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Österreichische Position zum Grünbuch
"Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige
und sichere Energie"
1. Allgemeines - Gesamtschau
Die Europäische Union ist mit herausragenden Herausforderungen im
Energiebereich konfrontiert, unter anderem mit
- hohen und volatilen Energiepreisen,
- lediglich moderaten Investitionen in Energieinfrastruktur und -anlagen,
- einem Mangel an Diversifikation von Energiequellen,
- steigender globaler Energienachfrage,
- wachsender Importabhängigkeit sowie
- Erderwärmung,
die die Entwicklung einer kohärenten, integrierten Energiepolitik auf
Gemeinschaftsebene unter Gewährleistung von Wettbewerbsfähigkeit,
Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit (Umweltschutz) erfordern.
Die Abhängigkeit der Europäischen Union von Energieeinfuhren nimmt beständig zu.
Zurzeit ist Europa bereits der weltweit größte Energieimporteur und der zweitgrößte
Energieverbraucher und somit schon heute zu 50% von externen Energiequellen
abhängig. Sollten daher keine Maßnahmen zur Verringerung des
Energieverbrauches ergriffen werden, wird diese Importabhängigkeit auf bis zu 70%
im Jahr 2030 ansteigen.
Der gesamte Energieverbrauch der EU entsprach im Jahr 2004 rd. 1745 mtoe. Öl
war dabei die wichtigste Energiequelle (37%), gefolgt von Gas (24%), festen
Brennstoffen (18%), Kernenergie (15%) und Erneuerbaren Energiequellen (6%).
Es wird erwartet, dass der Gesamtenergieverbrauch im Jahr 2030 gegenüber dem
Jahr 2000 um 15% höher liegen wird.
Der Ölverbrauch beträgt in der Europäischen Union jährlich rd. 650 mtoe. Die
Ölerzeugung in der EU betrug im Jahr 2004 hingegen rd. 135 mtoe und deckte somit
nur rd. 20% des EU-weiten Bedarfs. Es wird erwartet, dass die Ölimportabhängigkeit
bis zum Jahr 2030 bei 94% liegen wird. Auch bei Verringerung des Ölverbrauchs
wird somit die EU weiterhin massiv von Ölimporten aus Drittstaaten abhängig sein.
Ähnlich drastisch stellt sich die Situation bei Erdgas dar. Der derzeitige
Gasverbrauch beträgt rd. 151 bcm jährlich. Etwa die Hälfte (48%) des Gasbedarfs
kann dabei durch die EU selbst abgedeckt werden. Die restlichen 52% werden von
Norwegen, Russland und Algerien bereitgestellt. Sollte sich allerdings beim
Gasverbrauch bis zum Jahr 2030 das Verbraucherverhalten nicht ändern, wird mit
einer Zunahme der Gasimporte auf bis über 80% gerechnet.
Bei den festen Brennstoffen wird ebenfalls ein Importanstieg bis zum Jahr 2030 von
37% auf 59% prognostiziert.
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Aufgrund der Nuklear-Ausstiegs-Programme einiger EU-Mitgliedstaaten ist eine
Reduktion des Nuklearanteils von derzeit 15% auf 11,1% zu erwarten.
Für die Erarbeitung einer kohärenten, integrierten, gesamteuropäischen
Energiepolitik unter Gewährleistung von Wettbewerbsfähigkeit,
Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit (Umweltschutz), werden im vorliegenden
Grünbuch 6 prioritäre Bereiche genannt:
1. Energie für Wachstum und Beschäftigung in Europa: Vollendung des
Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarktes
2. Ein Energiebinnenmarkt der die Versorgungssicherheit gewährleistet:
Solidarität zwischen den Mitgliedstaten
3. Sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung: Hin zu einem stärker
nachhaltig ausgerichteten, effizienteren und vielfältigeren Energieträgermix
4. Ein integrierter Ansatz für den Klimaschutz
5. Innovationen fördern: Ein strategischer Plan für europäische
Energietechnologien
6. Auf dem Weg zu einer kohärenten Energieaußenpolitik
2. Österreichische Stellungnahme
2.1. Allgemeines
Energie als Motor jeden Wirtschaftens und als Gut, das wesentliche
Grundbedürfnisse des Menschen abdeckt, ist heute mehr denn je Gegenstand
äußerst sensibler Entscheidungsprozesse. Die Energiepolitik der Europäischen
Gemeinschaft kann nur dann erfolgreich sein und den aktuellen
gesellschaftspolitischen Ansprüchen genügen, wenn sie im Einklang mit dem
Energiebinnenmarkt steht und die Versorgung mit der benötigten Energie
kosteneffizient, umweltschonend und sozial verträglich sicherstellt.
Aufgrund der jüngsten Entwicklungen im Energiebereich dankt Österreich der
Europäischen Kommission für die rasche Vorlage des Grünbuchs, dessen Ziel es ist,
eine kohärente, gesamteuropäische Energiepolitik unter Gewährleistung von
Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit zu entwickeln.
Hauptziel einer solchen kohärenten Energiepolitik muss es aus österreichischer Sicht
sein, im Hinblick auf das Wohl der Bürger und der Wirtschaft (Lissabon-Strategie)
sicherzustellen, dass Energieträger fortlaufend und zu für alle Verbraucher
erschwinglichen Preisen auf den Markt zur Verfügung stehen, ohne dass
Umwelterwägungen und das Ziel der Nachhaltigkeit in den Hintergrund gedrängt
werden. Österreich findet seine Überlegungen für eine gesamteuropäische
Energiepolitik in den von der EK definierten prioritären Bereichen wieder und kann
daher diese unterstützen.
Bei den im Grünbuch genannten Lösungsvorschlägen kommt aus österreichischer
Sicht insbesondere die Entwicklung einer gemeinsamen kohärenten
gesamteuropäischen Energieaußenpolitik entscheidende Bedeutung zu.
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Insbesondere durch die Inangriffnahme der Herausforderungen im Bereich der
globalen Erderwärmung werden insbesondere der Energieeffizienz und der
Forcierung der erneuerbaren Energien im Hinblick auf die umweltfreundliche
Gestaltung der Energieaufbringung entscheidende Bedeutung zukommen. Bei der
Festsetzung von Maßnahmen insbesondere im Bereich Energieeffizienz ist
besonders auf die unterschiedlichen Vorleistungen und Potentiale in den einzelnen
Mitgliedstaaten Bedacht zu nehmen sowie die Kosten-Nutzen-Analyse der jeweiligen
Maßnahmen zu berücksichtigen. Es muss vermieden werden, dass durch das
Grünbuch für jene Mitgliedstaaten Wettbewerbsvorteile entstehen, die bisher weniger
sorgsam mit Energie umgegangen sind.
Selbstverständlich müssen aber auch alle Möglichkeiten ergriffen werden, die die
langfristige Versorgungssicherheit in der Union gewährleisten. Neben dem
notwendigen verstärkten Ausbau der Energieinfrastrukturanlagen sind intensive
Kontakte mit Produzenten- und Transitländern in Form von Energiedialogen oder
Energiepartnerschaften sowie die Vollendung des Elektrizitäts- und
Erdgasbinnenmarktes aus österreichischer Sicht für die Union unerlässlich.
2.2. Zu den prioritären Bereichen
(Anmerkung: Unter diesem Punkt findet sich die Österreichische Stellungnahme zu
den prioritären Bereichen, welche nicht durch die Fragestellungen abgedeckt sind.)
ad: Energie für Wachstum und Beschäftigung in Europa: Vollendung des
Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarktes
Die bis Ende 2006 von der EK vorzulegende Wettbewerbsuntersuchung bezüglich
des Funktionierens der europäischen Gas- und Strommärkte wird eine gute
Grundlage dafür sein abzuschätzen, ob in diesem Bereich weitere legislative
Maßnahmen nötig sein werden.
Die in diesem Zusammenhang von der EK identifizierten Punkte:
- Ein europäisches Netz,
- Gleiche Wettbewerbsbedingungen (Entflechtung ist wichtig),
- Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie,
erscheinen durchaus von Relevanz zu sein, die in Aussicht gestellten Vorschläge
dazu werden allerdings ernsthaft zu prüfen sein.
Zum Vorschlag der Einrichtung eines Europäischen Grid-Codes darf angemerkt
werden, dass Österreich vorerst keine wesentliche Notwendigkeit sieht, einen
solchen einzuführen, da diese Maßnahme zur Belebung des Binnenmarktes eher
nicht beitragen würde sondern eher zu einem mehr an Bürokratisierung. Ferner wird
auch die Errichtung eines europäischen Energieregulators, welcher
grenzüberschreitende Fragen aufgreifen soll, als problematisch gesehen, da bereits
auf europäischer Ebene unterschiedliche Organisationen bestehen, welche sich
hiermit beschäftigen. Die Errichtung weiterer Institutionen würde daher de facto zu
zusätzlicher Bürokratie, noch komplexeren Prozessen und zu zusätzlichen Kosten
führen, die sich letztlich wiederum in wirtschaftlichen Nachteilen für die Kunden
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auswirken würden. Ein Vorteil einer solchen Einrichtung kann daher nicht gesehen
werden.
ad: Ein Energiebinnenmarkt der die Versorgungssicherheit gewährleistet:
Solidarität zwischen den Mitgliedstaten
Zum Vorschlag der Einrichtung einer europäischen Stelle zur Beobachtung der
Energieversorgung darf angemerkt werden:
• EMOS - Energy Market Observation System
Als möglicher künftiger Aktionsbereich wird die Einrichtung einer europäischen Stelle
zur Beobachtung der Energieversorgung gefordert. Diese soll die Angebots- und
Nachfragemuster auf den Energiemärkten der EU verfolgen, wahrscheinliche
Infrastruktur- und Versorgungsengpässe frühzeitig feststellen und auf der EU-Ebene
die Arbeit der Internationalen Energieagentur ergänzen.
Österreich kann sich dieser Aufforderung nur dann anschließen, wenn Aufbau
und Arbeitsweise dieser Energiemarktbeobachtungsstelle gewährleisten, dass
Doppelgleisigkeiten und Überbürokratisierung vermieden werden. Eine
Datenübermittlung von MS soll daher nur in jenen Ausmaßen und
Zeitintervallen erfolgen, die sich tatsächlich als notwendig erweisen.
Grundsätzlich wäre auf dem Gebiet der aktuellen Energiemarktanalysen auch
weiterhin auf die bewährten Synergien mit der IEA aufzubauen und die
diesbezügliche Zusammenarbeit mit dieser Organisation zu intensivieren.
• regelmäßige Veröffentlichung der EU-Erdöl/Produktenvorräte
Weiters beinhaltet dieses Kapitel auch eine Aufforderung an die EK, einen neuen
Legislativvorschlag vorzulegen, durch den eine regelmäßigere und transparentere
Veröffentlichung des Stands der Erdölvorräte der Gemeinschaft gewährleistet wird,
um die Transparenz auf den Erdölmärkten zu erhöhen.
Dazu wäre folgendes zu bemerken: bereits jetzt müssen alle MS gemäß Richtlinie
72/425 EWG des Rates vom 19.12.1972 monatlich die Pflichtnotstandsreserven
(Rohöl, Mineralölprodukte) an die EK melden. Höhe und Zusammensetzung werden
von der EK genauestens beobachtet und analysiert. Im Rahmen der
Ölversorgungsgruppe/Oil Supply Group (setzt sich zusammen aus Vertretern der EK
und den MS) werden die Ergebnisse von der EK regelmäßig präsentiert und von EK
und MS diskutiert. Jene Mitgliedstaaten, die den Verpflichtungen,
Pflichtnotstandsreserven zu halten, nicht in vollem Umfang nachkommen, werden
aufgefordert, dies zu tun. Bisher gibt es nach Aussagen der EK zwar keine oder nur
kleinere Schwierigkeiten mit der Meldemoral der MS; kürzere Intervalle (z.B. 14
Tage) würden jedoch vor allem für jene MS, die strategische und operationelle Lager
vermengt halten (dazu gehört auch Österreich), sehr problematisch werden.
Unternehmen müssten gesetzlich verpflichtet werden, anstatt wie bisher monatlich in
2 Wochen-Intervallen zu melden, wie hoch ihre Pflichtnotstandsreservenlager sind
(diese sind aufgrund der 90 Tage-Verpflichtung im Jahreszyklus ohnehin relativ
konstant) und wie sich diese zusammensetzen. Im diesem Zusammenhang wäre
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mangelndes Verständnis für die Notwendigkeit verkürzter Meldeintervalle der
betroffenen Unternehmen zu befürchten. Auch Vertreter der EK und vieler MS haben
anlässlich diesbezüglicher Gespräche in der Ölversorgungsgruppe derartige
Probleme geortet.
Weiters wäre aufzuzeigen, dass sich die Veröffentlichung der US-Lagerbestände an
Rohöl und Mineralölprodukten - diese erfolgt wöchentlich - insbesondere in den
letzten beiden Jahren nicht immer rational auf die Weltmarktpreise für Öl und
Produkte auswirkt. Beispiele dafür, dass es trotz hoher US-Lagerbestände und
Überversorgung des Weltmarktes mit Rohöl und Produkten zu weiteren Erhöhungen
der Preise/Notierungen kommt, gibt es zahlreiche. Ölmärkte reagieren in der
jüngsten Vergangenheit - geschürt durch „psychologische“ Faktoren wie
beispielsweise Befürchtungen potentieller Versorgungsstörungen infolge
geopolitischer Risken und Klima/Wetterbedingungen - nicht auf reale Gegebenheiten
(tatsächliche Versorgungslage, Höhe der Lagerbestände, etc.). Würde durch
regelmäßige Veröffentlichung der EU-Lagerbestände ein weiterer Faktor zu jenen,
die bereits den Ölmarkt beeinflussen, dazukommen, könnte diese vermeintlich
größere Transparenz zu einer weiteren Steigerung der bereits großen
unerwünschten Volatilität führen.
Österreich empfiehlt daher, den Vorschlag, die Lagerbestände in kürzeren
Intervallen der EK zu melden und diese regelmäßig zu veröffentlichen, noch
mal im Lichte der oben genannten Gründe - Akzeptanz der betroffenen
Unternehmungen und möglicher zusätzlicher Faktor zur Steigerung der
Volatilität am internationalen Ölmarkt (Beispiel: US-Daten) - zu überdenken
bzw. die Notwendigkeit dieser Vorgangsweise erneut zu hinterfragen.
Es wäre darüber hinaus darauf hin zu weisen, dass mit dem von der EU, der
IEA, der OPEC und anderen internationalen Organisationen mitgetragenen,
erfolgreichen JODI-Projekt (Joint Oil Data Initiative) bereits ein
ausgezeichnetes Instrument zur Hebung der globalen Ölmarkttransparenz
vorliegt.
Zu den Überlegungen der EK betreffend die Bevorratung von Erdgas ist folgendes zu
sagen:
Im Gegensatz zu Lagereinrichtungen für Erdöl und -produkte kann
Gasspeicherkapazität nicht beliebig geschaffen werden, sondern ihre Verfügbarkeit
ist vom Vorhandensein geeigneter geologischer Strukturen, die dafür verwendet
werden können (erschöpfte Gaslagerstätten), abhängig. Aufgrund dessen verfügen
die einzelnen EU-MS in unterschiedlichem Ausmaß über Erdgasspeicherkapazitäten.
Jene MS, welche über geringe oder keine Gasspeicherkapazitäten verfügen, müssen
sich zur Angleichung von Angebot und Nachfrage anderer Instrumente bedienen
(Steigerung/Senkung der Förderung, Steuerung der Anlieferung von LNG,
Ausweichen auf alternative Brennstoffe, Ausbau von Substitutionspotentialen
bezüglich des Brennstoffeinsatzes für die Stromerzeugung).
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Würde man nun ein verpflichtendes Bevorratungssystem für Erdgas (analog zu
jenem, das im Rahmen der IEA für Erdöl und -produkte existiert) schaffen, so würden
dafür die Speicherkapazitäten in jenen MS, wo solche existieren, herangezogen
werden müssen. Für Österreich hätte das zur Folge, dass möglicherweise ein
Großteil der vorhandenen Speicherkapazität für Pflichtbevorratung verwendet würde
und dann nicht mehr als Flexibilitätsinstrument für die heimische Versorgung zur
Verfügung stünde. Österreich hat jedoch keine ausreichende Möglichkeit, auf andere
Flexibilitätsinstrumente, auszuweichen. Ein weiteres Problem bilden die mit den
Finanzierungserfordernissen und den finanziellen Risken einer derartigen
Bevorratung verbundenen Kosten.
ad: Sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung: Hin zu einem stärker
nachhaltig ausgerichteten, effizienteren und vielfältigeren Energieträgermix
Österreich begrüßt die Intention der Europäischen Kommission, jedem Mitgliedstaat
die Entscheidung zu überlassen, seinen eigenen Energieträgermix frei zu wählen.
Die Forcierung von alternativen Energieträgern, wie sie von Seiten der Europäischen
Union bereits seit einigen Jahren betrieben wird, ist daher sehr erfreulich.
Österreich befürwortet eine transparente und objektive Debatte über die künftige
Rolle der Kernenergie in der EU, wobei die EU dafür sorgen könnte, dass alle
Kosten, Vor- und Nachteile der Kernenergie im Interesse einer fundierten, objektiven
und transparenten Debatte aufgezeigt werden. Im Kontext der Grundausrichtung
des Grünbuchs erscheint allerdings eine unvoreingenommene
Auseinandersetzung mit der Frage der Kernenergie jedoch derzeit nicht
gesichert:
Text Grünbuch: "Entscheidungen von Mitgliedstaaten im Bereich der Kernenergie können auch ganz
erhebliche Folgen für andere Mitgliedstaaten haben, was die Abhängigkeit der EU von importierten
fossilen Brennstoffen und die CO2-Emissionen betrifft."
Der Text unterstellt hier - offensichtlich ohne Rücksicht auf die Potentiale der
Energieeffizienz und Erneuerbare Energieträger, dass die Ablehnung der
Kernenergie negative Auswirkungen auf die Importabhängigkeit bzw. auf die CO2-
Emissionen der EU insgesamt hat.
Text Grünbuch: "… die Kernenergie ist … gegenwärtig die größte weitgehend CO2-freie Energiequelle
in Europa"
Mehrfach wird im Grünbuch von der Entwicklung und Förderung von "CO2-armen
Energiequellen" oder "Technologien/Energiequellen mit geringem CO2-Ausstoß"
gesprochen. Die Vereinbarung eines bestimmten Mindestanteils an sicheren und
CO2-armen Energiequellen am gesamten Energieträgermix in der EU als
strategisches Ziel wird grundsätzlich befürwortet. Bei der Kernenergie handelt es
sich - über den gesamten Lebenszyklus betrachtet - allerdings keineswegs um
eine Technologie, die frei von CO2-Emissionen ist. Die CO2-Emissionen sind
jedoch - insbesondere in Relation zu fossilen Brennstoffen - beim laufenden
Betrieb vergleichsweise gering. Der im Grünbuch gewählte Begriff "CO2-arm"
soll offensichtlich auch die Kernenergie umfassen. Die Festlegung eines
bestimmten Mindestanteils an CO2-armen Energieträgern am gesamten
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Energieträgermix in der EU würde somit de facto der Festlegung eines
Mindestanteils an Kernenergie entsprechen.
Die im Grünbuch hervorgehobene besondere Rolle der Kernenergie wird daher
von Österreich kritisch gesehen.
ad: Ein integrierter Ansatz für den Klimaschutz
Die Förderung erneuerbarer Energieerzeugung wird zukünftig ein wichtiger Schritt in
Richtung einer Reduktion der Importabhängigkeit im Energiebereich und einer
Klimaverbesserung sein. Dabei sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden,
dass speziell die Wasserkraft dazu beiträgt und noch über ein ausbaufähiges
Potential verfügt.
ad: Innovationen fördern: Ein strategischer Plan für europäische
Energietechnologien
Für Österreich ist es derzeit nicht nachvollziehbar, welche konkrete Rolle/Aufgabe
einem Europäischen Technologieinstitut zukommen könnte.
ad: Auf dem Weg zu einer kohärenten Energieaußenpolitik
Eine kohärente Energieaußenpolitik ist für die Union von entscheidender Bedeutung.
Hinsichtlich der Einrichtung eines europäischen Regulators besteht von Seiten
Österreichs allerdings Skepsis (siehe auch unter "Vollendung des Binnenmarktes").
2.3. Zu den Fragen im Detail
Wettbewerbsfähigkeit und Energiebinnenmarkt
Besteht Einigkeit hinsichtlich der grundlegenden Bedeutung eines wirklichen
Binnenmarkts zur Unterstützung einer gemeinsamen europäischen Energiestrategie?
Wie können Hindernisse beseitigt werden, die der Durchführung geltender
Maßnahmen entgegenstehen? Welche neuen Maßnahmen sollten ergriffen werden,
um dieses Ziel zu erreichen? Wie kann die EU Anreize für die umfangreichen
Investitionen schaffen, die im Energiesektor erforderlich sind? Wie ist sicherzustellen,
dass alle Europäer Zugang zu Energie zu angemessenen Preisen haben und der
Energiebinnenmarkt zur Aufrechterhaltung des Beschäftigungsniveaus beiträgt?
Die Liberalisierung des Energiemarktes führt zu einer Stärkung des Marktes im
Hinblick auf Versorgungssicherheit und angemessene Preise für die Konsumenten
insbesondere durch das "Spiel der Marktkräfte". Ein einheitlicher Grad an
Marktöffnung in allen Mitgliedstaaten sollte daher zur Erreichung dieses Ziels
angestrebt werden. Ein überschießendes und vor allem verfrühtes setzen von
weiteren legislativen Maßnahmen würde allerdings zurzeit die laufende Entwicklung
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des freien Wettbewerbs auf den europäischen Energiemärkten beeinträchtigen und
könnte bereits erzielte Liberalisierungserfolge möglicherweise konterkarieren.
Investitionen in Erzeugungskapazitäten sind - um den Bedarf im Sinne der
Versorgungssicherheit nachzukommen - dingend notwendig. Dabei gilt es
insbesondere Einschränkungen der Erzeugungskapazitäten die durch andere
Rechtsakte der EU bedingt werden, zu kompensieren. Als Beispiel sei hier die durch
die Umsetzung der Wasserrahmen-Richtlinie mögliche Behinderung des
notwendigen Wasserkraftausbaues genannt. Maßnahmen, die die Kapazität bzw.
den Wirkungsgrad von Erzeugungsanlagen einschränken, führen nämlich letztlich
dazu, dass getätigte Investitionen an Rentabilität einbüßen bzw. auf die Investitionen
von Neuanlagen dämpfend wirken. Einem stabilen Entscheidungsumfeld kommt
daher insbesondere im Hinblick auf Investitionen betreffend neue Erzeugungs- bzw.
Netzanlagen wesentliche Bedeutung zu.
Für die Errichtung von Netzanlagen zur Beseitigung von Engpässen bestehen an
Ansicht Österreichs derzeit keine ausreichenden Anreize, die durch entsprechende
Rahmenregelungen von der EU vorgegeben werden müssten. Es wären daher hier
entsprechende Anreizsysteme von EU-Seiten zu schaffen (Schlagwort "ein
europäisches Netz").
Diversifizierung des Energieträgermix
Was sollte die EU tun, um sicherzustellen, dass Europa als Ganzes eine
klimafreundliche Energiediversifizierung fördert?
Ein breit gestreuter Energieträgermix bei heimischen Energieträgern kann dazu
beitragen, die wachsende Abhängigkeit der EU von Energieimporten zu vermindern.
Hier sollte insbesondere auf ein ausgewogenes Verhältnis der Energieträger Bedacht
genommen werden und eine Abwägung der Kosten und Nutzen im Vordergrund
stehen.
Teil der Diversifizierung des Energieträgermix bedeutet allerdings auch eine
Diversifizierung der Lieferregionen und der Transportrouten, um so erstens die
Einfuhrabhängigkeit breiter zu streuen und um von Entwicklungen in einzelnen
Transitländern weniger stark abhängig zu sein.
Solidarität
Welche Maßnahmen müssen auf Gemeinschaftsebene ergriffen werden, um
Energieversorgungskrisen zu verhindern und um sie zu beherrschen, falls sie
dennoch eintreten?
Bereich Gas und Elektrizität:
Es bedarf eines wirksamen Instrumentes, das im Bedarfsfall tatsächlich
funktionieren kann. Die Bewältigung der aufgrund des Gasdisputes zwischen der
Russischen Föderation und der Ukraine Anfang 2006 entstandenen Situation hat
gezeigt, dass dieses Instrument zwei Elemente umfassen muss:
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1. rasches, koordiniertes Vorgehen auf höchster politischer Ebene (unter der
Leitung des Ratsvorsitzes wurden die wurden Russland und die Ukraine von
mehreren zuständigen Fachministern von EU-Staaten dringend aufgefordert
ihre Meinungsverschiedenheit gütlich zu bereinigen).
2. rasche, koordinierte Reaktion der betroffenen Wirtschaft (in engen Kontakten
zwischen dem Regelzonenführer, den Fernleitungsnetzbetreibern und den
Speicherbetreibern konnten die Minderlieferungen aus der RF durch Rückgriff
auf Speicherbestände ausgeglichen werden ohne dass die Versorgung der
Verbraucher jemals gefährdet gewesen wäre).
Diese beiden Elemente - die sich auf nationaler Ebene als effektiv erwiesen haben -
müssten auch auf EU-Ebene soweit vorbereitet werden, dass sie im Bedarfsfall auch
tatsächlich funktionieren können. Akteure auf politischer Ebene wären das
zuständige Kommissionsmitglied sowie die zuständigen Fachminister der MS.
Akteure auf auf Wirtschaftsseite könnten die einschlägigen europäischen Verbände
sein (z. B. Gas Infrastructure Europe/GIE - Dachverband unter welchem Betreiber
von Gasfernleitungen, von Speicheranlagen und von LNG-Terminals organisiert
sind). Weiters sollten auch Organisationen aus dem Elektrizitätssektor (da Gas als
Primärenergieträger zur Stromerzeugung verwendet wird) und solche von
industriellen Großverbrauchern (wegen Umstiegsmöglichkeiten auf
Alternativbrennstoffe) eingebunden werden.
Bereich Erdöl:
Österreich sieht aufgrund der ohnehin schon bestehenden Rechtsvorschriften - nicht
zuletzt auch auf Grundlage der bestehenden Regelungen der IEA im IEP-
Übereinkommen - keine Notwendigkeit, neue gemeinschaftliche
Regelungen/Maßnahmen für die Erkennung und Bewältigung von Krisen im
Erdölbereich zu entwickeln.
Exkurs:
Das derzeitige System zur Haltung von Pflichtvorräten an Mineralölprodukten in der Europäischen
Union basiert auf der Richtlinie 68/414 EWG des Rates vom 20. Dezember 1968, zuletzt geändert
durch die Richtlinie 98/93/EG des Rates vom 14. Dezember 1998.
Dadurch ist das Bevorratungssystem der EU teilweise stringenter als jenes der IEA. Dies betrifft
insbesondere die Abzugsfähigkeit für Inlandsförderung und Zusammensetzung der Pflichtvorräte.
Sowohl das System der IEA- als auch jenes der EU haben sich im September 2005 (Freigabe von
Teilen der IEA-Notstandsreserven zur Entlastung der internationalen Ölmärkte infolge der
Ölversorgungsunterbrechungen in den USA; hervorgerufen durch die von den Wirbelstürmen „Katrina“
und „Rita“ verursachten Schäden an der Energiegewinnungs- und –versorgungsinfrastruktur im Golf
von Mexiko) bewährt.
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Nachhaltige Entwicklung
Wie kann eine gemeinsame europäische Energiestrategie am besten dem
Klimaschutz Rechnung tragen und die Ziele Umweltschutz, Wettbewerbsfähigkeit
und Versorgungssicherheit miteinander vereinbaren? Welche weiteren Maßnahmen
sind auf Gemeinschaftsebene nötig, um geltende Ziele zu erreichen? Sind weitere
Ziele angebracht? Auf welche Weise sollten wir einen längerfristig sicheren und
vorhersehbaren Investitionsrahmen für den Ausbau sauberer und erneuerbarer
Energien in der EU bereitstellen?
Österreich legt seit langer Zeit besonderes Augenmerk auf eine optimale Nutzung
erneuerbarer Energiequellen und auf die Steigerung der Energieeffizienz. Österreich
begrüßt daher alle Aktivitäten, die diese Bereiche unterstützen.
Neben dem zur Zeit diskutierten "Aktionsplan Biomasse" darf in diesem
Zusammenhang das Grünbuch Energieeffizienz genannt werden, welches dazu
beitragen soll, das in zahlreichen Studien identifizierte Energiesparpotential für die
Mitgliedstaaten in Höhe von rund 20 % bis zum Jahr 2020 in kosteneffektiver Weise
einzusparen. Die Europäische Union muss - um dieses Potential zu erreichen - zügig
auf einen konkreten Aktionsplan Energieeffizienz hinarbeiten, der von der
Europäischen Kommission ehestens vorgelegt werden soll. Als wichtiger Schritt in
Richtung Verbesserung der Energieeffizienz wird in diesem Zusammenhang auch
die verabschiedete Endenergieeffizienz-Richtlinie gesehen.
Bei allen Zielsetzungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sollte jedoch
besonders darauf geachtet werden, dass diese sowohl kosteneffizient als auch
umweltverträglich festgelegt werden. Insbesondere beim Bereich Energieeffizienz
muss vermieden werden, dass für jene Mitgliedstaaten Wettbewerbsvorteile
entstehen, die bisher weniger sorgsam mit Energie umgegangen sind, da beim
Ausgehen von einem hohen Energieeffizienzniveau für jede zusätzliche
Einsparmaßnahme mit sinkenden Skalenerträgen zu rechnen ist, während bei bisher
niedrigem Energieeffizienzniveau mit relativ geringem Aufwand relativ hohe Effekte
erwartet werden können.
Innovation und Technologie
Welche Maßnahmen sollten sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch auf
einzelstaatlicher Ebene ergriffen werden, um sicherzustellen, dass Europa bei
Energietechnologien weltweit führend bleibt? Mit welchen Instrumenten kann dies am
besten erreicht werden?
Forschung und Entwicklung stellt eines der Kernthemen dar, mittelfristig
Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu
sichern.
Zur Förderung von Forschung und Entwicklung stehen sowohl auf
Gemeinschaftsebene als auch auf nationaler Ebene entsprechende Instrumentarien
zur Verfügung: einerseits das 7. Rahmenprogramm sowie das CIP, andererseits
Förderprogramme der Fachressort, die wissenschaftliche Forschungsprojekte
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unterstützen. Eine der Kernaufgaben sieht daher Österreich darin, die vielfältigen
Fördermöglichkeiten bestmöglich aufeinander abzustimmen.
Ferner finden sich aus Österreichischer Sicht viele Ansätze für den Bereich der
Forschung und technologischen Entwicklung - sowohl auf Gemeinschafts-, wie auch
auf innerstaatlicher Ebene - bei der Umsetzung schon bestehenden EU-Richtlinien
wie z.B. die Eco-Design-Richtlinie und die Endenergieeffizienz-Richtlinie.
Außenpolitik
Sollte es eine gemeinsame Energieaußenpolitik geben, damit die EU mit einer
Stimme sprechen kann? Wie können die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten die
Versorgungsvielfalt, besonders beim Erdgas, fördern? Sollte die EU neue
Partnerschaften mit ihren Nachbarn, einschließlich Russland, uns mit den anderen
Haupterzeuger- und -verbraucherländern der Welt schließen?
Die Herausforderungen, vor denen Europa im Energiebereich steht, erfordern eine
gemeinsamen Energieaußenpolitik, die Europa in die Lage versetzt, zusammen mit
Energiepartnern weltweit eine wirksamere internationale Rolle bei der Behandlung
gemeinsamer Probleme zu spielen. Eine gemeinsame Energieaußenpolitik ist von
grundlegender Bedeutung für eine wettbewerbsfähige und sichere
Energieversorgung. Dies nicht zuletzt, um der EU in den Kontakten mit den
Lieferländern aber auch mit anderen Verbraucherstaaten und -regionen das ihr
tatsächlich zukommende Gewicht zu verleihen sowie zu vermeiden, dass Partner
außerhalb der EU von einzelnen EU-MS mit unterschiedlichen, u. U. einander
widersprechenden Positionen konfrontiert werden, die der EU insgesamt letztlich
zum Nachteil gereichen würden.
Durch die Intensivierung der bestehenden sowie der Schaffung von neuen
Energiepartnerschaften könnte für die EU und ihre Partner langfristig - insbesondere
auch für langfristige Investitionen - Sicherheit geschaffen werden.