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Compliance-Berater | 7/2015 | 7.7.2015
250 Mayer, Länderreport Brasilien: Ordnung und Fortschritt
in der Korruptionsbekämpfung?
BEITRÄGE COMPLIANCE MANAGEMENT
Eric Mayer, RA
Länderreport Brasilien: Ordnung und
Fortschritt in der Korruptionsbekämpfung?
Dieser Beitrag erläutert die aktuelle Situation in der Anti-Korruptionsgesetzgebung im größten Land Latein-
amerikas. Die kürzlich verabschiedeten neuen Ausführungsvorschriften zum Clean Companies Act werden
insbesondere mit Blick auf deren Auswirkungen auf Compliance-Management-Systeme von Unternehmen
beschrieben.
I. Einleitung
„Ordem e Progresso“ – Ordnung und Fortschritt lautet das stolze Mot-
to, das die stilisierte Weltkugel auf der brasilianischen Flagge über-
spannt. Die größte Volkswirtschaft des lateinamerikanischen Konti-
nents befindet sich ein Jahr nach der Fußballweltmeisterschaft 2014
und ein Jahr vor der Sommerolympiade, die vom 5. bis 21.8.2016
in Rio de Janeiro veranstaltet wird, in einer besonderen Situation.
Öffentliche Massenproteste gegen Korruption sind spätestens seit
dem Confederations Cup 2013 wohlbekannt.1
Dies wirft die Frage
auf, inwieweit Ordnung und Fortschritt heute auch in der Korruptions-
bekämpfung in Brasilien zu erkennen sind.
Große Hoffnungen weckte zunächst die Einführung des neuen bra-
silianischen Anti-Korruptionsgesetzes zu Beginn des vergangenen
Weltmeisterschaftsjahres. Das international als Clean Companies
Act2
(CCA) bekannt gewordene Gesetz war bereits am 1.8.2013 von
Staatspräsidentin Dilma Rousseff verabschiedet worden und führte
in Brasilien erstmals de lege lata weitreichende Neuerungen wie
eine verschuldensunabhängige Haftung von Unternehmen und die
positive Berücksichtigung von Compliance-Management-Systemen
(CMS) bei der Sanktionszumessung ein.3
Gleichwohl ist Korruption
auch heute kein abstraktes Phänomen geblieben und ist im brasili-
anischen Alltag nach wie vor ein konkretes Problem vom einfachen
Behördengang bis hin zur komplexen geschäftlichen Transaktion.
Neben der spezifischen Historie als ehemalige portugiesische Kolo-
nie, als Militärdiktatur und nun als junge Demokratie und Entwick-
lungs- bzw. Schwellenland muss hier als Problemursache v.a. auch
die nahezu unübersehbare staatliche Bürokratie auf mindestens drei
Ebenen erwähnt werden. Mit der obersten Bundesebene, 26 einzel-
nen Bundesstaaten, einem zusätzlichen Bundesdistrikt und mehr
als 5 500 einzelnen Kommunen ist die Transparenz von Entschei-
dungsfindungen in diesem äquatorialen Behördendschungel alles
andere als angemessen und die Korruptionsanfälligkeit gerade auf
der schlechtbezahlten untersten kommunalen Behörden-Ebene be-
sonders hoch.4
Der Handlungsbedarf zur Beseitigung des seit langem beklagten
Exekutivdefizits nationaler Vorschriften scheint in Brasilien erkannt
worden zu sein. Zur Konkretisierung des schon viel gelobten, aber
auch als „zahnlos“ kritisierten CCA5
wurden so am 18.3.2015 und
am 7.4.2015 neue Richtlinien verabschiedet6
, die im weiteren mit
besonderem Augenmerk auf die Auswirkungen auf in Brasilien tätige
Unternehmen beschrieben werden.
II. Neue Ausführungsvorschriften zum
Clean Companies Act
1. Überblick Clean Companies Act
Zunächst sei nochmals wiederholt, dass der CCA nur auf Unter-
nehmen als juristische Personen, nicht aber auf Einzelpersonen
anzuwenden ist. Letztere werden nach den Statuten des brasili-
anischen (Kern-)Strafrechts behandelt. Gem. Art.1 I. CCA werden
Unternehmen sämtlicher Rechtsformen erfasst, die in Brasilien
tätig sind. Selbst nur zeitweise „faktische“ Vertretungen oder Re-
präsentanzen werden vom Gesetzeswortlaut expressis verbis auf-
geführt. Nach Art.4 CCA existiert die Unternehmenshaftung auch
bei Rechtsformänderungen für die Handlungen der Rechtsvorgänger
1 HB vom 23.6.2013, abrufbar unter www.handelsblatt.com/politik/interna-
tional/kritik-an-korruption-in-brasilien-dauern-proteste-trotz-reformzusagen-
an/8393184.html (Abruf: 8.6.2014).
2 „Lei sobre a resonsabilização administrativa e civil de pessoas juridícas pela
prática de atos contra a administração pública, nacional ou estrangeira, e dá
outras providências“, Gesetz Nr.12.846 vom 1.8.2013, in einer nicht-offiziel-
len englischen Übersetzung verfügbar unter www.planalto.gov.br/ccivil_03/
_ato2011-2014/2013/lei/l12846.htm (Abruf: 11.6.2015).
3 Sehr umfassend zum CCA Stein/Kroker, CB 2014, 177ff. Zur Rolle Brasiliens
im Jahr zwischen den beiden größten Sportturnieren der Welt Spalding/Barr
et al., From the 2014 World Cup to the 2016 Summer Olympics: Brazil‘s Role
in the Global Anti-Corruption Movement, 21 SW.J.Int´l Law, 14.1.2015, abruf-
bar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2549836
(Abruf: 11.6.2015).
4 Stein/Kroker, CB 2014, 177, 178.
5 TI Prado/Carson, Brazilian Anti-Corruption Legislation and its Enforcement:
Potential Lessons for Institutional Design, International Research Initiative on
Brazil and Africa (IRIBA), July 2014, S.26.
6 Decree Nr.8.420 vom 18.3.2015, Ordinances of the Office of the Comptroller
General (OCG) Nr.909 und Nr.910 jeweils vom 7.4.2015, OCG Normative
Ruling Nr.1 und Nr.2. Decree Nr.8.420 ist in einer nicht-offiziellen englischen
Übersetzung verfügbar unter www.merrillbrink.com/translation-of-Brazil-
decree-Clean-Company-Act-04062015.htm (Abruf: 5.6.2015). Die beiden
Verordnungen sind im portugiesischen Original verfügbar unter http://pes-
quisa.in.gov.br/imprensa/jsp/visualiza/index.jsp?data=08/04/2015&jorn
al=1&pagina=2&totalArquivos=84 (Abruf 7.6.2015).
CB-BEITRAG
Compliance-Berater | 7/2015 | 7.7.2015
251Mayer, Länderreport Brasilien: Ordnung und Fortschritt
in der Korruptionsbekämpfung?
BEITRÄGE COMPLIANCE MANAGEMENT
fort. Unternehmen müssen Bußgelder bezahlen und den durch das
Fehlverhalten entstandenen Schaden ersetzen gem. Art.4 I. CCA,
wenn es innerhalb einer Unternehmensgruppierung, eines Konsorti-
ums oder eines Gemeinschaftsunternehmens bzw. Joint Ventures zu
Fehlverhalten beim jeweiligen Partner gekommen ist, Art.4 II. CCA.
Der CCA sanktioniert einen weiten Bereich von Tathandlungen. Ne-
ben Bestechung von Amtsträgern regelt Art.5 CCA bspw. auch das
verbotene Verheimlichen der letztlich wirtschaftlichen Berechtigten
oder die Finanzierung aller im Gesetz aufgeführten Tathandlungen.
Zusätzlich wird die Verkürzung oder Behinderung des Wettbewerbs
z.B. bei öffentlichen Ausschreibungsverfahren verboten. Die ver-
botenen Tathandlungen müssen schließlich in einer weit gefassten
Formulierung zum Nachteil der öffentlichen Verwaltung begangen
worden sein – dazu zählen nicht nur die oben beschriebenen viel-
zähligen Regierungs- und Verwaltungsbehörden in Brasilien, sondern
auch ausländische Amtsträger.7
Der CCA postuliert eine verschul-
densunabhängige Haftung des Unternehmens. Anders als im Indi-
vidualstrafrecht muss damit die brasilianische Ermittlungsbehörde
nicht nachweisen, dass das betroffene Unternehmen vorsätzlich
handelte oder Kenntnis von Fehlverhalten erlangt hatte. Es genügt
nach Art.2 CCA die Feststellung des objektiven Verstoßes des Unter-
nehmens.8
Schließlich enthält Art.7 VII. CCA die Möglichkeit, bei der
Sanktionszumessung positiv zu berücksichtigen, wenn ein Unterneh-
men „interne Mechanismen und Prozesse für Integrität und Interne
Revision“ zum Tatzeitpunkt eingeführt hatte, welche „eine wirksame
Anwendung eines Verhaltenskodex“ unterstützen und „Anreize zur
Meldung von Unregelmäßigkeiten“ setzen9
 – mithin bereits ein robus-
tes Compliance-Programm oder ein effektives CMS implementiert
hat. Wie genau allerdings ein vorhandenes CMS sanktionsmildernd
zu bewerten sei, war dem CCA bislang nicht zu entnehmen.
2. Überblick zu den neuen Ausführungsvorschriften
Mehr als ein Jahr nach Einführung des CCA wurden nun im Lichte
aktueller Korruptionsvorwürfe gegen Politiker und Unternehmen im
März und im April 2015 neue Ausführungsvorschriften zur Konkre-
tisierung des CCA mit sofortiger Wirkung erlassen.10
Diese Ausfüh-
rungsvorschriften klären die Implementierungsnotwendigkeiten des
CCA in bislang unbekannter Granularität und geben genaue Vorgaben
insbesondere zur Kalkulierung von Sanktionen und der Bewertung
von vorhandenen CMS in Unternehmen.
a) Sanktionszumessung
Nach dem CCA richtete sich die Kalkulation einer Sanktionszah-
lung bisher nach entweder einem Rahmen von 0,1% bis 20% des
Brutto-Umsatzes eines Unternehmens im letzten Geschäftsjahr vor
dem Beginn der Ermittlungen oder nach absoluten Wertgrenzen zwi-
schen 6,000 und 60 Mio. Brasilianischer Reais – also etwa 1,900
bis 19 Mio. US-Dollar.11
Der Erlass 8.420 vom 18.3.2015 führt nun
zusätzlich ein Brutto-Umsatz-basiertes System von jeweils fünf Auf-
schlags- bzw. Abzugsfaktoren ein.
aa) Sanktionsschärfende Faktoren
– 1% bis 2,5% bei fortgesetztem Fehlverhalten
– 1% bis 2,5% bei Kenntnis und Duldung des Fehlverhaltens durch
die leitenden Mitarbeiter
– 1% bis 4% bei Störung oder Unterbrechung öffentlicher Dienst-
leistungen oder Bauvorhaben
– 1% bei Zahlungsfähigkeit des zu sanktionierenden Unternehmens
– 5% bei Wiederholungstätern
bb)Sanktionsmildernde Faktoren
– 1% bei versuchter Begehungsweise
– 1,5% bei Ersatz des Schadens der betroffenen Verwaltungsein-
heit
– 1% bis 1,5% bei Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden
– 2% bei Selbstanzeige
– 1% bis 4% bei eingeführten und wirkungsvoll umgesetzten Com-
pliance-Programmen
b) Amnestievereinbarungen
Zusätzlich regeln sowohl der Erlass vom 18.3.2015 als auch die Ver-
ordnung Nr.910 vom 7.4.2015 detailliert die Zulässigkeit von Amnes-
tievereinbarungen bzw. Leniency Agreements. Alle solche Verein-
barungen müssen Bestimmungen zur notwendigen Anpassung oder
Verbesserung vorhandener Compliance-Programme im betroffenen
Unternehmen vorsehen.
c) Vorgaben für CMS
Der Erlass vom 18.3.2015 fordert in Art.42 expressis verbis die fol-
genden Kernbestandteile eines effektiven CMS ein:
– Tone from the Top
– Umfassendes Compliance-Regelwerk mit Anwendbarkeit für alle
Mitarbeiter und Führungskräfte
– Regelmäßiges Compliance-Training
– Regelmäßige Compliance-Risiko-Analysen
– Regelkonforme und transparente Buchführung
– Interne Kontrollen für die Finanzberichterstattung
– Spezifische Compliance-Prozesse bei öffentlichen Ausschreibun-
gen
– Unabhängigkeit und Entscheidungskompetenz der Compliance-
Organisation
– Hinweisgebersysteme und -schutz
– Disziplinarmaßnahmen bei Fehlverhalten
– Prompte Aufarbeitung bzw. „Remediation“ erkannten Fehlverhal-
tens
– Spezifische Compliance-Prozesse für Einkaufsvorgänge und die
Überwachung von Geschäftspartnern wie Zulieferer, Dienstleis-
ter, Intermediäre oder Agenten
– M&A-Compliance-Due-Diligence-Prozesse
– Kontinuierliche Überwachung und Verbesserung des CMS
– Transparenz bei Spenden und Zuwendungen an politische Partei-
en und Kandidaten
Die Verordnung Nr.909 vom 7.4.2015 – in einigen Kreisen bereits
die „Compliance Verordnung“ genannt  – schreibt die Verpflich-
tungen von Unternehmen zum Aufbau und Betrieb von CMS fort.
7 Art.5 CCA ist mit „Dos atos lesivos à administração pública nacional ou est-
rangeira“ überschrieben, sinngemäß: Schädliche Handlungen zu Lasten der
nationalen oder ausländischen öffentlichen Verwaltung.
8 „Strict Liability“ im angelsächsischen Sprachgebrauch.
9 Art.7. VIII CCA „(Serão levados em consideração na aplicação das sanções:)
A existência de mecanismos e procedimentos internos de integridade, audi-
toria e incentivo à denúncia de irregularidades e a aplicação efetiva de códi-
gos de ética e de conduta no âmbito da pessoa jurídica“.
10 Decree Nr.8.420 vom 18.3.2015, Ordinances of the Office of the Comptroller
General (OCG) Nr.909 und Nr.910 jeweils vom 7.4.2015, OCG Normative
Ruling Nr.1 und Nr.2., s. auch Fn.12.
11 Umrechnung nach Tageskurs vom 6.6.2015: 1 Brasilianischer Real = 0,317
US Dollar, abrufbar unter www.oanda.com/lang/de/currency/converter/
(Abruf: 6.6.2015).
Compliance-Berater | 7/2015 | 7.7.2015
252 Mayer, Länderreport Brasilien: Ordnung und Fortschritt
in der Korruptionsbekämpfung?
BEITRÄGE COMPLIANCE MANAGEMENT
Demnach müssen Unternehmen, gegen die ermittelt wird, einen
spezifischen Bericht vorlegen. Diese als „Profile Report“ bezeich-
nete Risiko-Analyse hat als Mindestangaben den Industriesektor
zu bezeichnen, innerhalb dessen das betroffene Unternehmen in
Brasilien oder international tätig ist, die Unternehmensstruktur, Be-
richtswege und Entscheidungsprozesse zu bezeichnen, Informatio-
nen zu der Zahl der Beschäftigten und der Beziehungen zu in- oder
ausländischen Regierungsstellen sowie der Bedeutung von Betriebs-
genehmigungen und dem Auftragswert von Behördengeschäft und
dessen Ergebnisrelevanz innerhalb der letzten drei Geschäftsjahre
bereitzustellen und muss die Eigentumsverhältnisse einschließlich
der Beteiligung an Konsortien oder Gemeinschaftsunternehmen be-
schreiben.
Die Compliance-Verordnung Nr.909 klärt schließlich die Frage, wie
die Wirksamkeit eines vorhandenen CMS zu beurteilen ist. Ein weite-
rer Unternehmensbericht – der sog. „Observance- oder Assessment
Report“ – muss Auskunft darüber geben, welche oben bereits auf-
geführten CMS-Kernbestandteile wie implementiert wurden, jeweils
unter Berücksichtigung der besonderen Unternehmenssituation, den
Beweis der Tauglichkeit anhand von statistischen Daten liefern und
erklären, wie genau das CMS des betroffenen Unternehmens das
konkret vorgeworfene Fehlverhalten künftig vermeiden, identifizieren
und abstellen kann.12
Zusätzlich zu der Verantwortung des Unternehmens, die beschriebe-
nen Analysen vorzulegen, kann die ermittelnde Behörde zusätzliche
Dokumente nachfordern und auch eigene Befragungen vornehmen.
Sollte sich letztlich herausstellen, dass nach der Bewertung der Be-
hörde lediglich ein oberflächlich eingeführtes und damit wirkungslo-
ses CMS vorliegt, kann das betroffene Unternehmen keinen sankti-
onsmildernden Faktor wie oben unter II. 2. a) bb) dargestellt geltend
machen.
d) Veröffentlichung von Sanktionen
Schließlich kann künftig die zuständige brasilianische Stelle für die
Registrierung sanktionierter Unternehmen13
Meldungen über Sankti-
onen und Amnestievereinbarungen publizieren für internationale Or-
ganisationen oder Kreditgeber und Förderbanken wie der Weltbank
oder der Interamerikanischen Entwicklungsbank.
III. Zusammenfassung und Ausblick
Konnten nun Ordnung und Fortschritt in der Korruptionsbekämpfung
in Brasilien tatsächlich verbessert werden? Die geschilderten neu-
en Ausführungsbestimmungen zum CCA weisen definitiv in Richtung
moderner Anti-Korruptionsgesetzgebungen wie dem US FCPA, den
US Sentencing Guidelines oder dem UK Bribery Act. Mit der Viel-
zahl der öffentlich bekannt gewordenen Ermittlungsverfahren auf der
Grundlage von Korruptionsvorwürfen14
ist es vielleicht nicht unrealis-
tisch, dass die brasilianischen Behörden die sofort in Kraft gesetzten
Bestimmungen auch tatsächlich anwenden und von Fall zu Fall ihre
Beurteilungsexpertise bezüglich effektiv implementierter CMS stei-
gern werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich das bislang
zweifelsohne bestehende nationale Exekutivdefizit weiter verlängern
sollte, wissen insbesondere die US-Ermittlungsbehörden genau um
die Korruptionsneigung im größten Land Lateinamerikas. Während
die Compliance-Nachwehen der Fußballweltmeisterschaft 2014 im
Austragungsland Brasilien (und eventuell auch bei dem organisie-
renden Spitzenverband FIFA) noch nicht vollumfassend aufgearbei-
tet sind, wirft bereits das nächste – in vielerlei Hinsicht – attraktive
Großturnier mit der Olympiade 2016 in Rio seine Schatten voraus.
Alle ausländischen Unternehmen, die in Brasilien bereits tätig sind
oder die aufgrund günstiger betriebswirtschaftlicher Prognosen bald
tätig werden wollen, müssen sich darauf einstellen, dass die Bedeu-
tung von risikobasierten und geschäftsnah implementierten Compli-
ance-Programmen bzw. CMS enorm gewachsen ist.15
Unternehmen,
die in Brasilien über noch keinerlei Compliance-Strukturen verfügen,
tun gut daran, zeitnah mindestens eine Compliance-Risiko-Analyse
vorzunehmen – ein weltweit anerkannter Standard als grundlegen-
de Basis zum Aufbau effektiver CMS.16
Eine sorgfältig durchgeführte
Compliance-Risiko-Analyse wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Er-
fordernisse des nunmehr rechtlich geforderten „Profile Reports“ er-
füllen. Diejenigen Unternehmen, welche bereits über ein CMS verfü-
gen, sollten konsequenterweise mit einem Compliance-Health-Check
die Wirksamkeit ihres CMS i.S.d. „Observance- oder Assessment
Report“ darstellen. Zu einem solchen CMS muss gerade in Brasili-
en auch die strukturelle Fähigkeit zur systematischen Durchführung
von Geschäftspartnerprüfungen oder Business-Partner-Compliance-
Due-Diligences gehören.17
Ebenso gründlich müssen Konsortial- oder
Joint Venture Partner geprüft werden und geplante Zukäufe innerhalb
Brasiliens i.S.e. umfassenden M&A-Compliance-Due-Diligence un-
tersucht werden.18
Mit diesen richtig implementierten Kernbestand-
teilen eines effektiven CMS wird dann nicht nur eine Entscheidung
zur Selbstanzeige oder Kooperation mit brasilianischen Behörden
unter den neuen CCA-Ausführungsbestimmungen entscheidend un-
terstützt. Vielmehr profitieren dann diese Unternehmen von Ordnung
und Fortschritt in ihren eigenen Reihen und wahren auch künftig alle
betriebswirtschaftlichen Chancen in der größten Volkswirtschaft des
lateinamerikanischen Kontinents.
AUTOR
Eric Mayer, RA, ist Partner bei Pohlmann &
Company in München. Er berät internationa-
le Unternehmen bei Konzeption, Aufbau und
Betrieb von Compliance-Management-Sys-
temen. Den Schwerpunkt seiner Beratung
bildet die Implementierung von geschäfts-
bezogenen, risikobasierten Compliance-Pro-
zessen, -Kontrollen und -Tools. Dabei ist er
spezialisiert auf Geschäftspartnerprüfungen
und M&A-Compliance-Due-Diligences.
12 Vgl. den international üblichen CMS Standard „Prevent –Detect – Respond“,
vgl. Moosmayer, Compliance – Praxisleitfaden für Unternehmen, 2. Aufl.
2012, S.2, 15, 33.
13 „Cadastro nacional de empresas inidôneas e suspenso“ (CEIS).
14 Stein/Kroker, CB 2014, 177, 178.
15 Mayer, Risiko-Manager 5/2013, 9.
16 Moosmayer, Compliance – Praxisleitfaden für Unternehmen, 2. Aufl. 2012,
S.25; von „Compliance Risk Landscaping“ spricht Inderst, in: Görling/In-
derst/Bannenberg, Compliance – Aufbau – Management – Risikobereiche,
2010, S.103.
17 Moosmayer, Compliance – Praxisleitfaden für Unternehmen, 2. Aufl. 2012,
S.29, 73; Mössner/Kerner, CCZ 2011, 182; Mayer, CB 2015, 200.
18 Schwarz, BB 2012, 136.

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Öffentliche Massenproteste gegen Korruption sind spätestens seit dem Confederations Cup 2013 wohlbekannt.1 Dies wirft die Frage auf, inwieweit Ordnung und Fortschritt heute auch in der Korruptions- bekämpfung in Brasilien zu erkennen sind. Große Hoffnungen weckte zunächst die Einführung des neuen bra- silianischen Anti-Korruptionsgesetzes zu Beginn des vergangenen Weltmeisterschaftsjahres. Das international als Clean Companies Act2 (CCA) bekannt gewordene Gesetz war bereits am 1.8.2013 von Staatspräsidentin Dilma Rousseff verabschiedet worden und führte in Brasilien erstmals de lege lata weitreichende Neuerungen wie eine verschuldensunabhängige Haftung von Unternehmen und die positive Berücksichtigung von Compliance-Management-Systemen (CMS) bei der Sanktionszumessung ein.3 Gleichwohl ist Korruption auch heute kein abstraktes Phänomen geblieben und ist im brasili- anischen Alltag nach wie vor ein konkretes Problem vom einfachen Behördengang bis hin zur komplexen geschäftlichen Transaktion. Neben der spezifischen Historie als ehemalige portugiesische Kolo- nie, als Militärdiktatur und nun als junge Demokratie und Entwick- lungs- bzw. Schwellenland muss hier als Problemursache v.a. auch die nahezu unübersehbare staatliche Bürokratie auf mindestens drei Ebenen erwähnt werden. Mit der obersten Bundesebene, 26 einzel- nen Bundesstaaten, einem zusätzlichen Bundesdistrikt und mehr als 5 500 einzelnen Kommunen ist die Transparenz von Entschei- dungsfindungen in diesem äquatorialen Behördendschungel alles andere als angemessen und die Korruptionsanfälligkeit gerade auf der schlechtbezahlten untersten kommunalen Behörden-Ebene be- sonders hoch.4 Der Handlungsbedarf zur Beseitigung des seit langem beklagten Exekutivdefizits nationaler Vorschriften scheint in Brasilien erkannt worden zu sein. Zur Konkretisierung des schon viel gelobten, aber auch als „zahnlos“ kritisierten CCA5 wurden so am 18.3.2015 und am 7.4.2015 neue Richtlinien verabschiedet6 , die im weiteren mit besonderem Augenmerk auf die Auswirkungen auf in Brasilien tätige Unternehmen beschrieben werden. II. Neue Ausführungsvorschriften zum Clean Companies Act 1. Überblick Clean Companies Act Zunächst sei nochmals wiederholt, dass der CCA nur auf Unter- nehmen als juristische Personen, nicht aber auf Einzelpersonen anzuwenden ist. Letztere werden nach den Statuten des brasili- anischen (Kern-)Strafrechts behandelt. Gem. Art.1 I. CCA werden Unternehmen sämtlicher Rechtsformen erfasst, die in Brasilien tätig sind. Selbst nur zeitweise „faktische“ Vertretungen oder Re- präsentanzen werden vom Gesetzeswortlaut expressis verbis auf- geführt. Nach Art.4 CCA existiert die Unternehmenshaftung auch bei Rechtsformänderungen für die Handlungen der Rechtsvorgänger 1 HB vom 23.6.2013, abrufbar unter www.handelsblatt.com/politik/interna- tional/kritik-an-korruption-in-brasilien-dauern-proteste-trotz-reformzusagen- an/8393184.html (Abruf: 8.6.2014). 2 „Lei sobre a resonsabilização administrativa e civil de pessoas juridícas pela prática de atos contra a administração pública, nacional ou estrangeira, e dá outras providências“, Gesetz Nr.12.846 vom 1.8.2013, in einer nicht-offiziel- len englischen Übersetzung verfügbar unter www.planalto.gov.br/ccivil_03/ _ato2011-2014/2013/lei/l12846.htm (Abruf: 11.6.2015). 3 Sehr umfassend zum CCA Stein/Kroker, CB 2014, 177ff. Zur Rolle Brasiliens im Jahr zwischen den beiden größten Sportturnieren der Welt Spalding/Barr et al., From the 2014 World Cup to the 2016 Summer Olympics: Brazil‘s Role in the Global Anti-Corruption Movement, 21 SW.J.Int´l Law, 14.1.2015, abruf- bar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2549836 (Abruf: 11.6.2015). 4 Stein/Kroker, CB 2014, 177, 178. 5 TI Prado/Carson, Brazilian Anti-Corruption Legislation and its Enforcement: Potential Lessons for Institutional Design, International Research Initiative on Brazil and Africa (IRIBA), July 2014, S.26. 6 Decree Nr.8.420 vom 18.3.2015, Ordinances of the Office of the Comptroller General (OCG) Nr.909 und Nr.910 jeweils vom 7.4.2015, OCG Normative Ruling Nr.1 und Nr.2. Decree Nr.8.420 ist in einer nicht-offiziellen englischen Übersetzung verfügbar unter www.merrillbrink.com/translation-of-Brazil- decree-Clean-Company-Act-04062015.htm (Abruf: 5.6.2015). Die beiden Verordnungen sind im portugiesischen Original verfügbar unter http://pes- quisa.in.gov.br/imprensa/jsp/visualiza/index.jsp?data=08/04/2015&jorn al=1&pagina=2&totalArquivos=84 (Abruf 7.6.2015). CB-BEITRAG
  • 2. Compliance-Berater | 7/2015 | 7.7.2015 251Mayer, Länderreport Brasilien: Ordnung und Fortschritt in der Korruptionsbekämpfung? BEITRÄGE COMPLIANCE MANAGEMENT fort. Unternehmen müssen Bußgelder bezahlen und den durch das Fehlverhalten entstandenen Schaden ersetzen gem. Art.4 I. CCA, wenn es innerhalb einer Unternehmensgruppierung, eines Konsorti- ums oder eines Gemeinschaftsunternehmens bzw. Joint Ventures zu Fehlverhalten beim jeweiligen Partner gekommen ist, Art.4 II. CCA. Der CCA sanktioniert einen weiten Bereich von Tathandlungen. Ne- ben Bestechung von Amtsträgern regelt Art.5 CCA bspw. auch das verbotene Verheimlichen der letztlich wirtschaftlichen Berechtigten oder die Finanzierung aller im Gesetz aufgeführten Tathandlungen. Zusätzlich wird die Verkürzung oder Behinderung des Wettbewerbs z.B. bei öffentlichen Ausschreibungsverfahren verboten. Die ver- botenen Tathandlungen müssen schließlich in einer weit gefassten Formulierung zum Nachteil der öffentlichen Verwaltung begangen worden sein – dazu zählen nicht nur die oben beschriebenen viel- zähligen Regierungs- und Verwaltungsbehörden in Brasilien, sondern auch ausländische Amtsträger.7 Der CCA postuliert eine verschul- densunabhängige Haftung des Unternehmens. Anders als im Indi- vidualstrafrecht muss damit die brasilianische Ermittlungsbehörde nicht nachweisen, dass das betroffene Unternehmen vorsätzlich handelte oder Kenntnis von Fehlverhalten erlangt hatte. Es genügt nach Art.2 CCA die Feststellung des objektiven Verstoßes des Unter- nehmens.8 Schließlich enthält Art.7 VII. CCA die Möglichkeit, bei der Sanktionszumessung positiv zu berücksichtigen, wenn ein Unterneh- men „interne Mechanismen und Prozesse für Integrität und Interne Revision“ zum Tatzeitpunkt eingeführt hatte, welche „eine wirksame Anwendung eines Verhaltenskodex“ unterstützen und „Anreize zur Meldung von Unregelmäßigkeiten“ setzen9  – mithin bereits ein robus- tes Compliance-Programm oder ein effektives CMS implementiert hat. Wie genau allerdings ein vorhandenes CMS sanktionsmildernd zu bewerten sei, war dem CCA bislang nicht zu entnehmen. 2. Überblick zu den neuen Ausführungsvorschriften Mehr als ein Jahr nach Einführung des CCA wurden nun im Lichte aktueller Korruptionsvorwürfe gegen Politiker und Unternehmen im März und im April 2015 neue Ausführungsvorschriften zur Konkre- tisierung des CCA mit sofortiger Wirkung erlassen.10 Diese Ausfüh- rungsvorschriften klären die Implementierungsnotwendigkeiten des CCA in bislang unbekannter Granularität und geben genaue Vorgaben insbesondere zur Kalkulierung von Sanktionen und der Bewertung von vorhandenen CMS in Unternehmen. a) Sanktionszumessung Nach dem CCA richtete sich die Kalkulation einer Sanktionszah- lung bisher nach entweder einem Rahmen von 0,1% bis 20% des Brutto-Umsatzes eines Unternehmens im letzten Geschäftsjahr vor dem Beginn der Ermittlungen oder nach absoluten Wertgrenzen zwi- schen 6,000 und 60 Mio. Brasilianischer Reais – also etwa 1,900 bis 19 Mio. US-Dollar.11 Der Erlass 8.420 vom 18.3.2015 führt nun zusätzlich ein Brutto-Umsatz-basiertes System von jeweils fünf Auf- schlags- bzw. Abzugsfaktoren ein. aa) Sanktionsschärfende Faktoren – 1% bis 2,5% bei fortgesetztem Fehlverhalten – 1% bis 2,5% bei Kenntnis und Duldung des Fehlverhaltens durch die leitenden Mitarbeiter – 1% bis 4% bei Störung oder Unterbrechung öffentlicher Dienst- leistungen oder Bauvorhaben – 1% bei Zahlungsfähigkeit des zu sanktionierenden Unternehmens – 5% bei Wiederholungstätern bb)Sanktionsmildernde Faktoren – 1% bei versuchter Begehungsweise – 1,5% bei Ersatz des Schadens der betroffenen Verwaltungsein- heit – 1% bis 1,5% bei Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden – 2% bei Selbstanzeige – 1% bis 4% bei eingeführten und wirkungsvoll umgesetzten Com- pliance-Programmen b) Amnestievereinbarungen Zusätzlich regeln sowohl der Erlass vom 18.3.2015 als auch die Ver- ordnung Nr.910 vom 7.4.2015 detailliert die Zulässigkeit von Amnes- tievereinbarungen bzw. Leniency Agreements. Alle solche Verein- barungen müssen Bestimmungen zur notwendigen Anpassung oder Verbesserung vorhandener Compliance-Programme im betroffenen Unternehmen vorsehen. c) Vorgaben für CMS Der Erlass vom 18.3.2015 fordert in Art.42 expressis verbis die fol- genden Kernbestandteile eines effektiven CMS ein: – Tone from the Top – Umfassendes Compliance-Regelwerk mit Anwendbarkeit für alle Mitarbeiter und Führungskräfte – Regelmäßiges Compliance-Training – Regelmäßige Compliance-Risiko-Analysen – Regelkonforme und transparente Buchführung – Interne Kontrollen für die Finanzberichterstattung – Spezifische Compliance-Prozesse bei öffentlichen Ausschreibun- gen – Unabhängigkeit und Entscheidungskompetenz der Compliance- Organisation – Hinweisgebersysteme und -schutz – Disziplinarmaßnahmen bei Fehlverhalten – Prompte Aufarbeitung bzw. „Remediation“ erkannten Fehlverhal- tens – Spezifische Compliance-Prozesse für Einkaufsvorgänge und die Überwachung von Geschäftspartnern wie Zulieferer, Dienstleis- ter, Intermediäre oder Agenten – M&A-Compliance-Due-Diligence-Prozesse – Kontinuierliche Überwachung und Verbesserung des CMS – Transparenz bei Spenden und Zuwendungen an politische Partei- en und Kandidaten Die Verordnung Nr.909 vom 7.4.2015 – in einigen Kreisen bereits die „Compliance Verordnung“ genannt  – schreibt die Verpflich- tungen von Unternehmen zum Aufbau und Betrieb von CMS fort. 7 Art.5 CCA ist mit „Dos atos lesivos à administração pública nacional ou est- rangeira“ überschrieben, sinngemäß: Schädliche Handlungen zu Lasten der nationalen oder ausländischen öffentlichen Verwaltung. 8 „Strict Liability“ im angelsächsischen Sprachgebrauch. 9 Art.7. VIII CCA „(Serão levados em consideração na aplicação das sanções:) A existência de mecanismos e procedimentos internos de integridade, audi- toria e incentivo à denúncia de irregularidades e a aplicação efetiva de códi- gos de ética e de conduta no âmbito da pessoa jurídica“. 10 Decree Nr.8.420 vom 18.3.2015, Ordinances of the Office of the Comptroller General (OCG) Nr.909 und Nr.910 jeweils vom 7.4.2015, OCG Normative Ruling Nr.1 und Nr.2., s. auch Fn.12. 11 Umrechnung nach Tageskurs vom 6.6.2015: 1 Brasilianischer Real = 0,317 US Dollar, abrufbar unter www.oanda.com/lang/de/currency/converter/ (Abruf: 6.6.2015).
  • 3. Compliance-Berater | 7/2015 | 7.7.2015 252 Mayer, Länderreport Brasilien: Ordnung und Fortschritt in der Korruptionsbekämpfung? BEITRÄGE COMPLIANCE MANAGEMENT Demnach müssen Unternehmen, gegen die ermittelt wird, einen spezifischen Bericht vorlegen. Diese als „Profile Report“ bezeich- nete Risiko-Analyse hat als Mindestangaben den Industriesektor zu bezeichnen, innerhalb dessen das betroffene Unternehmen in Brasilien oder international tätig ist, die Unternehmensstruktur, Be- richtswege und Entscheidungsprozesse zu bezeichnen, Informatio- nen zu der Zahl der Beschäftigten und der Beziehungen zu in- oder ausländischen Regierungsstellen sowie der Bedeutung von Betriebs- genehmigungen und dem Auftragswert von Behördengeschäft und dessen Ergebnisrelevanz innerhalb der letzten drei Geschäftsjahre bereitzustellen und muss die Eigentumsverhältnisse einschließlich der Beteiligung an Konsortien oder Gemeinschaftsunternehmen be- schreiben. Die Compliance-Verordnung Nr.909 klärt schließlich die Frage, wie die Wirksamkeit eines vorhandenen CMS zu beurteilen ist. Ein weite- rer Unternehmensbericht – der sog. „Observance- oder Assessment Report“ – muss Auskunft darüber geben, welche oben bereits auf- geführten CMS-Kernbestandteile wie implementiert wurden, jeweils unter Berücksichtigung der besonderen Unternehmenssituation, den Beweis der Tauglichkeit anhand von statistischen Daten liefern und erklären, wie genau das CMS des betroffenen Unternehmens das konkret vorgeworfene Fehlverhalten künftig vermeiden, identifizieren und abstellen kann.12 Zusätzlich zu der Verantwortung des Unternehmens, die beschriebe- nen Analysen vorzulegen, kann die ermittelnde Behörde zusätzliche Dokumente nachfordern und auch eigene Befragungen vornehmen. Sollte sich letztlich herausstellen, dass nach der Bewertung der Be- hörde lediglich ein oberflächlich eingeführtes und damit wirkungslo- ses CMS vorliegt, kann das betroffene Unternehmen keinen sankti- onsmildernden Faktor wie oben unter II. 2. a) bb) dargestellt geltend machen. d) Veröffentlichung von Sanktionen Schließlich kann künftig die zuständige brasilianische Stelle für die Registrierung sanktionierter Unternehmen13 Meldungen über Sankti- onen und Amnestievereinbarungen publizieren für internationale Or- ganisationen oder Kreditgeber und Förderbanken wie der Weltbank oder der Interamerikanischen Entwicklungsbank. III. Zusammenfassung und Ausblick Konnten nun Ordnung und Fortschritt in der Korruptionsbekämpfung in Brasilien tatsächlich verbessert werden? Die geschilderten neu- en Ausführungsbestimmungen zum CCA weisen definitiv in Richtung moderner Anti-Korruptionsgesetzgebungen wie dem US FCPA, den US Sentencing Guidelines oder dem UK Bribery Act. Mit der Viel- zahl der öffentlich bekannt gewordenen Ermittlungsverfahren auf der Grundlage von Korruptionsvorwürfen14 ist es vielleicht nicht unrealis- tisch, dass die brasilianischen Behörden die sofort in Kraft gesetzten Bestimmungen auch tatsächlich anwenden und von Fall zu Fall ihre Beurteilungsexpertise bezüglich effektiv implementierter CMS stei- gern werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich das bislang zweifelsohne bestehende nationale Exekutivdefizit weiter verlängern sollte, wissen insbesondere die US-Ermittlungsbehörden genau um die Korruptionsneigung im größten Land Lateinamerikas. Während die Compliance-Nachwehen der Fußballweltmeisterschaft 2014 im Austragungsland Brasilien (und eventuell auch bei dem organisie- renden Spitzenverband FIFA) noch nicht vollumfassend aufgearbei- tet sind, wirft bereits das nächste – in vielerlei Hinsicht – attraktive Großturnier mit der Olympiade 2016 in Rio seine Schatten voraus. Alle ausländischen Unternehmen, die in Brasilien bereits tätig sind oder die aufgrund günstiger betriebswirtschaftlicher Prognosen bald tätig werden wollen, müssen sich darauf einstellen, dass die Bedeu- tung von risikobasierten und geschäftsnah implementierten Compli- ance-Programmen bzw. CMS enorm gewachsen ist.15 Unternehmen, die in Brasilien über noch keinerlei Compliance-Strukturen verfügen, tun gut daran, zeitnah mindestens eine Compliance-Risiko-Analyse vorzunehmen – ein weltweit anerkannter Standard als grundlegen- de Basis zum Aufbau effektiver CMS.16 Eine sorgfältig durchgeführte Compliance-Risiko-Analyse wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Er- fordernisse des nunmehr rechtlich geforderten „Profile Reports“ er- füllen. Diejenigen Unternehmen, welche bereits über ein CMS verfü- gen, sollten konsequenterweise mit einem Compliance-Health-Check die Wirksamkeit ihres CMS i.S.d. „Observance- oder Assessment Report“ darstellen. Zu einem solchen CMS muss gerade in Brasili- en auch die strukturelle Fähigkeit zur systematischen Durchführung von Geschäftspartnerprüfungen oder Business-Partner-Compliance- Due-Diligences gehören.17 Ebenso gründlich müssen Konsortial- oder Joint Venture Partner geprüft werden und geplante Zukäufe innerhalb Brasiliens i.S.e. umfassenden M&A-Compliance-Due-Diligence un- tersucht werden.18 Mit diesen richtig implementierten Kernbestand- teilen eines effektiven CMS wird dann nicht nur eine Entscheidung zur Selbstanzeige oder Kooperation mit brasilianischen Behörden unter den neuen CCA-Ausführungsbestimmungen entscheidend un- terstützt. Vielmehr profitieren dann diese Unternehmen von Ordnung und Fortschritt in ihren eigenen Reihen und wahren auch künftig alle betriebswirtschaftlichen Chancen in der größten Volkswirtschaft des lateinamerikanischen Kontinents. AUTOR Eric Mayer, RA, ist Partner bei Pohlmann & Company in München. Er berät internationa- le Unternehmen bei Konzeption, Aufbau und Betrieb von Compliance-Management-Sys- temen. Den Schwerpunkt seiner Beratung bildet die Implementierung von geschäfts- bezogenen, risikobasierten Compliance-Pro- zessen, -Kontrollen und -Tools. Dabei ist er spezialisiert auf Geschäftspartnerprüfungen und M&A-Compliance-Due-Diligences. 12 Vgl. den international üblichen CMS Standard „Prevent –Detect – Respond“, vgl. Moosmayer, Compliance – Praxisleitfaden für Unternehmen, 2. Aufl. 2012, S.2, 15, 33. 13 „Cadastro nacional de empresas inidôneas e suspenso“ (CEIS). 14 Stein/Kroker, CB 2014, 177, 178. 15 Mayer, Risiko-Manager 5/2013, 9. 16 Moosmayer, Compliance – Praxisleitfaden für Unternehmen, 2. Aufl. 2012, S.25; von „Compliance Risk Landscaping“ spricht Inderst, in: Görling/In- derst/Bannenberg, Compliance – Aufbau – Management – Risikobereiche, 2010, S.103. 17 Moosmayer, Compliance – Praxisleitfaden für Unternehmen, 2. Aufl. 2012, S.29, 73; Mössner/Kerner, CCZ 2011, 182; Mayer, CB 2015, 200. 18 Schwarz, BB 2012, 136.