievollen Vorstellungen von Uraltwäldern mit Bildern aus den
Märchen unserer Kindheit. Macht und Kraft der Natur zeigen sich
im schier undurchdringlichen Verhau von Windwürfen, von Schnee-
bruchnestern, im Mikadospiel zusammenbrechender Borkenkäfer-
flächen, in denen schon am Tag des uns Menschen oft verstörenden
Naturereignisses des scheinbaren Waldzusammenbruches das neue
Leben beginnt. Alle Pflanzen und Tiere, die im tiefen Schatten der
Wälder oft jahrzehntelang auf das Öffnen des Kronendaches war-
ten mussten, haben nun ihr „Eldorado“ gefunden, nutzen die Gunst
der Stunde und ihre Lebenschance, bis nach wenigen Jahren und
Jahrzehnten die heute kaum daumengroßen Sämlinge herangewach-
sen sind und erneut den Vorhang zuziehen und für lange Zeit das
geheimnisvolle Dämmerlicht des Waldinneren schaffen. Dann ist
aus den alten, abgestorbenen Bäumen längst fruchtbarer Humus
geworden, nachdem sie über viele Jahre vom eigenen Leben zum
Lebensmittel für viele geworden sind.
Holz bewohnende Insekten graben ihre Gänge in das noch feste
helle Holz der toten Bäume, bereiten den Weg für farbenprächtige
Holz zersetzende Pilze mit ihren schwarzen, grauen, orangefarbenen
oder zitronengelben Fruchtkörpern, während ihr weißes Myzel den
Holzkörper durchdringt und aufschließt. In allen Schattierungen der
Farbe Grün besiedeln Moose den Baum, durchsetzt von Algen mit
ihren blaugrünen Lichtern und gekrönt von Flechten in Silbergrau
und Purpurrot. Ihnen allen folgt das Milliardenheer an Bakterien
und Kleinstlebewesen, die aus dem festen Holz einen Wasser hal-
tenden Schwamm machen, der zum idealen Keimbett für eine neue
Waldgeneration wird. Natur darf wieder Natur sein.
Tagelang in der Wildnis zu wandern, gibt uns
ein Gefühl für die Großartigkeit unserer Heimat-
landschaften zurück. Nationalparks sind nicht
nur Naturschutzgebiete, sondern auch Seelen-
schutzgebiete für Menschen.
Diese Vollständigkeit des Lebens in unseren Wäldern können wir
heute in unseren bestehenden und künftig in weiteren National-
parks erleben. Diese Wälder unterscheiden sich deutlich von den
Wirtschaftswäldern mit ihrem dichten Erschließungsnetz an Forst-
wegen und Rückegassen. Am besten sind sie auf schmalen Steigen
und Pfaden zu erkunden, mitten durch ihr geheimnisvolles wildes
und freies Leben, nicht auf breiten Wegen, wo man sich zwischen
zwei Waldrändern bewegt. Sie breiten einen ständig im Muster wech-
selnden Patchworkteppich an Formen und Farben vor uns aus. Die
vertrauten Formen und Farben der Waldbäume mit ihren grauen
und braunen Rinden, glatt oder schuppig gestaltet, ihren hellgrü-
nen Blättern und dunklen Nadeln werden harmonisch ergänzt mit
dem samtigen Silber hochaufragender Säulen mit rauen schartigen
Bruchkanten, deren helles Holz im Laufe der Jahre von Hellgelb
über Orangerot ins satte Mahagoni wechselt. Das Heer der Zunder-
schwämme formt neue Gesichter, wie Diamanten funkelnde Was-
sertropfen schmücken die vielfarbigen Pilzkonsolen. Blütenduft und
Sonnenwärme wechseln mit dunklen Schatten und dem tiefen Duft
des von grünen Kissen aus Moos bedeckten Waldbodens. Diese Wäl-
der lassen uns verstehen, was Hubert Weinzierl meinte, als er sagte:
„Wildnis ist, den Garten Eden nicht zu jäten, sondern einfach wach-
sen zu lassen.“ Tagelang in der Wildnis zu wandern, gibt uns ein Ge-
fühl für die Großartigkeit unserer Heimatlandschaften zurück, lässt
uns teilhaben an der Freiheit alles Lebendigen, so zu leben, wie es
ihr eigenes Leben ist, ihr Sterben und das neu entstehende Leben in
einem nicht endenden vielfältigen Prozess des Werdens, Vergehens
und wieder Werdens. In diesen Grundelementen des Daseins auf der
Erde haben wir die Möglichkeit, uns selbst zu finden und mit allen
unseren Facetten neu zu entdecken und zu verstehen, was Albert
Schweitzer die Ehrfurcht vor dem Leben nannte („Ich bin Leben, das
leben will, inmitten von Leben, das leben will“).
Die Nationalparks mit ihrer faszinierenden Wildnis sind damit nicht
nur wichtig für unsere Mitgeschöpfe, sie sind wichtig für uns selbst.
Sie sind nicht nur Naturschutzgebiete, sondern Seelenschutzgebiete
für Menschen.
Der Weitblick der Teilnehmer am 1. Deutschen Waldgipfel vor zwölf
Jahren und der Abschluss eines gesellschaftlichen Vertrags mit der
Zielsetzung, fünf Prozent der Wälder stillzulegen, ist bemerkens-
wert. Es gilt, diesen Vertrag mit Leben zu erfüllen, mit dem Leben
neuer wilder Wälder.
Der Forstwissenschaftler Karl Friedrich Sinner war von 1998 bis
2011 Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald und ist nun im
Ruhestand. Sinner gilt als engagierter Verfechter der Waldwildnis
und erfolgreicher Brückenbauer zwischen Forstwirtschaft und
Naturschutz. Sinner ist im Vorstand von Europarc Deutschland
und setzt sich gemeinsam mit der ZGF für die Einrichtung
neuer Nationalparks in Deutschland ein.
heute in unseren bestehenden und künftig in weiteren National- wert. Es gilt
neuer wilder
Der Forstwis
2011 Leiter
Ruhestand.
und erfolgre
Naturschut
und setz
neuer
Foto:DetlefMöbius/ZGF
14
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
15. NATIONALPARKS IN DEUTSCHLAND
HAMBURGISCHES
WATTENMEER
13.750 Hektar
(ca. 97 % Wasserfläche)
Seit 1990
HARZ
24.732 Hektar
Seit 1990/94
HAINICH
7.513 Hektar
Seit 1997EIFEL
10.880 Hektar
Seit 2004
MÜRITZ
NATIONALPARK
32.200 Hektar
Seit 1990
SÄCHSISCHE
SCHWEIZ
9.350 Hektar
Seit 1990
BERCHTESGADEN
20.804 Hektar
Seit 1978
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES
WATTENMEER
441.500 Hektar
(ca. 98% Wasserfläche)
Seit 1985
VORPOMMERSCHE
BODDENLANDSCHAFT
78.600 Hektar
(ca. 83 % Wasserfläche)
Seit 1990
JASMUND
3.003 Hektar
(ca. 22 % Wasserfläche)
Seit 1990
UNTERES
ODERTAL
10.323 Hektar
Seit 1995
BAYERISCHER
WALD
24.217 Hektar
Seit 1970
NIEDERSÄCHSISCHES
WATTENMEER
345.000 Hektar
(93 % Wasserfläche)
Seit 1986
KELLERWALD-EDERSEE
5.724 Hektar
Seit 2004
Nationalparks sind das Herzstück der Wildnis
in Deutschland. Einzig der Südwesten der
Republik besitzt bisher keinen Nationalpark.
Konkret in der Planung sind jedoch National-
parks im Nordschwarzwald und im Hunsrück.
15ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
16. Auf den Flächen der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg darf
Wildnis in ihrem ursprünglichsten Sinne entstehen. Das bedeutet auch,
dass Lebensräume verschwinden – weil ihnen andere nachfolgen.
Von Heiko Schumacher
FotFototo:o:ooJulJulJuuaiaaaBauBauBauBaumeimeimestesteerr
16 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
17. Felder von fruchtendem Wollgras zaubern ein helles Weiß in die
Landschaft, Seggen, kleine Torfmoosberge und im Wind wogende
Schilfhalme ein tiefes Grün, der Sonnentau ein intensives Rot.
Skurrile Baumskelette ragen am Moorrand in den Abendhimmel,
während das Moor im Begriff ist, gefallene Baumstämme zu ver-
schlingen. Glitzernde Wasserflächen im Moor spiegeln sich in der
Abendsonne, bewegt vom Wind und einigen Grünfröschen, die ab
und an knurrende Geräusche von sich geben.
Ich sitze am Großen Luch. Inmitten einer großen, beeindruckenden
Wildnisfläche im Süden Brandenburgs. Und ich bin fasziniert von
den Farben und Formen dieses Naturschauspiels.
Für das Lied dieser Landschaft sorgen auch die Kraniche, wenn sie,
erschreckt durch einen am Moorrand vorbeiziehenden Rothirsch,
trompetend die Luft erfüllen. Der Drosselrohrsänger knarzt laut ver-
nehmbar auf einem Schilfhalm, den er bald der Rohrammer über-
lässt und die Bekassine fliegt meckernd ihre Kreise hoch über dem
Moor. Ich schließe die Augen und denke, ich bin im Paradies.
Alles nur Fantasie? Wunschträume aus längst vergangenen Zeiten?
Keineswegs - das Große Luch ist eine der Moorflächen der Stiftung
Naturlandschaften Brandenburg im Jahr 2013. Hier, auf dem ehema-
ligen Truppenübungsplatz Lieberose, darf Wildnis entstehen – auch
und besonders dank des Engagements vieler Förderer wie der Zoo-
logischen Gesellschaft Frankfurt.
MOORE – BESONDERE NISCHEN FÜR BESONDERE ARTEN
Ökologisch besonders wertvoll sind sie, die Moore der Lieberoser
Hochfläche, ca. 90 Kilometer südöstlich von Berlin. Als Lebens-
raum, als CO2
-Speicher helfen sie, den Klimawandel einzudämmen
und als Wasserreservoir übernehmen sie viele wichtige Ausgleichs-
funktionen in Trocken- wie in Hochwasserzeiten. Zahlreiche seltene,
an die speziellen Lebensbedingungen angepasste Tier- und Pflan-
zenarten leben in den Mooren und finden hier ihr Rückzugsgebiet.
An den Moorrändern entstehendes Totholz bietet wiederum ganz
anderen Arten einen wichtigen Lebensraum. Eine nahezu unglaub-
liche Vielfalt an Pilzen, schützenswerten Käfern und Spinnen lebt
hier. Spechte zimmern ihre Höhlen in das Holz und sind wichtige
Baumeister am Haus der biologischen Vielfalt – mit ihrer Aktivität
schaffen sie Wohnraum für wiederum neue Nutzer – andere Vogel-
arten, Insekten, Spinnen oder Fledermäuse.
Großes Luch – 1999
Großes Luch – 2012
Großes Luch – 2011
Fotos:LaNaServ/K.Winter/D.Stremke
Die Moorfläche des Großen Luchs in Brandenburg im Laufe der Zeit.
Dank mehrerer regenreicher Jahre setzte der natürliche Kreisauf wieder
ein, die Bäume auf der ausgetrockneten Moorfläche starben ab, Torfmoose,
Seggen, Sonnentau und andere typische Moorbewohner wie beispielsweise
die Moosbeere (links) fanden wieder eine Lebensgrundlage vor und began-
nen zu wachsen.
17ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
18. So faszinierend sieht es aus, wenn Natur Natur sein darf. Es entste-
hen besondere Nischen für Arten, die es gelernt haben, mit extre-
men Lebensbedingungen auszukommen. Selbst die Rettung dieser
Moore hat die Natur beinahe selbst geregelt: Bis nach der Jahrtau-
sendwende bewirkten geringe Niederschläge sowie Kiefern und
Birken mit ihrer Verdunstungsaktivität eine oberflächige Austrock-
nung der Moore. Danach setzten Jahre mit viel Regen den natür-
lichen Kreislauf wieder in Gang.
Durch die hohen Wasserstände starben die Bäume, die auf den aus-
getrockneten Mooren mittlerweile gewachsen waren, wieder ab.
Torfmoose, Seggen, Sonnentau, Weißes Schnabelried und andere
typische Moorbewohner fanden ihre Lebensgrundlagen erfüllt und
begannen erneut mit dem Wachstum. Moor-Charakterarten wie die
Bekassine, der Kranich oder die Große Moosjungfer können sich aus
ihren Rückzugsräumen heraus wieder ausbreiten.
Eine letzte Hilfe von Menschenhand leistet die Stiftung Naturland-
schaften Brandenburg: Sie wird alte Entwässerungseinrichtungen
zurückbauen, damit künftig das Wasser im Moor bleiben kann und
nicht im Grund versickert. Dann ist alles getan, um die Moore end-
gültig einer Wildnisentwicklung zu übergeben.
Auch auf einer anderen Fläche der Stiftung, einem ehemaligen Trup-
penübungsplatz bei Jüterbog, können wir ein einzigartiges Schau-
spiel erleben. Im Sommer 2010 brannte dort der Wald auf einer
Fläche von etwa 250 Hektar. Trockenheit und Hitze begünstigten
das Feuer, das vermutlich durch Selbstentzündung alter Munition
verursacht worden war. Auf der Stiftungsfläche durfte das Feuer wü-
ten, ein weiträumig gezogener Randstreifen jedoch verhinderte die
Ausbreitung des Brandes auf angrenzende Wälder und Ortschaften.
In der Brandfläche selbst starben die Kiefern und Birken sowie der
Bodenbewuchs teils vollständig, teils nur partiell ab. Solche Ereig-
nisse eröffnen die Chance für neues Leben. Spannende Prozesse
beginnen mit dem Wiederaustrieb der Gräser und Kräuter, dem
Keimen von Arten, die ohne den Brand keine Chance auf Wachsen
und Gedeihen gehabt hätten. An den Wurzelstöcken austreibende
und neu keimende Bäume geben der Landschaft durch das Neben-
einander von Sterben und neuem Leben in kürzester Zeit ein faszi-
nierendes Bild.
Auf Flächen, auf denen man einst Kriege zu führen übte, kann sich
der stille Gast nun an der berauschenden Natur erfreuen. Der Wert
der Wildnis, er wird besonders in unseren Mooren deutlich, aber
auch durch die Kraft spürbar, mit der sich Natur selbst regene-
rieren kann.
Dr. Heiko Schumacher ist Projektleiter Lieberose bei der Stiftung
Naturlandschaften Brandenburg und häufig auf den Flächen des
ehemaligen Truppenübungsplatzes unterwegs.
250 Hektar Wald brannten im Sommer 2010 bei Jüterbog ab. Innerhalb kürzester Zeit begann die Wiederbesiedlung der Flächen.
Foto:DavidKolöchter
18 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
19. WALDSCHUTZ
ist keine Frage der Ideologie. Seinen
ursprünglichen Wald zu bewahren,
ist die Verantwortung jedes Landes –
nicht nur der Regenwald-Länder wie
Brasilien oder Indonesien.
5%der staatlichen Waldfläche sollen sich
nach Plänen der deutschen Bundes-
regierung natürlich entwickeln dürfen.
Die restlichen 95 Prozent an Wald-
fläche würden von der Forstwirtschaft
genutzt werden. Die Naturschutzver-
bände fordern 10 Prozent natürliche
Waldentwicklung.
14Nationalparks haben wir in Deutschland.
Um das Wildnisziel der Bundesregierung
von 2 Prozent zu erreichen, fehlen noch
mehr als 450.000 Hektar. Eigentlich müssten
bis 2020 zwei bis drei Nationalparks oder
andere große Wildnis-Schutzgebiete aus-
gewiesen werden – pro Jahr!
BUCHENwerden bis zu 300 Jahre alt. Erst ab
einem Alter von 180 Jahren werden
sie interessant für viele Tier- und
Pflanzenarten wie etwa den Schwarz-
specht. Nutzen wir die Buchen etwa für
Brennholz oder in der Möbelindustrie,
werden sie im Alter von 100 bis 140
Jahren gefällt.
WILDNISkann sich großflächig nur in Nationalparks
aber beispielsweise auch auf ehemaligen
Truppenübungsplätzen entwickeln, denn
sie geben der Natur Raum, sich ungestört
durch menschliche Eingriffe zu entfalten.
Die ZGF hat sich aus ihren Kulturlandschafts-
projekten in Deutschland und Mitteleuropa
zurückgezogen, um im größten Defizit des
Naturschutzes, dem großflächigen Wildnis-
schutz, in den kommenden Jahrzehnten
signifikante Fortschritte zu erzielen.
MENSCHEN
sind in Nationalparks als Besucher und
Beobachter willkommen. Deutsche National-
parks kosten im Gegensatz zu Parks in den
meisten anderen Ländern keinen Eintritt.
51 Mio.Besucher zieht es jährlich in deutsche
Nationalparks. Das generiert in den
Nationalparkregionen rund 21 Mrd. Euro.
(Bundesamt für Naturschutz, 2009)
der deutschen Landesfläche sollen bis 2020
Wildnis sein, das hat Deutschland der inter-
nationalen Staatengemeinschaft zugesagt.
Bislang darf aber nur auf 0,7 Prozent unserer
Landesfläche Natur wirklich Natur sein.
Damit liegt Deutschland im europaweiten
Vergleich weit hinten.
2%
Fakt N0
8
Fakt N0
5
Fakt N0
1
Fakt N0
7
Fakt N0
3
Fakt N0
4
Fakt N0
2
Fakt N0
6
DAS WILDNISZIEL IN ZAHLEN
19ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
20. Premiummarke
Nationalpark
Nationalparks dienen zum einen der Erhaltung
natürlicher Ressourcen und der Biodiversität.
Zum anderen stellen sie wichtige Attraktionen
für den Naturtourismus dar. Bringen National-
parks etwas für die Regionalentwicklung?
Von Prof. Dr. Hubert Job
FotFotFotFotFotFotFotFotFotFottoFFFFFFFFFo:o:o:o:o:o::o:o:o::o:SteSteSteSteSteSteSteSteeteSttSfanfanfanfanfananfanfanfafaafffKiKiKiKiKiKiKiKiKiKKKKefeefeefeefeefeefeefeeefeefeefeeeeeeefeeefeefeefr/Ir/Ir/Ir/I/Ir/I/Ir/III///r//magmagmagmagmagmagmagagmagmagagmamamamebrebrebrebrebrebrebrebrebreokeokeokekeokeokeokeokeokeokekekokkor/Or/Or/Or/O/Or/Or/Or/Or/OOr/Or/Or/KAPKAPKAPKAPKAPKAPKAPAPPKAPKAPKAPAPAIAIAIAIAIAIAIAAAIA
20 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
21. Der deutsche und insbesondere der glo-
bale Tourismus haben in den letzten zwei
Jahrzehnten phänomenal zugenommen.
Laut Zahlen der Welttourismusorganisa-
tion UNWTO gab es 2012 mehr als eine
Milliarde internationale Reisende. Welt-
weite Zukunftsprognosen sagen weiter
Wachstumsraten von ca. vier Prozent jähr-
lich für den Tourismus voraus. Bereits 1998
schätzte die UNWTO, dass der Naturtouris-
mus in Schutzgebieten für etwa 20 Prozent
aller touristischen Ausgaben verantwort-
lich war. In vielen Regionen und Ländern
ist der Fremdenverkehr ein wesentlicher
Wirtschaftsfaktor.
Auch in Deutschland repräsentieren Natio-
nalparks und andere Schutzgebiete die land-
schaftliche Vielfalt des Reiselandes. „Natur
und Landschaft“ gehören laut der Deutschen
Zentrale für Tourismus DZT seit nunmehr
fünf Jahren durchgehend zu den Top-Ent-
scheidungskriterien für einen Deutschland-
urlaub. Naturtourismus ist jedoch oftmals
vielschichtig; nicht nur dem Erholungsbe-
dürfnis soll Rechnung getragen werden, son-
dern auch Naturschutzanliegen sowie der
Entwicklung der lokalen und nationalen
Wirtschaft. Häufig stehen diese Zielsetzungen
im Konflikt miteinander, beispielsweise im
Falle von ansteigenden Besucherzahlen, die
dann zunehmend für ökologische oder auch
soziale Probleme sorgen.
Bringen Nationalparks etwas für die Regio-
nalentwicklung? Ja, das tun sie, auch wenn
sich das zunächst etwas abwegig anhören
mag. Nationalparks verkörpern das weltweit
tradierte Flächenschutzinstrument, bei ih-
nen geht es um Prozessschutz. Das heißt: in
bestimmten, klar definierten Räumen Natur
Natur sein zu lassen. Hier soll letztlich Wild-
nis entstehen.
Gegen Wildnis wurde in der mitteleuropä-
ischen Kulturgeschichte Jahrtausende lang
angekämpft. Und dennoch kann eine Region
Von Rangern geführte Touren stehen bei den Besuchern des Nationalparks Eifel hoch im Kurs.
Jeder zweite Teilnehmer einer solchen Tour ist Übernachtungsgast in der Region und bleibt im
Schnitt 3,5 Tage.
von einem Nationalpark wirtschaftlich pro-
fitieren, auch in Deutschland!
Das haben politische Entscheidungsträger
schon früh erkannt. Der Nationalpark Bay-
erischer Wald wurde bereits 1970 mit dem
expliziten Ziel einer regionalwirtschaft-
lichen Förderung ausgewiesen, was sich
durch die damalige Lage im Zonenrand-
gebiet begründete. Heute liegen bis auf die
Eifel alle deutschen Nationalparks in dünn
besiedelten, ländlichen Regionen mit ge-
ringer Wirtschaftskraft sowie relativ hoher
Arbeitslosigkeit. Das Bestreben, in Zukunft
genau dort weitere Verluste der Wirtschafts-
kraft und ein Abwandern der Bevölkerung
zu verhindern, findet man in den Verord-
nungen dieser Schutzgebiete verankert. Für
den Müritz-Nationalpark liest sich das ex-
emplarisch so: „In dem Nationalpark wird
keine wirtschaftsbestimmte Nutzung be-
zweckt; er soll aber zur Strukturverbesserung
der Region beitragen.“
VOM NUTZEN EINES NATIONALPARKS
Der Nutzen eines Nationalparks resultiert
aus seinen mit der Naturnähe gekoppelten
Funktionen, das heißt: Güter und Dienst-
leistungen, die uns Menschen durch das
Schutzgebiet als öffentliches Gut kostenlos
zur Verfügung stehen. Man spricht hier von
Ökosystemleistungen.
Die wirtschaftlichen Wertkomponenten
eines Nationalparks lassen sich in Ge-
brauchswerte und Nicht-Gebrauchswerte
unterteilen. Für die regionale Wirtschaft
von besonderem Interesse sind die direkten
Gebrauchswerte, unter anderem Land- und
Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei sowie
Tourismus.
Fotos:NationalparkverwaltungEifel
21ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
22. Aufgrund ihrer landschaftlichen Attrak-
tion als Wildnisgebiete haben National-
parks eine einmalige Marktstellung. Sie
ist weder beliebig vermehrbar noch trans-
ferierbar und – wegen der rechtsstaatlichen
Verankerung – auch nicht imitierbar. Natio-
nalparks zählen weltweit traditionell zu
den touristischen Highlights. Das heißt,
das Potenzial zur Regionalentwicklung
steckt hauptsächlich im Markencharakter
sowie in der Knappheit der Nationalparks
am Markt. Und eine immer stärker urbani-
sierte Gesellschaft in Deutschland verlangt
nach ökologisch intakten und naturnahen,
ästhetisch beeindruckenden Landschaf-
ten. Die Verminderung eines dementspre-
chenden Angebots insbesondere in den
Ballungsräumen, in denen schon heute fast
drei Viertel der deutschen Bevölkerung le-
ben, eröffnet den Nationalparkregionen die
Chance, sich gegenüber anderen touristi-
schen Destinationen durch ihre exklusive
Offerte an Natur abzusetzen.
Naturtourismus gilt weltweit als die beste
Option für Regionalentwicklung im Natio-
nalparkumfeld. Touristisch geht es nicht nur
um den Nationalpark selbst, sondern um
die gesamte benachbarte Region, die sich
als naturtouristische Destination im Marke-
ting nach innen aufstellen und nach außen
kohärent präsentieren muss, um am hart
umkämpften Tourismusmarkt langfristig
erfolgreich sein zu können. Schaffen das die
Nationalparks in Deutschland?
Lange mangelte es in Deutschland an be-
lastbaren Daten. Die Aufgabe einer lang-
fristig angelegten Untersuchung durch das
Bundesumweltministerium bestand des-
halb darin, eine Abschätzung der durch
Naturtourismus in deutschen National-
parks erzielten ökonomischen Effekte
durchzuführen.
Für die verschiedenen Nationalparks in
Deutschland lässt sich das sogenannte
Einkommensäquivalent für eine Region
ableiten, vergleichbar mit potenziellen
Vollzeitarbeitsplätzen. Hochgerechnet auf
Bundesebene gibt das einen Wert für den
touristischen Nutzen aller 14 deutschen
Nationalparks.
Bei jährlich rund 10,5 Millionen National-
parktouristen im engeren Sinne, das heißt,
Personen, für die das Schutzgebiet eine
wesentliche Rolle bei der Reiseentscheidung
gespielt hat, werden in den Nationalpark-
regionen ca. 431 Millionen Euro Umsatz
erwirtschaftet. Dies entspricht einem Ein-
kommensäquivalent von ungefähr 14.000
Personen. Werden darüber hinaus auch die
„sonstigen“ Nationalparktouristen berück-
sichtigt, ergeben sich deutschlandweit insge-
samt rund 51 Millionen Touristen, die einen
Umsatz von ungefähr 2,1 Milliarden Euro
generieren. Dies wiederum kommt einem
Einkommensäquivalent von etwas mehr als
69.000 Vollzeitarbeitsplätzen gleich.
International spielen Nationalparks als Des-
tination im Naturtourismus eine wichtige
Rolle. Insbesondere in Nordamerika, Sub-
sahara-Afrika und Australien/Neuseeland
stellen sie wichtige Regionen für den Touris-
mus aus dem Ausland, aber auch des Bin-
nentourismus dar. Auch in Deutschland
werden Nationalparks in jüngerer Zeit in
eine umfassende touristische Entwicklungs-
planung eingeschlossen, wie die seit Novem-
ber 2005 bestehende Dachmarke „Nationale
Naturlandschaften“ beweist. Erst in wenigen
Fällen wird aber die Zugkraft der staatlichen
Prädikatisierung für eine naturtouristische
Vermarktung ausreichend genutzt.
Nationalparks können für dünn besiedelte,
strukturschwache ländliche Räume, in denen
sie fast ausnahmslos liegen, zur Regional-
entwicklung beitragen, vor allem aufgrund
des wirtschaftlich vielfältig vernetzten Tou-
rismus. In Zukunft mehr noch als heute, da
der demografische Wandel gerade dort zu
erheblichen Bevölkerungsverlusten führen
wird (besonders im Osten der Republik).
Oft stehen einer professionellen natur-
touristischen Nutzung bislang leider noch
die mangelnde Zusammenarbeit von
Tourismusmanagement und Schutzgebiets-
verwaltung sowie bestehende Traditionen
und daraus resultierende Kommunikations-
probleme entgegen.
Nationalparks haben zuerst ihre vom Ge-
setzgeber vorgegebene Naturschutzfunktion
zu erfüllen. Auch aus touristischer Perspek-
tive ist das absolut wichtig, da sonst das
zentrale Qualitätsversprechen für den Kon-
sumenten – das ungestörte Naturerlebnis
– infrage gestellt wird. Arten- oder biotop-
schutzspezifische Vorbehalte gilt es deshalb
immer sehr ernst zu nehmen.
Eines der Ziele der Konvention zum Schutz
biologischer Vielfalt CBD ist, dass bis zum
Jahr 2020 17 Prozent der Landoberfläche
unseres Planeten unter Schutz gestellt wer-
den sollen. Das bedeutete etwa sechs Milli-
onen Quadratkilometer mehr als 2010, mit
einem Schutzgebietsanteil von 12,7 Prozent
gerechnet. Man darf annehmen, dass sich
viele dieser potenziellen Flächen dort be-
finden, wo bereits Menschen siedeln. Hier
braucht es neue (Regionalentwicklungs-)
Strategien und pro-aktive Ansätze im Park-
management, um die Akzeptanz für weitere
Nationalparks und deren politische Unter-
stützung zu fördern. Die Rolle des Natur-
tourismus wird mit entscheidend dafür sein,
dieses Ziel zu erreichen. Das gilt auch für
Deutschland und das in der Biodiversitäts-
strategie der Bundesregierung formulierte
Ziel von zwei Prozent Wildnisflächen.
Prof. Dr. Hubert Job unterrichtet und
forscht am Lehrstuhl für Geographie
und Regionalforschung der Universität
Würzburg. Er untersucht die Effekte von
Nationalparks in Deutschland für die
Regionalentwicklung.
22 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
23. ZGF-GORILLA: Herr Lammertz, was ist das Besondere am
Nationalpark Eifel?
Michael Lammertz: Im vor rund 10 Jahren eingerichteten National-
park Eifel werden weltweit erstmalig bodensaure Buchenwälder in
atlantisch geprägtem Klima unter den hohen Schutz eines National-
parks gestellt. Bislang haben unsere Wissenschaftler im 11.000 Hektar
großen Nationalpark Eifel über 7.000 Tier- und Pflanzenarten erfasst,
von denen mehr als 1.600 auf einer Roten Liste der gefährdeten Arten
geführt sind; ein Indiz für die hohe Schutzwürdigkeit des bislang ein-
zigen Nationalparks in der südwestlichen Hälfte der Bundesrepublik.
Was bedeutet der Nationalpark für die Eifelaner?
Nicht nur wegen dieser wichtigen Naturschutzaspekte hat die Ein-
richtung des Nationalparks Eifel bei der Bevölkerung einiges aus-
gelöst. Bei den Menschen in der Region hat der Nationalpark einen
großen Schub hinsichtlich Identifikation, Wertschätzung und Stolz
auf ihre Eifel verursacht. Aber auch der Zusammenhalt und der
Kooperationswille der Akteure aus den verschiedenen, den Nati-
onalpark umgebenden Städten, Gemeinden, Kreisen und Insti-
tutionen ist enorm gewachsen. Das „Kirchturmdenken“ ist dem
gemeinsamen Ziel der Etablierung einer florierenden Erlebnis-und
Ferienregion Nationalpark Eifel gewichen. Für das Destinations-
management der touristischen Partner und Akteure ist es natürlich
sehr hilfreich, dass Bekanntheit, Wahrnehmung und Wertschätzung
der Eifel von außen mit der Einrichtung des Großschutzgebietes ge-
stiegen sind. Die Eifel ist einfach hipp!
Wie ist die Akzeptanz des Nationalparks vor Ort?
Für uns war es immer wichtig, einen Nationalpark aufzubauen,
der von den Menschen in der Region akzeptiert wird. 2006 wurde
Seit 2004 Jahren besteht der Nationalpark Eifel. Die ZGF hat
damals den Förderverein für den Nationalpark unterstützt, um
die Einrichtung des Nationalparks voranzutreiben. Was hat der
Nationalpark Eifel konkret für die Region, ihre Menschen und für
die Natur gebracht?
„Wir wollten einen
Nationalpark
aufbauen, der von
den Menschen
akzeptiert wird.“
in den Ortschaften, die um den Nationalpark herum liegen, eine
Akzeptanzanalyse durchgeführt. Sie hat uns in unserer bisherigen
Arbeit bestärkt: Auf die sogenannte Sonntagsfrage „Wie würden Sie
wählen, wenn Sie kommenden Sonntag über den Fortbestand des
Nationalparks Eifel entscheiden könnten“, antworteten nur 20 Pro-
zent, dass sie gegen den Fortbestand stimmen würden.
Wie hat sich der Nationalpark finanziell auf die Region ausgewirkt?
Viele Menschen in der Region müssen traditionell täglich zur Arbeit
in die Ballungsräume Köln, Bonn, Aachen und Ruhrgebiet pendeln.
Einige sind froh, durch den Nationalpark vor Ort einen Arbeitsplatz
gefunden zu haben. Leider liegen mir nur belastbare Zahlen aus dem
Jahre 2007 vor, als Professor Job bei uns 11.900 Gäste gezählt und in-
terviewt hatte, um damit die regionalwirtschaftlichen Effekte zu un-
tersuchen. Damals, also drei Jahre nach Gründung des Nationalparks,
haben die seinerzeit 450.000 jährlichen Besucher des Schutzgebietes
bereits 8,7 Millionen Euro generiert, was 265 Beschäftigungsäquiva-
lenten entspricht. Auf die Nationalparktouristen im engeren Sinne
entfielen davon über 27 Prozent. Ich bin schon auf die Ergebnisse ei-
ner Wiederholungsbefragung gespannt, die wir für nächstes Jahr, also
zehn Jahre nach Nationalparkgründung planen.
Wird der Park auch außerhalb der Eifel positiv gesehen?
Es hat uns alle sehr gefreut und geehrt, dass Bundesumweltminis-
ter Peter Altmaier gemeinsam mit dem Präsidenten des Deutschen
Tourismusverbandes Reinhard Meyer die Eifel im Mai dieses Jahres
mit dem Sonderpreis Biodiversität im „Bundeswettbewerb Nach-
haltige Tourismusregionen“ ausgezeichnet hat. Neben dem breiten
Spektrum an Möglichkeiten für Menschen mit und ohne Behin-
derung, die Artenvielfalt zu erleben, wurde in der Begründung
die enge, vielfältige und erfolgreiche Kooperation zwischen Groß-
schutzgebieten und Tourismus in der Eifel hervorgehoben.
Vielen Dank für das Gespräch.
GESPRÄCH
im
mit
Michael Lammertz,
Fachgebietsleiter Kommunikation und Naturerleben
bei der Nationalparkverwaltung Eifel.
Fotos:MichaelLammertz
23ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS
24. Foto:WinfriedFaust/ZooFrankfurtFoto:WinfriedFaust/ZooFrankfurt
NEUZUGANG IM GRZIMEKHAUS
Quolls – getupfte Kerlchen aus Tasmanien
WUSELIGE ZOOLIEBLINGE
Neues Erdmännchen-Trio ist in das
umgestaltete Gehege eingezogen
Die nachtaktiven Tüpfelbeutelmarder mit
den zarten weißen Punkten sind im Juli ins
Grzimekhaus eingezogen. Außer in Frankfurt
sind die charismatischen Tiere in Deutsch-
land nur noch im Zoo von Leipzig zu sehen.
Von dort hat der Frankfurter Zoo auch seine
Neuzugänge übernommen.
Beutelmarder sind über ganz Australien ver-
breitet. Man unterscheidet sechs Arten. Der
Tüpfelbeutelmarder ist eine davon. Diese
Art wurde in den letzten Jahrzehnten auf
dem australischen Kontinent ausgerottet und
kommt jetzt nur noch in Tasmanien vor. Vier
Tiere hat der Zoo nun von den Kollegen aus
Leipzig bekommen, aber nicht alle sind der-
Mitte Juli sind wieder drei Erdmännchen in
das großzügige Gehege neben dem Men-
schenaffenhaus eingezogen. Nachdem sechs
Tiere bei einem Erdeinbruch im Oktober 2012
ums Leben gekommen waren, wurde die An-
lage in den letzten Monaten vollständig über-
arbeitet und neu eingerichtet.
„Wir sind uns sicher, dass wir mit den bau-
lichen Veränderungen die Risiken, die na-
turnahe Anlagen mit sich bringen können,
weiter minimiert haben. Jetzt hoffen wir, dass
sich die Gruppe gut einlebt und zur Familie
zusammenwächst“, sagt Zoodirektor Profes-
sor Dr. Manfred Niekisch. Die beiden Männ-
chen YARIS und KIANO wurden im August
2012 im Zoo von Wien geboren, ihre neue
Partnerin TÜTE kam im März 2012 im Zoo
von Szeged in Ungarn zur Welt. Die traurige
Meldung vom Tod von sechs Erdmännchen,
die in ihrer Schlafhöhle vom Einbruch der
Höhlendecke überrascht worden waren, ist
vielen noch in Erinnerung. Obwohl die An-
lage auch seinerzeit schon sicher gebaut war,
hat man das Erdreich jetzt noch weiter abge-
sichert, ohne den Bewegungs- und Grabtrieb
der Tiere zu sehr einzuschränken. „Schließ-
lich müssen Erdmännchen Höhlen und
Wenn der Zoo einen Preis für Niedlichkeit verlei-
hen würde – die Quolls hätten gute Chancen!
zeit in der Schauanlage zu sehen. Der Grund:
Eines der Weibchen trägt Jungtiere in sei-
nem Beutel und soll möglichst viel Ruhe ha-
ben. Die nachtaktiven Einzelgänger gehören
zur Familie der Raubbeutler, ebenso wie der
bekannte Beutelteufel. Hauptsächlich ernäh-
ren sie sich von Insekten, kleinen Säugetie-
ren und Vögeln aber auch von Früchten und
Aas. 7 bis 15 Wochen lang bleiben die Neu-
geborenen in beutelartig ausgebildeten Haut-
falten am Bauch der Mutter. Aber auch wenn
sie dem Beutel entwachsen sind, bleiben die
Jungtiere noch mehrere Monate bei der Mut-
ter. Wenn alles gut geht, wird man die Jung-
tieraufzucht in wenigen Wochen auch im
Frankfurter Zoo beobachten können.
Gänge graben können. Eine Haltung, die das
nicht zulässt, wäre alles andere als artgerecht“,
so Niekisch. Außerdem wurde das Substrat in
der Tiefe auf ca. 40 cm reduziert. Es stammt
aus dem Braunkohletagebau und wurde nach
dem Vorbild des Kölner Zoos ausgewählt, der
Neugierig aber wachsam – die drei neuen Erdmännchen erkunden ihr Zuhause.
sehr erfolgreich Erdmännchen hält. Außer-
dem wurden künstliche Höhlen aus Natur-
fels in die Anlage integriert. Diese sicheren
Höhlen, zwei in der Außenanlage, eine in-
nen, können die Erdmännchen nun weiter
nach ihrem Geschmack gestalten.
24 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
AUS DEM ZOO FRANKFURT +++ AUS DEM ZOO FRANKFURT +++ AUS DEM ZOO FRANKFURT +++ AUS DEM ZOO FRANKFURT +++ AUS DEM ZOO
25. NEUGESTALTUNG ABGESCHLOSSEN
Willkommen im Ukumari-Land
Am 3. Juli eröffnete der Frankfurter Zoo nach
rund zwei Jahren Bauzeit die neue Anlage
für Brillenbären und Schwarze Brüllaffen.
Wenige Schritte hinter dem ebenfalls neuge-
bauten Zooeingang heißt es nun „Willkom-
men im Ukumari-Land“ – ein unmittelbares
Zooerlebnis mit üppigen Pflanzen, verschlun-
genen Pfaden, vielen Informationsangeboten
und wirklich beeindruckenden Tieren.
Mehrals1.600QuadratmeterFlächewurden
für Bären und Brüllaffen mit Naturmateri-
alien, zahlreichen Bäumen und Sträuchern,
vielen Klettermöglichkeiten sowie Wasser-
becken, Sandkuhlen und Höhlen abwechs-
lungsreich gestaltet. „Alles ist genauso ge-
worden, wie wir es uns vorgestellt haben“,
sagt Zoodirektor Prof. Dr. Manfred Nie-
kisch. Auch die neuen südamerikanischen
Bewohner der Anlage freuen sich über
ihre neue Heimat und fühlen sich sicht-
lich wohl. Lebhaft und neugierig erkun-
den sie die Anlage und nehmen über die
Gräben hinweg, die die Anlage in drei Teile
teilen, Kontakt auf. Lange wird es nicht
mehr dauern, bis zumindest die Bären zu-
sammengelassen werden können. Nahezu
unsichtbar verbirgt sich hinter der Außen-
anlage ein großes Tierhaus, das für Besu-
cher allerdings nicht zugänglich ist. Hier
WolfgangDaum/ZooFrankfurtFoto:RolfWalther/ZooFrankfurt
Foto:ChristineKurrle
Den Bär (fast) hautnah: Besucherinnen und Besucher bewundern CASHUs Kletterkünste.
befinden sich neben den Futterküchen
die Nachtquartiere, die Rostkatzenzucht
und viele Gehege, die für das Tierma-
nagement benötigt werden. Übrigens:
Ukumari ist ein Wort aus der Quechua-
Sprache, die in Südamerika gesprochen
wird, und bedeutet „Bär“.
… während Bär NOBODY am liebsten badet.
Brillenbärin CASHU klettert gerne ....
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AUS DEM ZOO FRANKFURT +++ AUS DEM ZOO FRANKFURT +++ AUS DEM ZOO FRANKFURT +++ AUS DEM ZOO FRANKFURT +++ AUS DEM ZOO
26. IHRE SPENDE HILFT, EINZIGARTIGE WILDNISGEBIETE ZU BEWAHREN!
KASACHSTAN
MIGRATION IN DER SERENGETI DES NORDENS
RUMÄNIEN
DIE LETZTEN GROSSEN URWALDGEBIETE EUROPAS
HELFEN SIE MIT
Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt setzt sich an vielen Orten für den
Erhalt von Wildnis und Artenvielfalt ein. Unwiederbringlich gehen diese
Schätze allzu oft verloren. Doch gemeinsam mit Ihrer Hilfe können wir dazu
beitragen, die Faszination für diese atemberaubende Schönheit und die
Wundern der Natur zu bewahren.
Die kasachischen Steppen entwickeln sich wieder zur Serengeti des
Nordens. Sie sind die größten natürlichen Steppenlandschaften Eu-
rasiens. Das Projektgebiet der ZGF, das Altyn Dala Gebiet mitten in
Kasachstan, ist wieder Heimat für zehntausende einst vom Aussterben
bedrohter Saiga-Antilopen. Immer größer werdende Herden wandern
durch die weiten Steppen im Zentrum des Landes. In den kommenden
Jahren sollen sogar die dort ausgestorbenen Wildpferde wieder ange-
siedelt werden. Bereits seit 10 Jahren unterstützt die ZGF erfolgreich
die Bemühungen kasachischer Naturschützer.
Um noch effektiver arbeiten zu können, bedarf es noch an Fahrzeu-
gen, Ferngläsern und anderer Ausrüstung für die Arbeit „im Feld“.
Die bewaldeten Gebiete der Karpaten, u.a. der Nationalpark König-
stein in Rumänien, gehören zu den größten zusammenhängenden Ur-
waldgebieten Europas. Es wird vermutet, dass in Rumänien noch rund
5.000Braunbärenleben–dergrößteBestandinEuropaaußerhalbRuss-
lands! Durch die derzeitige Rückübertragung von Waldflächen an
Privatpersonen, auch innerhalb der Schutzgebiete, drohen Kahlschlag
und Raubbau. Es besteht derzeit die einmalige Chance, diese großen
natürlichen Waldflächen durch Ankauf dauerhaft für den Naturschutz
zu sichern. Flächen halb so groß wie der Nationalpark Bayerischer
Wald wurden bereits mit Unterstützung der ZGF aufgekauft.
Weitere Flächenkäufe können rund 60.000 Hektar Waldgebiet im
Nationalpark Königstein dauerhaft für den Naturschutz sichern.
K E N N W O RT: S A I G A - A N T I L O P E
K E N N W O RT: R U M Ä N I E NW O RT R U M Ä N I E N
K E N N W O RT: R U M Ä N I E N
26 ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013
ZGF DIALOG
27. EINLADUNG
ZUR MITGLIEDERVERSAMMLUNG 2013
DER ZOOLOGISCHEN GESELLSCHAFT FRANKFURT
DATUM
Donnerstag, 10. Oktober 2013
BEGINN
16:00 Uhr
ORT
Ausstellungssaal im Zoo-Gesellschaftshaus des Zoos Frankfurt
Bernhard-Grzimek-Allee 1, 60316 Frankfurt am Main
TAGESORDNUNG
1. Begrüßung
2. Geschäftsbericht & Jahresabschluss 2012
3. Beschlussfassung über den Jahresabschluss 2012
4. Entlastung des Vorstandes
5. Wahl des Abschlussprüfers
6. Anträge
Antrag des Vorstands auf Änderung der Satzung
7. Verschiedenes
KAFFEEPAUSE
anschließend Präsentation der Naturschutzarbeit der ZGF im Jahre
2012 durch die Referatsleiter/innen und Möglichkeit zur Diskussion.
Gerhard Kittscher, ZGF-Präsident
Im Namen des Vorstandes möchte ich hiermit alle Mitglieder der
Zoologischen Gesellschaft Frankfurt von 1858 e. V. zu unserer
jährlichen Mitgliederversammlung im Oktober herzlich einladen.
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ZGF DIALOG