Vom Bodensee bis Kieler Förde sprangen am 17. Juni 2012 über 1000 Jugendliche für mehr Gewässerschutz in ihren Fluss oder See. Hier die Veranstaltung zum Anschauen mit Hintergrundinformationen und Interviews.
28. Bei traumhaftem Wetter wurde am
17.06.2012 die erste Station eines
Naturerlebnislehrpfades am
Gewässeruntersuchungsplatz der
Mühlenriede eingeweiht, den
Schüler des Gymnasiums
Fallersleben in diesem Schuljahr im
Rahmen des Seminarfach-
Unterrichtes geplant haben.
Mühlenriede
72. Gesine Schwan
Lest im Interview mit unserer
Schirmherrin Gesine Schwan
warum es so wichtig ist, sich für
saubere Gewässer einzusetzen
und ob sie am 17. Juni 2012 mit
uns ins Wasser springen wird!
73. Interview Gesine Schwan
Frau Schwan, an welchem Fluss oder See daher nicht einfach Experten die Umsetzung
sind Sie groß geworden? übernehmen?
Am Heiligensee im Norden Berlins. Weil es sich immer auch um kontroverse
Entscheidungen handelt, die zwischen den
Konnten Sie in diesem See baden? verschiedenen Interessenten und politischen
Ja, ich war im Sommer mehr im Wasser als an Akteuren mit Hilfe der Experten entschieden
Land. werden sollten. Die Zivilgesellschaft spielt hier
eine wichtige Rolle, dass das Allgemeinwohl im
Das sind schöne Erinnerungen – die leider Blick bleibt – und auch als Ideengeber. Der “Big
heute nur noch wenige Menschen haben. Jump” ist ja gerade eine Idee wie wir die
Wegen der sozialen und ökologischen öffentliche Auseinandersetzung mit dem
Probleme unserer Flüsse und Seen fordert Gewässerschutz fördern können. Dass wir uns
die europäische Wasserrahmenrichtlinie bis gemeinsam trauen, und damit auch das
2015 einen guten ökologischen und Vertrauen in eine partizipative Umsetzung
chemischen Zustand der stärken.
Oberflächengewässer.
Dazu ist laut Artikel 15 der Richtlinie die Aber warum sollten sich SchülerInnen an
“aktive Beteiligung” aller interessierten Aktionen zum Gewässerschutz beteiligen?
Stellen zu fördern. Demnach sind Ist es doch die Generation der Eltern, die für
Öffentlichkeit und Partizipation im den Zustand der Flüsse und Seen
Gesetzestext selbst festgelegt. Doch das verantwortlich ist!
Gesetz ist äußerst komplex. Warum können
74. Interview Gesine Schwan
Wir übernehmen immer eine Welt, die wir nicht
selbst gestaltet haben, aber verantwortlich
weiterentwickeln müssen. Auch unsere Eltern
waren schon in dieser Lage.
Würden Sie – zum Big Jump 2012 – mit
anderen in den Heiligensee oder einen
anderen See oder Fluss springen?
Als Schirmherrin möchte ich natürlich alle
Jumps unterstützen. Im Geiste bin ich dabei,
wenn die “Big Jump” Initiative zum großen
Sprung für mehr Bildung, Teilhabe und
Gewässerschutz ansetzt!!
Vielen Dank für das Gespräch, wir freuen
uns sehr Sie als Schirmherrin dabei zu
haben!
75. Benny Adrion
Viva con Agua
An einem sonnigen Tag im Mai traf sich
Kathrin vom Big Jump Team mit Benny
Adrion, dem Gründer von Viva con Agua
und Unterstützer der Big Jump Challenge.
Benny hat früher professionell Fußball in
Stuttgart und beim FC St. Pauli gespielt. Im
Jahr 2005 hat er Viva con Agua in Hamburg
gegründet, um Wasserprojekte in
Entwicklungsländern zu unterstützen, die
von der Welthungerhilfe durchgeführt
werden.
76. Interview Benny Adrion
Hallo Benny, sag mal was machst du überleben kann, deswegen kann man da
eigentlich am 17. Juni um 15 Uhr? baden.
Da springe ich für mehr Gewässerschutz ins
Wasser. Gruselig! Aber zurück zum Big Jump. Was
versprichst du dir davon?
Weißt du auch schon wo? Der Big Jump steht bald an und wird bei uns
Die Vorbereitungen laufen, der genaue Ort wird schon seit langem vorbereitet und
auf unserer Jump-Seite bekannt gegeben. angekündigt. Er steht dick und fett in unserem
Kalender und alle freuen sich drauf!
Weißt du noch, wann du das letzte mal in Ich hoffe, dass es großen Spaß machen wird
einem Fluss oder See gebadet hast? und dass viele Leute sich beteiligen werden.
Boah, da muss ich überlegen. Ist schon eine Das ist eigentlich meine Erwartung! Große
Weile her, Meer gilt nicht? Beteiligung! Das Ganze klappt ja nur, wenn in
Hmm...wahrscheinlich in Äthiopien im Lake vielen Städten viele Leute mitmachen, nur
Langano, der einzige See in dem man dort dann kann das Projekt ein Erfolg werden.
baden kann, weil in anderen die Bilharziose-
Gefahr so hoch ist. Das ist ein Hast einen Tipp für alle Schüler, die etwas
Krankheitserreger, der dir die Harnröhre hoch für den Gewässerschutz tun möchten, aber
kriech. Dieser Langano See ist so nicht so recht wissen mit wem sie den Big
schwefelhaltig, dass da gar kein Erreger Jump durchführen sollen?
77. Es ist immer gut, wenn man es schafft, seine macht sich einen Ablaufplan und verteilt die
Schule dazu zu bekommen mitzumachen. Aufgaben.
Wenn man als Schüler Lust hat mitzumachen,
kann man sich nicht nur selbst beteiligen, Danke Benny, das war sehr aufschlussreich
sondern direkt zur Schule oder Klasse gehen und freuen uns, dass du am 17. Juni mit
und sagen ‘Hey, ich habe eine coole Idee, dabei bist!
unterstützt mich bitte mal! Lasst uns an dem Sehr gerne, sehr gerne.
und dem Tag einen Ausflug machen mit der
ganzen Schule oder der Klasse und alle
springen zusammen ins Wasser‘. Also die
Schule quasi als Multiplikator nutzen. Das wäre
ganz cool und schulfrei ist ja auch nicht
schlecht.
Hast du direkte Tipps für die Planung? Was
muss man deiner Meinung nach beachten,
damit die Veranstaltung richtig erfolgreich
wird?
Für eine erfolgreiche Veranstaltung, haben wir
ja mittlerweile gelernt, dass natürlich Planung
sehr wichtig ist. Das heißt man sollte doch im
Zweifel mehr Zeit mit der Planung einer
solchen Veranstaltung verbringen, als man es
sonst machen würde. Je besser man das
vorbereitet, desto stressfreier wird die
Umsetzung. Es ist im Nachhinein sehr viel
entspannter und einfacher, wenn man sich
vorher die Zeit nimmt, um die Veranstaltung
komplett durchzuplanen. Am besten man
78. Tim Edler
realities:united
Den Traum von sauberen Gewässern
und deren Nutzung haben auch
Berliner Innenstadtbewohner noch
nicht aufgegeben. Jassa vom Big Jump
Challenge Team hat mit dem
Architekten und Jury-Mitglied Tim Edler
über sein Flussbadprojekt, Stadtkultur
und die natürliche Reinigung von
Gewässern gesprochen.
79. Interview Tim Edler
Ein Teilabschnitt des Seitenkanals der Was tun Sie innerhalb des Projekts
Spree in Berlin soll umfunktioniert werden hinsichtlich der Einleitung ungeklärten
und 2019 als Flussbad in Betrieb genommen Abwassers in die Spree, damit zukünftig in
werden. Wie sind Sie zu der Idee des ihr wieder gebadet werden kann?
Projekts gekommen? Das Wasser, was wir brauchen um den
Unser erstes Atelier lag an der Spree, genau da “beschwimmbaren” Bereich mit Nachschub
wo Hauptspree und Kupfergraben (ca. 0,5 m³/s) zu versorgen, stammt aus einem
zusammenfließen. Das war ein Gebäude, was bepflanzten Kiesbett Filter mit etwa 3500 m²
schon so lange keine Nutzung mehr hatte,
dass der Eigentümer tatsächlich vergessen
hatte, dass es ihm gehört. Klingt wie das
Märchen von Dornröschen, aber es stimmt.
Aber als wir dann endlich drin waren (ein
Gebäude ohne Strom, Heizung oder fließend
Wasser) fingen wir an uns mit dem
umgebenden Stadtraum auseinanderzusetzen
und da haben wir erstaunliche Parallelen
gesehen. Ein Flussarm mit mehr als hundert
Jahren ohne Nutzung und eine Stadt die das
scheinbar vergessen hatte. Das klang nach
einem neuen Auftrag.
80. Interview Tim Edler
Fläche, der im Kanalbereich direkt oberhalb gegeneinander abgewogen werden, sondern
angelegt ist. Angetrieben wird der können einander ergänzen.
Filtervorgang von dem Höhenunterschied von Es ist ein sehr guter Ort, mit diesem
etwa 1,25 m, der das Wasser durch den Filter Modellprojekt sowohl das Potential einer
presst. intakten Umwelt für die Lebensqualität zu
zeigen, als auch indirekt auf das weiterhin
Inwiefern trägt das Flussbad zur Stadtkultur ungelöste Problem der
bei? Und was hat das Projekt mit Gewässerverschmutzung durch veraltete
Gewässerschutz zu tun? Abwassersysteme hinzuweisen. Beides zu
Der Umbau eines kompletten Flussarms in ein verdeutlichen und dadurch die
Schwimmbad ist eine spektakuläre Geste. entscheidenden, aber meist abstrakten
Besonders an diesem Ort, der für Berlin und Änderungsprozesse zu beschleunigen könnte
vielleicht darüber hinaus eine wichtige dann einer der wichtigsten Beiträge sein, den
identitätsgebende Funktion hat. dieses Projekt leisten kann.
Es ist interessant, an dieser Stelle zu zeigen,
dass eine neue Nutzung des Flusses möglich Die Idee des Big Jumps verankert auch
ist und dass sie sich gut mit der gewachsenen ethische Aspekte, wie z.B. zu unseren
Gestalt der Stadt und ihrer anderen Nutzungen Flüssen und Seen wieder vermehrt Bezug
verbinden lässt. Eine vielschichtigere und zu bekommen und sie mit in unser
interessantere Stadt entsteht. Repräsentation, Heimatgefühl aufzunehmen. Verfolgen bzw.
Angebote der Bildung und der Kultur und die vermitteln Sie mit Ihrem Projekt ebenfalls
Belange der Wohnbevölkerung müssen nicht solche Gedanken? Und wenn ja wie?
82. Interview Tim Edler
Wir versuchen eigentlich wenig über die den wir thematisieren seit über 100 Jahren
romantischen Aspekte zu argumentieren. Es überwiegend „arbeitslos“ ist. Aber natürlich
geht um viel Konkreteres, als um das gibt es auch Vorbehalte – schließlich ist das
Heimatgefühl. In Berlin ganz konkret um die nicht irgendwo, sondern das Ding läuft durch
Frage nach der Eigentümerschaft und einer die „Gute Stube“ Berlins, das Weltkulturerbe
intelligenten Form der Nutzung. Wem gehört der Museumsinsel.
der Fluss und wer darf damit was machen? Wir müssen noch viel mehr informieren, weil
Wir sind fest davon überzeugt, dass die für viele besorgte Menschen nicht gleich zu
Nutzung der Spree in Berlin als eine Ressource erkennen ist, dass dieses Projekt nicht zu einer
der Erholung für Natur und Mensch sinnvoller befürchteten weiteren „Eventisierung“ der
ist, als den Fluss nur als Straße und Museumsinsel betragen soll, sondern, dass es
Abwasserkanal zu verstehen. im Gegenteil etwas „normale“ Nutzung und
Berlin kann viel von der Spree profitieren, aber auch die Wohnbevölkerung Berlins an diesen
dafür muss die Stadt an ihre alte Tradition touristischen Ort zurückbringen würde.
anknüpfen: Vernunft im Umgang mit den Letztlich ist uns völlig klar, dass dieses Projekt
gegebenen Ressourcen. mit der Unterstützung einer breiten lokalen
Einwohnerschaft steht und fällt.
Auf welche Resonanz ist das Thema bisher Das ist fast die Hauptsache, um die wir uns
bei den Berlinern gestoßen und was gibt es jetzt kümmern müssen.
in dieser Hinsicht noch zu tun?
Fast alle reagieren sehr positiv – das hat sicher
auch damit zu tun, dass der Flussabschnitt,
83. Interview Tim Edler
Wo sehen Sie das Nutzenpotenzial des und zusätzlich über die Spenden vieler, vieler
Flussbades für Berlin? Unterstützer.
Der ökonomische Nutzen des Projektes ist, dass
die Qualität des Lebensraums, für die vielen Was war Ihre Motivation Jury-Mitglied des
Menschen, die in den dichten Schüler-Wettbewerbs zu werden bzw. mit der
Innenstadtbezirken Berlins wohnen, steigt. Auch „Big Jump Challenge 2012“ zu kooperieren?
Berlin als “Sehnsuchtsort”, als eine Stadt, die Wir brauchen noch viel mehr Ideen, Projekte und
deshalb lebt, weil Touristen und Zuziehende in Menschen, die etwas machen. Es braucht einen
ihr etwas Besonderes sehen können, profitiert langen Atem, alte Strukturen zu verändern. Wir
von diesem originellen neuen Aspekt einer sind uns darüber im Klaren, dass alle Projekte
“kreativen” Großstadt. Vor allem auch, weil das für eine positive Veränderung der Situation nur
Projekt sich nicht als Gegenentwurf zu der auf dann einen Sinn haben, wenn Sie auf einer
Repräsentation angelegten Stadtentwicklung breiten Basis entwickelt werden.
(Wiederaufbau des Schlosses,…) der Generation
der Älteren versteht, sondern als ein Was ist bisher ihr schönstes Badeerlebnis in
verbindendes Element, welches neue einem See oder Fluss?
Nutzungsmöglichkeiten schafft ohne etwas Früher war ich kein guter Schwimmer. Dann bin
Anderes dafür verbieten zu müssen. ich mal in einem See geschwommen und
Deshalb und auch, weil die Idee ja eben nicht plötzlich nach 400m ohne Wende- oder
darin besteht Zäune aufzubauen und Eintritt zu Ausweichmanöver ist bei mir der Groschen
nehmen, soll das Flussbad wie andere typische gefallen, wie das geht. Wahrscheinlich glaube
Projekte des öffentlichen Raums, Parks etwa, ich seitdem, dass Schwimmbecken länger als
oder auch die heutige Nutzung als 50m sein sollten.
Schifffahrtsweg über Steuern finanziert werden
84. Robert Arlinghaus
Wir haben mit unserem
Jurymitglied, dem
Binnenfischerei-Professor Robert
Arlinghaus, über den Fisch des
Jahres, die Probleme von
Flussfischarten und Fisch-
Gefühle gesprochen.
85. Interview Robert Arlinghaus
„Neunaugen“ sind der „Fisch des Jahres 2012“ Neunaugen sind bei der Vermehrung auf gut mit
in Deutschland. Was zeichnet diesen Fisch aus Sauerstoff durchströmte Kiesbereiche in
– neun Augen? Oberläufen von Bächen und Flüssen angewiesen.
Streng genommen sind Neunaugen gar keine Durch Aufstau der Gewässer und der damit
Fische, sondern Rundmäuler. Im Unterschied zu verbundenen Verschlammung der Laichplätze sind
den echten Fischen haben Neunaugen keine kiesige Gebiete rar geworden, was sich dann
Kiefern und ein einfacheres Skelett. Es gibt negativ auf das Aufkommen der Neunaugen
mindestens drei Neunaugenarten in Deutschland – auswirkt.
Bachneunaugen, Flussneunaugen und
Meerneunaugen. Der Name Neunauge leitet sich
ab von den kleinen Kiemenöffnungen an der Seite,
die wie insgesamt neun Augen aussehen.
Neunaugen kennzeichnet eine ganz besondere
Lebensweise, da diese Tiere parasitisch von
anderen Fischen leben. Mit dem Rundmaul haften
sich Neunaugen an der Haut von Fischen fest und
„raspeln“ Haut und Schuppen ab.
Diese aalähnliche Art ist 500 Millionen Jahr alt,
jetzt steht er auf der „roten Liste“ für
gefährdete Tierarten. Wie konnte das
passieren?
86. Interview Robert Arlinghaus
Wenn wir als Neunaugen, Forellen oder Tatsächlich wissen wir über das Gefühlsleben
Hechte durch Rhein, Elbe und Co. von Fischen sehr wenig. Eindeutig sind Fische
schwimmen, was sind eigentlich die mit zum Teil erstaunlichen Fähigkeiten
wichtigsten Herausforderungen für „gute ausgestattet, aber ob Emotionen im Spiel sind,
Fahrt“ in deutschen Flüssen? ist gänzlich ungeklärt.
Die chemische Wasserqualität ist heute nicht Nichtsdestotrotz kann man das Wohlbefinden
mehr das große Problem. Das war zur Blütezeit von Fischen durch unangemessene
der Industrialisierung noch ganz anders. Heute Behandlung, Verletzung, schlechte
sind vor allem die Eindeichung, der Verlust von Haltungsbedingungen in Aquarien oder der
Überflutungsflächen und die vielen Fischzucht beeinflussen. Fische werden dann
Wanderhindernisse durch Wehre, Staue oder krank, verhalten sich sonderbar und sterben
Kleinkraftwerke das größte Problem für schleichend.
Flussfischarten. Gute Fahrt erreicht man also
durch die Renaturierung natürlicher
Überflutungsflächen sowie durch die
Abschaffung von Wanderbarrieren.
„Gute Fahrt“ ist ja auch eine Bewertung –
aber haben Fische überhaupt
(Glücks)gefühle? Was wissen wir über Glück
und Wohlbefinden von Fischen?
87. Interview Robert Arlinghaus
Eine persönliche Frage an den Fisch-Prof: Wenn Die Big Jump Teilnehmer sich für
Wie bist Du zu Deinem Thema Fische in deutschen Flüssen und Seen
Binnenfischerei gekommen? Was interessiert einsetzen wollen, wofür lohnt es sich
und fasziniert Dich? besonders zu springen?
Ich war schon immer engagierter Angler, mich Es lohnt sich für die Renaturierung der
haben Wasser und die Fischerei schon immer Gewässer zu springen, insbesondere die
fasziniert. Was lag da also näher, als mein Wiederherstellung natürlicher
Hobby zum Beruf zu machen. Ich befasse mit Abflussbedingungen und die Bewahrung
der Erforschung von Fischen und dem Schutz natürlicher Uferstrukturen. Das ist eine große
von natürlichen Fischbeständen sowie mit gesellschaftliche Aufgabe, die sicher nur in
Fragen der Überfischung. Dazu führen wir viele weniger besiedelten Gewässer großräumig
Experimente in Seen und Flüssen durch. umgesetzt werden kann.
Aber dann lohnen auch die kleinen Maßnahmen,
vor allem die Wasserkraft ist für Fische
problematisch.
88. Sven Christian
Sven Christian ist Spezialist in
ganzheitlicher
Regionalentwicklung. Wir haben
mir ihm über die Geschichte des
Finowkanals, seine Begeisterung
für den Big Jump und seine
Erfahrungen mit den Behörden
gesprochen.
89. Ein etwas in Vergessenheit geratener Wasserlauf
ist der Finowkanal. Dabei ist er die älteste
künstlich angelegte Wasserstraße, die als
Bundeswasserstraße noch mit dem Schiff
befahren werden kann. Ein erster Kanal wurde
schon Anfang des 17. Jahrhunderts errichtet.
Nach seiner Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg
wurde er Mitte des 18. Jahrhunderts
wiederhergestellt. Bis zur Eröffnung des Oder-
Havel-Kanals im Jahr 1914 war er eine
frequentierte Binnenwasserstraße. In den 60-er
Jahren fuhr das letzte Frachtschiff durch den
Kanal.
Aufgrund der sich daran anschließenden
extensiven Nutzung hat sich an den Ufern eine
üppige Vegetation entwickelt. Der Kanal gewann
einen flussähnlichen Charakter. Der Treidelweg,
von dem die Schiffe einst mit Muskelkraft
gezogen wurden, ist heute ein durchgängiger
Fahrradweg. Am Fluss ist der Tourismus heute ein
großer Faktor. Wie sieht es aber mit dem
Wassertourismus aus? Welche
Herausforderungen muss sich der Fluss heute
noch stellen? Über diese Fragen sprachen wir mit
Sven Christian. In seinem Eberswalder
Ingenieursbüro erstellt er nicht nur Konzepte für
punktuelle Flussbadenutzungen, sondern ist
Experte für eine ganzheitliche
Regionalentwicklung an Flüssen.
90. Interview Sven Christian
Guten Tag Herr Christian. Wie kam es zu Freizeitmöglichkeiten am Fluss und natürlich
Ihrem beruflichen Interesse an der auch im Fluss.
Flussbadenutzung? Anlass war übrigens die Begegnung mit einem
Mit Flussbadenutzungen lassen sich Umwelt- älteren Ehepaar. Wir standen an einem Fluss
und Naturerfahrungen oft mitten in den und unterhielten uns. Dabei kamen wir auch
Städten machen. Wendet man den berühmte auf den Fluss zu sprechen und sie sagten mir,
Slogan „Was ich kenne, das möchte ich auch dass sie in diesem Fluss schwimmen gelernt
schützen“ auf diese Erfahrung an, kann eine hätten - für mich damals unvorstellbar. An
etablierte Flussbadenutzung auch im demselben Fluss hatte ich meine Kindheit
Umkehrschluss dazu beitragen unsere Flüsse verbracht und war niemals „drin“. Er stank und
nachhaltig von Schadstoffeinleitungen zu sah nicht einladend aus. Der Fluss ist heute
schützen. Da ich aus dem Bereich aber auch wieder so einladend zum Baden wie
der„nachhaltigen Landnutzung“ komme, bin vor ca. 60-70 Jahren.
ich an beiden Komponenten der Thematik Wie ist Ihr Bezug zum Finowkanal?
interessiert. Aufgrund seines über Jahrzehnte entwickelten
Natürlich sehe ich auch berufliche eher natürlichen Charakters und seiner
Perspektiven. Meine Auftraggeber, wie Städte historischen Elemente, wie handbetriebene
und Gemeinden, haben den Anspruch ihren Schleusen, Schleusenwärterhäuser etc., stellt
Bürgern eine hohe Lebensqualität zu bieten. der Finowkanal eine Perle des Finowtales dar.
Dazu gehören auch die Lebens- und Aber die Perle muss noch geputzt werden!
Dazu möchte ich beitragen.
91. Interview Sven Christian
Ich selbst bin öfter auf dem Kanal mit dem kommunale oder Industrieabwässer, gibt es nicht
Paddelboot unterwegs, allein oder mit Freunden, mehr. Aber aufgrund eines in Teilen veralteten
nutze den Treidelweg und gehe am Messingwerk Kanalnetzes der ZWA (nicht ausreichend
das ein oder andere Mal baden. Mit dem Bau der dimensionierte Rohre/Überläufe bzw.
Stadtpromenade und der Öffnung der Stadt hin Einleitungen aus alten/nicht mehr bekannten
zum Finowkanal hoffe ich auch im Stadtzentrum Kanalteilstücken) sind doch des Öfteren diese
baden gehen zu können. Ein Ein- und Ausstieg unbeabsichtigten Einleitungen festzustellen.
zum Wasser ist vorgesehen! Probleme gibt es noch beim Sediment aufgrund
der mehr als 300-jährigen Industriegeschichte.
Durch die Abwässer wurde der Finowkanal in
der Vergangenheit geschädigt, heute gibt es Gibt es alternative Konzepte für die Nutzung
kaum noch Industrie in der Region. Wie hat des Kanals?
sich die Wasserqualität verändert? Freizeit- und Tourismusnutzung des Kanals steht
Nach der EU-Badegewässer-Richtlinie werden im Vordergrund. Wie diese stärker auf dem
(fast nur) hygienische Parameter zur Beurteilung Wasser entwickelt werden kann ist derzeit
der Badetauglichkeit eines Gewässers Diskussionsgegenstand in verschiedenen
herangezogen. Diese hygienischen Parameter Gremien der Stadt und der Öffentlichkeit.
lassen wir zumindest vor jedem Flussbadetag
durch das Gesundheitsamt am geplanten
Badeort überprüfen. Bisher zeigten alle Werte
Badetauglichkeit des Finowkanals an. Illegale
Einleitungen im engeren Sinne, seien es
92. Interview Sven Christian
Im letzten Jahr haben Sie sich am Big Jump Wo könnten Teilnehmer des Wettbewerbs
beteiligt. Welche Resonanz gab es von den im Bereich des Finowkanals in das Wasser
Teilnehmerinnen und Teilnehmern? springen?
Es ist eine schöne Veranstaltung, an einem Am Messingwerkhafen in Eberswalde/Stadtteil
schön gestalteten Ort am Finowkanal Finow, am Steg des Kanusportclubs.
(Messingwerkhafen). Jährlich kommen mehr
Menschen. Ziel ist es weiterhin die Möchten Sie den Teilnehmerinnen und
Öffentlichkeit auf den Kanal aufmerksam zu Teilnehmern der Big Jump Challenge noch
machen und durch die Badenutzung einen etwas „mit auf den Sprung“ geben?
(neuen) Bezug zum Gewässer herzustellen. Nutzt die Gelegenheit! Springt zum Badetag in
Das große Ziel ist natürlich die durchgängige euren Fluss und ggf. auch im Alltag!
„Beschwimmbarkeit“ des Kanals. Dazu
müssten wir an das Sediment ran.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den für das
Gewässer zuständigen Behörden?
Sehr gut. Durch den Badetag und den Bau der
Stadtpromenade ist auch das ZWA für die
Thematik sensibilisiert und bemüht sich
auftretende Einleitungen so schnell wie
möglich zu beheben.
94. Die Big Jump Challenge wird organisiert von
einem Verbund aus Umweltorganisationen,
gemeinnützigen Organisationen und einer sozial-
ökologischen Forschungsgruppe in Partnerschaft
mit dem Europäischen Flussnetzwerk.
GETIDOS, die sozial-ökologische
Forschungsgruppe an der Universität Greifswald
und dem Institut für ökologische
Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin, untersucht
die Rolle und das Potential von Social
Entrepreneurship, nachhaltige Problemlösungen
im Wassersektor umzusetzen.
95. Das betterplace lab ist die Forschungsabteilung
von Deutschlands größter Spendenplattform
betterplace.org und will soziales Handeln durch
den Einsatz digitaler Technologien wie Internet
und Mobiltelefonie verändern und verbessern.
Viva con Agua de Sankt Pauli e.V. (VcA) ist ein
international tätiger, gemeinnütziger Verein mit
Ursprung in Hamburg – St. Pauli. Die vorrangigen
Ziele des Vereins sind die Verbesserung der
Trinkwasserversorgung in Entwicklungsländern
mit dem Partner “Die Welthungerhilfe” und somit
Zugang zu sauberem Trinkwasser für alle;
Umweltschutz, insbesondere Gewässerschutz;
Schärfung des Bewusstseins aller Menschen für
das globale Thema Wasser und Bereitstellung
einer sozialen Plattform, die jeder mitgestalten
kann!
96. Grüne Liga – Das Netzwerk ökologischer
Bewegungen und die Experten zum Thema
Europäische Wasserrahmenrichtlinie.
Deutsche Umwelthilfe – Seit 1975 setzt sich der
gemeinnützige und bundesweit tätige Verband für
den Schutz von Umwelt und Natur ein und hat
2002 zusammen mit anderen Partnern den ersten
internationalen Elbebadetag veranstaltet. Seit
1997 gibt es eine intensive Zusammenarbeit mit
Schulen im Netzwerk „Schulen für lebendige
Flüsse“.
97. Der Global Nature Fund (GNF) ist eine
unabhängige, internationale Stiftung für Umwelt
und Natur. Im Rahmen des internationalen
Netzwerks Living Lakes arbeitet der GNF
gemeinsam mit seinen Partnern an der Förderung
von Initiativen zur nachhaltigen Entwicklung in
Seenregionen.
Das European Rivers Network (ERN) ist ein
europäisches Informations- und Arbeitsnetzwerk
von Organisationen und Einzelpersonen für den
Schutz der Flüsse und ein nachhaltiges
Wassermanagement.